Böller mit Rückschlag

+++ Der 1. FC Köln hat von einem Fußballfan 30.000 Euro erstritten. Der Mann hatte im Stadion Böller geworfen, weswegen der Fußballverein rund 80.000 Euro aufwenden musste – unter anderem als Strafzahlung an den DFB. Das Landgericht Köln meint, hierfür sei der Fußballfan zumindest teilweise ersatzpflichtig. +++

+++ Kostenlose Anzeigenblätter dürfen sich nicht gegenseitig behindern. Ein Verleger hatte an Haushalte Aufkleber für die Briefkästen verteilen lassen, die nur den Einwurf seiner Gratiszeitung erlaubten. Wettbewerbswidrig, entschied das Brandenburgische Oberlandesgericht. +++

+++ Die Mini-Job-Zentrale wollte Billiarden Euro von einer Versicherten haben. Leider wird der 16-stellige Betrag wohl nicht fließen. Eine Mitarbeiterin hatte sich vertippt. Die Rentenkasse bleibt also weiter unsaniert. +++

+++ Bußgeldbehörden freuen sich nicht immer über Rechte, die Betroffene haben. Die gesetzlich vorgeschriebene Belehrung fällt deswegen gerne schon mal schwammig aus. Ein außerordentlich kreatives Bespiel schildert Carsten R. Hoenig in seinem Blog. +++

+++ Die deutschen Auslandsvertretungen müssen nur Deutschen helfen. Ein seit langem in Deutschland lebender Spanier hatte sich hilfesuchend an das deutsche Konsulat auf Mallorca gewandt, aber keine Unterstützung erhalten. Zu Recht, finden die Richter. Es komme auf die deutsche Staatsangehörigkeit an, nicht auf den Wohnsitz in Deutschland (Aktenzeichen VG 34 K 268.14). +++

Junge Richter sollen Asylverfahren entscheiden

+++ In Asylverfahren sollen künftig auch ganz junge Richter alleine entscheiden dürfen. Das Land Sachsen hat eine entsprechende Gesetzesänderung eingebracht. Bisher dürfen Richter nur nach mindestens sechs Monaten Diensterfahrung über Asylanträge entscheiden. +++

+++ Ein Pfand für nicht zurückgegebene SIM-Karten ist und bleibt unzulässig. Das gilt auch für den Fall, dass der Kunde sein Pfand wiederbekommt, wenn er irgendwann die SIM-Karte zurücksendet. Nach Auffassung des Gerichts haben Mobilfunkbetreiber überhaupt kein Interesse daran, alte SIM-Karten zurückzubekommen. Insbesondere sei kein einziger Fall bekannt, in dem abgelaufene SIM-Karten missbraucht wurden (Aktenzeichen 2 U 6/14). +++

+++ Ein Richter am Amtsgericht Bochum will dem Deutschen Kinderschutzbund keine Geldauflagen mehr zukommen lassen. Er reagiert damit auf die Weigerung des niedersächsischen Landesverbandes, die gerichtliche Geldauflage im Fall Sebastian Edathy zu akzeptieren. +++

+++ Ein 55-jähriger Steuerberater ist wegen Mordes verurteilt worden. Er hat gestanden, einen Abteilungsleiter im Finanzamt Rendsburg erschossen zu haben. Die Waffe, eine Beretta, will er bei der Besprechung über seine privaten Finanzverhältnisse zufällig dabei gehabt haben. +++

Faktische Folter

Der Fall Thomas Middelhoff stößt eine Debatte an – über die Haftbedingungen in deutschen Gefängnissen. Konkret geht es um permanenten Schlafentzug, den Middelhoff nach eigenen Angaben in den ersten Monaten seiner Untersuchungshaft erdulden musste.

Knapp 30 Tage ist laut Berichten bei Middelhoff mindestens alle 15 Minuten das Licht angeschaltet, durch die Sichtklappe geschaut und gegebenenfalls seine Zelle betreten und er geweckt worden. Das Prozedere wird von der Haftanstalt wohl nicht in Abrede gestellt, sondern als Suizidprävention gerechtfertigt.

Bei Middelhoff könnte die „Vorsorge“ allerdings konkrete Schäden verursacht haben. Er soll nun an einer Immunschwäche erkrankt sein, wofür seine Anwälte die permanente Überwachung verantwortlich machen.

Eine Haftanstalt ist natürlich verpflichtet, dem Selbstmord eines Inhaftierten vorzubeugen. Das ist keine Frage. Selbst wenn man bei Middelhoff aber ein Suizidrisiko unterstellt (was für mich angesichts der relativ geringen Strafe von drei Jahren brutto und der damit einhergehenden Aussicht auf offenen Vollzug nach wie vor kaum nachvollziehbar ist), stellt sich aber die Frage, wie die Prävention abläuft.

Wie in vielen anderen Bereichen auch, steht die Zeit in deutschen Haftanstalten still. Infrarot- und Wärmebildkameras wären wohl eine naheliegende Möglichkeit, bei tatsächlich siuzidgefährdeten Gefangenen genau so gut und weniger entwürdigend Vorsorge zu leisten. Gibt es aber nicht. Und dann ist da natürlich der obligatorische Hinweis nicht fern: Haben wir schon immer so gemacht.

Nicht ganz zu Unrecht sieht sich die Justiz jetzt mit dem Vorwurf konfrontiert, sie wende – nicht nur bei Middelhoff – Methoden an, die sich nur durch den fehlenden Vorsatz zur Quälerei von Folter unterscheiden. Mit welchen Motiven jemand gequält wird, ist zumindest dem Betroffenen, um dessen Menschenrechte es geht, aber regelmäßig ziemlich egal.

Rot ist auch mal grün

Wer bei Rot eine Ampel überfährt um einem Sondereinsatzfahrzeug mit Blaulicht Platz zu machen, geht gewöhnlich straffrei aus, selbst wenn er dabei geblitzt wird. Es darf allerdings weder links noch rechts Platz zum Ausweichen gewesen sein sein. Darauf weist der ACE Auto Club Europa hin.

Sofern möglich, sollte man sich die Kontaktdaten eines anderen Autofahrers als Zeugen notieren. Oder zumindest das Kennzeichen des Einsatzfahrzeugs aufschreiben. Wer nicht nachweisen kann, dass er einem Einsatzfahrzeug Platz gemacht hat, dem drohen bei einer Rotphase von mehr als einer Sekunde 200,00 Euro Bußgeld, zwei Punkte und ein Monat Fahrverbot.

Zweiter Wohnsitz ist Privatsache

Wer berufsbedingt einen doppelten Haushalt führen muss, hat erhöhte Ausgaben. Aber oft auch die Möglichkeit, die Mehrkosten steuerlich abzusetzen. Das Finanzgericht Hamburg erklärt in einem Urteil, dass es eine Mindestentfernung für den zweiten Wohnsitz gibt.

Geklagt hatte eine Frau, die nach eigenen Angaben bei ihrem Lebensgefährten außerhalb Hamburgs wohnt. Da sie 36 Kilometer bis zu ihrem Arbeitsplatz in der City pendeln muss, behielt sie ihre Stadtwohnung und wollte die gesamten Mehrkosten von der Steuer absetzen. Das Finanzamt wollte nur übliche Fahrtkosten übernehmen, die weit niedriger liegen.

Die Fahrtzeit für die Frau schätzt das Finanzgericht auf maximal eine Stunde. Solche Zeiten seien gerade in Ballungsräumen nicht nur zumutbar, sondern fast schon üblich. Ein knappe Stunde Pendelzeit sei für einen doppelten Wohnsitz jedenfalls zu wenig. Es komme auch nicht darauf an, ob der Hauptwohnsitz in einer anderen Gemeinde liege als der Arbeitsplatz. Zumindest in Ballungsräumen („Speckgürtel“) komme es nicht auf politische Gemeindegrenzen an (Aktenzeichen 2 K 113/14).

Wer zahlt für Referendare?

In ihrer Ausbildung lernen Rechtsreferendare auch außerhalb von Behörden, etwa bei Anwälten oder in der sogenannten Wahlstation. Wer trägt für diese Zeit die Sozialabgaben?

Das Bundessozialgericht sieht in einem aktuellen Urteil die Länder in der Pflicht. Das kann für derzeitige Referendare Nachzahlungen bedeuten, für künftige aber auch eine Verschlechterung. Näheres weiß die Legal Tribune Online.

Strikte Anweisungen

In einer Strafsache wollte ich mich bei der Staatsanwaltschaft als Verteidiger melden. Mein Mandant konnte mir aber nur den Durchsuchungsbeschluss des Amtsgerichts geben. Auf diesem war lediglich das Aktenzeichen des Gerichts vermerkt und nicht, wie eigentlich üblich, auch das Aktenzeichen der Staatsanwaltschaft.

Ich rief also auf der Geschäftsstelle des Ermittlungsrichters an, nannte das Aktenzeichen des Gerichts und fragte, ob ich vielleicht das Aktenzeichen der Staatsanwaltschaft haben kann. „Am Telefon darf ich leider keine Auskunft geben“, flötete die Mitarbeiterin. Auch mein Einwand, die Frage nach einem korrelierenden Aktenzeichen einer anderen Behörde sei ja nun eher wenig sensibel, fruchtete nicht. „Wir haben da strikte Anweisungen.“

„Okay“, sagte ich. „Ist für mich kein Problem. Dann schicke ich mein Bestellungsschreiben halt an Sie. Dann müssen Sie es halt an die Staatsanwaltschaft weiterleiten. Mir kommt’s in dieser Sache nicht auf einen oder zwei Tage an.“

Die Aussicht auf zusätzliche Arbeit veränderte die datenschutzrechtliche Situation spontan. „Bevor wir jetzt diesen Umweg machen“, hieß es, „suche ich Ihnen das Aktenzeichen kurz raus.“

Ich bedankte mich.

Ein „Hallo“ bleibt vor Gericht unerhört

+++ Die Rente mit 54 bleibt einem Thüringer Beamten verwehrt. Er wollte sich per Gerichtsbeschluss in den Ruhestand versetzen lassen, weil er unter der von einem Linken geführten Regierung nicht arbeiten kann. Das Verwaltungsgericht Gera, das insoweit ordnungsgemäß Dienst tat, sieht schon keinen Gewissenkonflikt.

Der Mann sei ohnehin „nur“ als Sachbearbeiter bei der Landesanstalt für Umwelt tätig. Da komme es auf politische Bekenntnisse eher wenig an. Das Gericht gibt dem Kläger noch den Tipp, dass er jederzeit selbst kündigen kann (Aktenzeichen 1 E 132/15 Ge). +++

+++ Wie groß müssen Bundespolizisten sein? Eine Bewerberin mit zwei juristischen Staatsexamen wollte in den höheren Polizeivollzugsdienst, wurde aber mit ihren 1,58 Zentimetern Körpergröße gar nicht berücksichtigt. Frauen bei der Bundespolizei sollen mindestens 1,63 Meter, Männer sogar 1,65 Meter groß sein.

Das Schleswig-Holsteinische Verwaltungsgericht sieht keine „belegten Gründe“ für diese Anforderungen. Überdies kritisieren die Richter, dass nicht erkennbar ist, warum Männer und Frauen auch noch ungleich behandelt werden. Der Klägerin wurde eine finanzielle Entschädigung zugesprochen (Aktenzeichen 12 A 120/14). +++

+++ Ein Windows-Zwangsupdate blockierte den Matchcomputer bei einem Spiel des Basketballclubs Finke Baskets aus Paderborn. Da die Verzögerung mehr als 15 Minuten betrug, wurde das Spiel der Baskets entsprechend der Regeln als verloren gewertet – obwohl sie gewonnen hatten. Das hat einen Ligaabstieg zur Folge. Die Baskets wollen jetzt juristisch klären lassen, wie weit das „Verschulden“ im Umgang mit Betriebssystemen reicht. +++

+++ Jetzt vergreifen Sie sich mal nicht im Ton. Das Amtsgericht München beantwortet keine Mails, die mit „Hallo“ beginnen. +++

„Mangelhaft“

Vor einiger Zeit berichtete ich hier über einen Durchsuchungsbeschluss des Amtsgerichts Münster, in dem im wesentlichen nichts stand. Das lag daran, dass die zuständige Richterin sich nicht die Mühe gemacht hatte, einen eigenen Text zu formulieren. Vielmehr verwies sie mit spitzen Klammern auf Textpassagen aus anderen Aktenteilen. Diese durfte der Mitarbeiter der Geschäftsstelle dann zusammenpfriemeln.

Das Landgericht Münster hat jetzt über meine Beschwerde entschieden. Und findet zu der Praxis klare Worte:

Gemäß § 34 StPO ist ein anfechtbarer Durchsuchungsbeschluss zu begründen. Dabei ist es grundsätzlich geboten, jedenfalls die wesentlichen tatsächlichen Umstände darzulegen, aus denen sich der Tatverdacht ergibt. Eine solche Darlegung ist im angefochtenen Beschluss jedoch nicht erfolgt.

Abzustellen ist bei der Prüfung nicht auf die Ausfertigung durch die Geschäftsstelle, sondern auf den vom zuständigen Richter unterschriebenen Beschluss. Im vorliegenden Fall enthält der richterlich unterzeichnete Beschluss die oben wiedergegebenen Anweisungen an die Geschäftsstelle, bestimmte Textpassagen aus der Akte in die Beschlussbegründung einzufügen.

Hierdurch hat der zuständige Richter einer nicht zur Entscheidung berufenen Person die Anweisung zur Ergänzung der fehlenden Angaben ohne richterliche Kontrolle und Verantwortungsübernahme erteilt. Die so erstelllten Ausfertigungen geben nicht das Beschlussoriginal wieder und sind von der Unterschrift des Richters nicht gedeckt.

Die Begründung des Beschlusses ist aus sich selbst heraus nicht verständlich. Eine solche Vorgehensweise entspricht nicht dem Gesetz.

Der zuständigen Amtsrichterin attestiert die Strafkammer, sie habe „mangelhaft“ gearbeitet.

Im Ergebnis sieht das Landgericht aber keinen Grund, den Beschluss aufzuheben. Das Landgericht sieht sich nämlich berechtigt, die fehlende Begründung der Durchsuchungsanordnung für das Amtsgericht nachzuholen. Was dann in der Beschwerdeentscheidung auch formal korrekt passiert. Etwas anderes wäre es laut dem Landgericht gewesen, wenn auch die Anordnung der Durchsuchung mit spitzen Klammern infiziert gewesen wäre. Das hätte man nach Auffassung des Gerichts nicht heilen können.

Nun ja. Es wird interessant sein, ob die betreffende Amtsrichterin künftig korrekte Beschlüsse erstellt. Oder ob sie im Interesse der Arbeitsersparnis ihrer Übung treu bleibt. Dann wäre allerdings die Frage, wie lange das Landgericht bereit ist, auf entsprechende Beschwerden hin jeweils die Arbeit der Richterin zu machen und die Begründung nachzuholen.

Knallhart recherchiert

Bei einer Geldstrafe dürfen Richter das Einkommen schätzen. Jedenfalls so lange sich der Angeklagte nicht dazu äußert.

In einem Fall ging es um die Frage, was der Ehemann meiner Mandantin verdient. Sein Einkommen wird, wie bei Eheleuten nun mal üblich, indirekt berücksichtigt. Meine Mandantin machte keine Angaben zum Verdienst ihres Mannes. Vielleicht konnte sie es auch nicht. Das schlug sich im Urteil so nieder:

Das Gericht geht insoweit jedoch davon aus, dass der Ehemann der Angeklagten, der als selbständiger Gynäkologe tätig ist, den Unterhalt für die gemeinsame Tochter trägt. Insoweit geht das Gericht davon aus, dass der Ehemann der Angeklagten einen jährlichen Reinertrag von mindestens 145.000 € erzielt (Quelle: Handelsblatt vom 15. August 2013*).

Der Angeklagten steht also zumindest ihr Nettoeinkommen in vollem Umfang zur Verfügung…

Das ist zumindest eine Argumentation, die nicht im luftleeren Raum schwebt. Wir haben das dann auch nicht weiter verfolgt, so viel kann ich verraten.

*Ich habe auf eine ähnliche, noch auffindbare Meldung verlinkt.

Andere Umstände

+++ Das Amtsgericht Berlin hat einen Polizisten wegen Falschaussage zu einer Geldstrafe verurteilt. Der Beamte hatte mit seiner Aussage einen Kollegen in Schutz genommen, der einem Demo-Zaungast ohne Grund Pfefferspray ins Gesicht sprühte. Eine private Videoaufnahme belegte für das Gericht eindeutig, dass der Beamte für seinen Kollegen log. +++

+++ Tankstellen mit Gaststättenerlaubnis dürfen in Baden-Württemberg auch nachts Alkohol verkaufen. Die Lizenz umfasse auch den „Gassenschank“, entschied der Verwaltungsgerichtshof in Mannheim. Das seit 2010 geltende Nachtverkaufsverbot schränke die Gaststättenerlaubnis nicht ein (Aktenzeichen 6 S 844/14). +++

+++ Ziemlich teuer kommt einer Gastfamilie aus Deutschland die Beschäftigung eines Au-pair-Mädchens aus Peru. Die junge Frau verschwieg ihren Gasteltern bei der Einreise, dass sie schwanger ist. Sie brachte dann in Deutschland ein Kind zur Welt.

Unter anderem für die damit verbundenen Kosten muss nun die Familie aufkommen, weil sie sich gegenüber dem Ausländeramt hierzu verpflichtet hatte. Das Verwaltungsgericht Düsseldorf konnte und wollte den Gasteltern nicht helfen. Eine „Staatshaftung“ für andere Umstände gibt es nach Auffassung der Richter nicht. +++

+++ Das Kunstmuseum Bern hat den Nachlass des Kunstsammlers Nikolaus Gurlitt geerbt, so das Amtsgericht München. Gurlitt sei im Besitz seiner geistigen Kräfte gewesen, als er das Museum zum Alleinerben einsetze. Die Cousine Gurlitts, die als gesetzliche Erbin in Frage kommt, kann den Beschluss anfechten. +++

+++ Über die Seite fragdenstaat.de fordert jemand – vermutlich ein Schüler – Akteneinsicht vom Schulministerium NRW. Und zwar in die Prüfungsunterlagen zum anstehenden Abitur. Er begründet seinen Antrag formal korrekt mit dem Informationsfreiheitsgesetz. Zu viel Hoffnung sollte er sich allerdings nicht machen. Es gibt ja auch Ausschlusstatbestände, etwa ein vorrangiges öffentliches Interesse an der Geheimhaltung. +++

Schmalspurjuristin

3.000 Euro Geldstrafe soll ein Rechtsanwalt zahlen. Er hatte eine Amtsanwältin als „Schmalspurjuristin“ bezeichnet, die nicht in der Lage sei, auf der Klaviatur des Rechts zu klimpern.

Tatsächlich müssen Amtsanwälte im Gegensatz zu „richtigen“ Staatsanwälten in den meisten Bundesländern nicht für das Richteramt befähigt sein. Deshalb sind sie auch „nur“ für kleinere Delikte zuständig.

Das Amtsgericht Limburg sah in der Äußerung des Anwalts aber nicht nur eine Tatsachenbeschreibung. So wollte der Jurist seine Äußerung gern verstanden wissen. Es sei nach den Umständen deutlich, dass es der Anwalt sein Gegenüber diffamieren wollte. Das reicht für eine Strafbarkeit nach deutschem Recht.

Auslöser des Streits war ein Einstellungsbeschluss, mit dem die Amtsanwältin eine Strafanzeige des Anwalts in eigener Sache ad acta gelegt hatte.

Der Anwalt lehnte es ab, sich bei der Amtsanwältin zu entschuldigen. In diesem Fall wäre das Gericht bereit gewesen, das Verfahren gegen eine Geldauflage einzustellen.

Stattdessen hofft der Jurist auf mehr Glück in der nächsten Instanz.

Urteil pro Wohnungsbesitzer

Wer eine Wohnung besitzt, ist kraft Gesetzes Mitglied einer Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG). Gelten für solche Gemeinschaften die Schutzregeln für Verbraucher, etwa beim Kleingedruckten in Verträgen?

Ja, sagt der Bundesgerichtshof. Wenn nur ein einziges WEG-Mitglied Verbraucher ist, ist die gesamte Gemeinschaft dem Schutz des Verbraucherrechts unterstellt. Die Richter begründen dies damit, dass WEGs Zwangsgemeinschaften sind. Dadurch dürfe der Schutz einzelner nicht velorengehen.

Die klagenden Gemeinschaften können damit zum Beispiel Preisanspassungsklauseln in Stromlieferverträgen kippen, die bei bei gewerblichen Kunden für rechtmäßig betrachtet wurden (Aktenzeichen VIII ZR 243/13, VIII ZR 360/13 und VIII ZR 109/14).

Der Weg zu einem milden Urteil

Manchmal muss man auch auf Zeit spielen. Oder besser: auf Zeit spielen lassen. Nahezu perfekt klappte das jetzt in einer Verkehrsstrafsache. Es ging um Fahrerflucht.

Der Vorwurf ging an sich in Ordnung. Immerhin gelang es in erster Instanz schon mal, den tatsächlich entstandenen Schaden in Frage zu stellen. Das war nicht sonderlich schwer. Der Geschädigte hatte einen Kostenvoranschlag über mehr als 2.000 Euro vorgelegt. Allerdings hatte der Kostenvoranschlag einen kleinen Mangel. Er datierte von April 2012; die Unfallfahrt war aber erst im Juni 2013. Fotos von der angeblichen Beule gab es nicht.

Der Amstsrichter hatte sichtlich keine große Lust, sich mit solchen Fragen rumzuschlagen. Und etwa die Zeugen intensiver zu befragen, ob hier vielleicht jemand trickst. Das gerichtliche Angebot lautete also: keine schmerzhafte Entziehung der Fahrerlaubnis, sondern nur ein dreimonatiges Fahrverbot. Okay, ein Etappensieg.

Kein unwichtiger allerdings, denn gegen so ein Urteil kann man ja in Berufung gehen. Dabei landet man am Landgericht, wo es etwas langsamer zugeht. Schon wegen der Arbeitsbelastung der Richter mit komplizierteren Fällen. Hinzu kamen hier diverse Krankheitsfälle und ein Richterwechsel. Der Verhandlungstermin ließ immer länger auf sich warten. Auch nichts Ungewöhnliches.

Nach eindreiviertel Jahren war es nun so weit. Das Gericht sah sich nach einer kurzen Diskussion außer Stande, ein Fahrverbot zu verhängen. Nach so langer Zeit könne das Fahrverbot seine „Denkzettel- und Warnfunktion“ nicht mehr erfüllen.

Ein wenig dankbar muss ich in diesem Zusammenhang dem Staatsanwalt sein. Er hielt meiner Mandantin in seinem Plädoyer ernsthaft vor, sie habe das lange Verfahren doch selbst verursacht – indem sie Rechtsmittel einlegte. Selbst schuld also, wenn man von den Möglichkeiten des Rechtsstaats Gebrauch macht. Ich glaube, ab diesen merk- und denkwürdigen Sätzen war das Fahrverbot endgültig vom Tisch. Mein Schlussvortrag war da echt nur noch Kolorit.