Besoffen auf dem E-Scooter – keine gute Idee

Wer betrunken mit einem E-Scooter fährt, riskiert nicht nur ein mehrmonatiges Fahrverbot. Nein, ihm ist die Fahrerlaubnis komplett zu entziehen, entscheidet das Oberlandesgericht Frankfurt am Main.

Es ging um einen Mann, der nach einem Barbesuch mit 1,64 Promille auf einem E-Scooter angehalten wurde. Das Amtsgericht verhängte eine Geldstrafe und ein Fahrverbot von sechs Monaten. Dagegen ging die Staatsanwaltschaft in Revision, weil ihr das Fahrverbot nicht ausreichte.

Das Oberlandesgericht sagt klipp und klar, dass auch die Fahrt auf einem E-Scooter in der Regel zum kompletten Entzug der Fahrerlaubnis führt. Eine viel geringere Gefährlichkeit als bei einer Autofahrt wollen die Richter nicht gelten lassen. Sie verweisen darauf, dass ein Fußgänger oder ein Radfahrer auch bei einem Zusammenstoß mit dem E-Scooter schwer verletzt werden oder sogar sterben könnten.

Das Amtsgericht muss den Fall nun neu entscheiden und prüfen, ob die „Regelvermutung“, die bei einer einer Alkoholfahrt zur Entziehung der Fahrerlaubnis führt, aufgrund mildernder Umstände nicht doch vorliegt. Große Hoffnungen wird sich der Fahrer aber nach dieser klaren Ansage nicht machen können (Aktenzeichen 1 Ss 276/22).

Erbsenfreies Essen ist keine Pflicht

Eltern können von einer Kindertagesstätte nicht verlangen, dass sie ihrem Kind nur erbsenfreies Essen serviert. Mit einem entsprechenden Antrag sind Eltern aus Brandenburg vor Gericht gescheitert.

Der Fall hat einen ernsten Hintergrund. Das Kind leidet an einer Erbsenunverträglichkeit, die ärztlich bestätigt ist. Allerdings sah sich die Kita nicht in der Lage, erbsenfreies Essen zur Verfügung zu stellen.

Laut dem Verwaltungsgericht müssen Kitas eine gesunde Ernährung und Versorgung gewährleisten. Dazu gehöre auch, dass auf Allergien und andere Unverträglichkeiten Rücksicht genommen wird. Aber all das nur im Rahmen des Möglichen. Es gibt nämlich keine lebensmittelrechtliche Kennzeichnungspflicht für Erbsen, so das Gericht. Deshalb könne schon der Caterer nicht garantieren, dass seine Produkte keine Erbsen oder zumindest Erbsenaroma enthalten.

Vor diesem Hintergrund kann das Gericht den Eltern nur raten, ihrem Kind geeignetes Essen mitzugeben (Aktenzeichen 9 L 51/23).

Rechtsextremer erklagt sich Referendariat in Sachsen

Dürfen Mitglieder oder Funktionäre rechtsextremer Parteien in den juristischen Vorbereitungsdienst? In der Vergangenheit sind Kandidaten mit einem zweifelhaften Verhältnis zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung schon mehrfach abgeblitzt. Ein Jurist klagt sich nach seinem Studium jetzt aber in Sachsen erfolgreich ins Rechtsreferendariat.

Der Jurist war schon in Bayern und Thüringen mit seiner Zulassung gescheitert. Er ist in der rechten Partei „Der III. Weg“ aktiv – die aber nicht verboten ist. Entgegen Gerichten in anderen Bundesländern hat der Verfassungsgerichtshof von Sachsen mit den politischen Aktivitäten des Mannes kein durchgreifendes Problem. Die Begründung hierfür ist jedenfalls durchdacht und klingt überzeugend.

Beim Rechtsreferendariat handelt es sich nämlich um einen Vorbereitungsdienst, und zwar nicht nur für eine Beamtenstellung. Auch künftige Rechtsanwälte müssen den Vorbereitungsdienst absolvieren. Anwälten darf die Berufszulassung aber laut Berufsordnung nur versagt werden, wenn sie die Geltung des Grundgesetzes in „strafbarer“ Weise bekämpfen (§ 7 BRAO). Solche erheblichen Straftaten können dem Bewerber aber nicht nachgewiesen werden. Wenn man ihm aber trotzdem schon den Vorbereitungsdienst verweigere, habe er faktisch keine Chance, später Rechtsanwalt zu werden. Außerdem bedeute ein erfolgreiches Referendariat ja auch nicht, dass der Mann später zum Beamten ernannt werden müsse.

Der Fall könnte nun zur Folge haben, dass das Erfordernis der strafbaren Gegnerschaft zum Grundgesetz bei der Zulassung zur Anwaltschaft gestrichen wird. In diese Richtung gehen jedenfalls aktuelle Pläne aus dem Kreis der Justizminister.

Einzelheiten zu dem Fall schildert die Legal Tribune Online.

Zwei Ärzte können ein Versorgungszentrum sein

„Zentrum für plastische und ästhetische Chirurgie“ – so nannten zwei Ärzte ihre Gemeinschaftspraxis. Ein Konkurrent klagte dagegen. Seiner Meinung nach müssen mehr als zwei Ärzte in der Praxis sein, um sich „Zentrum“ nennen zu dürfen.

Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main hat den Fall nun entschieden. Die Richter betonen zwar, dass die Bürger normalerweise bei einem „Zentrum“ eine überdurchschnittliche Firmenstruktur erwarten. Das gelte in der Wirtschaft, aber nicht im medizinischen Bereich. Denn für das immer mehr verbreitete Medizinische Versorgungszentrum (MVZ) habe der Gesetzgeber keine Mindestgröße bestimmt. Auch eine fächerübergreifende Zusammenarbeit verschiedener Ärzte werde nicht mehr verlangt (Aktenzeichen 2-06 O 209/22).

Gericht klärt Umgangsrecht mit Hund

Wer Miteigentümer eines Hundes ist, hat auch ein entsprechendes Umgangsrecht mit dem Tier. Dies hat das Landgericht Frankenthal entschieden. Zwei Männer hatten nach dem Ende ihrer Partnerschaft um das Tier gestritten – das Gericht ordnete nun ein „Wechselmodell“ an.

Danach muss der Hund alle zwei Wochen zu einem seiner Herrchen ziehen. Hiergegen hatte sich der Beklagte gewandt, bei dem das Tier zunächst geblieben war. Ein Hund sei ein Rudeltier, machte er geltend. Deshalb benötige der Hund eine Hauptbezugsperson, bei der er sich durchgehend aufhalte.

Das Gericht betrachtet dies jedoch nicht als zwingend. Vielmehr wendet es die normalen Regeln über das Eigentum an, welche für Tiere entsprechend gelten. Danach könne jeder Miteigentümer eine faire Regelung verlangen, egal, ob bei Auto, Wohnung oder Haustier. Was dann auf einen zweiwöchigen Wechsel hinauslief. Eine Gefährdung des Tierwohls wollte das Gericht ausdrücklich nicht erkennen.

Das Urteil ist rechtskräftig. Wie es dem Hund aktuell geht, wird leider nicht mitgeteilt (Aktenzeichen 2 S 149/22).

„Zusammenfassung“

Hier seht ihr den wichtigsten Grund, warum man sich im Strafverfahren nicht vorschnell äußern sollte:

Weil es oft schlichtweg nicht notwendig ist. Und man sich im Zweifel nur um Kopf und Kragen reden würde.

Stinkefinger für Radarfalle

In Gera hat ein Autofahrer der Radarfalle einen Stinkefinger gezeigt – obwohl er selbst gar nicht zu schnell unterwegs war. Weil aber im gleichen Augenblick der Wagen auf der Nebenspur geblitzt wurde, hat die Polizei nun ein Beweismittel gegen den Autofahrer. Strafanzeige ist raus.

Juristisch hat der Betroffene schlechte Karten. Denn während ein Radargerät erst mal eher wenig Ehrgefühl haben dürfte, kann die abwertende Geste sich (auch) gegen Beamte vor Ort richten. So zumindest die Auffassung vieler Gerichte. In Passau kostete so ein Stinkefinger im letzten Jahr einen Autofahrer satte 5.000 Euro Geldstrafe.

Selbst wenn die Anlage autonom arbeitet, besteht ein juristisches Risiko. So hat das Bayerische Oberste Landgericht festgestellt, dass sich zeitverzögert auch Bedienstete beleidigt fühlen dürfen, welche die Fotos auswerten. Sollten Emotionen zu sehr hochkochen, ist es auf jeden Fall besser auszusteigen und die Beamten zur Rede stellen. Der Vorwurf der „Wegelagerei“ ist in diesem Kontext von der Meinungsfreiheit gedeckt, so das Oberlandesgericht Düsseldorf.

Pressemitteilung der Thüringer Polizei

„Freispruch“ künftig nur noch unter Vorbehalt?

Im deutschen Strafrecht galt bisher der Grundsatz „ne bis in idem“ (Art. 103 Abs. 2 GG). Danach darf niemand wegen derselben Tat mehrmals bestraft werden. Das hat sich im Dezember 2021 grundlegend geändert. Bei Mord und einigen anderen schweren Delikten wie Kriegsverbrechen ist eine Wiederaufnahme des Verfahrens nun auch möglich, wenn nach einem rechtskräftigen Freispruch neue Beweismittel auftauchen. Theoretisch kann ein Mordprozess also immer wieder neu aufgerollt werden. Ob diese Regelung mit dem Grundgesetz vereinbar ist, beschäftigt nun das Bundesverfassungsgericht.

Anlass ist der wieder aufgenommene Prozess wegen des Mordes an einer im Jahre 1983 getöteten jungen Frau. Der Verdächtige war freigesprochen worden. Im Jahr 2012 konnten jedoch Spermaspuren im Slip des Opfers gefunden werden, die den nunmehr wieder angeklagten Mann belasten sollen. Aufgrund des neu eingeführten § 362 Nr. 5 StPO wurde der Mann erneut angeklagt und sollte in Untersuchungshaft. Das Bundesverfassungsgericht setzte den Haftbefehl jedoch außer Vollzug, um über die neue Vorschrift zu entscheiden.

Gestern fand die mündliche Verhandlung statt. Hierbei prallten verschiedene Meinungen aufeinander, wie die Legal Tribune Online berichtet. Befürworter der Regelung wiesen darauf hin, dass das Grundgesetz vom Wortlaut her nur eine mehrfache Bestrafung verbietet. Den Freispruch muss man in diese Kategorie also hineindenken – was allerdings über Jahrzehnte ernsthaft nicht angezweifelt wurde. Alles andere würde die Vorschrift ja auch in ihrem wichtigsten Anwendungsfall entwerten.

Ansonsten beriefen sich die Befürworter der Regelung darauf, dass dem Staat zumindest bei krassen Strafsachen nicht auf der Nase herumgetanzt werden darf („funktionierende Strafrechtspflege“). Von „exzeptionell schweren Taten“ war die Rede, auch plane niemand eine routinemäßige Überprüfung rechtmäßiger Freisprüche, aber es gebe einen Anspruch auf „effektive Strafverfolgung“.

Die Gegner des neuen Gesetzes verwiesen darauf, dass ein Freispruch faktisch keine Rechtskraft mehr habe. Dringende Gründe für eine Wiederaufnahme ließen sich schnell konstruieren, sagte etwa Johann Schwenn, der Anwalt des Angeklagten. Die Vorschrift verstoße auch gegen die Unschuldsvermutung, betonte ein anderer Bevollmächtigter. Er wies auch darauf hin, dass das Bundesverfassungsgericht schon früher klargemacht habe, dass es zum Rechtsstaat gehört, auch mutmaßliche Fehlurteile in Kauf zu nehmen.

Interessant war auch der Hinweis, dass es ähnliche Vorschriften schon in der Nazizeit gegeben hat. Damals wurde es ebenfalls ermöglicht, rechtskräftige Freispruche wegen neuer Beweise oder sogar nach einer Strafverschärfung aufzuheben. Auf der Hand liegt auch, dass die nun für Mord eingeführte Vorschrift schrittweise auch auf andere Straftaten ausgedehnt werden könnte, als nächstes wären dann wohl Sexualstrafaten dran.

Das Bundesverfassungsgericht wird wohl in einigen Monaten entscheiden.

Teure Kratzer

Stolze 13.550 Euro muss ein Wohnungsmieter zahlen, weil er beim Auszug die Innenverkleidung des Aufzugs an zwei Stellen zerkratzt hat. Der Mangel könne nur durch einen kompletten Austausch der zerkratzten Wände beseitigt werden, so das Landgericht Koblenz. Es gab der Kostenklage des Vermieters statt.

Der Aufzug hat eine Edelstahlverkleidung. Diese hatte der Mieter hatte der Mieter links und an der Rückwand mit je einem Kratzer beschädigt. Die Haftpflicht des Mieters wollte lediglich 5.000 Euro zahlen, alles andere sei unverhältnismäßig.
Ein Gutachten kam aber zu dem Schluss, dass die Verkleidung komplett ersetzt werden muss.

Obwohl der Aufzug schon acht Jahre alt ist, wollte das Gericht auch keinen Abzug „Neu für alt“ anerkennen. Aufzüge müssten regelmäßig erneuert und renoviert werden, so das Gericht. Deshalb sei eine neue Wandverkleidung weder eine Verbesserung, sie führe auch nicht zu einer Verlängerung der Lebensdauer des Aufzugs (Aktenzeichen 4 O 98/21).

Drohnenvideos und Urheberrecht

Wer gerne mit einer Drohne filmt und die Aufnahmen – zum Beispiel in sozialen Netzwerken – veröffentlicht, sollte eine aktuelle Entscheidung des Oberlandesgerichts Hamm kennen. Die Richter stellen nämlich fest, dass mit Drohnen erstellte Fotos und Videos nicht von der sogenannten Panoramafreiheit gedeckt sind.

In dem entschiedenen Fall ging es um einen Bildband, der auch Drohnenfotos von früheren Kohlehalden im Ruhrgebiet zeigt. Die Verwertungsgesellschaft Bild-Kunst verlangte für die Fotos Lizenzgebühren, weil die Drohnen auch urheberrechtlich geschützte Kunstwerke, zum Beispiel die „Sonnenuhr mit Geokreuz“, auf den Halden festgehalten haben.

Von diesen Kunstwerken darf man zwar Panoramabilder machen und diese veröffentlichen, so das Gericht. Die Panoramafreiheit schließe aber nur Perspektiven ein, die sich von öffentlichen Wegen, Straßen oder Plätzen aus ergeben. Luftaufnahmen seien hiervon nicht umfasst. Die Richter beziehen sich auf eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs. Dieser habe die Panoramafreiheit schon deswegen verneint, weil der Fotograf sich auf eine simple Leiter gestellt hatte. Bei Drohnenbildern könne nichts anderes gelten.

Ob die Analogie zu dem Einsatz einer Leiter auch in heutigen Zeiten noch entscheidend ist, wird voraussichtlich der Bundesgerichtshof entscheiden. Das Oberlandesgericht Hamm hat die Revision zugelassen (Aktenzeichen 4 U 247/21).

Wichtiges Urteil für Betreute und ihre Angehörigen

In Deutschland stehen mehr als eine Million Menschen unter Betreuung. Für die Betroffenen und ihre Angehörigen dürfte eine Grundsatzentscheidung des Bundesgerichtshofs wichtig sein. Das Gericht äußert sich zu der Frage, welche Voraussetzungen für eine Betreuung erfüllt sein müssen.

In dem Fall ging es um eine Frau, die an einer schweren Schizophrenie erkrankt ist. Ein Sachverständiger untersuchte sie. Er stellte Betreuungsbedarf fest, wobei er sich aber ausschließlich auf die Erkrankung als solche stützte. Das ist jedoch nicht ausreichend, heißt es vom Bundesgerichtshof. Vielmehr müsse auch festgestellt werden, ob die konkreten Lebensumstände die Betreuung auch tatsächlich erforderlich machen. Damit meint das Gericht zum Beispiel die Frage, ob ein Betreuer vielleicht schon deswegen nicht erforderlich ist, weil der Betroffene vor seiner Erkrankung jemanden bevollmächtigt hat.

Ebenso wichtig sind aber auch die konkreten Lebensumstände. Das betrifft natürlich vorwiegend Menschen, die in ihre Familie eingebunden sind. Laut dem Gericht können Betreuungsbedürftigkeit und Betreuungsbedarf auseinanderfallen. Deshalb müsse jede gerichtliche Anordnung auch den tatsächlichen Betreuungsbedarf feststellen (Aktenzeichen XII ZB 462/22).

Letzte Generation als kriminelle Vereinigung – die Heiligsprechung?

Homepage abgeschaltet, sieben Gebäude durchsucht und Vermögenswerte von bis zu 1,4 Millionen Euro arrestiert: Die bayerische Justiz hat heute zu einem großen Schlag gegen die Letzte Generation ausgeholt. Der Vorwurf lautet nicht mehr auf Nötigung bei Klimablockaden, jetzt geht es um die Bildung einer kriminellen Vereinigung. Das ist eine Begrifflichkeit, die man sonst eher bei Drogenhandel, Mafia, Clans und Wirtschaftskriminalität verortet. Ob organisierte Klimakleber juristisch in diesen Sphären schweben, ist längst nicht ausgemacht.

Bei der Frage nach der kriminellen Vereinigung dreht sich alles um den § 129 StGB. Dessen zweiter Absatz ist eigentlich recht verständlich:

Eine Vereinigung ist ein auf längere Dauer angelegter, von einer Festlegung von Rollen der Mitglieder, der Kontinuität der Mitgliedschaft und der Ausprägung der Struktur unabhängiger organisierter Zusammenschluss von mehr als zwei Personen zur Verfolgung eines übergeordneten gemeinsamen Interesses.

Das passt in seiner Allgemeinheit auch auf Gesangsvereine. Deshalb bleiben im Kern nur zwei Punkte an anderer Stelle des Gesetzes, welche die Letzte Generation von einer Einstufung als kriminelle Vereinigung bewahren können:

1. Der Zweck der Vereinigung muss auf die Begehung von Straftaten gerichtet sein. Dieser Punkt wird sicher intensiv diskutiert werden. Die Letzte Generation verfolgt den Ansatz, mit ihren Blockadeaktionen Aufmerksamkeit zu erregen, um Politik und Gesellschaft insgesamt zur Rettung des Weltklimas aufzurütteln. Straftaten wie die Nötigung im Straßenverkehr könnte man damit auch als reines Mittel zum Zweck bewerten – und eben nicht als primäres Anliegen. Allerdings wird hier auch eine Rolle spielen, dass die Letzte Generation mutmaßlich schon mit Millionenbeträgen unterstützt wurde. Das spricht für eine doch eher wilde Entschlossenheit auch zu Straftaten. Diese Entschlossenheit spiegelt sich auch in den Handlungen von den Wiederholungstätern unter den Aktivisten, die sich nach einer Verurteilung sofort wieder festkleben.

Die juristische Meinungsskala ist bei all diesen Punkten in alle Richtungen offen. Letztlich ist es wie so oft eine reine Wertungsfrage in einer komplizierten Gemengelage von Staatswohl und Grundrechten. Das letzte Wort wird mit einiger Sicherheit erst vom Bundesverfassungsgericht gesprochen.

2. Höchst umstritten ist die zweite Voraussetzung für eine kriminelle Vereinigung. Es geht um die sogenannte Erheblichkeitsschwelle. Bejaht man dieses Erfordernis (was nach diversen Gesetzesänderungen und im Licht des Europarechts fraglich ist), müssten die Aktivitäten der Vereinigung eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit darstellen. Ob bloße punktuelle Straßenblockaden, so sehr sie auch einzelne im Stau treffen mögen, wirklich darunter fallen? Wie das letztlich abgewogen wird, ist ebenfalls nicht absehbar.

Den Strafverfolgern muss damit klar sein, dass sie ein erhebliches Risiko eingehen. Bestätigt sich dereinst der Vorwurf einer kriminellen Vereinigung nicht, heißt es, hier wurde mit Kanonen auf Spatzen geschossen. Oder gar die Grundlage für terroristische Organisationsstrukturen gelegt. Denn mit der heutigen Maßnahme ist ja klar, dass es künftig auch den Organisatoren, (stillen) Helfern und vor allem auch den Finanziers an den Kragen gehen kann.

Endlich zeigt der Rechtsstaat Zähne, werden sich viele freuen. Aber die vorläufige Ächtung der Letzten Generation als kriminelle Vereinigung ist aus umgekehrter Sicht auch so was wie eine Heiligsprechung. Vielleicht wäre es besser gewesen, Nötigung einfach weiter als Nötigung zu bestrafen.

„Letzte Generation“ eine kriminelle Vereinigung?

Das Landgericht Potsdam hält es nicht für ausgeschlossen, dass die „Letzte Generation“ eine kriminelle Vereinigung ist. Die Staatsanwaltschaft Berlin hat das bislang verneint.

Die Einstufung als kriminelle Vereinigung wäre vor allem gefährlich für den organisatorischen Überbau der „Letzten Generation“, also für alle, die aus dem Hintergrund den Kurs vorgeben oder zumindest mitbestimmen. Ganz besonders interessant wird aber natürlich die Frage nach den großen Geldgebern der „Letzten Generation“, vor allem Stiftungs- und Wirtschaftskreise. Die Finanziers krimineller Vereinigungen können ebenfalls belangt werden. Hier kann man die Vorschrift im Strafgesetzbuch nachlesen.

Bericht im Berliner Tagesspiegel

Gelben Umschlag bloß nicht wegwerfen

Bei Zustellungen, vor allem bei Gerichtspost, muss der Postbote den Tag vermerken, an dem er das Schriftstück in den Briefkasten wirft. Das sieht § 180 ZPO ausdrücklich vor. Was aber, wenn das Datum auf dem Umschlag fehlt? Hier schafft der Bundesgerichtshof in einem aktuellen Urteil Klarheit.

Es ging um ein Versäumnisurteil. Dieses will der Zusteller am 07.10.2021 in den Briefkasten des Empfängers geworfen haben. Der Empfänger sagte aber, er habe das Schreiben erst am 08.10. aus dem Briefkasten genommen. Der 07.10. sei auch nicht auf dem Umschlag vermerkt gewesen. Deswegen sei er vom späteren Datum ausgegangen.

Die Gerichte betrachteten seinen Einspruch als verspätet, weil sie die Frist ab dem 07.10. berechneten. Dem fehlenden Datum auf dem Umschlag messen sie keine Bedeutung zu. Zu Unrecht, wie der Bundesgerichtshof nun entscheidet. Die Richter verweisen auf die ausdrückliche Pflicht des Zustellers, den Zustellungstag zu notieren. Wenn das Datum fehle, müsse deshalb der Kläger beweisen, dass das Zustellungsdatum gemäß Urkunde tatsächlich zutrifft.

Für Zustellungsempfänger ist das ein Grund mehr, den Umschlag auf jeden Fall aufzubewahren. Denn Zusteller vergessen gerne, das Datum zu vermerken. Damit eröffnet sich wegen der Frist Spielraum, der wie im entschiedenen Fall Nachteile vermeiden kann. So gab es schon Fälle, bei denen auf der Zustellungsurkunde ein früheres Datum stand als auf dem Umschlag (Aktenzeichen VIII ZR 99/22).