Eine aktuelle Pressemitteilung der Erfurter Polizei beleuchtet eine Problematik, mit der sich Nutzer sozialer Medien immer mehr auseinandersetzen müssen. Was ist, wenn in Chatgruppen auf WhatsApp oder anderen Messengerdiensten sexuelle Inhalte gespült werden, die möglicherweise strafrechtlich relevant sind?
Hier die Mitteilung:
Derzeit kursiert in diversen sozialen Medien und in Nachrichtendiensten ein Video, auf dem scheinbar sexuelle Handlungen zwischen zwei Personen auf einem Spielplatz in Erfurt zu sehen sind. … Bei den auf dem Video beteiligten Personen handelt es sich um zwei Kinder und/oder Jugendliche, die augenscheinlich Bewegungen machen, die auf sexuelle Handlungen schließen lassen können. Es wird darauf hingewiesen, dass jegliche Weiterleitungen dieses Videos strafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen können. Die Weiterleitung an Dritte ist daher zwingend zu unterlassen. Sofern es sich bei dem viralen Video um eine strafrechtlich relevante Datei handelt, kann auch hier bereits der Besitz strafbewährt sein. Sofern jemand Kenntnis über den Ursprung des Videos oder den dort handelnden/beteiligten Personen hat, wird dieser gebeten, sich bei der Kripo Erfurt (Tel.: 0361/574324602) oder jeder anderen Polizeidienststelle zu melden.
Die Weiterleitung an Dritte ist zwingend zu unterlassen. Das erschließt sich jedem. Bleibt nur die Frage, was mache ich mit dem Inhalt, der mir mir über eine Chatgruppe aufs Handy gespült worden ist – und der sich jetzt im Speicher des Handys befindet?
Ich kann in diesem Punkt nur eine dringende Warnung aussprechen: Geht damit nicht zur Polizei.
Die Beamten aus Erfurt weisen selbst darauf hin, dass bereits der bloße Besitz strafbewehrt ist. Wenn ihr euch also auf einer Polizeidienststelle als „Besitzer“ solchen Materials outet, können die Beamten praktisch gar nicht anders, als ein Ermittlungsverfahren gegen euch einzuleiten. Das ist nie eine Bagatelle, die aktuelle Mindeststrafe für den Besitz kinderpornografischer Inhalte beträgt ein Jahr Gefängnis (§ 184b StGB). Geldstrafe ist nicht mehr möglich, eine Einstellung wegen Geringfügigkeit auch nicht mehr.
Zum Beispiel haben schon besorgte Eltern Ausdrucke zur Polizei gebracht, damit die Sachen nicht weiter verbreitet werden. Strafverfahren wegen Besitzes von Kinderpornografie waren die Folge. Mittlerweile gibt es zwar Gesetzesiniativen, um die Vorschriften gerade für solche Fälle wieder zu entschärfen. Aber an der geltenden, schon reichlich verrückten Rechtslage ändert das derzeit leider nichts.
Auf jeden Fall sollte man als Betroffener die Inhalte sofort löschen. Am besten mit einem Löschprogramm, das die Daten nicht mehr wiederherstellbar macht. Damit lässt sich ein „Besitz“ schon nicht mehr sicher nachweisen. Jedenfalls spricht das möglichst zeitige Löschen aber dafür, dass man keinen Besitzwillen hatte und damit auch nicht den erforderlichen Vorsatz.
Wie aber kommt die Polizei eigentlich an die Chatinhalte? Immerhin darf bei uns die Telekommunikation ja nicht flächendeckend überwacht werden. Meist läuft es auch ganz simpel: Die Polizei, die etwa wegen einer Drogensache ermittelt, stellt ein Handy sicher. Im Rahmen der Ermittlungen werden die Informationen auf diesem Telefon ausgelesen. Und schon können die Ermittler alle Chatgruppen lesen, in denen der Beschuldigte Mitglied war. Wenn sie dann auf fragwürdige Inhalte stoßen, die überhaupt nichts mit dem Ausgangsfall zu tun haben müssen, wird schnell gegen alle Mitglieder der Gruppe ermittelt.
Ich kenne Verfahren, in denen so eine Konstellation Ermittlungen gegen bis zu 1.400 Leute angestoßen hat. Damit kommen wir zu einer weiteren Gefahr. Gerade in größeren Chatgruppen laufen die Inhalte im Sekundentakt durch, und das 24/7. Es ist für dich als Nutzer schlicht nicht möglich, jeden einzelnen Post zur Kenntnis zu nehmen. Damit steigt aber auch die Gefahr, dass man sich problematische Inhalte aufs Handy lädt, ohne es überhaupt zu wissen. Natürlich weisen Strafverteidiger dann darauf hin, dass der eigene Mandant zu der fraglichen Zeit gar nicht im Chat interagiert hat. Was ein starkes Indiz dafür ist, dass er auch den Inhalt nicht zur Kenntnis genommen hat. So lässt sich dann bei vernünftigen Staatsanwälten oder Richtern eine Einstellung mangels Tatverdachts erreichen.
Aber nicht jeder Jurist ist vernünftig. Außerdem geschieht das alles natürlich erst nach der Hausdurchsuchung in eurer Wohnung oder am Arbeitsplatz. Schon das kann zu einer Vernichtung der sozialen Existenz führen. Ein glorreicher Freispruch einige Monate später hilft dann auch nicht mehr.
Als Nutzer solcher Chats muss man sich wirklich des enormen Risikos bewusst sein. Denn auf öffentlich zugänglichen Seiten wie Facebook oder Twitter werden solche Inhalte meist zuverlässig von den Betreibern geblockt. In privaten Chatgruppen gibt es diesen Schutz nicht. Die Gefahr, dass andere dort Mist machen, der auf einen böse zurückfällt, ist deshalb nicht nur theoretischer Natur.
Im Zweifel sollte man gerade von aufgeblähten Gruppen, deren Nutzer man noch nicht mal ansatzweise kennt, die Finger lassen.