Die Wanderhure ist nun geschützt

Darf die Wanderhure weiter wandern – und zwar unter dem Schutz des Markenrechts? Sie darf, dank einer durchaus verständigen, ja sogar humorvollen Entscheidung der zuständigen Richter beim Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt. Die Richter hoben die Entscheidung der zuständigen Prüferin auf. Diese hatte es abgelehnt, die Wanderhure zur Wortmarke zu machen.

Die Ablehnung erfolgte nicht, weil es im 15. Jahrhundert – nur um diesen Zeitraum geht’s – möglicherweise noch viele andere Wanderhuren gab. Deren Erlebnisse könnten es ja auch wert sein, zu Papier gebracht zu werden. Nein, die Prüferin befand den Begriff „Hure“ schlicht für zu vulgär.

Die Richter halten dagegen, dass die Protagonistin des Romans wohl eindeutig mobil war und überdies sexuelle Dienstleistungen erbrachte, und zwar bis in höchste kirchliche Kreise auf dem Konzil in Konstanz. Die Juristen vermissen schon einen vergleichbaren, politisch korrekten Begriff, welcher die Tätigkeit der Wanderhure alternativ beschreiben könnte:

Im gegenwärtigen Sprachgebrauch existiert der Begriff „Wanderdienstleistungserbringerin“ nicht.

Insgesamt befinden sie:

Die angefochtene Entscheidung vermischt die Erwähnung eines Phänomens mit dem Phänomen selbst. Sie eignet sich hervorragend zum Verbot von Krimis mit dem Wort „Mord“ im Titel, denn bekanntlich sind Morde gemäß § 211 des eutschen Strafgesetzbuchs ein Verbrechen, und es gibt nichts sittenwidrigeres als solche zu begehen, und sie eignet sich hervorragend, den Liedermacher Reinhard Mey dem Scheiterhaufen zu überantworten, weil mit dem Lied „Der Mörder war
immer der Gärtner“ letztgenannter Berufsstand sittenwidrig verunglimpft worden sei. Kurz: Die angefochtene Entscheidung versäumt die Unterscheidung von Fact und Fiction.

Die Folgen seiner Entscheidung sind dem Gericht bewusst:

Die Wanderdame darf also weiterwandern, und ihre Wanderwege können mit „wissenschaftlichen und Vermessungs-Instrumenten“ kartographiert, in „Loseblattsammlungen“ regelmäßig aktualisiert, mit „OCR-Zeichenerkennung“ aufbereitet, in „Chat-Rooms“ breitgetreten und zur „sportlichen Aktivität“ erklärt werden, wobei die Kammer selbstverständlich davon ausgeht, dass mit den beanspruchten „Erziehungs“-Dienstleistungen solche der gemeinnützigen Sozialarbeit gemeint sind und nicht solche der Erziehung zur Prostitution.

Link zum Beschluss

„Sie sind jetzt alle erpressbar“

+++ 7 Gründe , weshalb „Ich habe nichts zu verbergen“ die falsche Reaktion auf Massenüberwachung ist. +++

+++ Der Deutsche Anwalt Verein lehnt die Vorratsdatenspeicherung nach wie vor ab. Mit guten Gründen. +++

+++ Der ausgehorchte Bundestag ist mehr als ein technisches Problem. „Sie sind jetzt alle erpressbar“, schreibt Michael Hanfeld in der FAZ über die aktuelle Situation der Volksvertreter. +++

+++ Rund 40.000 Syndikusanwälte gibt es in Deutschland. Ihre rechtliche Stellung ist in die Diskussion geraten. Auf Spiegel Online kann man verständlich nachlesen, worum es geht. +++

+++ In Deutschland haben Flüchtlinge oft Probleme, ein Konto zu eröffnen. Das wird sich bald ändern, denn eine neue EU-Richtlinie verlangt diskriminierungsfreien Zugang zu einem Girokonto. Die aktuelle Situation schildert ein eindrucksvoller Text in der Süddeutschen Zeitung. +++

Rücklastschrift darf nicht 50 Euro kosten

Das Reiseportal fluege.de langte kräftig zu, wenn die Lastschrift eines Kunden platzte. 50 Euro verlangte die Firma pauschal für jeden vergeblichen Abbuchungsversuch. Das ist unzulässig, urteilte jetzt das Landgericht Leipzig.

Fluege.de verwendete folgende Klausel:

Sollte es zu einem unberechtigten Zurückhalten bzw. einer unberechtigten Rückgängigmachung einer Zahlung (Lastschriftrückgabe / Rückgabe einer Kreditkartenzahlung / etc.) durch Sie kommen, so erhebt Unister hierfür für jeden Fall eine Gebühr in Höhe von bis zu 50,00 €. Es ist dem Nutzer aber unbenommen, nachzuweisen, dass ein wesentlich niedrigerer oder kein Schaden entstanden ist. Die Gebühr wird nur beansprucht, wenn den Nutzer ein Verschulden an der unberechtigten Zahlungsverpflichtung trifft.

In der Formulierung erkennen die Richter unschwer einen pauschalierten Schadensersatz. Der ist aber allenfalls zulässig, wenn er der Höhe nach dem ungefähr zu erwartenden Schaden entspricht. Das ist bei einer Summe von 50 Euro aber erkennbar nicht der Fall; der übliche Betrag liegt irgendwo zwischen 5 und 15 Euro. Im Zweifel muss das Unternehmen belegen, welche Kosten ihm tatsächlich entstehen (Aktenzeichen 8 O 2084/14).

Abgehakt

Die meisten meiner Mandate rechne ich nach Zeitaufwand ab. Das bedeutet, dass ich nach jedem Bearbeitungsschritt eines Falles immer gleich notieren muss, wie viel Zeit ich gerade aufgewandt habe.

Wenn man sich daran gewöhnt hat, ist das ein purer Automatismus. Der allerdings auch mal fehleranfällig ist, wie ich vorhin feststellen durfte. Ich glich den Entwurf einer Endabrechnung für den Mandanten noch mal mit den bisherigen Zwischenabrechnungen ab. Und stellte fest, dass sich in die zweite Zwischenabrechnung ein Fehler eingeschlichen hat.

Für eine Verteidigungsschrift habe ich „05“ Minuten eingetragen. An guten Tagen bin ich zwar ganz flott, aber viereinhalb Seiten Text, rechtliche Ausführungen eingeschlossen, kann ich in der Zeit eigentlich kaum geschafft haben. Ich bin mir sicher, es waren in Wirklichkeit 50 Minuten.

Na ja, besser so rum, als wenn es aussieht, ich würde bei der Zeiterfassung schummeln. Den Einnahmeverlust hake ich wohl besser gleich ab. Die Sonne scheint ja trotzdem.

0,117 Gramm

Mein Mandant ist nicht vorbestraft. Bei einer Kontrolle entdeckte die Polizei in seiner Hosentasche ein weißes, gefaltetes Papier mit Anhaftungen einer bräunlichen Substanz. Hierbei soll es sich um Cannabis handeln.

So weit, so schlecht, so alltäglich. Und letzteres versehe ich mit drei Ausrufezeichen, denn die angeblich gefundene Menge Cannabis beläuft sich auf 0,117 Gramm. Das ist so wenig, dass das Untersuchungslabor beim Landeskriminalamt eine nähere Analyse bedauernd ablehnte. Diese Analyse sei überhaupt erst ab 1,5 Gramm möglich, ließen die Chemiker die Staatsanwaltschaft wissen, bevor sie zum Lachen in den Keller gingen.

Dieser kleine Rückschlag bei der Beweismittelbeschaffung hielt den Staatsanwalt aber nicht davon ab, gegen meinen Mandanten einen Strafbefehl zu beantragen. Stolze fünf Tagessätze – weniger geht gar nicht – à 15 Euro soll er als Strafe zahlen. Ganz ehrlich, da frage ich mich, was der Staatsanwalt vor diesem Antrag so eingenommen hat. Gleiches gilt für den Amtsrichter, denn der winkte den Strafbefehl ohne großes Aufhebens durch. Was natürlich auch bedeuten kann, dass er ihn gar nicht gelesen hat.

All das ist schon ziemlich traurig, denn das Bundesverfassungsgericht hat die Strafbarkeit von Cannabis überhaupt nur für verfassungsgemäß gehalten, wenn der Eigengebrauch kleiner Mengen regelmäßig straflos bleibt. Gut, das betreffende Urteil hat jetzt schon einige Jahre auf dem Buckel, und richtige Fans findet es nur ganz selten unter Drogenstaatsanwälten.

Als Gedankenstütze gibt es deshalb landauf, landab ja nun schon länger interne Richtlinien, bis zu welcher Bruttomenge die Eigenbedarfsregelung gilt. In meinem Fall soll in dem betreffenden Bundesland, so weit ich das richtig sehe, bei nicht vorbelasteten Tätern das Verfahren regelmäßig eingestellt werden, wenn die Menge von 10 oder sogar 15 Gramm nicht überschritten wird.

Wenn da nicht doch noch jemand ein Einsehen hat, wird es in absehbarer Zeit eine Hauptverhandlung geben.

Ich überlege, ob ich gegen meine Gewohnheit doch mal etwas lauter werde.

Bitte, bitte keine Mails

Die Staatsanwaltschaft Hannover hat eine E-Mail-Adresse. Sie lautet: STH-Poststelle@justiz.niedersachsen.de. So ganz wohl scheint sich die Behörde mit dieser, nun ja, irgendwie ja immer noch sehr neumodischen Form der Erreichbarkeit aber nicht zu fühlen. Denn jeder, der die E-Mail-Adresse nutzen möchte, wird auf der Homepage per Sternchenhinweis in aller Deutlichkeit gewarnt:

Es wird darauf hingewiesen, dass Nachrichten, die per E-Mail versandt werden, unverbindlich sind und keine Fristen wahren. Wenden Sie sich daher bitte mit Ihren Anträgen, Strafanzeigen, Rechtsmitteln und sonstigen Eingaben nur per Brief oder Fax an die Behörde.

Wenn wir es jetzt mit einer Firma zu tun hätten, würde man wohl von einer überraschenden Klausel sprechen. Allerdings ist das Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen ja nicht auf Behörden anwendbar. Leider. Sonst gäbe es an Abmahnungen einiges zu verdienen.

Belassen wir es deshalb bei der Einsicht, dass die Staatsanwaltschaft Hannover schlicht einen völlig falschen Eindruck erweckt, weil sie null Bock auf E-Mails hat. Die Strafverfolger müssen von Amts wegen jede Eingabe gleichermaßen ernst nehmen. Das ist völlig unabhängig vom Beförderungsweg und der Frage, ob eine Unterschrift drauf ist.

Eine Strafanzeige bleibt zum Beispiel eine Strafanzeige, auch wenn sie per Mail oder von einer Brieftaube überbracht wird. Es gibt überhaupt keine juristische Grundlage, dass E-Mails möglicherweise nur nachrangig bearbeitet oder gar gleich ungelesen in den Papierkorb verschoben werden. Oder dass man später sagt, ist ja alles nur unverbindlich, deshalb hat es uns halt nicht interessiert.

Die wenigen Fälle, in denen sich der Bürger wirklich schriftlich oder per Fax und noch dazu mit eigener Unterschrift an eine Staatsanwaltschaft wenden muss, lassen sich an einer Hand abzählen. Das sind vorrangig die erwähnten förmlichen Rechtsmittel – aber dafür ist dann jeweils eine besondere Form ausdrücklich vorgeschrieben. Das muss dann auch in der Rechtsmittelbelehrung drinstehen, die man erhalten haben sollte. Gibt es diese Vorschrift nicht, reicht eben auch eine Mail.

Aber vielleicht treibt die Staatsanwaltschaft Hannover auch nur der Umstand, dass sie wie viele Behörden in den letzten 20 Jahren darauf verzichtet hat, elektronische Kommunikation im eigenen Haus handelbar zu machen. Man könnte das ja sogar vorausschauend nennen, denn immerhin wird ja gerade jetzt mal wieder verstärkt der Tod der E-Mail ausgerufen.

Jedenfalls ergibt sich die eigentliche Sorge der Staatsanwaltschaft, nämlich die vor der eigenen Inkompetenz in zeitgemäßer Kommunikation, sehr schön aus dem Nachsatz des zitierten Hinweises:

Sonst geht möglicherweise etwas verloren.

Ehrlich sind sie. Immerhin.

Erst Facebook, dann Knast

Facebook-Einträge eines verurteilten Straftäters bringen den Mann wieder ins Gefängnis. Das Oberlandesgericht Hamm bestätigte den Widerruf seiner Bewährung, weil der Mann auf Facebook negative Kommentare über seine ehemalige Partnerin abgegeben hatte.

Der Mann war zu einer Freiheitsstrafe wegen versuchten Totschlags und gefährlicher Körperverletzung an seiner damaligen Freundin zu 6 Jahren und 9 Monaten Gefängnis verurteilt worden. Nach zwei Dritteln der Strafe wurde er entlassen, bekam jedoch vom Gericht ein striktes Kontaktverbot zu der Frau auferlegt.

Auf Facebook schrieb er jedoch negative Kommentare über die Frau. Das stellt nach Auffassung des Oberlandesgerichts Hamm einen Verstoß gegen das Kontaktverbot dar. Dem Mann sei klar gewesen, dass zumindest Angehörige und Freunde der Frau auf Facebook seine Einträge mitlesen und die Ex-Freundin darüber unterrichten (Aktenzeichen 3 Ws 168/15).

Heftige Worte

Massive Beleidigungen des Vermieters können wohnungslos machen. Dies merkte jetzt eine 70-jährige Münchnerin. Im Streit um eine Mieterhöhung hatte sie ihre Vermieterin als Quasi-Mörderin dargestellt. Außerdem verglich sie ihre eigene Situation in der Wohnung mit der Judenvernichtung im Dritten Reich.

Grund für die verbalen Ausfälle war das Gefühl der Mieterin, die Temperaturen in ihrer Wohnung seien zu hoch. Das kleidete die Frau unter anderem in folgenden Satz:

Die Situation erinnert mich an die Dokus, die man lfd. zu sehen bekommt, als die Deutschen die Juden in die Öfen geschoben haben und die übrige Bevölkerung jubelte wie die Weltmeister. Daran scheint sich wie man an meiner Situation erkennen kann, nicht viel geändert zu haben.“

Bei solchen Entgleisungen sei eine fristlose Kündigung gerechtfertigt, befand nun das Amtsgericht München. Die Wortwahl habe jedwede Vertrauensgrundlage zu der Vermieterin zerstört, zumal die Mieterin ihre Behauptungen diverse Male wiederholt hatte (Aktenzeichen 452 C 16687/14).

Flug geht früher, Airline muss zahlen

Bei erheblichen Flugverspätungen müssen Airlines eine Entschädigung zahlen. Das ist bekannt. Seit heute gibt es auch gute Aussichten auf Geld, wenn der Flug um mehrere Stunden vorverlegt wird.

Der Bundesgerichtshof verhandelte heute den Fall, in dem eine Flugreise um neun Stunden vorverlegt wurde. In den Vorinstanzen bekamen die Kläger kein Recht, aber jetzt. Die Bundesrichter sahen keinen Grund, dass die Entschädigung nicht auch bei einer nennenswerten Vorverlegung des Fluges gezahlt werden muss.

Zur Begründung hieß es, die Vorverlegung komme einer Annulierung des ursprünglich gebuchten Fluges gleich, verbunden mit dem Angebot auf den Neuabschluss eines neuen Beförderungsvertrages. Bei Annulierungen müssen auch Entschädigungen gezahlt werden.

Nach dem rechtlichen Hinweis des Gerichts erkannte die verklagte Airline den Anspruch an. Sicher ein schlauer Schachzug, da es nun jedenfalls kein schriftliches Präzedenzurteil geben wird (Aktenzeichen X ZR 59/14).

Grabsteine ohne Kinderarbeit

Auf dem Friedhof Stuttgart galt bislang ein Verbot für Grabsteine, die möglicherweise durch Kinderarbeit entstanden sind. Diese Regelung ist jedoch rechtswidrig, urteilt der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg.

Steinmetze mussten bislang in Stuttgart durch Zertifikate nachweisen, dass die von ihnen verwendeten Natursteine nicht durch Kinderarbeit entstanden sind. Diese Regelung ist laut dem Urteil jedoch unwirksam.

Grund für das Urteil ist nicht, dass die Richter für Kinderarbeit sind. Sie beanstanden vielmehr, dass es keine staatlich anerkannten Zertifikate für die Freiheit von Kinderarbeit gibt. Auch bei den bekannten Zertifikaten „XertifiX“ und „fair stone“ sei durchaus fraglich, ob diese zuverlässig sind (Aktenzeichen 1 S 383/14, 1 S 403/14, 1 S 491/14, 1 S 556/14).

Rektor mit Herz

So ein Lehrer lässt Schülerherzen höherschlagen: In Bayern hat ein Schulleiter die Deutschnoten aller Abiturienten im Jahrgang 2013 um einen Punkt höhergesetzt. Nach seiner Auffassung waren seine Schüler am Traditionsgymnasium Casimirianum zu hart benotet worden.

Für den Direktor, der auch dem Abiturprüfungsausschuss vorsaß, hatte das ein unangenehmes Nachspiel. Er wurde wegen Falschbeurkundung im Amt (§ 348 StGB) angeklagt und in erster Instanz auch zu einer Geldstrafe verurteilt.

Zu Unrecht, urteilte nun das Oberlandesgericht Bamberg. Eine Falschbeurkundung im Amt liege gar nicht vor, weil der Schulleiter in seiner Funktion die Noten so festgelegt habe – wenn auch unter Verstoß gegen die Gymnasiale Schulordnung. Damit habe der Mann zwar seine Amtspflichten verletzt, aber keine rechtlich erhebliche Tatsache falsch beurkundet. Die Zeugnisse seien zweifellos auch so wirksam geworden.

Die Schulaufsicht wird nach dem Freispruch allerdings prüfen, ob noch disziplianarische Konsequenzen drohen, berichtet die Süddeutsche Zeitung.

Apple Watch: Drohen Punkte in Flensburg?

Die Apple Watch wird mittlerweile in Deutschland verkauft. Die Bild-Zeitung schreckt mit einer Schlagzeile derzeit Autofahrer auf, die mit der Apple Watch oder einem vergleichbaren Produkt auch im Auto telefonieren wollen.

„Fahrer können sich mit Smartuhr strafbar machen“, lautet die Schlagzeile. Bild beruft sich auf einen Berliner Polizeisprecher, der offenbar keinerlei Zweifel daran hat, dass man am Steuer nicht mit der Apple Watch telefonieren darf. Was zwar nicht zu einer „Strafbarkeit“ führt. Aber immerhin zu einem Bußgeld von 60 Euro. Und, noch schlimmer, zu einem Punkt in Flensburg.

Nur leider ist die Auskunft des Polizeisprechers aller Voraussicht nach falsch. Denn der fragliche § 23 StVO lautet:

Wer ein Fahrzeug führt, darf ein Mobil- oder Autotelefon nicht benutzen, wenn hierfür das Mobiltelefon oder der Hörer des Autotelefons aufgenommen oder gehalten werden muss.

Das alles passt offenkundig schon sprachlich nicht auf ein Gerät, das am Handgelenk befestigt ist. So sieht das auch mein Kollege Detlef Burhoff mit guten Gründen in seinem Blog. Die Smartwatch ist da eher vergleichbar mit dem Handy, das auf dem Armaturenbrett in einer Halterung angebracht ist. Oder mit einem Telefon, das auf der Mittelkonsole liegt. So lange man es nicht in die Hand nimmt, darf man durchaus auf das Display tippen oder Anrufe annehmen.

Aber wir sind sicher bald schlauer. Bis zum ersten Urteil dauert es bestimmt nicht lang.

Anwalt – nur echt mit Robe

In Bayern wird um die Robenpflicht für Anwälte gestritten. Mal wieder. Diesmal ist Auslöser ein Richter am Amtsgericht Augsburg. Er hatte die Parteien in einem Zivilprozess wieder nach Hause geschickt, weil einer der Anwälte keine Robe trug.

Der Anwalt klagt wegen des vergeblichen Termins nun auf Verdienstausfall und Spesen in Höhe von 777,50 Euro, berichtet die Legal Tribune Online. Die bayerische Justiz beruft sich in dem Prozess vor dem Landgericht Augsburg darauf, das „Gewohnheitsrecht“ verpflichte Anwälte, vor bayerischen Amtsgerichten auch in Zivilsachen eine Robe zu tragen.

Das ist insofern interessant, weil für Gewohnheitsrecht eigentlich kein Platz ist, wenn entsprechende Vorschriften bestehen. So gibt es in § 20 der Berufsordnung für Rechtsanwälte folgende Regelung:

Der Rechtsanwalt trägt vor Gericht als Berufstracht die Robe, soweit das üblich ist. Eine Berufspflicht zum Erscheinen in Robe besteht beim Amtsgericht in Zivilsachen nicht.

Ein ungeschriebener bayerischer Brauch soll also diametral den Regeln entgegenlaufen können, welche sich die derzeit 163.000 Rechtsanwälte im Rahmen ihrer gesetzlichen Kompetenzen selbst gegeben haben. Das kann man wohl nur mit Interesse zur Kenntnis nehmen.

Unabhängig von der Frage der Berufspflicht leuchtet mir aber nicht ein, wieso der Richter die Verhandlung verweigerte. Immerhin war laut dem Bericht auch der Mandant des Juristen selbst erschienen, so dass ja die Prozesspartei anwesend war. Vor dem Amtsgericht besteht kein Anwaltszwang. Somit war es jedenfalls nicht erforderlich, die Verhandlung platzen zu lassen.

Erst Aldi, dann Anwalt

Telefonat mit einem möglichen neuen Mandanten. Nach drei, vier Sätzen empfehle ich ihm, am Telefon erst mal nicht so viel zu erzählen. Es geht um einen breit gelagerten Fallkomplex, den ich schon aus anderen Verfahren kenne. Und in diesen Verfahren haben sich die Strafverfolger schon bisher als außerordentlich abhörfreudig erwiesen haben.

„Aber Verteidigergespräche dürfen doch nicht abgehört werden“, sagt der Mandant. Ja, sicher. Aber die Löschung der automatischen Aufzeichnung und die Vernichtung der schriftlichen Zusammenfassung ordnet irgendwann der Staatsanwalt an. Meist, nachdem er das Abhörprotokoll in aller Ruhe gelesen hat…

Im übrigen war das Ganze ja noch ein sogenanntes Anbahnungsgespräch, denn ein Mandat hatte der Mandant noch nicht erteilt. Auch Anbahnungsgespräche dürfen nach neueren Urteilen nicht abgehört werden. Aber im Zweifel weiß die Polizei ja in der Situation gar nicht genau, ob der Angerufene Verteidiger ist (oder werden könnte). Es wird also zumindest munter reingehört.

Da sollte man das Gespräch zu den Einzelheiten besser verschieben. Bis die Vollmacht gemailt ist. Und auf jeden Fall so lange, bis es der Mandant zum Aldi oder Rossmann geschafft und eine knackfrische Prepaidkarte sein eigen nennt.

Lieber ins Schwimmbad

Ende letzter Woche war ich auf einer Polizeiwache, die verdiente den Namen „Großstadtrevier“. Ein riesiger Raum, mit vielen Schreibtischen und jeweils einem PC. Es war nicht viel los und mein Fall auch eher bescheiden, aber am Nachbartisch ging es munter zur Sache. Dort wurde ein mutmaßlicher Dieb nämlich darüber aufgeklärt, dass er in Haft muss, weil gegen ihn ein Haftbefehl offen ist.

Das hatte trotz allem noch was von Alltag. Bis der Betroffene darum bat, seine Anwältin anrufen zu dürfen. „Das habe ich schon für dich gemacht“, bölkte einer der drei Polizeibeamten, die mit der Sache betraut waren. „Deine Anwältin will nicht kommen. Ist ihr zu heiß, die geht jetzt mit ihren Kindern lieber ins Schwimmbad.“

Damit war das Thema Anwalt erledigt. Seltsam nur, dass der Polizist eigentlich die ganze Zeit im Raum gewesen ist. Ich habe ihn nicht am Telefon gesehen.

Leider kam der Beschuldigte nicht auf die Idee nachzufragen, ob er denn wenigstens mal mit seiner Anwältin telefonieren darf.

Dass ein Verteidiger nicht immer zu jedem Mandanten eilen kann, kommt durchaus vor. Merkwürdig wird es aber dann, wenn der Anwalt zwar erreicht wird, aber es zu keinem Gespräch mit dem Mandanten kommt. Bei mir ist es jedenfalls ein Reflex, immer erst ein unbeobachtetes Gespräch mit dem Betroffenen zu verlangen. Das reicht allemal für den Tipp, erst mal die Klappe zu halten. Und dieser Tipp ist nie falsch.

Das Telefonat ist normalerweise auch absolut kein Problem, wenn die Polizei die Kontaktaufnahme zum Anwalt nicht komplett verweigert. Was sie ja bekanntermaßen nicht darf. In dem Fall vom Großstadtrevier habe ich allerdings stark das Gefühl, der Polizist hat einfach getrickst. Weil er schlicht keinen Bock darauf hatte, dass sich kurz vor dem Wochenende noch ein Anwalt einmischt. Das ist aber nicht nur fies, sondern auch illegal.

Der Beamte, mit dem ich am Nachbartisch konferierte, war übrigens supernett, sachlich und korrekt.