Vorsicht bei „Asset Deals“

Täglich werden große und kleine Firmen verkauft. Die Kundendaten sind dabei fast immer ein wertbildender Faktor von erheblichem Gewicht. Allerdings bleibt bei solchen „Asset Deals“ über Kundendaten oft der Datenschutz auf der Strecke. Zumindest nach Ansicht des Bayerischen Landesamtes für Datenschutzaufsicht (BayLDA).

Die Behörde verhängt deshalb nun Bußgelder gegen Firmenverkäufer und -käufer, sofern diese die gesetzlichen Vorgaben nicht beachten. Ohne Einverständnis der Kunden dürfen nur sehr eingeschränkt personenbezogene Daten auf dem Firmenkäufer übertragen werden. Im wesentlichen sind das, so das BayLDA, eigentlich nur Name und Postadresse der Kunden.

Aber natürlich haben Unternehmen viele andere Daten ihrer Kunden, die weitaus interessanter sind. Dazu gehören beispielsweise Telefonnummern, E-Mail-Adressen, Konto- und/oder Kreditkartendaten, zudem häufig „Kaufhistorien“. Das BayLDA erhielt nach eigenen Angaben etliche Beschwerden von Betroffenen, deren Daten einfach so den Besitzer wechselten.

Die konkrete Übertragung der Daten ist laut dem BayLDA aber normalerweise nur zulässig, wenn die Betroffenen vorher ausdrücklich eingewilligt haben. Gegebenenfalls genüge auch ein allgemeiner Hinweis bei Beginn der Geschäftsbeziehung. In diesem Fall müsse der Kunde aber ein jederzeitiges Widerrufsrecht haben.

Das BayLDA hat zuletzt nach eigenen Angaben bereits Bußgelder verhängt, im Fall des Verkaufs eines Online-Shops in fünfstelliger Höhe. Die Behörde will auch in weiteren Fällen handeln – „um die Sensibilität der Unternehmen zu erhöhen“.

Wirrwarr um Legasthenie-Vermerk

Der Gesetzgeber muss ausdrücklich regeln, ob und in welchem Umfang Abiturienten mit einer Lese- und Schreibschwäche Prüfungsvorteile erhalten. Der bloße Erlass eines Kultusministers, wonach bei der Benotung von Legasthenikern ganz oder teilweise auf deren Handicap Rücksicht genommen wird, reicht nicht aus, urteilt das Bundesverwaltungsgericht.

Ein Schüler mit ärztlich festgestellter Lese- und Rechtschreibschwäche hatte geklagt. Nicht wegen des Zeitvorteils von zehn Prozent, den er an seinem bayerischen Gymnasium gegenüber anderen Schülern erhielt. Auch nicht wegen der teilweise anderen Gewichtung seiner mündlichen und schriftlichen Prüfungsleistungen. Außerdem wurde seine Rechtschreibung überhaupt nicht bewertet. Seine Klage richtete sich gegen den Vermerk auf seinem Abiturzeugnis, in dem die Schule die Prüfungsvorteile für den Schüler offenlegte.

Das Bundesverwaltungsgericht wies die Klage des Schülers ab. Die Begründung ist allerdings kompliziert. Die Richter gehen nämlich davon aus, dass das gesamte System des „Notenschutzes“ für benachteiligte Schüler einer gesetzlichen Grundlage bedarf, die aber momentan nicht existiert.

Bloße Zeitvorteile dürften zwar gewährt werden, damit benachteiligte Schüler ihr Leistungsfähigkeit angemessen belegen können. Anders sei es aber, wenn sich der Prüfungsmaßstab insgesamt verschiebe. Wenn also gewisse Anforderungen wegfallen, die für andere Schüler gelten. Dies führe dazu, dass Noten nicht mehr vergleichbar seien.

Mangels gesetzlicher Grundlage waren die Prüfungsvorteile für den Schüler also rechtswidrig. Dies führt nach Auffassung des Gerichts allerdings dazu, dass er sich auch nicht dagegen wehren kann, dass seine derzeit nicht gerechtfertigte, aber tatsächlich gewährte Bevorzugung im Zeugnis vermerkt wird.

Das Bundesverwaltungsgericht lässt allerdings offen, ob dies auch für künftige Prüfungsleistungen nach dem Urteil gilt. Auf jeden Fall sind nun Länder wie Bayern gefordert, die den Notenschutz bislang nicht gesetzlich geregelt haben (Aktenzeichen 6 C 33.14).

Schutz ja, Provisionen nein

Fehler in der Widerrufsbelehrung geben vielen Lebensversicherungskunden die Möglichkeit, vorzeitig aus ihren Verträgen auszusteigen. Welche Beträge eine Versicherung im Falle des wirksamen Widerrufs zurückzahlen muss, hat der Bundesgerichtshof nun in zwei Urteilen näher festgelegt.

Eine hundertprozentige Rückzahlung der Prämien ist laut dem Gericht ausgeschlossen. Während der Vertrag lief, hatte der Kunde nämlich Versicherungsschutz. Diesen Vorteil muss er sich anrechnen lassen. Die Höhe des „Risikoanteils“ bei der Versicherung hatten die Richter der Vorinstanz geschätzt. Das hält der Bundesgerichtshof für zulässig.

Neben dem Anteil für den Versicherungsschutz müssen sich Versicherte nach dem Widerruf lediglich noch die Kapitalertragssteuer sowie den Solidaritätszuschlag anrechnen lassen, den die Versicherung für sie an das Finanzamt abführen muss.

Weitere Beträge dürfen nach dem Urteil nicht abgezogen werden. Das gilt insbesondere für die Abschluss- und Verwaltungskosten. Dazu gehören auch die oftmals hohen Provisionen, die der Vermittler erhält.

Das Urteil erging zu Verträgen nach dem sogenannten Policenmodell, die von 1994 bis 2008 abgeschlossen wurden. Die verklagten Versicherungen müssen jetzt erhebliche Nachzahlungen leisten (Aktenzeichen IV ZR 384/14 und IV ZR 448/14).

Anwalt raus

Der Gerichtssaal war offen, meine Verhandlung sollte in vier Minuten beginnen. Unbedarft wie ich bin, betrat ich den Raum. Und wurde direkt angeblafft. Von der Protokollführerin, die gerade in ein Schwätzchen mit dem ebenfalls schon anwesenden Staatsanwalt vertieft war. Es ging um eine kranke Kollegin und die Frage, ob die nach ihrer Galle noch mal wiederkommt. Bei Klatsch und Tratsch kam ich natürlich ungelegen. „Warten Sie wohl bitte draußen“, zischte die Protokollführerin.

Dass ich als Verteidiger von einer Gerichtsmitarbeiterin ausgesperrt werde, gehört nicht unbedingt zu meiner Alltagserfahrung. Ich erkundigte mich, warum ich einen offenstehenden Sitzungssaal nicht betreten darf. „Manche Richter wollen das nicht“, sagte die Dame ernsthaft, aber wenig überzeugend. „Jetzt gehen Sie bitte wieder raus, und kommen Sie erst wieder rein, wenn die Sache aufgerufen wird.“

Ich erlaubte mir den freundlichen Hinweis, dass ich als Verteidiger dann unmittelbar nach dem Aufruf der Sache den Richter um fünf Minuten Unterbrechung bitten müsste. Immerhin muss ich ja mein Notebook in Betrieb nehmen, die Akte, meine Gesetzbücher und was zum Schreiben bereitlegen. Das führte zu einem Teilerfolg. Denn offenbar rechnete die Mitarbeiterin nicht damit, dass der Richter sich darüber freuen würde, wenn er mir beim Auspacken zuschauen darf. „Dann bauen Sie Ihren Kram halt auf.“

Während ich meine Utensilien bereitlegte, erkundigte ich mich, warum denn der Staatsanwalt im Gegensatz zu mir anwesend sein dürfe. Keine nachvollziehbare Antwort. Ich entschied mich zu einem Kompromissvorschlag. „Wenn der Herr Staatsanwalt mit mir draußen wartet und Sie ganz doll auf meinen Computer aufpassen, gehe ich raus.“ Das wiederum brachte den Staatsanwalt in Wallung. Der war plötzlich der Meinung, dass Anwälte brav vor der Tür warten, sei am betreffenden Amtsgericht nun mal seit jeher üblich. Was ich allerdings nicht bestätigen kann, obwohl ich dort schon seit 20 Jahren ein und aus gehe.

Als nun auch noch der Staatsanwalt den Sitzungspolizisten raushängen ließ, hatte ich auch genug. Ich setzte mich demonstrativ auf meinen Platz und harrte der Maßnahmen, die nun gegen mich ergriffen würden. Es passierte aber rein gar nichts. Doofes Ende, zugegeben. Mit ein wenig mehr hatte ich schon gerechnet.

Anwälte, keine Fingerpuppen

Die in München wegen der NSU-Morde angeklagte Beate Zschäpe ist erwartungegemäß mit ihrem Versuch gescheitert, ihren Pflichtverteidigern ein Ermittlungsverfahren anzuhängen. Die Staatsanwaltschaft München I lehnt es ab, dem von Zschäpe geäußerten Verdacht näher nachzugehen. Zschäpe wirft den Anwälten Wolfgang Heer, Wolfgang Stahl und Anja Sturm vor, die Verschwiegenheitspflicht verletzt zu haben.

Aus der Pressemitteilung der Staatsanwaltschaft geht hervor, dass Zschäpe behauptet hat, ihre Anwälte hätten mit dem Vorsitzenden Richter des zuständigen Strafsenats Gespräche geführt. Insbesondere sei es um die Frage gegangen, ob Zschäpe sich in der Verhandlung zu den Vorwürfen äußert.

Wenn sich Zschäpes Groll wirklich nur darauf gründete, dass ihre Anwälte mit dem Gericht darüber reden, ob Zschäpe weiter schweigt, war das Scheitern der Strafanzeige absehbar. Denn völlig zu Recht kommen die Staatsanwälte zu dem Ergebnis, genau diese Tätigkeit sei „legitimes Verhalten von Verteidigern, die als Organe der Rechtspflege selbständig und unabhängig von der Angeklagten agieren“.

Anders wäre es womöglich gewesen, wenn Zschäpes Anwälte irgendwas zu der Frage gesagt hätten, ob und inwieweit ihre Mandantin an den Taten beteiligt war. Damit hätten die Verteidiger eine Grenze überschritten, denn ein (Teil-)Geständnis darf ein Anwalt nicht ohne Einverständnis ihres Mandanten. Aber so was hat offenbar nicht mal Zschäpe in ihrer Anzeige behauptet.

Sofern Beate Zschäpe sich bei ihrer Anzeige juristisch beraten ließ, fällt das Ergebnis nun auf ihre neuen Rechtsberater zurück. Die hätten sie vielleicht besser von dieser juristisch aussichtslosen Aktion abgebracht. Aber das Ziel ist womöglich nur noch die bedingungslose Eskalation. Von daher dauert es vielleicht nicht mehr lange, bis Beate Zschäpe auch ihrem neuen Pflichtverteidiger das Misstrauen ausspricht.

Geringe Menge, keine Strafe

Der Besitz geringer Mengen Marihuana soll normalerweise straflos bleiben. In Nordrhein-Westfalen gelten bis zu zehn Gramm als „geringe Menge“. Doch daran halten sich oftmals weder Staatsanwälte noch Richter. So musste sich das Oberlandesgericht Hamm jetzt mit der Revision eines Mannes beschäftigen, der bei einer Polizeikontrolle mit 0,4 Gramm und wenig später noch mal mit 0,7 Gramm Marihuana erwischt wurde.

Das Amtsgericht Iserlohn verurteilte den Angeklagten zu einer Geldstrafe. Mit keinem Wort ging das Gericht in seinem Urteil auf die Vorschrift des § 29 Absatz 5 BtMG ein. Diese besagt:

Das Gericht kann von einer Bestrafung nach den Absätzen 1, 2 und 4 absehen, wenn der Täter die Betäubungsmittel lediglich zum Eigenverbrauch in geringer Menge anbaut, herstellt, einführt, ausführt, durchführt, erwirbt, sich in sonstiger Weise verschafft oder besitzt.

Das Oberlandesgericht fasst zusammen, warum das Urteil nicht zu dieser wichtigen Vorschrift schweigen durfte:

Hierzu hätte vorliegend jedoch insbesondere auch deshalb Anlass bestanden, weil der Angeklagte nach den Feststellungen des Amtsgerichts nicht vorbestraft ist und über den festgestellten strafbaren Betäubungsmittelbesitz hinausgehend konkrete Anhaltspunkte für eine etwaige Fremdgefährdung — etwa durch die nahe liegende Möglichkeit der Abgabe von Betäubungsmitteln an Dritte oder durch Beschaffungskriminalität — nicht ersichtlich sind. …

Auch ist nach den Feststellungen des Amtsgerichts nichts dafür ersichtlich, dass es sich bei dem Angeklagten um einen Dauerkonsumenten handelt. Allein die Feststellung des unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln in zwei Fällen reicht für eine solche Annahme nicht aus.

Der Fall zeigt sehr schön, dass der stramme Verurteilungskurs vieler Gerichte auch bei kleinsten Mengen Marihuana schlicht gesetzeswidrig ist. Zumindest so lange, wie sich das Gericht nicht im konkreten Fall die Mühe macht nachvollziehbar zu begründen, warum trotz geringer Menge kein Absehen von Strafe in Betracht kommen soll (Aktenzeichen 2 RVs 30/15).

Scan -> Kopie oder Kopie -> Scan?

Mein Berliner Anwaltskollege Carsten R. Hoenig hat sich in den Untiefen des anwaltlichen Kostenrechts verstrickt. Allerdings hat er es nun weiß Gott nicht provoziert. Sondern seine Kontrahentin, eine Rechtspflegerin am Berliner Amtsgericht.

Die Dame will Carsten Hoenig die Kopierkosten nicht erstatten, die ihm als Verteidiger in einem Strafverfahren zustehen. Denn sie vermutet, dass von den Ermittlungsakten zuerst ein „Scan“ und erst später ein Ausdruck erstellt wurde. Das soll angeblich die Erstattung der Kosten juristisch ausschließen.

Wer sich die Feinheiten der Diskkussion antun möchte, den darf ich gerne auf den unterhaltsamen Originalbeitrag und die meist fachkundigen Leserkommentare verweisen.

Wenn sich diese merkwürdige Rechtsauffassung aus Berlin durchsetzen würde, dürfte die Staatskasse aber trotzdem nicht viel sparen. Wenn ich als Anwalt erst mal eine Papierkopie machen muss und nicht den Scan eines Dokuments später ausdrucken darf, dann mache ich halt erst die Kopie und scanne diese Kopien dann ein, wenn ich eine elektronische Version haben möchte.

Das wird sicher noch amüsant.

Schüler verklagt Schüler

Weil er einem Mitschüler aus der neunten Klasse kurz vor Unterrichtsbeginn den Stuhl wegzog, sollte ein damals 15-Jähriger 1.400 Euro Schmerzensgeld zahlen. Doch der Mitschüler, der sich erheblich verletzte, blitzte nun vor dem Amtsgericht Hannover ab.

Das Gericht stufte die Aktion als Schülerscherz ein, berichtet die Welt. Die zuständige Richterin wies darauf hin, dass Neckereien unter Schülern normalerweise nicht zu einer zivilrechtlichen Haftung führen.

Das gelte jedenfalls so lange, wie Körperschäden nicht beabsichtigt seien. Dem Gericht fehlte letztlich ein Nachweis dafür, dass der Schüler seinen Klassenkameraden tatsächlich verletzen wollte oder zumindest damit rechnete.

Fahrtenbuch wegen Beifahrer

Eine Fahrtenbuchauflage ist auch dann zulässig, wenn sich der Beifahrer eines Autos falsch verhalten haben soll. Es ist nicht unbedingt erforderlich, dass dem Fahrer ein Tatvorwurf gemacht wird, hat das Verwaltungsgericht Mainz entschieden.

Aus dem Beifahrerfenster eines Transporters soll während eines Überholvorgangs eine Flüssigkeit geschüttet worden sein – auf einen Rollerfahrer. Der Polizei gelang es nicht, den Fahrer zu ermitteln. Die Firma, auf die das Auto zugelassen war, konnte oder wollte nicht sagen, welcher ihrer 15 Angestellten verantwortlich sein könnte.

Eine Fahrtenbuchauflage soll nach Auffassung des Gerichts generell dafür sorgen, dass künftige Taten im Zusammenhang mit dem Fahrzeug geahndet werden können. Es sei deshalb nicht erforderlich, dass der Fahrer verdächtig sei. Allerdings bedeutet das wohl nicht, dass im Fahrtenbuch nun auch Beifahrer aufgeführt werden müssen (Aktenzeichen 3 K 757/14.MZ).

Gutes Passwort

In einer größeren Strafsache hat die Polizei ihre Ermittlungsergebnisse immer auf DVDs an den Staatsanwalt geschickt. Ich zitiere mal aus dem Begleitschreiben:

Auch im Ordner 4 – „Beweismittel“ – befinden sich auf DVD gebrannt die Auswerteberichte der PC’s und Mobiltelefone. Die Dateien sind als zip-Archiv auf der DVD, das Kennwort zum Öffnen heißt „Polizei110!“ (Großschreibung am Anfang beachten).

Gültiger Parkschein

Die Mitarbeiter der Düsseldorfer Verkehrsbüberwachung sind flink, wenn sie jemanden aufschreiben können. Gut, mit Sicherheit nur nicht die Düsseldorfer.

Meine Mandantin erhielt jetzt einen Bußgeldbescheid:

Ihnen wird vorgeworfen, am 06.06.2015 um 14:03 Uhr … folgende Verkehrsordnungswidrigkeit begangen zu haben. Sie parkten im Bereich eines Parkscheinautomaten ohne gültigen Parkschein.

Meine Mandantin kann aber einen Parkschein vorlegen. Und der datiert von 14:04 Uhr, ausgedruckt vom Parkscheinautomaten 80 Meter weiter. Da dürfte doch was zu machen sein – spätestens vor einem gnädigen Amtsrichter.

Hilfe, ein Smartphone!

Der Polizeibeamte M. wohnt und arbeitet in Hamburg. Da dürfte er durchaus ab und zu Personen sehen, die ein Smartphone in der Hand halten. Mitunter sind ja schon die Leute in der Minderzahl, die kein Smartphone in der Hand haben.

Aber der Polizeibeamte M. findet den Umstand, dass jemand ein Smartphone in der Hand hat, durchaus verdächtig. Das tat er jedenfalls auf einer Demonstration. Bei dieser erdreistete sich mein Mandant, dem Beamten eine höfliche Frage zu stellen. MIT DEM SMARTPHONE IN DER HAND!

Das Smartphone löste in dem Beamten das Gefühl aus, mein Mandant sei ein Straftäter. Denn immerhin, so die messerscharfe Schlussfolgerung, halte mein Mandant sein Smartphone nur deshalb in der Hand, um das Gespräch mit ihm aufzuzeichnen. Was durchaus eine Straftat sein kann, siehe § 201 StGB.

Der Beamte fragte meinen Mandanten, ob er das Gespräch aufzeichnet. Mein Mandant sagte nein und steckte sein Smartphone brav weg. Sozusagen als Zeichen des guten Willens. Der Beamte seinerseits hatte, so schrieb er in der Anzeige, wegen seines eigentlichen „Dienstauftrags“ leider gerade keine Zeit, das Smartphone anzuschauen oder es gar zu konfiszieren. Aber immerhin reichte die Zeit, um die Personalien meines Mandanten festzuhalten.

Mit der Post kam dann später die Anzeige, die der Beamte auch durch einen förmlichen Strafantrag unterstrich. Tatvorwurf: „Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes“.

Der Staatsanwalt schrieb dazu einen Vermerk, dass eine Hausdurchsuchung bei meinem Mandanten keine Aussicht auf Erfolg verspricht. Es sei nicht zu erwarten, dass mein Mandant so beschränkt ist, eine eventuelle Aufnahme auf seinem Handy zu belassen. Außerdem, das klingt zumindest an, sei eine Durchsuchung ja wohl kaum verhältnismäßig. Und der Polizist habe wohl einen an der Klatsche, die Justiz mit solchen Luftnummern zu quälen. Na ja, Letzteres hat sich der Staatsanwalt natürlich allerhöchstens gedacht…

Wie auch immer: Habt ab sofort besser kein Smartphone in der Hand – zumindest wenn der Polizeibeamte M. in der Nähe ist.

Wer glaubt wem

Die Zeugen hatten, wie so oft, eigentlich gar nichts gesehen. Deshalb war in einem Zivilverfahren schon vor der Beweisaufnahme absehbar, dass es darauf ankommt, welcher Partei der Richter am Ende glaubt. Dem Kläger. Oder dem Beklagten.

Von daher war es doch eher suboptimal, dass der Kläger seine Parteianhörung vor dem Richter mit folgenden Worten einleitete:

Ich war vor 15 Jahren ja schwer erkrankt. Das hatte einen Hirnschaden zur Folge. Ich habe seitdem so gut wie überhaupt kein Gedächtnis mehr. Aber an diese Sache erinnere ich mich natürlich noch genau…

Keine Ahnung, warum der Anwalt nicht versuchte, seinen Mandanten zu bremsen. Da sich die Parteien ansonsten nicht näher kannten, hätte ich wahrscheinlich eher nicht nach hirnorganischen Vorschäden gefragt. Ansonsten, muss man sagen, war die Stellungnahme nämlich wirklich gut einstudiert.

Es half dann allerdings nichts mehr…

Karlsruhe bremst Staatsanwälte

Das Bundesverfassungsgericht beendet eine Unsitte bei Hausdurchsuchungen. Es kam immer wieder vor, dass Staatsanwälte nicht abwarten wollten, bis ein Richter über den von ihnen gestellten Durchsuchungsantrag entschieden hat. Stattdessen ordneten die Staatsanwälte dann die Durchsuchung doch noch selbst an – wegen „Gefahr im Verzug“.

Diese Praxis ist verfassungswidrig, urteilt das Bundesverfassungsgericht in drei Beschlüssen. Sobald der Staatsanwalt den Durchsuchungsbeschluss – wie vom Gesetz vorgesehen – beantragt hat, endet seine Zuständigkeit. Er kann dann auch nicht mehr die Durchsuchung wegen „Gefahr im Verzug“ anordnen, bloß weil sich der Richter (aus seiner Sicht) übermäßig viel Zeit lässt.

Es gibt nämlich durchaus Richter, die in Eilfällen nicht jeden Durchsuchungsbeschluss wie gewünscht telefonisch erlassen – wobei eine mündlich Anordnung zumindest in einfach gelagerten Fällen durchaus zulässig ist. Vielmehr bestehen diese Richter dann auf nähere Informationen oder gar auf Vorlage der Ermittlungsakte. Das kostet natürlich Zeit. Aber die Grundrechte gebieten es laut der Karlsruher Entscheidung, sich diese Zeit zu nehmen. Jedenfalls darf das Ermessen eines Richters, wie und vor allem wann er einen Fall entscheidet, nicht dadurch ausgehebelt werden, dass der Staatsanwalt „Gefahr im Verzug“ bejaht und die Durchsuchung kurzerhand selbst anordnet.

Das Bundesverfassungsgericht weist bei dieser Gelegenheit noch mal darauf hin, das Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung sei ein hohes Gut. Deshalb müsse in der Regel der Richter über eine Durchsuchung entscheiden. Die Anordnung durch den Staatsanwalt wegen „Gefahr im Verzug“ müsse die Ausnahme sein. Es sei auch Sache der Ermittlungsbehörden nachvollziehbar zu dokumentieren, dass die Voraussetzungen für „Gefahr im Verzug“ vorlagen (Aktenzeichen 2 BvR 2718/10, 2 BvR 2808/11, 2 BvR 1849/11).