07:30 Uhr

Aus einer Vorladung der Polizei (Schreibeweise original):

… ist Ihre Vernehmung als Beschuldigter erforderlich. Sie werden daher geben, am Donnerstag, 27.08.2015 um 07:30 Uhr bei Verkehrskommissariat 2 Hammer Straße 234 48153 Münster … vorzusprechen.

Die Uhrzeit klingt ja doch wie ein guter Trick, um die Zahl der Leute, die ohne jede Verpflichtung so einer Vorladung Folge leisten, noch ein wenig mehr drücken.

„Mehrere Netzwerkkabel“

In einem Strafverfahren geht es darum, wer Zugriff auf einen Homeserver nehmen konnte. Denn auf dem Server waren Daten gespeichert, die dort nicht hätten sein dürfen.

Die Polizeibeamten, die zur Durchsuchung anrückten, hatten einen Durchsuchungsbeschluss, der auf drei Bewohner des fraglichen Hauses ausgestellt war. Sie durchsuchten also deren Räume. Im Bericht klingt das so, als seien damit alle Räume des Einfamilienhauses durchsucht worden. Womit dann sozusagen auch alle Hausbewohner erfasst gewesen wären, die – abgesehen von sonstigen Besuchern – als Täter in Frage kommen.

Im nachhinein stellt sich aber raus, dass das wohl doch nicht der Fall war. Im Dachgeschoss befinden sich nämlich noch zwei Räume, ein Bad und eine Küche, die durch eine Tür abgetrennt sind. Dort wohnt die Tochter des Hausbesitzers. Die war allerdings nicht im Durchsuchungsbeschluss aufgeführt und auch nicht anwesend. Das hatte zur Folge, dass die Polizeibeamten sich um diese Räume nicht kümmerten. Vermutlich weil sie die Mühe scheuten, den Durchsuchungsbeschluss ergänzen zu lassen.

Im nachhinein ist mir deshalb auch klar, wieso im Durchsuchungsbericht nur kryptisch davon die Rede ist, es würden „mehrere Netzwerkkabel durch die Betondecke in die oberen Etagen“ laufen. Normalerweise wäre es ja sinnvoll reinzuschreiben, wohin diese Netzwerkkabel gehen. Aber dann hätte man halt auch erwähnen müssen, dass ein Netzwerkkabel ins Dachgeschoss führte, das aber gar nicht betreten wurde. Mit der Folge, dass jetzt niemand sagen kann, welche Rechner denn in diesem Geschoss angeschlossen waren.

Wobei ich natürlich nicht sagen will, dass ich als Verteidiger über dieses Ergebnis unglücklich wäre. Nun haben wir nämlich einen Draht mehr zu dem Server, zu dem sich rein gar nichts mehr feststellen lässt. Noch besser wird es durch den Umstand, dass die Tochter an ihrem Netzwerkanschluss ein eigenes WLAN betrieben hat, was die Beamten dankenswerterweise noch selbst durch eine Liste der in der Siedlung aktiven Drahtlosnetzwerke dokumentiert haben.

Bei so einer Konstellation muss man immer daran denken: Im Strafprozess muss der Angeklagte nicht seine Unschuld belegen. Sondern ihm muss seine Schuld nachgewiesen werden. Darauf kann man oft aufbauen, in diesem Fall aber ganz besonders.

Big Brother hört auf Mutti

In meiner aktuellen Kolumne für die ARAG stelle ich die Frage: „Kommen jetzt die Drohnen-Eltern?“ Gemeint sind Eltern, die ihren Nachwuchs an die kurze elektronische Leine nehmen. Sie überwachen ihre Kinder mit sogenannten Nanny-Apps, die jederzeit den aktuellen Standort von Sohn oder Tochter verraten.

Hier geht es zur Kolumne.

Außerdem gibt es einen neuen Beitrag für meine Video-Kolumne auf Youtube. Thema: „Bilder auf Facebook: Kleines Foto, große Rechnung“. Bitte hier anschauen:

Amtliches Pathos, greifbare Irreführung

„Durchführung einer erkennungsdienstlichen Behandlung.“ Das steht als Überschrift fett in dem Brief, den mein Mandant erhalten hat. Absender ist die Kriminalpolizei in Nürnberg. Weiter heißt es, die erkennungsdienstliche Behandlung meines Mandanten sei „erforderlich“. Wenn er aus „zwingenden Gründen“ nicht zur Dienststelle kommen könne, möge er einen neuen Termin mit dem Sachbearbeiter vereinbaren.

Interessanterweise findet sich in dem Schreiben zunächst kein einziger klarer Hinweis, dass die Ladung so unverbindlich ist wie die Postwurfsendung der Asia-Massage um die Ecke. Mein Mandant muss zum jetzigen Zeitpunkt nämlich gar nichts. Denn es es geht um eine ED-Behandlung im Rahmen der vorbeugenden Kriminalitätsbekämpfung. Bei dieser Form der ED-Behandlung muss man nur mitwirken, wenn die Polizei einen entsprechenden Bescheid erlassen hat – gegen den man je nach Bundesland Widerspruch einlegen oder klagen kann. Wobei beides im Regelfall aufschiebende Wirkung hat.

Deshalb ist es auch reichlich merkwürdig, dass in dem Schreiben der Eindruck erweckt wird, nur bei „zwingenden Gründen“ müsse der Betroffene nicht erscheinen. Nein, tatsächlich kann er wegbleiben, wenn er einfach keine Lust oder an dem Tag schon einen Massagetermin hat. Was ja auch eher kein zwingender Grund ist.

Nur ganz am Ende des Schreibens erfährt der bis dahin schon eingeschüchterte Leser, dass gegebenenfalls ein förmlicher Bescheid erst noch erlassen wird, sollte er nicht kommen. Verbunden ist das dann mit dem Hinweis, dieser Bescheid könne „zwangsweise und kostenpflichtig durchgesetzt“ werden. Auch hier natürlich keinerlei Hinweis darauf, dass der mögliche Bescheid kein Gottesurteil wäre, sondern dass man sich dagegen juristisch immer noch ausgiebig wehren kann. Mit ganz guten Erfolgsaussichten übrigens.

Ich weiß nicht, ob Polizeibehörden stolz darauf sind, wenn sie solche Briefe verfassen. Mich hinterlässt es jedes Mal irritiert, wenn sich amtliches Pathos mit greifbarer Irreführung paart. Ich frage mich dann immer, ob sie das wirklich nötig haben. Womöglich ja.

Dantis Tod im Lichte der Paragrafen

Im Berliner Volkspark Humboldthain hat ein Polizeibeamter am frühen Montagabend seine Dienstwaffe gezogen und einen Hund erschossen. Der Polizist hatte vorher verlangt, dass das Tier angeleint wird. Dann fühlte er sich nach eigenen Angaben von dem Hund bedroht, weil dieser auf ihn zulief. Der Polizist zückte seine Waffe und tötete den Hund.

Die Geschichte um den Rhodesian Ridgeback namens „Danti“ schlägt mittlerweile hohe Wellen, wie man hier und hier nachlesen kann. Auf Facebook gibt es heftige Debatten und böse Worte gegen den Polizisten. Im Park wurde eine Mahnwache für den Hund abgehalten.

Juristisch ist der Fall nicht kompliziert. Das Ergebnis hängt weniger von Paragrafen ab, sondern vielmehr davon, wie er sich im einzelnen zugetragen hat. Von diesen Details, die bislang nicht öffentlich sind, ist die juristische Bewertung abhängig. Dennoch will ich einige Punkte aufzeigen, denn Schüsse auf Hunde machen munter weiter Schlagzeilen.

Wenn sich die Tötung Dantis am Ende juristisch nicht rechtfertigen lässt, hätte sich der Beamte zunächst wegen Sachbeschädigung nach § 303 StGB strafbar gemacht. Denn Tiere sind laut dem Gesetz zwar keine Sachen, aber die Vorschriften über die Sachen werden entsprechend auf sie angewendet. Außerdem hätte der Beamte ein Wirbeltier ohne vernünftigen Grund geötet, was nach § 17 TierschG eine Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren einbringen kann.

Der Staatsanwalt muss in dem Fall natürlich vorrangig prüfen, ob eine Notwehrlage gegeben war. Gegen Tiere selbst gibt es zwar keine Notwehr, aber möglicherweise gegen die Verantwortlichen für das Tier. Wenn der Mann, der den Hund ausführte, den Hund entgegen seiner Verpflichtung (die Juristen sprechen von „Garantenstellung“) nicht an dem Angriff gehindert hat, könnte man über eine Notwehrlage nach § 32 StGB diskutieren.

Egal ob Notwehr oder nicht, es gibt noch eine andere Norm, die den Schuss auf den Hund rechtfertigen kann. Es ist § 228 BGB. Dieser Paragraf trägt die Überschrift „Notstand“ und lautet wie folgt:

Wer eine fremde Sache beschädigt oder zerstört, um eine durch sie drohende Gefahr von sich oder einem anderen abzuwenden, handelt nicht widerrechtlich, wenn die Beschädigung oder die Zerstörung zur Abwendung der Gefahr erforderlich ist und der Schaden nicht außer Verhältnis zu der Gefahr steht. Hat der Handelnde die Gefahr verschuldet, so ist er zum Schadensersatz verpflichtet.

Während das strafrechtliche Notwehrrecht ziemlich weit geht, enthält der Notstandsparagraf des BGB gleich einen doppelten Verhältnismäßigkeitsvorbehalt. Die Tat muss zur Abwendung der Gefahr erforderlich sein und der Schaden darf nicht außer Verhältnis zur Gefahr stehen. Ohne Kenntnis der Einzelheiten des Falles lässt da wie gesagt keine Bewertung abgeben.

Am interessantesten finde ich momentan die Frage, wieso ein Polizeibeamter in so einer Situation überhaupt seine Pistole aus dem Holster zieht. So weit ich weiß, haben Polizisten in Berlin standardmaßig ein Abwehrspray dabei. Das wirkt sicher nicht nur bei Menschen. Apropos Menschen. Der Vorfall soll sich am frühen Abend zugetragen haben, als der Park bei Sommerwetter gut besucht war. Da kann man froh sein, dass nicht ganz andere juristische Fragen zu beantworten sind.

Heizölkauf ist keine Spekulation

Wer sein Heizöl schriftlich, telefonisch, per Fax oder Mail bestellt, schließt einen Fernabsatzvertrag. Normalerweise gilt für Fernabsatzverträge ein Widerrufsrecht von 14 Tagen. Allerdings sollte das Widerrufrsrecht bei Heizöl ausgeschlossen sein, so Gerichtsurteile. Doch das ist nun doch nicht der Fall: Der Bundesgerichtshof entschied, dass für Heizöl keine Ausnahme gilt und der Vertrag fristgemäß ohne Begründung widerrufen werden darf. Das ist natürlich dann interessant, wenn es einen Preissprung nach unten gegeben hat.

Das Landgericht Bonn und andere Gerichte hatten Heizölkäufern kein Widerrufsrecht zugestanden, weil es sich bei dem Brennstoff um „spekulative Ware“ handele, bei welcher der Marktpreis schwankt. Für derartige Produkte, insbesondere Kapitalanlagen, gibt es tatsächlich Ausnahmen im Bürgerlichen Gesetzbuch (die Entscheidung erging zu einer älteren Fassung des Gesetzes).

Doch Heizöl ist nach dem Urteil kein Spekulationsobjekt. Verbraucher, so die Richter, füllen ihren Tank normalerweise zur Eigenversorgung und nicht, um durch den Weiterverkauf des Heizöls Gewinn zu machen. Deshalb gebe es keinen Grund, das Fernabsatzrecht zu beschränken. Das 14-tägige Widerrufsrecht gilt aber nur so lange, wie das Heizöl nicht im Tank ist (Link zum Urteil).

Dienstags in München

Hier mal wieder ein Beispiel dafür, wie man sich gegenüber der Polizei nicht verhalten sollte. Zumindest wenn man den Schaden durch eigenes Fehlverhalten minimieren möchte.

Die Polizei in München hielt am Dienstag einen 68-Jährigen an, der mit dem Auto die Kreilerstraße befuhr. Es handelte sich um eine allgemeine Verkehrskontrolle. Der Autofahrer erklärte den Beamten, er habe nie eine Fahrerlaubnis besessen. Im Alter von 18 Jahren war er durch die Führerscheinprüfung gefallen. Einen weiteren Versuch, die Fahrerlaubnis zu erwerben, machte er in all den Jahren nicht.

Allerdings räumte er ein, in all den Jahren Auto gefahren zu sein. Sicher kommt ihm irgendwann noch der Gedanke, dass es da doch so was wie ein Schweigerecht gibt. Spätestens dann, wenn der Richter das Strafmaß verkündet und festlegt, wann der Betroffene es frühestens noch mal mit dem Führerschein probieren darf.

Unwürdig

Ein mehrfach vorbestrafter Jura-Absolvent darf kein Rechtsreferendariat ableisten. Das Oberverwaltungsgericht Münster hält ihn für „unwürdig“.

Der Betroffene ist Mitglied im Bundes- und Landesvorstand der Partei „Die Rechte“ sowie der mittlerweile verbotenen „Kameradschaft Hamm“. Er ist in der Zeit von 2004 bis 2015 insgesamt zehn Mal strafrechtlich verurteilt worden, unter anderem wegen Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen, Volksverhetzung, mehrfacher Beleidigung, Körperverletzung und Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte.

Mit seinem Eilantrag vor dem Oberverwaltungsgericht wollte er nun erreichen, dass er zum juristischen Vorbereitungsdienst zugelassen wird. Er berief sich auf sein Grundrecht auf Berufsfreiheit nach Art. 12 GG und wies – nachvollziehbar – darauf hin, dass er ohne Zweites Staatsexamen nur ein „halber Jurist“ mit entsprechend schlechten Berufsaussichten ist.

Normalerweise spielen Vorstrafen beim Rechtsreferendariat erst eine Rolle, wenn der Bewerber mindestens zu einem Jahr Gefängnis verurteilt wurde. Diese Grenze nennt das Ausbildungsgesetz als Regelfall. Das war bei dem Bewerber jedoch nicht der Fall, denn alle seine Strafen waren Geldstrafen oder deutlich kürzer. Dennoch, so das Oberverwaltungsgericht, sei der Mann „unwürdig“. Das wird folgendermaßen begründet:

Jeder Bewerber müsse die Erwartung rechtfertigen, er werde dem Berufsbild eines Volljuristen auch von seiner Persönlichkeit her im Verlauf der Ausbildungszeit gerecht. Der Vorbereitungsdienst diene der Ausbildung zu Berufen, deren wesentlicher Inhalt die Verwirklichung des Rechts sei. Vor diesem Hintergrund fehle es an der Würdigkeit, wenn der Bewerber schwer gegen das Recht verstoßen habe. Denn bereits während des Vorbereitungsdienstes müssten mitunter eigenverantwortlich Aufgaben für die ausbildenden Gerichte, Staatsanwaltschaften, Behörden und Rechtsanwälte wahrgenommen werden.

Die politische Ausrichtung des Bewerbers wird mit keinem Wort erwähnt. Wenn es also nur auf die Tatsache der strafrechtlichen Verurteilung ankommt, dann muss ich sagen, haben einige mir bekannte Volljuristen durchaus Glück gehabt. Ich kenne etwa einen eingefleischten Ultra, der in seiner Karriere als Fußballfan mindestens ebenso viele kleinere Vorstrafen gesammelt hat. Dennoch ist er heute Volljurist und Partner einer mittelständischischen Kanzlei.

Außerdem fällt mir ein agiler Mandant ein. Er hat sich sein Jurastudium und seinen ersten Ferrari mit pfiffigen Anlagemodellen für Leute mit zu viel Schwarzgeld verdient. Nach seinen paar Verurteilungen, um die wir am Ende nicht herumkamen, hat bei seiner Einstellung in den Vorbereitungsdienst kein Hahn gekräht.

Das kann man im Vergleich zu dem aktuellen Fall seltsam finden, ich tue es jedenfalls. Das heißt nicht, dass ich die Gesinnung des Bewerbers sympathisch finde. Ihm aber deswegen die Tür in eine berufliche Zukunft zuzuschlagen, finde ich ebenso wenig sympathisch (Aktenzeichen 6 B 733/15).

Juristischer Erfolg für Parkplatz-Geier

Das Landgericht München I hat den Geschäftsführer eines großen Abschleppunternehmens freigesprochen. Der Vorwurf lautete auf Erpressung. Die Firma schleppt im gesamten Bundesgebiet im Auftrag von Grundstücksbesitzern Falschparker ab. Bis zu 340 Euro soll die Firma von den Fahrern verlangt haben, damit diese ihr Auto wiederbekommen. Teilweise soll den Autobesitzern ohne Zahlung noch nicht mal gesagt worden sein, wo sich ihr Fahrzeug befindet.

Die 29 angeklagten Fälle seien jedenfalls keine Erpressung, lautet das Urteil. Die Vorsitzende des Gerichts betonte, in allen Fällen seien die Fahrzeuge unberechtigt geparkt gewesen. Das habe die Abschleppfirma lückenlos belegen können. Auch keiner der rund 100 vernommenen Zeugen habe behauptet, die Autos seien rechtmäßig geparkt gewesen. Die Beschilderung sei Eindeutig gewesen. Außerdem hätten die Parkplatzbesitzer teilweise sogar Flugblätter verteilt, mit denen sie das Abschleppen androhten.

Das Gericht betonte, das Urteil sei kein Freibrief für das Geschäftsmodell. In allen Fällen sei der Nachweis aber nicht gelungen, dass die Firma vorsätzlich einen so überhöhten Betrag verlangt habe, der die Schwelle zur Strafbarkeit überschreite.

Details zu den rechtlichen Erwägungen nennen weder die Pressemitteilung des Gerichts noch die Medienberichte. Juristische Grundlage für das Verhalten der Abschleppfirma ist aber das Zurückbehaltungsrecht nach § 273 BGB. Danach kann die Herausgabe einer Sache verweigert werden, wenn berechtigte Gegenansprüche bestehen. Das wären in diesem Fall die Abschleppkosten.

Allerdings ist das juristisch alles sehr komplex. Die Abschleppfirma hat ja selbst gar keinen Anspruch gegen den Falschparker. Dieser steht allenfalls dem Grundstücksbesitzer zu. Dann stellen sich noch etliche weitere Fragen: Liegt überhaupt ein „Schaden“ vor, etwa, wenn ein falsch geparktes Auto auf einem weitgehend leeren Supermarktparkplatz steht? Sind die „Aufwendungen“ ( = Abschleppkosten) stets erforderlich und wenn ja, in welcher Höhe? Bedarf die Abschleppfirma einer Inkassoerlaubnis? Was ist, wenn der Halter des Fahrzeugs das Auto gar nicht selbst falsch geparkt hat?

Die Aufzählung lässt sich noch lange fortsetzen. Und dann hätte man erst die zivilrechtlichen Vorfragen abgearbeitet, bevor man sich dann dem auch nicht unkomplizierten Tatbestand der Erpressung (§ 253 StGB) zuwenden darf. Es ist also keineswegs ausgemacht, dass die Entscheidung des Landgerichts München I Bestand hat. Die Staatsanwaltschaft hat bereits Revision angekündigt, so dass wir hoffentlich bald Näheres vom Bundesgerichtshof erfahren werden.

Dortmund bleibt „sauber“

Die Stadt Dortmund ist in ihrem heroischen Kampf gegen die Straßenprostitution einen Schritt weiter. Das Oberverwaltungsgericht Münster bestätigte nun, dass in Dortmund kein Straßenstrich geduldet werden muss.

Dabei ist die Begründung höchst bemerkenswert: In ganz (!) Dortmund, so die Stadtverwaltung und die Bezirksregierung Arnsberg, stehe kein einziges Gebiet zur Verfügung, das einen Straßenstrich „verkraften“ kann. Begründet wird dies unter anderem damit, dass die Zahl der Sexarbeiterinnen in dem Marktsegment während der letzten Jahre enorm zugenommen hat. Von einer Verdreifachung binnen kürzester Zeit war die Rede, als die Stadt im Jahre 2011 den Strich an der Ravensburger Straße schließen ließ und Straßenprostitution komplett untersagte.

Die Richter des Oberverwaltungsgerichts halten unter diesen Umständen die Annahme für gerechtfertigt, ein solcher Straßenstrich werde egal an welcher Stelle immer auch schutzbedürftige Gebiete räumlich betreffen. Dies habe zur Folge, dass „sozialunverträglicher Konfronta­tion unbeteiligter Dritter“ – Kinder, Jugendlicher und Erwachsener – mit der Prostitu­tionsausübung beziehungsweise deren unliebsamen Begleiterscheinungen kommen könne. Deshalb sei das generelle Verbot gerechtfertigt.

Das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen hatte in der Vorinstanz zwar die Schließung des Strichs an der Ravensburger Straße gebilligt. Es verpflichtete die Stadt Dortmund aber, nach einem geeigneten Standort zu suchen. Dazu war die Stadt aber nciht bereit.

Der Anwalt der Klägerin hat laut Spiegel Online Rechtsmittel angekündigt. Er sieht – zu Recht – die Berufsfreiheit seiner Mandantin und ihrer Kollegen über Gebühr eingeschränkt. Das Urteil wird überdies sicher auch in anderen Städten aufmerksam gelesen werden (Aktenzeichen

Troll ist nun eine Marke

Der „Troll“ ist nicht mehr länger nur ein Internetphänomen, sondern ab sofort auch eine geschützte Marke. Das Bundespatentgericht gestattete die Eintragung der Marke „Troll“. Das Markenamt hatte dagegen noch Hindernisse gesehen.

Die Bedenken waren allerdings nicht grundsätzlicher Natur. Vielmehr hatte die Markenstelle befürchtet, der in Rheinland-Pfalz örtlich verbreitete „Trollschoppen“ könne durch die Eintragung gefährdet sein. Diese Befürchtungen teilen die Richter jedoch nicht, sie sehen keinerlei Verwechslungsgefahr.

Der Beschluss des Bundespatentgerichts enthält eine schöne Begriffserklärung des Trolls:

Dieses Wort kommt besonders in der germanischen Mythologie vor, stammt aus dem Skandinavischen und hat die Bedeutung „dämonisches Wesen, das männlich oder weiblich sein, die Gestalt eines Riesen oder eines Zwergs haben kann“.

Ferner kann es „grober, ungeschlachter Kerl“ oder „jemand, der [fortgesetzt] beleidigende und diskriminierende Kommentare ins Internet stellt“ bedeuten. „Troll“ ist aber auch Name von Fahrzeugen, Zeitschriften, Filmen und vielfach Familienname sowie die schlechteste Notenstufe in der Zaubereischule Hogwarts der Harry-Potter-Romane.

Geschützt wird der Begriff „Troll“ übrigens nur eingeschränkt. Die Markenanmeldung bezieht sich im wesentlichen auf Getränke (Aktenzeichen 26 W (pat) 548/14).

Kein Mindestlohn für Gefangene

Das Mindestlohngesetz schreibt aktuell eine Vergütung von mindestens 8,50 Euro pro Stunde vor. Auch Strafgefangene müssen arbeiten, wenn sie im Vollzug keine Nachteile erleiden wollen. Steht ihnen deshalb auch der Mindestlohn zu?

Mit dieser Frage beschäftigte sich das Oberlandesgericht Hamburg. Die Richter lehnen den Mindestlohn für Strafgefangene ab. Begründung: Das Mindestlohngesetz gilt laut § 22 MiLoG nur für „Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer“. Strafgefangene seien aber keine Arbeitnehmer im Sinne der Vorschrift. Aus dem Beschluss:

Es ist allgemein anerkannt, dass die Arbeit im Strafvollzug öffentlich-rechtlicher Natur ist, die Gefangenen nicht Arbeitnehmer sind und zwischen den Gefangenen und der Anstalt kein Arbeitsvertrag geschlossen wird. So ist gemäß § 38 Abs. 1 Satz 1 HmbStVollzG der Strafgefangene verpflichtet, die ihm zugewiesene Arbeit auszuüben.

Aktenzeichen 3 Ws 59/15

Windows 10: Nutzer bezahlen mit ihren Daten

Windows 10 ist eine Art privater Abhöranlage, warnt die Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz. Wie schon viele Smartphone-Apps spioniere das neue Betriebssystem von Microsofort die Nutzer umfassend aus. Der Nutzer bezahle im wahrsten Sinne des Wortes mit seinen Daten. Damit sei Windows 10 keineswegs „kostenlos“.

Wer die Datenschutzbestimmungen des neuen Windows akzeptiert, willigt laut den Verbraucherschützern in eine umfassende Ausforschung seines Nutzungsverhaltens ein. Microsoft wertet demnach nicht nur den Namen, die Postadresse, Alter, Geschlecht und die Telefonnummer aus, sondern zum Beispiel auch den jeweiligen Standort des Gerätes, die in den unternehmenseigenen Apps und Diensten aufgerufenen Web-Seitenadressen, eingegebene Suchbegriffe, Kontakte zu anderen Personen und die gekauften Artikel, also vor allem Musik oder Filme. Windows 10 gebe dem Rechner zudem eine eindeutige Identifikationsnummer zur Verwendung durch App-Entwickler und Werbenetzwerke.

„Nutzer digitaler Geräte werden immer mehr selbst zu einer Ware, die vermarktet wird“, erklärt Christian Gollner, Rechtsreferent der Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz. Aus den Nutzungsdaten lassen sich beispielsweise Gewohnheiten, Bedürfnisse und die Kaufkraft ablesen. Damit können Werbung und Angebote präzise auf die Interessen der Verbraucher zugeschnitten werden. Außerdem kann eine Weitergabe der Daten an Dritte erfolgen, wenn dafür ebenfalls eine Einwilligung vorliegt.

„Nicht nur Werbung, sondern auch Vertragskonditionen, Preise und Rabatte können grundsätzlich an die Konsum- und Verhaltensprofile angepasst werden“, sagt Gollner. „In der Folge werden Verbraucher am Markt ungleich behandelt, was die Suche nach günstigen und geeigneten Angeboten erschweren kann.“

Die Verbraucherzentrale rät deshalb, Windows 10 nicht einfach so in Betrieb zu nehmen. Vielmehr sei es empfehlenswert, die Voreinstellungen zum Datenschutz zu entschärfen. Das ist über das Menü „Einstellungen / Datenschutz“ möglich.

Gericht bremst Sky

Der Pay-TV-Sender Sky darf Kunden nicht unbeschränkt für den Abruf kostenpflichtiger Zusatzdienste haften lassen, hat das Landgericht München I entschieden.

Die Geschäftsbedingungen von Sky sahen vor, dass der Kunde uneingeschränkt dafür zahlen muss, wenn Bezahlangebote via PIN abgerufen werden – auch bei einem möglichen Missbrauch der Geheimzahl.

So eine verschuldensunabhängige Haftung ist unzulässig, so die Richter. Dem Kunden dürfe ein Missbrauch nicht angelastet werden, wenn er selbst keine Fehler gemacht hat, etwa bei Aufbewahrung der PIN.

Gerade weil alle Dienste über Sky Go auch außerhalb der Wohnung abrufbar seien, steigere sich die Haftung der Kunden ins Unermessliche. Die Entscheidung hat natürlich auch Bedeutung für andere Bezahlangebote, die mit dem PIN-Verfahren abgesichert sind (Aktenzeichen 12 O2205/15).

Kamele sind auch nur Tiere

Der Veranstalter eines Ägypten-Urlaubs haftet nicht, wenn ein Reisender bei einem Ausflug vom Kamel fällt. Dies hat das Amtsgericht München entschieden.

Ein Urlauber verlangte 3.378 Euro Schmerzensgeld und Schadensersatz. Nach seinen Angaben stolperte sein Kamel, scheute und stellte sich mit den vorderen Beinen so heftig auf, dass der Reisende runterfiel. Die Schuld gab der Urlauber dem Kamelführer, für den wiederum der Reiseveranstalter haften sollte.

Allerdings gibt es nach Auffassung des Gerichts keinen Beleg, dass der Kamelführer, der das Tier am Zügel führte, was falsch gemacht hat. Wenn ein Kamel plötzlich stolpere, sei nicht ersichtlich, was der Kamelführer dagegen unternehmen könne. Somit habe sich lediglich die typische Tiergefahr verwirklicht, diese sei aber weder dem Kamelführer noch dem Veranstalter zuzurechnen (Aktenzeichen 111 C 30051/14).