Ablaufdatum für Denkzettel

Viele Gerichte arbeiten langsam. Dafür gibt es zahlreiche Gründe. Eine Verfahrensverzögerung kann sich zum Beispiel auch positiv für Verkehrssünder auswirken. Denn nach einem gewissen Zeitraum dürfen keine Fahrverbote mehr verhängt werden. Die Frage ist nur: Ab wann ist das der Fall?

Die meisten Gerichte gehen davon aus, dass ein Fahrverbot zwei Jahre nach der Tat nicht mehr in Frage kommt. Dann, so die Argumentation, kann die Sanktion schon wegen des Zeitablaufs einen Betroffenen nicht mehr wirksam belehren und warnen (Denkzettelfunktion).

An die Zwei-Jahres-Grenze kommt man übrigens öfter, als man denkt. Wenn sich das Amtsgericht Zeit lässt und die zuständige Berufungskammer am Landgericht – wie so oft – ihre Termine wegen vorrangiger Haftsachen schieben muss. Das Terminsdilemma vieler Berufungskammern kennen Verteidiger natürlich. So manche Berufung, die natürlich das gute Recht eines Angeklagten ist, hat sich da schon gelohnt, auch wenn das Urteil bestätigt wurde. Wenn am Ende auch ohne Fahrverbot.

Die Zwei-Jahres-Grenze ist aber nicht unbedingt starr, wie sich aus Beschlüssen des Oberlandesgerichts Zweibrücken ergibt. Dieses hat schon in der Vergangenheit ein Fahrverbot schon nach einem Jahr und neun Monaten für entbehrlich gehalten. In einem etwas neueren Beschluss, auf den Rechtsanwalt Detlef Burhoff hinweist, senken die Richter die Grenze auf ein Jahr und acht Monate.

Noch tiefer wird es wohl aber in Zweibrücken nicht gehen. Einen Fahrverbotsverzicht schon nach einem Jahr und sieben Monaten lehnt das Gericht in einer Entscheidung aus dem Oktober kategorisch ab. Aber auch so ist der Spielraum, den die Entscheidungen nach unten eröffnen, aus Sicht eines Betroffenen natürlich nicht zu unterschätzen.

Hoeneß beantragt Halbstrafe

Uli Hoeneß hofft auf eine kurze Haft. Der Fußballmanager hat nun beantragt, seine Gefängnisstrafe schon nach der Hälfte zur Bewährung auszusetzen. Das ist möglich, aber eine Ausnahme, und zwar sowohl nach den Vorgaben des Gesetzes und in der praktischen Umsetzung.

„Normal“ ist bei Freiheitsstrafen, dass diese nach zwei Dritteln zur Bewährung ausgesetzt werden. Einzige Voraussetzung ist hierfür neben der Zustimmung des Angeklagten zur vorzeitigen Entlassung, dass die Bewährung „unter Berücksichtigung des Sicherheitsinteresses der Allgemeinheit verantwortet werden kann“. Um das zu beantworten, müssen das Vorleben des Angeklagten, die Tat, Rückfallgefahr, sein Verhalten im Vollzug und andere Faktoren berücksichtigt werden.

Für eine Entlassung schon zur Hälfte verlangt das Gesetz in § 57 StGB „besondere Umstände“, jedenfalls bei Strafen über zwei Jahren. Die Prüfung der besonderen Umstände erfordert eine „Gesamtwürdigung von Tat, Persönlichkeit der verurteilten Person und ihrer Entwicklung während des Strafvollzugs“.

In der Praxis bedeutet das: Die Halbstrafe gibt es nur für waschechte „Musterschüler“, und das meinen die zuständigen Richter in der Regel ziemlich ernst. Gleichwohl dürfte Uli Hoeneß sicher nicht die schlechtesten Chancen haben, dass in seinem Fall die „besonderen Umstände“ bejaht werden. Alles andere würde mich schon sehr überraschen.

Keine Revision ohne Auftrag

Ein Angeklagter darf nicht darauf vertrauen, dass sein Verteidiger ohne seine konkrete Anweisung gegen das Urteil Berufung oder Revision einlegt. Darauf weist der Bundesgerichtshof in einem aktuellen Beschluss hin.

Eine Angeklagte, die aus den Niederlanden stammt, wollte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, weil ihr Pflichtverteidiger innerhalb der einwöchigen Frist keine Revision eingelegt hatte. Der Anwalt berief sich aber darauf, die Frau habe ihn im Gerichtstermin nicht mit einer Revision beauftragt. Spätere Versuche, die Angeklagte zu erreichen, seien erfolglos geblieben. Sie habe sich auch nicht bei ihm gemeldet.

Es sei Aufgabe des Angeklagten, die Frage eines Rechtsmittels mit seinem Anwalt rechtzeitig und eindeutig zu klären, befindet der Bundesgerichtshof. Der Anwalt sei auch nicht verpflichtet, ohne eindeutigen Auftrag vorsorglich ein Rechtsmittel einzulegen.

Ich persönlich halte es so, dass ich im Zweifelsfall das Rechtsmittel einlege. Ich nehme die Berufung oder Revision dann halt zurück, nachdem ich mit dem Mandanten sprechen konnte. Das ist immer noch einfacher und folgenloser, als bei Gericht um Wiedereinsetzung betteln zu müssen (Aktenzeichen 4 StR 364/15).

„Unseriöse Verkäufer“ auf ebay

Bloß weil ein Verkäufer auf ebay den Bieter als „unseriös“ einstuft, darf er die Auktion nicht einfach abbrechen. Hierfür gebe es keine ausreichende Rechtfertigung, urteilt der Bundesgerichtshof.

Ein Verkäufer hatte seine Auktion abgebrochen, weil jemand das Höchstgebot abgegeben hatte, den der Verkäufer für „unseriös“ hielt. Tatsächlich soll der Bieter in der Vergangenheit oft selbst seine Gebote zurückgezogen haben.

Der Bundesgerichtshof verweist darauf, dass weder die Geschäftsbedingungen von ebay noch die gesetzlichen Regelungen die angebliche Unseriösität eines Bieters als Grund für die Stornierung einer Auktion kennen. Überdies komme es auf die Seriösität des Käufers regelmäßig nicht einmal für den Verkäufer an. Denn der Verkäufer sei ausreichend dadurch geschützt, dass bei ebay regelmäßig gegen Vorkasse verkauft wird (Aktenzeichen VIII ZR 284/14).

Räumung wegen falscher Auskunft

Eine falsche Selbstauskunft gegenüber dem Vermieter kann eine Kündigung rechtfertigen. Das Landgericht München bestätigte jetzt ein Urteil des Amtsgerichts München, das ein Ehepaar mit zwei Kindern zur Räumung eines gemieteten Einfamilienhauses verurteilt hatte.

In der Selbstauskunft hatten die Mieter angegeben, der Mann verfüge über ein Jahreseinkommen von mehr als 120.000 Euro, die Ehefrau über mehr als 22.000 Euro. Außerdem gaben sie an, dass gegen sie keine Vollstreckungsmaßnahmen etc. laufen. Die monatliche Miete von 3.730 Euro für das Haus in Grünwald ging bei den Vermietern aber nur schleppend ein, weswegen diese wegen Zahlungsverzuges und wegen der falschen Auskunft kündigten.

Den Mietrückstand glichen die Mieter im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten aus. Zur Räumung verurteilt wurden sie trotzdem – wegen der falschen Angaben in der Selbstauskunft. Durch eine Bonitätsauskunft hatten die Vermieter nämlich erfahren, dass die Mieter finanziell keineswegs aufs Rosen gebettet waren. Tatsächlich lag der Ehemann schon seit 1997 mit zahlreichen Gläubigern im Clinch; er hatte auch die eidesstattliche Versicherung abgegeben.

Die Falschauskunft führe zu einer Zerrüttung des Mietverhältnisses, befanden die Gerichte. Dem angelogenen Vermieter sei es nicht zuzumuten, das Mietverhältnis fortzusetzen. Das Räumungsurteil ist rechtskräftig (Aktenzeichen AG München 411 C 26176/14).

VW schiebt Verjährung auf

VW-Kunden, die vom Abgasskandal betroffen sind, müssen das Jahresende im Auge behalten. Dann verjähren in vielen Fällen möglicherweise Ansprüche gegen Volkswagen. Die Anwaltskanzlei KWAG aus Bremen vermeldet in der Frage einen Teilerfolg. VW will laut einer Erklärung zunächst bis Ende 2016 keine Verjährung geltend machen.

Die Anwälte zitieren aus einem VW-Schreiben:

Das Zuwarten ist für Ihre Mandanten nicht nachteilig, da wir ausdrücklich bis zum 31.12.2016 auf die Erhebung der Verjährungseinrede im Hinblick auf etwaige Sachmängelhaftungsansprüche wegen der genannten Software verzichten, soweit mögliche Ansprüche bisher noch nicht verjährt sind.

Die Verzichtserklärung von Volkswagen erstreckt sich laut KWAG-Anwalt Jan-Peter Gieschen bisher nur auf die sogenannte Sachmängelhaftung. „Damit sind Gewährleistungsansprüche aus dem Kaufvertrag gemeint, die bei Neufahrzeugen nach zwei Jahren, bei Gebrauchtfahrzeugen ein Jahr nach Kaufdatum verjähren.“

Einen weitergehenden Verjährungsverzicht, etwa für Ansprüche aus arglistiger Täuschung ober ähnlichem, gebe es bislang nicht. Gieschen: „Der Verzicht hilft also bisher nur den VW-Kunden, deren Gewährleistungsansprüche nicht heute schon verjährt sind.“

Die Anwälte betonen aber, dass derzeit noch nicht klar ist, ob die Zusage nur für ihren Auftraggeber oder für alle VW-Kunden gilt. Im Zweifel müssen betroffene Kunden derzeit also selbst bei VW nachhaken. Was jetzt aber wesentlich leichter sein dürfte.

Leugnen reicht nicht aus

Alleine das Leugnen einer Tat darf bei einem Strafgefangenen nicht dazu führen, dass er keine Vollzugslockerungen erhält. Das Oberlandesgericht Hamm hob jetzt eine anderslautende Entscheidung der Vorinstanz auf.

Ein wegen Mordes verurteilter Mann sitzt seit 15 Jahren in Haft. Er wollte Lockerungen erreichen. Diese wurden jedoch abgelehnt. Zur Begründung hieß es lediglich, der Betroffene leugne sei jeher die Tat. Ohne eine selbstkritische Auseinandersetzung mit seiner Tat seien Flucht- und Missbrauchsgefahren nicht auszuschließen.

Der bloße Hinweis auf den Umstand, dass ein Täter leugnet, rechtfertigt nach Auffassung des Oberlandesgerichts die harte Haltung nicht. Vielmehr müsse von einem vollständig ermittelten Sachverhalt ausgegangen werden. Das heißt, alle für die Abwägung relevanten Umstände seien zu berücksichtigen, etwa die Persönlichkeit des Verurteilten, sein Vorleben, etwaige frühere Straftaten, die Umstände und das Gewicht der Tat sowie die Tatmotivation, außerdem sein Verhalten und seine Persönlichkeitsentwicklung im Vollzug.

Entsprechende Ausführungen vermisst das Gericht. Außerdem sei unklar, wieso das bloße Leugnen der Tat nach so langer Zeit noch eine Fluchtgefahr begründen könne. Über den Antrag des Gefangenen muss jetzt neu entschieden werden (Aktenzeichen 1 Vollz(Ws) 411/15).

Basiskonto für jedermann

Ein Girokonto ist quasi unverzichtbar. Dem trägt die Bundesregierung mit einem Gesetzentwurf Rechnung, der eine EU-Richtlinie umsetzt. Künftig soll jeder leicht ein Girokonto eröffnen und nutzen können. Das gilt auch für Wohnungslose, Asylsuchende und Kunden mit schlechter Bonität.

Banken sollen verpflichtet werden, jedermann ein Basiskonto zur Verfügung zu stellen. Zum Leistungsumfang des Kontos gehören das Ein- oder Auszahlungsgeschäft, Lastschriften, Überweisungen und das Zahlungskartengeschäft. Die Kreditinstitute dürfen nach dem Entwurf für diese Dienste nur „angemessene“ Entgelte verlangen.

Verweigern dürfen die Banken ein Basiskonto nur in eng begrenzten Ausnahmefällen, etwa wenn der Kunde bereits anderswo ein Basiskonto hat oder wegen Finanzstraftaten verurteilt wurde. Kunden sollen den Anspruch einklagen können. Außerdem soll die Finanzaufsicht Banken zur Einrichtung eines Kontos zwingen können.

Publikumswirksam

Die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt schlägt mal wieder zu: Käufer der Software „DroidJack“ haben heute Besuch von Ermittlern erhalten; ihre Wohnungen wurden durchsucht. Den Betroffenen wird vorgeworfen, sich mit „DroidJack“ eine Software verschafft zu haben, die nur illegal genutzt werden kann.

Ich habe schon beim vorhergehenden Fall „Blackshades“ erläutert, wie pauschal die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt einen möglichen „dual use“ angeblicher Hackersoftware verneint. Erlassen wurden die Durchsuchungsbeschlüsse wohl wieder vom Amtsgericht Gießen, das Maßnahmen der Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt nach meiner Erfahrung regelmäßig kritiklos abnickt.

Die Gerichtsbeschlüsse im Fall Blackshades enthielten jedenfalls keinerlei nachvollziehbare Begründung, warum eine legale Nutzung der Software ausgeschlossen sein soll. Stattdessen behauptet die Generalstaatsanwaltschaft nun auch im aktuellen Fall gegenüber der Presse, die Software diene „ausschließlich dazu, kriminelle Handlungen zu begehen“.

Ohne sich kategorisch hierauf festzulegen, könnte nämlich nicht bei den Käufern durchsucht werden. Dann bedürfte es zumindest weiterer Anhaltspunkte. Das wären insbesondere konkrete Hinweise darauf, dass der Käufer „DroidJack“ tatsächlich gegen Dritte eingesetzt hat. Dann könnte man in der Tat von einem ausreichenden Anfangsverdacht sprechen. So aber bleibt mal wieder der Rechtsstaat auf der Strecke.

Ausbaden dürfen das dann übrigens die Staatsanwaltschaften am Wohnort der Beschuldigten. An diese muss die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt nämlich regelmäßig die Fälle abgeben, wenn sie ihre publikumswirksamen Aktionen abgeschlossen hat. Das erhoffte Ergebnis bleibt wohl zumeist aus. Im Fall Blackshades ist mir bislang zum Beispiel noch keine einzige Verurteilung bekannt.

Nur mit Mütze

Ein unbedachter Lacher soll einem Amerikaner zum Verhängnis geworden sein. Während der Richter eine Strafe von einem Jahr Gefängnis verkündete, soll der Angeklagte Ramon Achoa gelacht haben. Das wiederum erboste den Richter – er verdoppelte das Strafmaß.

Zu Recht, befand ein Berufungsgericht in Kalifornien. Hier in Deutschland wäre das kaum möglich. Gerichte können ihre verkündete Entscheidung, insbesondere Urteile, grundsätzlich nicht nachträglich ändern.

Auch das Verhalten des Angeklagten vor dem Urteil sollte an sich keine Rolle spielen. Es geht ja um die Straftat, nicht um Fleiß- und Wohlverhaltenspunkte in der Hauptverhandlung. Die sogenannte Ungebühr, also nicht akzeptables Verhalten im Gericht, kann ein Richter mit gesonderten Ordnungsgeldern oder Ordnungshaft ahnden.

So ganz gelingt die Trennung aber nicht immer. Auch Richter sind halt nur Menschen.

Ich erinnere mich an einen Angeklagten, der sich partout weigerte, seine Schiebermütze im Gerichtssaal abzunehmen. Nach hitzigen Diskussionen ließ ihn der Richter gewähren. Am Ende stand allerdings eine etwas merkwürdige Freiheitsstrafe: sechs Monate und eine Woche. Unschwer zu erraten, wofür es die Woche gab.

Die Woche kriegten wir allerdings in der Berufung weg. Der Mandant erschien auf mein inständiges Drängen ohne Mütze.

Der unbekannte Zeuge

Im Münchner Prozess gegen Manager der Deutschen Bank ist ein Zeuge aufgetreten, der gar keiner ist. Ein Mann setzte sich ungefragt auf den Zeugenstuhl und wollte eine Erklärung abgeben, berichtet Spiegel Online.

Allerdings hatte das Gericht den Mann gar nicht als Zeugen geladen. Und auch sonst war er wohl niemandem so gut bekannt, dass man ihn als Zeugen in Betracht zog. Der Richter drehte dem Herrn, der in Anzug und Krawatte erschienen war, das Mikro ab. Als auch das nichts fruchtete, trugen Wachtmeister den Mann aus dem Saal.

Sachen gibt’s.

Scheckheftgepflegt

Wenn ein Gebrauchtwagen als „scheckheftgepflegt“ angeboten wird, kann das einen späteren Gewährleistungsausschluss im Kaufvertrag unwirksam machen. Dies hat das Amtsgericht München entschieden.

Eine Frau hatte einen gebrauchten Polo für 1.950 Euro gekauft. In der Verkaufsanzeige auf einem Autoportal hieß es, das Auto sei „scheckheftgepflegt“. Das war aber – neben anderen Mängeln – nachweislich nicht der Fall.

Die Käuferin verlangte ihr Geld zurück. Sie bekam nun vor dem Amtsgericht München Recht. Bei der Angabe „scheckheftgepflegt“ handele es sich nicht nur um eine Werbeaussage. Vielmehr verbinde ein Käufer damit zu Recht die Erwartung, dass die vorgeschriebenen Inspektionen durchgeführt und von einer Fachwerkstatt bestätigt wurden. Die regelmäßige Wartung sei ein wertbildender Faktor. Auf den Gewährleistungausschluss im Vertrag könne sich der Verkäufer nicht berufen (Aktenzeichen 191 C 8106/15).

Bundespolizei kontrollierte zu Unrecht

Das Verwaltungsgericht Stuttgart hält es für rechtswidrig, wenn die Bundespolizei grenznah in Fernzügen anlasslose Kontrollen durchführt. Die entsprechende Regelung im § 23 Abs. 1 Nr. 3 Bundespolizeigesetz genüge nicht europarechtlichen Anforderungen.

Geklagt hatte ein in Kabul geborener deutscher Staatsangehöriger mit dunkler Hautfarbe, nachdem Beamte der Bundespolizei bei ihm am 19.11.2013 im ICE 377 zwischen Baden-Baden und Offenburg eine Identitätsfeststellung mit anschließendem Datenabgleich durchgeführt hatten.

Auf die Hautfarbe des Betroffenen kommt es nach Auffassung des Gerichts aber gar nicht an. Es gelte im Schengenraum nämlich der europarechtliche Grundsatz, dass Personenkontrollen beim Grenzübertritt unzulässig sind.

Zwar dürfe die Bundespolizei Kontrollen durchführen, insbesondere für die Kriminalitätsbekämpfung. Diese Kontrollen erforderten aber klare Regelungen, die dafür sorgen, dass die Kontrollen nicht am Ende doch den unzulässigen Einreisekontrollen gleichkommen. Das Verwaltungsgericht verweist darauf, dass der Europäische Gerichtshof bereits Frankreich aus ähnlichen Gründen untersagt hat, derartige Kontrollen durchzuführen.

Derzeit ist die Lage allerdings anders, weil die Bundesrepublik Deutschland Grenzkontrollen aktuell wieder eingeführt hat. Das Gericht hat die Berufung zugelassen (Aktenzeichen 1 K 5060/13).

„Es war doch schon dunkel“

Heute ging es in einem Verfahren darum, ob meinem Mandanten eine Marihuana-Pflanze gehörte, die im großen Hof eines Komplexes mit rund 20 Wohnungen gedieh. Getarnt war das rund zwei Meter hohe Gewächs übrigens extrem geschickt – mit fünf Plastiksonnenblumen zum Einstecken.

Von der Marihuanapflanze hörte die Polizei eher zufällig, und zwar bei einem Einsatz wegen einer anderen Sache. Eine Zeugin erklärte den Beamten, mein Mandant sei ja wohl ein Dealer, jedenfalls sage man das so in der Gegend. Nachdem die Pflanze sichergestellt und die Wohnung meines Mandanten im gleichen Rutsch durchsucht war, gingen die Beamten zufrieden nach Hause.

Fall gelöst, so schien es. Immerhin bestätigte ja eine Zeugin die Gerüchtelage in der Siedlung. Da kam es wohl überraschend, dass Beschuldigte mitunter nicht einfach alles auf ihre Kappe nehmen. Als mein Mandant bestritt, dass er mit der Pflanze was zu tun hat, kamen die Polizeibeamten ins Schleudern. Fotos von der Stelle, wo die Pflanze stand? Fehlanzeige. Eines stand dagegen fest: Die Wohnung meines Mandanten ist im dritten Stock, und die Gärten pflegen die Bewohner des Erdgeschosses und eine Firma.

Es kam bei dem Einsatz auch niemand auf die Idee, mal bei Nachbarn zu fragen, ob die vielleicht was wissen. „Was hätten wir denn machen sollen?“, seufzte ein Beamter. „Es war doch schon dunkel.“ Das fand sogar der Richter nicht mehr witzig. „Hier geht’s um ein Verbrechen, da könnte man auch mal bei der Polizei etwas mehr Energie aufwenden.“

Freispruch.