Kein globaler Waffenschein

Sicherheitsfirmen dürfen keine Waffenscheine erteilt werden, die unabhängig vom konkreten Bewachungsauftrag sind und ganz allgemein gelten. Vielmehr müssen Security-Unternehmen in jedem Fall darlegen, warum ihre Mitarbeiter im Rahmen der Tätigkeit eine Waffe tragen sollen. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht entschieden.

Eine bayerische Firma wollte einen sogenannten Firmenwaffenschein erhalten. Sie hätte dann selbst entscheiden können, bei welchen Tätigkeiten ihre Mitarbeiter Waffen tragen. So eine globale Genehmigung ist laut dem Gericht nicht vom Waffenrecht gedeckt. Die Firma müsse vielmehr konkret vortragen, welche Objekte oder Personen sie schützen will und worin im Einzelfall die besondere Gefährdungslage besteht. Ohne Einzelnachweis dürfe das Tragen von Waffen nicht erlaubt werden (Aktenzeichen 6 C 67.14).

OLG Celle: Bußgeld für Blitzer-Apps

Ich habe gerade mal auf meine Blitzer-App geguckt. Dort sind in dieser Minute 41.045 Nutzer angemeldet. Mit ihren Meldungen an die Blitzer.de-Datenbank sorgen sie dafür, dass alle anderen Teilnehmer rechtzeitig von mobilen Tempomessungen erfahren. Doch die Nutzer von Blitzer-Apps spüren nun juristischen Gegenwind. Erstmals hat mit dem Oberlandesgericht Celle ein oberes Gericht entschieden, dass Autofahrer keine Blitzer-Apps nutzen dürfen. Sonst droht ihnen ein Bußgeld.

Bislang ist juristisch umstritten, ob Blitzer-Apps gegen § 23b Abs. 1b StVO verstoßen. Die Vorschrift lautet:

Wer ein Fahrzeug führt, darf ein technisches Gerät nicht betreiben oder betriebsbereit mitführen, das dafür bestimmt ist, Verkehrsüberwachungsmaßnahmen anzuzeigen oder zu stören. Das gilt insbesondere für Geräte zur Störung oder Anzeige von Geschwindigkeitsmessungen (Radarwarn- oder Laserstörgeräte).

Das Oberlandesgericht Celle meint, auch eine Blitzer-App sei so ein verbotenes Gerät. Ob das im Ergebnis so richtig ist, darf man getrost bezweifeln. So haben die Richter offenbar überhaupt nicht verstanden, dass Blitzer-Apps keine Maßnahmen „anzeigen“, wie es etwa klassische Radarwarner machen. Vielmehr gegeben Sie nur Community-Meldungen über gesichtete Blitzer weiter.

Es gibt noch etliche andere Punkte, die man an dem Beschluss kritisieren kann. Fakt ist aber, dass er nun mal in der Welt ist. Und er wird sich mit Sicherheit auch in Polizeikreisen herumsprechen. Nachdem es mit der flächendeckenden Knöllchenschreiberei wegen der Warnwesten nichts geworden ist, könnte sich mit den Blitzer-Apps ein neues Betätigungsfeld für die Verkehrspolizei eröffnen. Zumal so eine App-Kontrolle ja auch bei jedem anderen Anlass gleich miterledigt werden kann.

Umso dramatischer wird die Sacher, dass es nach dem Celler Verständnis der Bußgeld-Vorschrift durchaus ja schon ausreichen kann, wenn man als Fahrzeugführer eine Blitzer-App „betriebsbereit mitführt“. Mehr verlangt das Gesetz von Warngeräten ja nicht. Das könnte im Zweifel darauf hinauslaufen, dass bei allgemeinen Verkehrskontrollen schlicht nach Blitzer-Apps auf dem Fahrer-Handy gesucht wird. Ein Bußgeld könnte es schon allein dafür geben, dass so eine App installiert ist.

An was sollte man als Autofahrer (und möglicher Nutzer einer Blitzer-App) also ab sofort verchärft denken? Hier einige Punkte:

In dem entschiedenen Fall hatte der Autofahrer sein Handy in eine Halterung am Armaturenbrett gesteckt. Für die Polizeibeamten, die ihn anhielten, war es deshalb schnell und leicht zu erkennen, dass er eine Blitzer-App in Betrieb hatte. Künftig wird sich natürlich jeder Autofahrer überlegen, ob er das Handy nicht sicherheitshalber gleich etwas tiefer und damit blickgeschützter im Auto platziert.

Wenn die Polizei mich künftig anhalten würde, wäre meine Kooperationsbereitschaft noch geringer als bisher. Ich würde mich absolut weigern, auch nur ein Wort dazu zu sagen, ob und welche Apps ich auf meinem Handy habe. Das ist mein gutes Recht. Denn wenn die Polizei einen Anfangsverdacht wegen einer Ordnungswidrig hat, bin ich als „Betroffener“ ebenso zum Schweigen berechtigt wie ein Beschuldigter im Strafverfahren. Also: kein Kommentar.

Das würde wahrscheinlich in die Bitte münden, mein Handy in Augenschein nehmen zu dürfen. Als Betroffener wäre ich aber in keiner Weise verpflichtet, die Ermittlungen aktiv zu unterstützen. Das heißt: Niemand kann mich zwingen, mein Handy an Ort und Stelle zu entsperren, damit sich die Beamten auf die Suche nach einer Handy-App machen können.

Ich würde es im Zweifel lieber riskieren, dass mein Mobiltelefon beschlagnahmt wird. Gegen die Beschlagnahme kann man sich dann mit guten Argumenten wehren – und zwar vor Gericht. Insbesondere wäre natürlich die Verhältnismäßigkeit ein Thema. Jedenfalls müssen die Beamten vor Ort entscheiden, ob sie den Papierkram wirklich auf sich nehmen wollen. Ich würde mal darauf tippen, dass es in vielen Fällen dann gerade nicht zu einer Beschlagnahme kommt. Das nächste pflegeleichte „Opfer“ dürfte ja nicht lange auf sich warten lassen.

Im Zweifel zahlt es sich künftig aus, einen Beifahrer zu haben. Der ist nämlich kein Fahrzeugführer im Sinne der Vorschriften. Deshalb darf er nach Lust und Laune eine Blitzer-App auf seinem Handy laufen und den Fahrer daran teilhaben lassen. Daran wird auch die Entscheidung aus Celle nichts ändern.

OLG Celle, Aktenzeichen 2 Ss (OWi) 313/15

Unfallabrechnung: Mehr Geld für Geschädigte

Wie geht es nach einem Autounfall weiter? Der Bundesgerichtshof hat gestern in einem Urteil Leitlinien dafür aufgestellt, in welchem Umfang Haftpflicht- und Kaskoversicherungen den Sachschaden erstatten müssen. Konkret geht es um die Frage, ob der Geschädigte auch bei einer Abrechnung auf Gutachtenbasis die Reparaturkosten einer Fachwerkstatt verlangen kann.

Ja, sagen die Richter. Sie knüpfen das aber an Voraussetzungen. Zunächst sind auch bei Abrechnung auf Gutachtenbasis die höheren Kosten einer Fachwerkstatt zu erstatten, wenn freie Werkstätten die Reparatur nicht fachgerecht hinbekämen. Außerdem gibt es das volle Geld, wenn es sich um ein „neueres“ Auto handelt oder das Fahrzeug bisher immer in einer Fachwerkstatt gewartet und repariert wurde.

Im Zweifel muss der Eigentümer des Autos nachweisen, dass die Voraussetzungen vorliegen (Aktenzeiche IV ZR 426/14).

Von Wahlanwälten und Pflichtverteidigern

Im Münchner NSU-Verfahren wird es eng auf der Anklagebank. Dort nimmt ab dem nächsten Verhandlungstag nämlich ein weiterer Anwalt Platz: der Strafverteidiger Hermann Borchert. Borchert ist Inhaber der Kanzlei, in der auch der spät ins Verfahren gekommene Pflichtverteidiger Mathias Grasel sein Büro hat.

Die Angeklagte Beate Zschäpe hat mittlerweile also fünf Verteidiger, davon sind vier vom Gericht bestellte Pflichtverteidiger. Borchert ist „Wahlanwalt“, das heißt frei von der Angeklagten zum Verteidiger bestimmt. Nach dem Gesetz darf niemand dem Beschuldigten in die Anwaltswahl reinreden, nur die Zahl seiner Wahlanwälte ist beschränkt. Mehr als drei Wahlanwälte dürfen es nicht sein. Die Zahl der vom Gericht bestellten Pflichtverteidiger ist dagegen theoretisch unbegrenzt.

Die Deckelung bei den Wahlanwälten ist übrigens ein Relikt aus den RAF-Zeit. Sie steht im Zusammenhang mit den Kontaktsperregesetzen. Ziel war es damals, die Zahl der Personen möglichst gering zu halten, mit denen die beschuldigten RAF-Angeklagten Kontakt haben durften. Da ein Gesetz nur für RAF-Verdächtige aus rechtsstaatlicher Sicht nicht machbar war, irrlichtert die Regelung noch heute in der Strafprozessordnung.

Für einen neuen Wahlverteidiger ist es nie zu spät. Es gibt keinen Zeitpunkt, ab dem ein Angeklagter seine Verteidigerbank nicht mehr umbesetzen könnte. Für geschasste Wahlverteidiger bedeutet das gerade in größeren Verfahren nicht unbedingt mehr Freizeit. Denn oft bestellt das Gericht sie stante pede und zu den gesetzlichen Honorarsätzen zu Pflichtverteidigern, damit das Verfahren nicht platzt. Das ist ja derzeit auch der Grund, warum die bei Beate Zschäpe in Ungnade gefallenen Verteidiger der ersten Stunde vom Gericht noch im Verfahren gehalten werden, auch wenn diese Anwälte von vornherein als Pflichtverteidiger bestellt waren.

Interessant finde ich noch, dass der neue Wahlanwalt Hermann Borchert mit den Worten zitiert wird:

Ich werde an bestimmten Tagen im Prozess auftreten.

Damit beantwortet sich nach meiner Einschätzung die Frage, ob Beate Zschäpe im Knast zu Geld gekommen ist. Oder ob sie womöglich sogar geheimnisvolle Sponsoren hat. Denn ihren Wahlverteidiger muss Zschäpe aus eigener Tasche finanzieren. Borcherts Aussage deutet in die Richtung, dass der neue Wahlverteidiger sich keineswegs aus üppigen Mitteln bedienen kann.

Zu erwarten ist also schon nach Borcherts Ankündigung lediglich eine Verteidigung mit angezogener Handbremse. Ob das in so einem Verfahren wirklich Sinn macht, wird sich zeigen. Möglicherweise ist das ganze Manöver auch nur Vorbereitungsmaßnahme für den Versuch, das Verfahren platzen zu lassen. Ich habe zumindest eine leise Ahnung, was als Nächstes kommt…

Wenn der Postmann nicht klingelt

Sonntags müssen Arbeitnehmer nicht mit Post vom Chef rechnen. Schon gar nicht mit einer Kündigung. Wirft der Arbeitgeber die Kündigung am Sonntag in den Briefkasten, gilt sie erst am Montag als zugestellt. Dies hat das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein entschieden.

Eine Anwaltskanzlei wollte einer Mitarbeiterin innerhalb der Probezeit kündigen. Die Probezeit lief am Sonntag ab, und am letzten Tag der Kündigungsfrist von zwei Wochen landete auch das Schreiben der Kanzlei im Briefkasten. Persönlich eingeworfen von einem Mitarbeiter der Anwaltskanzlei. Die Mitarbeiterin wollte jedoch zwei weitere Wochen Lohn, da sie die Kündigung erst am Montag zur Kenntnis genommen hatte – da war die Probezeit schon abgelaufen und es galt eine längere Kündigungsfrist.

Die Frau bekam vom Landesarbeitsgericht Recht. Begründung: Ein Arbeitnehmer muss seinen Briefkasten nur an Tagen leeren, an denen die Post zustellt. Das gelte selbst dann, wenn der Arbeitnehmer auch sonntags arbeite.

Die Entscheidung spiegelt an sich nur, wie das Bürgerliche Gesetzbuch seit jeher den Zugang von Briefen regelt. So wäre die Kündigung wohl auch zu spät gewesen, wenn sie schon am Samstagabend eingeworfen wurde. Denn ab Samstagnachmittag muss in normalen Zustellgebieten nicht mit mehr mit Post gerechnet werden (Aktenzeichen 2 Sa 149/15).

Rauchen auf der Terrasse bleibt erlaubt

Auf dem eigenen Grundstück rauchen bleibt uneingeschränkt erlaubt. In Dortmund sind zwei Ehepaare mit dem Versuch gescheitert, ihren Nachbarn den Zigarettengenuss auf der Hausterrasse zu untersagen. Das Amtsgericht verneint in seinem Urteil eine „wesentliche Beeinträchtigung“ durch den Zigarettenrauch.

Die Nachbarn hatten sich beschwert, dass der Rauch des Ehepaars in ihre Schlafzimmer zieht. „Das stinkt erbärmlich“, zitiert die WAZ einen der Kläger. „“Wir können nachts die Fenster nicht mehr öffnen.“

Hiergegen wandten die Beklagten ein, sie würden pro Tag höchstens 16 Zigaretten rauchen. Sie wehrten sich deshalb auch gegen eine zeitliche Einschränkung des Rauchens. Die Kläger hatten verlangt, dass ab 21 Uhr auf der Terrasse gar nicht mehr geraucht wird.

Die Richterin verschaffte sich nach dem Bericht einen persönlichen Eindruck vor Ort. Sie kam zu dem Ergebnis, der Rauch sei keine „wesentliche Beeinträchtigung“, welche ein Rauchverbot auf der Terrasse rechtfertige. Die Beklagten dürfen also weiter rund um die Uhr rauchen.

Kein geheimer Zugriff

In Ermittlungsverfahren werden gerne die Mail-Konten von Beschuldigten beschlagnahmt. Das gibt den Behörden erst mal Zugriff auf die gesamte Korrespondenz, die auf den Servern gespeichert ist. Allerdings darf das alles nicht im Geheimen geschehen. Vielmehr muss der Besitzer des E-Mail-Kontos informiert werden, so eine aktuelle Entscheidung des Bundesgerichtshofs.

Ein Beschuldigter hatte erst nach einiger Zeit erfahren, dass die Polizei die Daten auf seinem Mailserver sichergestellt hatte. Unmittelbar nach der Maßnahme war er nicht informiert worden.

Das geht so nicht, sagt der Bundesgerichtshof und verweist auf die geltende Rechtslage. Die Beschlagnahme sei keine Ermittlungsmaßnahme wie etwa das Abhören von Telefonen, bei der das Gesetz ausdrücklich eine spätere Benachrichtigung der Betroffenen erlaubt. Ohne gesetzliche Regelung gelte der Grundsatz, dass Betroffene informiert werden müssen.

Ein Beweisverwertungsverbot nimmt das Gericht im konkreten Fall aber nicht an. Allerdings erfolgt der klare Hinweis, dass ein Verwertungsverbot in Frage kommen könnte, wenn die Beschlagnahme geheim gehalten wird, um sie in regelmäßigen Abständen zu wiederholen (Aktenzeichen 3 StR 162/15).

Verteidiger als Zaungäste

Im Münchner NSU-Verfahren geht es derzeit anscheinend drunter und drüber. So berichtet Gisela Friedrichsen auf Spiegel Online von den neuesten Bemühungen der Zschäpe-Anwälte aus der ersten Stunde, endlich aus dem Verfahren rauszukommen. Wie es aussieht, liefert ihnen ausgerechnet der Gerichtsvorsitzende die hierfür nötigen Argumente.

Die Anwälte Sturm, Stahl und Heer wehren sich dagegen, dass der Vorsitzende anscheinend hinter ihrem Rücken intensiv mit dem neuen, vierten Pflichtverteidiger Mathias Grasel kommuniziert. Wobei es weniger die Kommunikation als solche ist, sondern vielmehr der Umstand, dass der Vorsitzende Manfred Götzl die anderen Verteidiger hierüber nicht informiert. Dass der Vorsitzende sogar mit einem Anwalt sprechen soll, der gar nicht Verteidiger von Zschäpe, sondern „nur“ der Sozius von Grasel sein soll, macht die Sache sicher nicht einfacher. Zumal es ja um die Frage zu gehen scheint, ob Beate Zschäpe eine Strategiewende vollzieht und aussagt.

Nach meinem Verständnis zu Recht monieren Sturm, Stahl und Heer, dass das Gericht sie bisher im wahrsten Sinne des Wortes in die Pflicht genommen hat. Eine Entpflichtung der bisherigen Verteidiger wurde nach Grasels spätem Auftauchen mit dem Hinweis abgelehnt, dass auch die bisherigen Pflichtverteidiger dafür da sind, Zschäpes ordnungsgemäße Verteidigung zu gewährleisten. Das wäre aber wirklich nur noch eine Fassade, wenn das Gericht die Verteidiger nicht mal darüber informiert, welche weichenstellenden Dinge mit Grasel besprochen werden.

Befangenheitsanträge können die Alt-Verteidiger allerdings nicht so einfach stellen. Denn die Besorgnis der Befangenheit können nicht Anwälte hegen, sondern immer nur ihre Mandanten. Sofern Zschäpe sich die Bedenken ihrer Verteidiger nicht zu eigen macht, bleiben denen derzeit nur gehaltvolle Protestnoten, die den Prozess jedoch kaum zum Platzen bringen können.

Allerdings kann die nicht ordnungsgemäße Verteidigung der Angeklagten ein späterer Revisionsgrund sein. Fragt sich halt nur, ob Zschäpe diese Gründe überhaupt vorbringen würde. Derzeit versucht aber auch noch der Angeklagte Ralf Wohlleben über seinen Anwalt, aus dem Zschäpe-Durcheinander einen Befangenheitsgrund zu modellieren. Immerhin wird er ja auf gewisse Art und Weise mit in den Strudel gerissen. Gut möglich, dass es über ihn am Ende klappt.

Nicht zu früh lächeln

Das Amtsgericht verurteilte meinen Mandanten zu einer Haftstrafe von zwei Jahren und drei Monaten. Ein denkbar blödes Ergebnis, denn ab zwei Jahren und einem Tag kann eine Strafe nicht mehr zur Bewährung ausgesetzt werden.

Gleichzeitig sind solche Urteile aber häufig auch ein Signal der Richter: Wir wollen zwar kein übermäßig hartes Urteil sprechen, aber auch keine Bewährung geben. Geh also mal in Berufung, lieber Angeklagter. Bis das Landgericht entscheidet, ist ein weiteres Jahr vergangen. Wenn du bis dahin keinen weiteren Ärger hattest, kriegst du die Bewährung dann halt in der nächsten Instanz.

Genau das war jetzt auch das Ziel, das ich mit meinem Mandanten am Landgericht verfolgte. Nach einem langen, durchaus kontroversen Verhandlungstag verkündete die Vorsitzende das Urteil. Zwei Jahre Haft. Genau die drei Monate weniger, die wir für die Bewährung brauchten. Juchu.

Doch ganz so erfreulich lief es dann doch nicht ab. Die Reduktion der Strafe auf ein bewährungsfähiges Maß bedeutete bei diesem Gericht keineswegs, dass es auch Bewährung gibt. Die Strafaussetzung wurde vielmehr im Ergebnis trotzdem verweigert. Mit reichlich lakonischen Argumenten. Böswillig will ich ja nicht sagen.

Alles halb so wild, könnt man denken. Immerhin kann mein Mandant ja noch Revision einlegen. Dumm nur, dass die Bewährungsentscheidung nach Auffassung der Gerichte nur sehr eingeschränkt kontrolliert werden darf. Es gilt bei den meisten Gerichten der Grundsatz, dass nur völlig unvertretbare Bewährungsbeschlüsse aufgehoben werden. Damit soll der weite Spielraum akzeptiert werden, der den unteren Gerichten in der Bewährungsfrage zugebilligt wird.

Ich darf das Revisionsgericht jetzt also mit goldenen Worten davon überzeugen, dass die verweigerte Bewährung doch krass böswillig war. Ich werde es in andere Worte verpacken, aber am Ende läuft es darauf hinaus.

Jedenfalls werde ich künftig bei einer Urteilsverkündung nicht mehr erfreut lächeln, wenn die Strafe aufs bewährungsfähige Maß reduziert wird. So erspare ich mir das lange Gesicht, wenn ich am Ende auf den Bewährungsbeschluss warte – der dann nicht kommt.

„Der Beschuldigte ist Ausländer“

Der Dresdner Rechtsanwalt Mark Feilitzsch twittert eine Strafanzeige der Chemnitzer Polizei. Dabei handelt es sich um das Deckblatt zur Anzeige, in dem es darum geht, ob eine „gütliche Lösung“ mit dem Beschuldigten angedacht wurde.

Zum Beispiel, indem er den Vorwurf durch Zahlung einer Auflage aus der Welt schafft, worauf das Verfahren nach § 153a StPO eingestellt werden könnte. Das Formblatt sieht diese Möglichkeit ausdrücklich vor.

Mit dem Beschuldigten hat die Chemnitzer Polizei aber nicht in diesem Sinne geredet. So heißt es.

Ein Angebot auf Zahlung eines Geldbetrages nach § 153a StPO wurde von hier an die/den Beschuldigten nicht herangetragen, □ weil aus folgendem Grund: Der Beschuldigte ist Ausländer.

Rechtsstaat sieht anders aus.

Alle Jahre wieder: Anwaltskalender zu gewinnen

Die Tage werden kürzer, Weihnachten rückt näher. Ein untrügliches Zeichen dafür, dass es im law blog mal wieder was zu gewinnen gibt. Auch dieses Jahr verlose ich nämlich den lustigen Anwaltskalender des Düsseldorfer Karikaturisten wulkan.

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Praktischerweie handelt es sich um den Kalender 2016, so dass sich die Teilnahme als zukunftssichere Sache darstellt. Der Anwaltskalender enthält zwölf Motive aus dem Juristenalltag. Insgesamt gibt es zehn Kalender zu gewinnen. Fünf stiftet das law blog, weitere fünf wirft der Karikaturist in den Ring.

RAK2016 Dummheit.sehrklein

Es ist denkbar einfach, einen Kalender zu gewinnen. Bitte einen Kommentar zu diesem Beitrag schreiben. Wichtig ist es, eine gültige E-Mail-Adresse zu hinterlassen. Die Gewinner werden ausschließlich über die angegebene E-Mail-Adresse informiert. Sie erhalten den Kalender rechtzeitig vor Weihnachten ins Haus. Möglich ist auch der Versand an eine andere Adresse, zum Beispiel als Geschenk. Kommentare, die bis zum 16. November 2015 eingehen, machen bei der Verlosung mit.

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Wer sich nicht auf sein Glück verlassen möchte oder gar mehrere Kalender haben möchte, kann diese auch kaufen. Es gibt den Kalender nur im Direktvertrieb bei wulkan. E-Mail: wulkan@arcor.de. Telefon: 0172 200 35 70. Der Kalender kostet 20,95 Euro zuzüglich 5,00 Euro Versandpauschale. Der Kalender ist auf hochwertigem Papier gedruckt und mit einer Spiralbindung versehen.

Allen Teilnehmern viel Glück.

Das Ende des Routerzwangs

Der Routerzwang ist Geschichte: Internetanbieter können ihre Kunden künftig nicht mehr zwingen, von ihnen vorgeschriebene Modems und Router zu benutzen. Der Bundestag verabschiedete gestern ein entsprechendes Gesetz.

Die neuen Regeln definieren, bis wohin die „Macht“ der Anbieter reicht: bis zur Netzanschlussdose. Dahinter darf dem Kunden künftig nicht mehr vorgeschrieben werden, welche Geräte er benutzt. Konkret werden die Anbieter verpflichtet, dem Kunden auf dessen Wunsch die Zugangsdaten für das Netz zu sagen, so dass diese sich auch mit kompatiblen Geräten anderer Hersteller können.

Das Gesetz soll sechs Monate nach Verkündung in Kraft treten. Zunächst muss das Paket aber noch durch den Bundesrat, der aber nicht zustimmungspflichtig ist.

Link zum Gesetzentwurf

Tank leer, bitte weiterfahren

Die Tankanzeige eines Autos muss nicht erst dann „0“ anzeigen, wenn der Tank tatsächlich leer ist. Ein Porschekäufer hatte gegen einen Fachhändler geklagt, weil der Bordcomputer seines dort gekauften Porsche 911 Turbo S Cabriolet (Preis 176.500 Euro) schon nach Verbrauch von 59 Litern die Restreichweite „0“ anzeigte – tatsächlich fasst der Tank aber 67 Liter Benzin.

Das Oberlandesgericht Hamm sieht darin keinen Mangel. Es entspreche dem Stand der Technik, dass die Benzinpumpe nicht jede Restmenge Treibstoff aus dem Tank befördern kann. Bei dem Porsche waren es 3,3 Liter, die laut Hersteller zum Schutz vor schädlichen Schwebeteilchen stets im sogenannten „Pumpensumpf“ des Tanks verbleiben.

Daneben lässt die Restreichweitenanzeige des Porsche immer weitere 3,1 Liter Benzin unberücksichtigt. Auch das geht in Ordnung, so die Richter. Der Hersteller habe den Computer aus nachvollziehbaren Gründen so eingestellt. Das solle verhindern, dass der Tank so weit leer gefahren wird, dass die Kraftstoffpumpen Luft ansaugen. Das könne vor allem bei extremen Kurvenfahrten passieren, was den Motor kaputtmachen könne.

Der Porsche zeige also nur die Reichweite an, bei der noch gefahrlos weitergefahren werden könne, so das Gericht. Insgesamt, so das Gericht, sei das Auto nicht mangelhaft (Aktenzeichen 28 U 165/13).

Airline muss ehrlich informieren

Das Landgericht Berlin hat der Fluggesellschaft Germania untersagt, Kunden im Internet falsch über ihre Rechte bei großen Verspätungen und Überbuchungen zu informieren. Die Richter gaben damit einer Klage des Verbraucherzentrale Bundesverbands (vzbv) statt, der ein Informationsblatt der Airline als teilweise irreführend kritisiert hatte.

„Das Landgericht hat klargestellt, dass eine Fluggesellschaft ihre Kunden eindeutig und vollständig über ihre Rechte informieren muss. Sie darf wichtige Kundenansprüche nicht einfach weglassen,“ sagt Kerstin Hoppe, Rechtsreferentin beim vzbv.

Germania hatte auf ihrer Internetseite ein Informationsblatt über Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen im Fall von Überbuchungen, Annullierungen und großen Verspätungen veröffentlicht. Die Rechtsansprüche der Kunden wurden darin allerdings missverständlich und teilweise falsch wiedergegeben.

In der Information fehlte etwa der Hinweis auf Ausgleichszahlungen von 250 bis 600 Euro, die Fluggästen bei großen Verspätungen nach der Rechtsprechung zustehen. Lückenhaft informierte die Airline auch über die Rechte von Kunden, die ihren Flug wegen einer Überbuchung nicht antreten dürfen. Unerwähnt blieb, dass sie neben der Erstattung des Flugpreises einen kostenlosen Rückflug zum Ausgangsflughafen ihrer Reise verlangen können.

Passagieren, die etwa wegen einer Annullierung ihres Flugs die Nacht vor Ort verbringen müssen, sollte laut Informationsblatt „notfalls“ eine Hotelunterbringung angeboten werden. Die Formulierung ist nach Auffassung der Richter missverständlich: Mancher Kunde werde sie so verstehen, dass ein Hotel nur in Ausnahmefällen beansprucht werden kann und er sich zunächst selbst um eine Unterbringung kümmern muss oder, sofern ihm möglich, die Nacht auf dem Flughafen verbringen soll.

Tatsächlich sind die Fluggesellschaften stets dazu verpflichtet, Fluggästen eine Hotelunterbringung anzubieten, falls ein Aufenthalt über Nacht erforderlich wird (Aktenzeichen 52 O 102/15).

12 Seiten

Für eine Hauptverhandlung hatte ich eine Stellungnahme vorbereitet. 12 Seiten. Eigentlich hatte ich ja gehofft, mit der Richterin vorher mal über die Sache am Telefon über die Sache sprechen zu können. Mit ein wenig guten Willen wäre vielleicht eine Einstellung machbar gewesen.

Doch leider gelang es mir partout nicht, die Vorsitzende ans Telefon zu bekommen. Obwohl ich sogar ihre Durchwahl besaß. Laut Auskunft ihrer Mitarbeiterin war sie an sich jeden Tag im Gericht; aber ich rief anscheinend immer zum falschen Zeitpunkt an.

Nun ja, dann nahm ich mir also die Zeit, um eine schönes Opening Statement zu Papier zu bringen. Ich war also gut vorbereitet, als der Prozess aufgerufen wurde. Die Richterin schaute höflich in die Runde, dann sagte sie, die Staatsanwältin fest im Blick:

Bei der Vorbereitung der Akte habe ich mir gedacht, das könnte die einzige Einstellung des Tages werden. Ich hoffe, Sie sehen das ähnlich. § 153 StPO, Kosten und notwendige Auslagen trägt die Staatskasse.

Die Frau Staatsanwältin unterlag sofort der Anziehungskraft einer vorzeitigen Kaffeepause. Sie stimmte zu. Mein hoch erfreuter Mandant natürlich auch.

Zum Glück hatte ich vorher mit dem Mandanten abgestimmt, dass ich wegen der Nichterreichbarkeit der Richterin doch besser eine umfangreiche Stellungnahme vorbereite. Somit wird er hoffentlich keinen Herzschlag bekommen, wenn ich auch dafür das vereinbarte Zeithonorar abrechne…