Individuelles Trinkbedürfnis

Ein Querschnittsgelähmter, der auf Katheter angewiesen ist, muss sich von seiner gesetzlichen Krankenkasse nicht vorschreiben lassen, wie viel er täglich zu trinken hat. Wenn er ca. 3,5 Liter pro Tag trinkt, muss die Krankenkasse dem Mann auch medizinische Hilfsmittel in diesem Umfang bewilligen. Dies hat das Sozialgericht Dresden entschieden.

Die Krankenkasse meinte bei dem Mann, es sei lediglich eine Trinkmenge von 2,5 Liter pro Tag erforderlich. Demgemäß bezahlte sie ihm nur die Katheter und Bettbeutel für diese Menge. Der Betroffene gab dagegen an, er habe ein höhere Trinkbedürfnis.

Das Sozialgericht Dresden hält es für unvereinbar mit der Menschenwürde, wenn bei einem invididuellen Trinkbedürfnis nur Durchschnittswerte angesetzt werden. Der Betroffene habe auch ein persönliches „Sicherheitsbedürfnis“, dem Rechnung zu tragen sei.

Die Krankenkasse muss laut dem Urteil die Hilfsmittel nach dem tatsächlichen Bedarf bezahlen. Allerdings hat sie gegen das Urteil Berufung eingelegt (Aktenzeichen S 47 KR 105/13).

Eine „unsichtbare“ Zeugin

Ein heikles Thema wird in den nächsten Tagen das Landgericht München beschäftigen. In einem Strafprozess geht es mittelbar auch um die Frage, ob eine Zeugin vor Gericht ihr Gesicht zeigen muss. Die Frau muslimischen Glaubens trug bei ihrer ersten Zeugenaussage vor dem Amtsgericht München ein Gewand namens Naqib, das nur einen dünnen Sehschlitz für die Augen freilässt. Außerdem hüllte sie sich in einen langen Mantel und trug Lederhandschuhe, heißt es etwa in diesem Bericht.

Die Strafprozessordnung selbst enthält keine detaillierten Regeln, wie sich Zeugen vor Gericht präsentieren dürfen. Die Grenze ist die sogenannte Ungebühr, die in § 178 GVG eher allgemein geregelt ist. Es gibt Dutzende Entscheidungen über korrekte und falsche Bekleidung im Zeugenstand. Klar ist jedenfalls, dass sich die Zeiten ändern. So darf die Justiz nicht mehr übertriebene Anforderungen an Zeugen stellen. Freizeitkleidung, Berufskleidung, kurze Hosen und bauchfreie Shirts verletzen heute nicht mehr die Würde des Gerichts, so lässt sich die aktuelle Rechtsprechung zusammenfassen.

Nach wie vor kann ein Richter aber verlangen, dass Schiebermützen, Sportkäppis oder Hoodies während der Aussage nicht den Kopf des Zeugen zieren. Schwieriger wird es aber, wenn die Kopfbekleidung religiös motiviert ist. Im Fall einer Muslima hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass diese nicht wegen ihres Kopftuches aus dem Saal gewiesen werden durfte. Allerdings war die Frau nur Zuschauerin.

Dieser Entscheidung des Verfassungsgerichts lässt sich aber auch entnehmen, dass Betroffene trotz ihrer Kleidung zumindest „identifizierbar“ sein müssen. Gerade bei Zeugen dürfte das noch eine größere Rolle spielen als bei Zuschauern. Immerhin gibt es ja für das Gericht über die Frage der „Würde“ auch noch einen sachlichen Grund, das Gesicht der Zeugin sehen zu wollen. Nämlich, um ihre Glaubwürdigkeit prüfen zu können. Dieses Interesse haben natürlich auch regelmäßig der Angeklagte und sein Verteidiger.

Es wird deshalb interessant, wie das Landgericht München mit dem Fall umgeht. Verhandelt werden soll die Sache am 17. März.

Vitamin B im Loveparade-Prozess

In zwei Schadensersatzprozessen wegen des Unglücks bei der Loveparade im Jahr 2010 kommt es zu eimem Richterwechsel. Die Vorsitzende Richterin am Landgericht Duisburg ist befangen und muss ausgewechselt werden, so das Oberlandesgericht Düsseldorf.

In den Verfahren verklagen Loveparade-Opfer unter anderem die Stadt Duisburg auf Schadensersatz. Die Stadt Duisburg hatte in dem Prozess Rechtsgutachten einer Düsseldorfer Anwaltskanzlei vorgelegt, um die Ansprüche abzuwehren. Einer der Chefs dieser Anwaltskanzlei ist mit der Vorsitzenden Richterin verheiratet.

Die Richterin selbst betrachtete sich deswegen nicht für befangen, das OLG Düsseldorf sieht dies anders. Auch wenn der Ehemann der Richterin selbst nicht direkt an den Gutachten mitgeschrieben habe, gebe es eine „berufliche Nähe“ (und damit ist sicher auch eine wirtschäftliche Nähe gemeint) zu den Verfassern. Schon das könne eine Konflitksituation für die Richterin begründen und ein unparteiisches Urteil erschweren.

Mit einem Tick mehr Sensibilität hätte die Richterin diese Schlussfolgerung wohl auch selbst ziehen können (Aktenzeichen I – 11 W 53/15 und I – 11 W 54/15).

Die „Herren des Bangs“

Die sächsische Polizei hat unter anderem mit Heidenau grandios vorgelegt, was das allgemeine Kopfschütteln angeht. Da möchte die Justiz natürlich nicht hintanstehen. So prescht jetzt die Chemnitzer Staatsanwaltschaft mit freundlicher Unterstützung des örtlichen Amtsgerichts couragiert vor, um sich nach Kräften lächerlich zu machen.

Es geht um handelsübliches Vogelfutter, das die Chemnitzer Piratenpartei an einem Infostand zum Thema Drogenpolitik verteilt hat. Nach einer Hausdurchsuchung kamen jetzt die Strafbefehle. Wegen „unerlaubter Abgabe von Betäubungsmitteln“ sollen der damalige Ortsvorsitzende und andere Parteimitglieder Geldstrafen zahlen. Und künftig vorbestraft durchs Leben gehen.

Dass es sich bei dem Vogelfutter um Hanfsamen gehandelt hat, streiten die Organisatoren nicht ab. Warum auch, die Samen dürfen grundsätzlich legal verkauft werden. Im Chemnitzer Fall waren sie recht eindeutig als „Angelhanf Taubenfutter Hanfsamen Hanfsaat“ deklariert. Die Piraten wiesen auch noch ausdrücklich darauf hin, dass der Samen in Muttererde nichts verloren hat, weil das Heranzüchten von Cannabispflanzen strafbar wäre.

Das bedeutet aber nicht, dass juristische Probleme ausgeschlossen sind. Derzeit ist der Handel bzw. das Weitergeben von Cannabissamen verboten, „wenn der Samen nach den Umständen zum unerlaubten Anbau bestimmt ist“. So fasst der Standardkommentar Körner/Patzak/Volkmer zum Betäubungsmittelgesetz die juristische Lage zusammen. Es kommt also darauf an, ob das tatsächliche Ziel der Beteiligten am Ende eine berauschende Ernte ist. In der Tat gibt es immer wieder – oft auch im Ausland ansässige – Growshops, die in ihrer Werbung zwar oben Vogelfutter schreiben, unten dann aber in ganz andere Richtungen abschweifen („gemacht für Raucher, die ihre Grenzen testen wollen“, „Herr des Bangs“). Das sind dann tatsächlich liebe Einladungen an die Polizei.

So ein Anliegen dürfte den Piraten aber mit ihrer politischen (!) Aktion erkennbar nicht nachzuweisen sein. Zumal sie zumindest nach eigenen Angaben überhaupt nicht wussten, ob mit dem selbst nur gekauften Samen überhaupt Pflanzen sprießen würden, die überhaupt Wirkstoff in relevanter Menge liefern. Es gibt ja auch etliche Sorten von Industriehanf.

Das alles hat die Staatsanwaltschaft Chemnitz wohl auch gesehen. Sie bot den Beschuldigten zunächst an, das Verfahren gegen eine Geldauflage einzustellen. Nachdem die Betroffenen nachvollziehbar ablehnten, hätte es auch die Möglichkeit der Verfahrenseinstellung gegeben. Stattdessen zieht man es vor, die Beschuldigten vor Gericht zu zerren.

Es wird interessant, wie weit es die Sachsen diesmal treiben wollen.

Erdrückende Beweislast

Aus einer Strafanzeige:

Herr S. wurde in der Fußgängerzone angehalten und durchsucht. Es wurde nichts Verdächtiges aufgefunden außer Bargeld in einer schwarzen Geldbörse: 3 x 50 Euro, 11 x 20 Euro, 1 x 10 Euro, 1 x 5 Euro. Es handelt sich um eine dealgeldtypische Geldstückelung.

Sozusagen eine erdrückende Beweislast. Kaum nachvollziehbar, wieso der Staatsanwalt das Verfahren dennoch kurzerhand eingestellt hat.

Freundlicher Hinweis

Aus einer Vorladung der Polizei:

Sie sind Halter des Fahrzeugs BMW KA-XY 0000. Die Ermittlungen bezüglich der Unfallflucht richten sich … gegen Ihren Sohn. Sollte Ihr Sohn Fahrer zur Unfallzeit gewesen sein, haben Sie als Vater das sogenannte Zeugnisverweigerungsrecht, d.h. Sie müssen keine Angaben zum Fahrer machen.

Sollte zur Unfallzeit jemand gefahren sein, gegenüber dem Sie kein ZVR haben, sind Sie als Zeuge zur Aussage verpflichtet, notfalls vor einem Richter.

Bitte teilen Sie mir möglichst zeitnah mit, ob Sie den Termin am Freitag wahrnehmen.

Positiv an dieser Vorladung ist, dass der Polizeibeamte sich eine Belehrung über die Rechte des Fahrzeughalters nicht für die Vernehmung aufspart. Vielmehr macht er dem Empfänger des Schreibens schon ziemlich deutlich, dass dieser jedenfalls in Bezug auf seinen Sohn, den Beschuldigten, schon wegen des Verwandtschaftsverhältnisses rein gar nichts sagen muss.

Ganz vollständig ist der freundliche Hinweis allerdings trotzdem nicht:

– Niemand muss mit der Polizei sprechen. Auch ein Zeuge nicht. Deshalb sollte man eine Vorladung auch besser als Einladung bezeichnen. Mehr ist sie nämlich nicht. Denn wer nicht mit der Polizei sprechen muss, braucht selbstverständlich auch nicht auf die Wache zu kommen.

– Eine Vorladung durch den Staatsanwalt oder einen Richter ist kein Automatismus. Tatsächlich bleibt die Vorladung meist aus. Wenn sie aber erfolgt, darf ein Zeuge nur dann nichts sagen, wenn ihm ein Zeugnis- oder Auskunftsverweigerungsrecht zusteht.

– Neben dem Zeugnisverweigerungsrecht wegen Verwandtschaft kann man als Zeuge auch die Auskunft verweigern, wenn man sich selbst in den Verdacht einer Straftat bringen könnte. Der Zeuge muss also rein gar nichts sagen, was ihm selbst schaden könnte.

Trotz der gewissen Unschärfen bleibt es toll, dass der Beamte sich wenigstens bemüht, den Zeugen schon bei der Einladung zu einer Vernehmung über seine wesentlichen Rechte zu informieren.

Daran könnten sich 99 % der deutschen Kripobeamten ein Vorbild nehmen, denen so was nie in den Sinn kommen würde.

„Ich wollte das Handy nur laden“

Wer sein Handy im Auto dabei hat, der wird sich für diese Gerichtsentscheidung interessieren. Laut Oberlandesgericht Oldenburg ist es einem Autofahrer untersagt, sein Handy in die Hand zu nehmen, auch wenn er es nur an ein Ladekabel anschließen will.

Ein Lkw-Fahrer hatte sich damit verteidigt, er habe sein Handy gar nicht nutzen, sondern es nur aufladen wollen. Doch auch dies fällt nach Meinung des Gerichts bereits unter den Tatbestand des § 23 Abs. 1a StVO, der da lautet:

Wer ein Fahrzeug führt, darf ein Mobil- oder Autotelefon nicht benutzen, wenn hierfür das Mobiltelefon oder der Hörer des Autotelefons aufgenommen oder gehalten werden muss. Dies gilt nicht, wenn das Fahrzeug steht und bei Kraftfahrzeugen der Motor ausgeschaltet ist.

Von einem „Benutzen“ des Mobiltelefons kann man laut der Entscheidung schon sprechen, wenn die eigentliche Nutzung nur vorbereitet wird. Das Laden sei so eine mit erfasste Vorbereitungshandlung, weil man ohne geladenen Akku nicht telefonieren könne.

Das Aufladen ist also schon eine „Benutzung“. Damit schrabbt die Entscheidung zumindest deutlich hörbar an den sprachlichen Grenzen der Vorschrift. Da ist es sicher denkbar, dass der eine oder andere Bußgeldrichter am Amtsgericht die Sache anders sieht. Wenn er denn glaubt, dass das Handy nur geladen werden sollte (Aktenzeichen 2 Ss OWi 290/15).

Facebook geht auch weiter nicht anonym

Facebook kann gegenüber Nutzern weiter darauf bestehen, dass diese sich mit ihrem echten Namen anmelden. Das Verwaltungsgericht Hamburg stoppte eine Anordnung des Hamburger Datenschutzbeauftragten. Dieser hatte durchsetzen wollen, dass sich eine Nutzerin mit einem Pseudonym anmelden darf.

Der Hamburger Datenschutzbeauftragte begründet seine Initiative damit, dass Dienstanbieter nach deutschem Recht auch eine anonyme Nutzung ihres Angebotes ermöglichen müssen, soweit dies möglich ist (§ 13 Abs. 6 TMG). Das Verwaltungsgericht Hamburg bezweifelt allerdings, dass für Facebook deutsches Recht gilt.

Es sei vielmehr das Recht des EU-Landes anzuwenden, mit dem die streitige Datenverarbeitung am engsten verbunden ist. Da Facebooks Europazentrale in Irland sitzt, spreche viel für die Anwendbarkeit irischen Rechts. Zwar habe Facebook auch eine Filiale in Deutschland, diese sei aber vorwiegend für Werbung zuständig.

Mit dem Beschluss setzt das Gericht die Vollziehbarkeit der Anordnung des Datenschutzbeauftragten zunächst aus. Das gilt so lange, bis das noch laufende Hauptsacheverfahren abgeschlossen ist (Aktenzeichen 15 E 4482/15).

„Am Lusthaus“ ist keine schlechte Adresse

Eine Kölnerin kann sich nicht mit ihrer Adresse anfreunden. Ihr Grundstück liegt an einer Straße mit dem Namen „Am Lusthaus“. Die Kölner Bezirksverwaltung hatte im Jahr 2013 die Straße in einem Neubaugebiet so benannt.

Gegen den Straßennamen zog die Kölnerin vor das Verwaltungsgericht, weil sie sich in ihrem Persönlichkeitsrecht verletzt fühlt. Die Anschrift bringe sie in einen anstößigen Zusammenhang.

Das Verwaltungsgericht sieht die Sache anders. Die Richter haben bereits Zweifel, ob eine Straßenbenennung die Rechte der dort lebenden Menschen beeinträchtigen kann. Es gehe beim Straßennamen alleine darum, eine öffentliche Sache mit einem Namen zu versehen.

In jedem Fall, so die Richter, stehe der Stadtverwaltung ein weiter Gestaltungsspielraum bei der Suche nach Straßennamen zu. Dieser Spielraum sei nicht überschritten. Denn im Gegensatz zur Interpretation der Klägerin hat der Straßenname „Am Lusthaus“ gar nichts mit einem Bordell oder ähnlichem zu tun. Der Name greife eine frühere Gewannbezeichnung auf, das ist eine historisch gewachsene Bezeichnung für eine Gemarkung oder ein Grundstück.

„Am Lusthaus“, so das Gericht, beziehe sich darauf, dass früher in unmittelbarer Nähe ein Adeliger seinen Herrensitz hatte (Aktenzeichen 20 K 3900/14).

Darf man einem Drogenkranken Drogen verbieten?

Wenn ein Straftäter seine Strafe abgesessen hat, kann er auch danach noch staatlich kontrolliert werden. Die sogenannte „Führungsaufsicht“ soll künftige Straftaten verhindern. Dazu kann das Gericht dem Verurteilten eine Vielzahl von Auflagen machen, darunter auch „keine alkoholischen Getränke oder andere berauschende Mittel zu sich zu nehmen … und sich Alkohol- und Suchtmittelkontrollen zu unterziehen“ (§ 68b Abs. 1 Nr. 10 StGB).

Diese Regelung wird auch Abstinenzweisung genannt. Sie klingt auch erst mal vernünftig. Aber was bedeutet so eine Abstinenzweisung für einen Alkoholiker oder Drogenkranken, der bislang nicht erfolgreich behandelt worden ist. Wie soll ein Suchtkranker sich daran „in freier Wildbahn“ denn bitteschön halten können? Diese Frage stellt das Oberlandesgericht Saarbrücken in einem interessanten Beschluss.

Die Antwort liefert das Gericht natürlich auch. So eine Abstinenzweisung gegenüber einem Suchtkranken ist unwirksam:

Von ihm würde ein Verhalten verlangt, zu dem er bedingt durch seine Suchterkrankung von vornherein nicht in der Lage ist. Mit hoher Wahrscheinlichkeit wird er, da lediglich eine erfolgreich absolvierte stationäre Drogentherapie eine realistische Chance auf eine Heilung von der langjährigen Drogensucht böte, auch nunmehr in Freiheit abermals Betäubungsmittel … konsumieren.

Die Weisung gegenüber einem akut Drogenkranken hätte also zur Folge, dass der auch für ihn an sich straflose Konsum von Drogen eine Straftat würde, denn der Verstoß gegen Weisungen der Führungsaufsicht ist selbst eine Straftat (§ 145a StGB). Jemanden quasi in eine Strafbarkeit zu drängen sei das Gegensatz zu wirksamer Hilfe dabei, künftig straffrei zu bleiben. So eine Weisung komme also nur gegenüber Abhängigen in Betracht, die eine erfolgreiche Therapie durchlaufen haben. Bei diesen kann die Weisung ein taugliches Druckmittel sein, damit diese nicht rückfällig werden und dann möglicherweise im Drogenrausch Straftaten begehen.

Es gibt aber auch Gerichte, die das anders sehen. Deren Auffassungen kann man in dem Beschluss des Oberlandsgerichts Saarbrücken ebenfalls nachlesen..

Ihre DNA, bitte

Heute habe ich einen Mandanten beraten, dem nach einem Kontakt mit der Polizei ein ungutes Bauchgefühl verblieb. Eigentlich wollte er auf der Wache den Diebstahl seines Navis aus dem Auto anzeigen. Doch am Ende hatte er nicht nur die Anzeige gemacht, sondern auch eine Speichelprobe für eine DNA-Analyse abgegeben.

Der Beamte war wohl sehr beredt. Er stellte es als absolut notwendig dar, dass mein Mandant eine Speichelprobe da lässt. Weil das die Ermittlungen angeblich erleichtert. Und überhaupt. Mein Mandant unterschrieb brav einige Formulare, ohne sie näher zu lesen, ließ sich die Zungenspitze abtupfen, das war’s dann auch schon. Reine Routine anscheinend. Eine Routine, die dem Mandanten dann erst später zu denken gab, als er sich überlegte, was denn jetzt wohl nach der DNA-Untersuchung so alles mit seinen Daten passieren kann.

Auf dem Papier ist das erst mal nicht sonderlich viel. Das Ergebnis der DNA-Untersuchung darf nur für Vergleichszwecke mit anderen Spuren benutzt werden. Und auch nur im Rahmen des konkreten Falles, um den es geht. Werden die Daten nicht mehr gebraucht, müssen sie gelöscht werden.

Klingt erst mal harmlos. Aber was ist gerade in Fällen, in denen kein Täter ermittelt wird? Theoretisch sind solche Akten mitunter jahrelang offen. Und gibt es in der Praxis der Polizeipräsidien und Landeskriminalämter überhaupt vernünftige Löschroutinen? Oder besteht nicht doch das Risiko, dass die einmal gespeicherten Daten wieder auffindbar sind, wenn man nach ihnen sucht? Etwa auf einem Backup, um nur ein Beispiel zu nennen.

Der Mandant hätte seine berechtigten Sorgen vermeiden können. Indem er einfach nicht unterschreibt. Ohne schriftliches Einverständnis muss der Richter eine DNA-Probe anordnen. Eine Formsache ist das gerichtliche Vefahren keinesfalls – auch wenn Polizeibeamte gerne das Gegenteil behaupten. Wie derjenige, mit dem mein Mandant das Vergnügen hatte.

Wer also nach einer freiwilligen Speichelprobe gefragt wird, sollte sich gut überlegen, ob er nicht einfach mal von seinen Rechten Gebrauch macht. Dafür sind sie doch da. Jedenfalls so lange, wie man nicht restlos überzeugt ist, dass die Polizei nun wirklich hier und heute für ihre Ermittlungen zwingend auf das DNA-Profil angewiesen ist. Gerade bei Wohnungseinbrüchen wird nach meiner Erfahrung auch immer öfter nach einer freiwilligen Speichelprobe der Bewohner gefragt. Eine plausible Erklärung dafür habe ich bislang noch nicht gehört.

Das einmal erklärte Einverständnis kann man übrigens nicht so einfach widerrufen. So jedenfalls die überwiegende Meinung der Gerichte. Dem Mandanten bleibt demnach momentan nur die Möglichkeit, nach angemessener Zeit nachzufragen, ob seine Daten tatsächlich wieder gelöscht wurden. Und darauf zu vertrauen, dass die Antwort korrekt ist.

Daten auf One Drive führen zu Anklage

Microsofts One Drive (früher: Skydrive) ist mittlerweile ein fester Bestandteil von Windows. In der aktuellen Version 10 des Betriebssystems ist der Cloudspeicher sogar als Default eingestellt. Das heißt, wer nicht explizit anderes einstellt, speichert seine Daten online auf einem Server von Microsoft.

Auf perfekte Privatsphäre darf man dabei nicht hoffen. Ich hatte vor einem knappen Jahr berichtet, dass Microsoft den Skydrive-Ordner eines meiner Mandanten überwacht hat. Und zwar offenbar ohne konkreten Anlass. Eine mutmaßliche jugendpornografische Datei meldete Microsoft an das National Center for Missing and Exploited Children (NCMEC). Diese Stelle wiederum informierte die amerikanische Bundespolizei, welche die Informationen an das deutsche Bundeskriminalamt weitergab.

Es kam dann zu einer Hausdurchsuchung. Das Ergebnis wurde jetzt vor einem hessischen Amtsgericht verhandelt. Es fanden sich tatsächlich einige jugend- und auch einige kinderpornografische Dateien auf den Festplatten, die mein Mandant zu Hause hatte. Gegenstand des Verfahrens war damit gar nicht mehr die einzelne, angeblich jugendpornografische Datei auf One Drive. Sondern es ging um die sonstigen Funde.

Natürlich habe ich darüber nachgedacht, ob hier ein Verwertungsverbot eingreifen könnte. Die damalige Praxis von Microsoft mag zwar amerikanischem Recht geschuldet sein. In Deutschland verstößt das manuelle wie automatische Scannen von Nutzerinhalten durch Provider aber gegen die bei uns geltenden Vorschriften (z.B. § 88 TKG, § 7 TMG, § 12 TMG, § 13 TMG).

Das Problem ist allerdings, dass die deutschen Behörden nicht aktiv bei ihren amerikanischen Kollegen um die Informationen gebeten haben. Zumindest nach Aktenlage sind die Daten aus Amerika unaufgefordert geliefert worden. Das passive Entgegennehmen von solchen Informationen ist aber wohl kein Verfahrensverstoß, den man der deutschen Polizei anlasten könnte. Im Gegenteil, ähnlich wie bei einem sonstigen „Zufallsfund“ ist die Polizei dann sogar verpflichtet, einem Anfangsverdacht nachzugehen, auch wenn dieser aus einer fragwürdigen Quelle stammt.

Nun ja, ein ungutes Gefühl konnte ich aber trotzdem wecken. Sowohl bei der zuständigen Staatsanwältin als auch bei der Amtsrichterin. Am Ende blieb es bei einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen. Damit lag die Geldstrafe sogar noch unter der Eintragungsgrenze (90 Tagessätze), so dass ich mein Mandant weiter als unvorbestraft bezeichnen kann.

Seit dieser Geschichte sind bei mir keine ähnlichen Fälle mehr angekommen. Vielleicht ein Zufall. Aber ebenso ist es möglich, dass Microsoft in Deutschland keine Gesetzesverstöße riskieren will und deshalb die Daten deutscher Nutzer verstärkt auf Rechnern in der EU ablegt. Das würde wohl dazu führen, dass die Kontroll- und Meldepflicht in den USA entfällt.

Wie auch immer: Als Nutzer von One Drive sollte man zumindest wissen, dass es anlasslose Zugriffe und Kontrollen der Inhalte deutscher Nutzer gab. Und es mangels konkreter Aufklärung durch Microsoft jedenfalls nicht sicher ist, dass für One Drive-Ordner deutscher Nutzer auch deutsches Datenschutzrecht angewendet wird.

Amazon darf gekaufte Inhalte nicht sperren

Das Oberlandesgericht Köln hat eine Klausel in den Nutzungsbedingungen von Amazon für unwirksam erklärt. Laut der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen hatte Amazon es sich darin für den Fall, dass Kunden „gegen anwendbare Gesetze, diese Nutzungsbedingungen oder andere anwendbare Vertragsbedingungen oder Richtlinien verstoßen“, vorbehalten, „Services auf der Website vorzuenthalten, Mitgliedskonten zu schließen oder Inhalte zu entfernen oder zu verändern“.

Viele Kunden hätten sich den letzten Jahren beschwert, denen die Schließung ihres Kundenkontos angedroht worden sei.Grund seien angeblich zu viele Rücksendungen oder sonstige Unstimmigkeiten gewesen. Eine Klausel in den Nutzungsbedingungen habe es Amazon erlaubt, Kunden auch den Zugang zu bereits erworbenen digitalen Inhalten über ihr Konto zu verwehren.

Das Oberlandesgericht Köln untersagt diese Praxis nun. Auch im Fall einer Kontenschließung müssten Kunden weiter Zugriff auf ihre gekauften digitalen Inhalte haben (Aktenzeichen 6 U 90/15).

Die eine – oder keine

Ein Bauer wurde Kunde einer Partnervermittlung, weil er unbedingt die in einer Annonce angepriesene Daniela kennenlernen wollte. Die Dame war laut Anzeige Kinderkrankenschwester und suchte einen „treuen Landwirt“.

Dumm nur, dass die Partnervermittlung keinen Kontakt mit Daniela herstellen konnte. Der 50-jährige Landwirt forderte daraufhin das Honorar von 1.200 Euro zurück. Erfolgreich, denn seine Mutter konnte im Prozess bestätigen, dass für ihn galt: „Die eine oder keine.“

Das Amtsgericht Augsburg verurteilte die Partnervermittlung, weil es einen Anfechtungsgrund auf Seiten des Landwirts bejahte.

Bericht in der Welt

Kein Laufband im Beamtenbüro

Eine Bibliotheksdirektorin, die an der Universität Trier arbeitet, darf in ihrem Dienstzimmer weder ein Laufband haben noch ein Sofa. Beide Gegenstände hat die Universität zu Recht zwangsweise vom Arbeitsplatz der Mitarbeiterin entfernen lassen, befand jetzt das Verwaltungsgericht Trier.

Die Mitarbeiterin hatte erklärt, sowohl das Sofa als auch das Laufband seien Teilkomponenten eines sogenannten „dynamischen Arbeitsplatzes“. Das untermauerte die Beamtin mit entsprechenden Attesten. Das Verwaltungsgericht äußert aber erhebliche Zweifel an der medizinischen Notwendigkeit so einer privaten Aufrüstung des Dienstzimmers.

Aber in jedem Fall sei es der Klägerin verwehrt, ohne Information ihres Dienstherrn eigenmächtig ein Laufband und ein Sofa aufzustellen. Die Universität Trier biete überdies selbst Unterstützung für körperlich beeinträchtigte Mitarbeiter. Hiervon habe die Klägerin aber nie Gebrauch gemacht. Letztlich berücksichtigt das Gericht auch, dass durch die privaten Möbel die Brandgefahr steigt und ein zusätzlicher Reinigungsaufwand entsteht (Aktenzeichen 1 K 3238/15.TR).