Microsoft ohne ladungsfähige Anschrift in Deutschland?

Weil Microsoft Verbrauchern ungefragt Installationspakete für ein Upgrade auf das neue Betriebssystem Windows 10 auf die Festplatte platziert hatte, mahnte die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg dieses Verhalten ab. Microsoft weigerte sich, eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abzugeben, so dass die Verbraucherzentrale vor dem Landgericht München Klage erhoben hat (Aktenzeichen). Eine Entscheidung in der Sache selbst fiel gestern nicht, wie die Verbraucherzentrale mitteilt.

Im Sommer letzten Jahres entdeckten zahlreiche Verbraucher auf ihren Festplatten in einem versteckten Ordner eine Datei, bei der es sich um ein Installationspaket für ein Upgrade auf das neue Betriebssystem „Windows 10“ handelt. Eine Einwilligung in diesen Download, der eine Größe von bis zu 6,5 GB haben kann, hatten die Verbraucher nicht erteilt.

Das Landgericht München traf in dem Verfahren nun aber keine Entscheidung zur Sache. Nach Auffassung der Richter bestehen prozessale Hürden. Die Verbraucherzentrale hatte die Zustellung der Klageschrift an die deutsche Tochtergesellschaft bewirkt, da es sich hierbei nach Darstellung von Microsoft um ihre deutsche Niederlassung handelt.

Gleichwohl verneinte das Landgericht eine wirksame Zustellung der Klageschrift. Die Klage hätte nach Meinung des Gerichts – mit entsprechender mehrmonatiger Verzögerung – nach Amerika zugestellt werden müssen.

„Wir können diese Entscheidung des Gerichts nicht nachvollziehen“, so Dunja Richter, Juristin der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg. „Nach herrschender Rechtsprechung kann ein Unternehmen überall dort verklagt werden, wo es über eine Niederlassung verfügt“, erklärt Richter. „Dabei reicht es aus, wenn sich das Unternehmen nach außen so darstellt, als verfüge es am Gerichtsort über eine Niederlassung. Wenn Microsoft auf ihrer Internetseite ihre deutsche Tochtergesellschaft ausdrücklich als Niederlassung („Subsidiary“) bezeichnet muss sie diese Darstellung auch gegen sich gelten lassen. Wir können es nicht hinnehmen, dass Microsoft Verbraucher in Deutschland auf so gravierende Weise belästigt und sich dann auf ihren US-Status beruft.“

Die Verbraucherzentrale wird gegen das Urteil Berufung vor dem Oberlandesgericht München einlegen.

Anwaltspostfach: Alle oder keines

Das „besondere elektronische Anwaltspostfach“ (beA) sollte ja nach einigen Rückschlägen angeblich in den Startlöchern stehen, erlebt jetzt aber schon wieder einen gewaltigen Dämpfer. Der Anwaltsgerichtshof Berlin hat es der Rechtsanwaltskammer per einstweiliger Anordnung untersagt, Postfächer für Anwälte freizuschalten, von denen kein entsprechendes Einverständnis vorliegt.

Damit ist der bisherige Starttermin zum Herbstanfang wieder hinfällig. Die Bundesrechtsanwaltskammer hat heute nämlich mitgeteilt, dass sie technisch bedingt entweder alle Anwaltspostfächer freischalten kann. Oder keine. Notgedrungen wird es nach dem Gerichtsbeschluss wohl vorerst keinen Startschuss für das beA geben. Das ergibt sich aus einer Presseerklärung der Rechtsanwaltskammer.

Bei mir verfestigt sich immer mehr mein erster Eindruck von diesem neuen Kommunikationstool für Rechtsanwälte. Dass es sich nämlich um eines dieser typisch deutschen Produkte im IT-Bereich handelt, die schon von ihrer verkopften Konzeption her zum Scheitern verurteilt sind. Dass das Projekt jetzt erst mal am banalen Umstand zerbricht, dass Benutzerkonten nicht einzeln steuerbar sind, ist nur ein weiterer Beleg.

Ich habe noch mit keinem Anwalt über das beA gesprochen, der dem Projekt irgendwas Positives abgewinnen konnte. Mit Ausnahme von einem, aber der sitzt im Vorstand einer Rechtsanwaltskammer.

Den Beschluss des Anwaltsgerichtshofs kann man hier nachlesen.

„… hat sich erledigt“

Zugegeben, die Sache ist nicht alltäglich.

Eine Mandantin, die ich seinerzeit noch nicht vertrat, hatte ihre Berufung gegen ein Strafurteil zurückgenommen. In der Verhandlung. Auch auf Anraten ihres damaligen Anwalts. Was ihr damals nicht bewusst war ist der Umstand, dass sie sich damit auf direktem Wege ins Gefängnis begab. Das Amtsgericht hatte sie nämlich zu einer Freiheitsstrafe ohne Bewährung verurteilt. Da hätte es sich in der Tat gelohnt, in der Berufungsverhandlung nicht einfach so den Schwanz einzuziehen.

Für die Mandantin habe ich dann den Antrag gestellt, dass das Gericht feststellt, dass die Sache nicht durch die Berufungsrücknahme beendet wurde. So ein Antrag ist möglich und kann auch erfolgreich sein. Nämlich dann, wenn die Angeklagte – vereinfacht ausgedrückt – am Verhandlungstag nicht „prozessfähig“ war und die Tragweite einer Berufungsrücknahme nicht überschauen konnte. Das Ganze ist also so eine Art Anfechtung einer Willenserklärung ( = Berufungsrücknahme) mit dem Ziel, dass die Hauptverhandlung fortgesetzt wird.

Für diese Anfechtung gibt es in diesem Fall durchaus gute Gründe. Die Mandantin ist ohnehin schwer krank und schluckt allerlei Medikamente. Zwei Tage vor der Verhandlung war sie operiert worden. Sie sollte auf ärztlichen Rat eigentlich noch länger im Krankenhaus bleiben. Dennoch entließ sie sich entgegen den dringenden Rat ihrer Ärzte selbst und nahm – ordentlich mit Medikamenten vollgepumpt – an ihrer Verhandlung teil. Erschwerend kam dann hinzu, dass der Richter wohl vehement auf die Berufungsrücknahme gedrängt hat. Drastischer will ich es jetzt nicht formulieren.

So ein Antrag ist natürlich nicht einfach, deshalb habe ich bei der Begründung eine ganze Menge Papier produziert. Zu den Stellungnahmen des früheren Anwalts und des Staatsanwalts habe ich mich noch mal geäußert. Und jetzt warte ich seit drei Monaten darauf, dass über meinen Antrag entschieden wird.

Stattdessen erreicht mich heute ein Schreiben des Gerichts. In dem steht eigentlich nur, es seien jetzt ja drei Monate vergangen. Und dann: „… hat sich nach hiesiger Ansicht der Antrag erledigt. Die Akten werden an die Strafvollstreckungsbehörde weiter geleitet.“

Aha, wir warten einfach ab. Und dann tun wir so, als wäre nichts gewesen. Das ist ja eine ganz neue Methode, mit wirksam gestellten Anträgen von Verteidigern umzugehen. Allerdings wird die Darstellung meiner Mandantin durch so ein, man verzeihe mir die drastische Ausdrucksweise, hanebüchenes Schreiben nicht gerade unplausibler.

Ich bin dennoch zuversichtlich, dass ich das Gericht mit einigen sachlichen, aber bestimmten Worten doch noch zu einer Entscheidung bewegen kann. Aufregen bringt ja nichts, auch wenn ich es jetzt gern täte.

„Asylantenunterkunft“

Der Staatsanwalt hat in seiner Anklageschrift die Adresse meiner Mandantin mit dem Zusatz „Asylantenunterkunft“ ergänzt. Das Gericht übernimmt es. So sieht sie dann aus, die offizielle Behördenpost wegen eines angeblichen Ladendiebstahls geringwertiger Sachen:

160607a

Die Stadt Düsseldorf nennt ihre Einrichtungen übrigens Flüchtlingsunterkünfte.

Wenn das Verfahren zerfasert

Arbeitsteilung gibt es auch bei der Polizei und den Ordnungsbehörden. Das eine Kommissariat ist für Verkehrsdelikte zuständig, ein anderes für Betäubungsmittelkriminalität, das nächste für Wirtschaftsstrafsachen. Und weil das so ist, neigen Polizeibehörden dazu, Fälle nach den ersten Ermittlungen je nach Sachgebiet aufzuspalten und die Verfahren getrennt zu bearbeiten.

Ähnlich geht es bei den Staatsanwaltschaften und den Gerichten weiter. Dieses Prozedere muss für einen Beschuldigten nicht unbedingt nachteilig sein – wenn er die Augen aufhält und sich geschickt verhält.

Die heute übliche Aufspaltung einzelner Fälle in eigenständige Sachkomplexe mag für die Behörden zwar praktisch sein. Dummerweise verstößt sie aber gegen einen Grundgedanken der Strafprozessordnung. Die sieht nämlich vor, dass über eine „Tat“ einmal und abschließend geurteilt wird und die Sache dann gut ist. Die Tat ist dabei nach der juristischen Definition alles, was bei natürlicher Betrachtungsweise als „einheitliches Tun“ erscheint.

Was damit gemeint ist, zeigt ein alltäglicher Fall aus Sachsen-Anhalt. Dort ermittelten Polizei und Ordnugnsamt sozusagen nebeinander her. Ein Mann war betrunken mit dem Fahrrad unterwegs. Bei einer Kontrolle weigerte er sich, seine Personalien anzugeben. Außerdem leistete er Widerstand, als er zur Wache gebracht werden sollte. Wegen der verweigerten Personalien kriegte er recht zügig einen Bußgeldbescheid vom Ordnungsamt. Der Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte sowie die Trunkenheitsfahrt sollten in einem Strafverfahren geklärt werden.

Doch der Betroffene passte auf. Er wehrte sich gegen seine Verurteilung wegen Widerstands. Denn dieser bilde letztlich eine einheitliche Tat mit der Weigerung, die Personalien anzugeben. Deswegen habe er aber schon einen Bußgeldbescheid kassiert.

Das Oberlandesgericht Sachsen-Anhalt sah das ebenso und hob die Verurteilung wegen des Widerstands auf. Hier hat der rechtskräftige Bußgeldbescheid nämlich eine Sperrwirkung in dem Sinne, dass niemand zwei Mal wegen der gleichen Tat verurteilt werden darf. Die Vorinstanzen hatten das noch anders gesehen.

Es kann sich also lohnen, bei Ermittlungen genau hinzuschauen. Jedenfalls schadet es einem Beschuldigten nie, wenn er es nicht nur mit einem Achselzucken hinnimmt, dass aus einem Ermittlungsverfahren plötzlich mehrere werden (Aktenzeichen 2 Rv 10/16).

Super Joke

Pressemitteilung des Polizeipräsidiums Mainz:

In einem Fast-Food-Restaurant in der Rheinallee wurde am Freitagmorgen vom dortigen Reinigungspersonal eine Plastiktüte mit Betäubungsmitteln aufgefunden. Das Tütchen mit der weißen pulvrigen Substanz befand sich auf der Terrasse. Offenbar war es seinem Besitzer bei einem Restaurantbesuch aus der Tasche gefallen. Der Verlierer wird gebeten, gegen Vorlage seines Personalausweises, sich bei der Kriminalpolizei Mainz, Kriminaldauerdienst, Valenciaplatz 2, 55116 Mainz, zu melden.

Die drei Möglichkeiten

An einem kleinen Amtsgericht im Bergischen ging es vor einigen Tagen um eine alltägliche Sache. Meiner Mandantin wurde vorgeworfen, sie habe am Steuer ihres Wagens ihr Handy benutzt.

Als einziger Zeuge sagte Polizeikommissar K. aus. Eine schwerpunktmäßige Kontrolle sei es gewesen, erzählte er. Er stand am Fahrbahnrand, schaute in die Autos und gab seinen Kollegen per Funk die mutmaßlichen Verkehrssünder durch. Die Kollegen standen rund 120 Meter weiter an einer Bushaltestelle.

An meine Mandantin konnte sich der Beamte nicht erinnern. Aber ganz sicher war er sich, dass er als gewissenhafter Beamter nur Leute aufschreibt, „die eindeutig gegen das Handyverbot verstoßen“. Entweder, und jetzt zählte er auf, weil sie das Handy ans Ohr halten. Weil sie drauf tippen. Oder weil sie das Mobiltelefon deutlich erkennbar in der Hand halten. Nur dann wird ein Fall draus, sagte der Beamte. „Zweifelsfälle führen bei mir nicht zu einer Anzeige.“

Ich fragte höflich, ob es denn denkbar sei, dass meine Mandantin ihr Handy nur in der Hand gehalten habe. „Gut möglich“, erwiderte der Beamte, „das ist ja eine der drei Möglichkeiten“. Tja, da war die Verhandlung auch schon zu Ende, denn die Richterin bot die von uns angestrebte Einstellung des Verfahrens an.

Das tat sie aus guten Gründen. Auch wenn die Rechtsprechung zu Handyfällen ziemlich bunt durcheinandergeht, ist eines doch klar: Wenn das Handy nur in der Hand gehalten wird, reicht das für ein Bußgeld gerade nicht aus. Das ergibt sich ja schon daraus, dass § 23 StVO ausdrücklich nur die Benutzung eines Mobiltelefons am Steuer untersagt. Ein gewisser Bezug zur Funktion des Geräts muss also mit dem Halten verbunden sein. Ohne diesen Bezug in Form einer „Benutzung“ gibt es eben (noch) kein Bußgeld.

Aber anscheinend kommt der Beamte mit seiner persönlichen Sicht, dass auch das Halten des Handys schon verboten ist, ganz gut klar. Immerhin hatte er betont, diese Handykontrollen mache er so schon anderthalb Jahre. Möchte nicht wissen, wie vielen Betroffenen er mit seiner amtlichen Autorität dazu gebracht hat, das Bußgeld anzunehmen, weil sie ja sowieso nichts dagegen tun können.

Störerhaftung: Zu früh gefreut

Die Störerhaftung für WLAN-Betreiber wird abgeschafft. Das klang wunderbar, doch die allgemeine Euphorie konnte mich nicht so recht anstecken. Dass die Große Koalition ein wasserdichtes Gesetz zustande bringt und den Abmahn-Irrsinn in Deutschland tatsächlich beendet, habe ich schon in diesem Beitrag bezweifelt.

Wie sich nun herausstellt, läutet der aktuelle Gesetzentwurf trotz aller Vorschusslorbeeren auf jeden Fall nicht das Ende der Störerhaftung für WLAN ein. Rechtsanwalt Thomas Stadler begründet dies sehr nachvollziehbar in einem aktuellen Beitrag, auf den ich gern verlinke. Stadlers Fazit:

Nachdem die große Koalition also nicht mehr als eine Mogelpackung anbietet, gilt es abzuwarten, ob der EuGH die Weichen deutlich anders stellt. Der Eindruck, der Gesetzgeber würde seine originären Aufgaben nicht mehr wahrnehmen, wird hier einmal mehr bestätigt.

Student will im Polizeibus einen Joint rauchen

Wenn mehrere Männer in vermeintlich lockerer Runde in einem Kleinbus vor einer Veranstaltungshalle sitzen, könnte Zurückhaltung angebracht sein. Jedenfalls ist das einem 19-jährigen Studenten aus dem Schwäbischen klargeworden, der am Wochenende zu Besuch in München war.

Weil ihm draußen fröstelte, fragte der Student die Männer in dem Auto, ob er sich zu ihnen ins Auto setzen könne. Dabei zeigte er auch gutgelaunt zwei Joints, die er dann wahrscheinlich auch rumgehen lassen wollte. Bei der Wagenbesatzung handelte es sich jedoch um Herren, die jedenfalls zu dieser Uhrzeit nur beruflich mit Betäubungsmitteln zu tun hatten: Polizisten in Zivil, die gerade eine Anzeige gegen einen anderen Konsumenten schrieben.

Das gleiche Schicksal widerfuhr dann auch dem Studenten, berichtet die Süddeutsche Zeitung.

Kein FSK-18 in der Zelle

FSK-18-Filme haben im Knast nichts verloren. Dies erkärt das Kammergericht Berlin einem Gefangenen. Dieser hatte beantragt, ihm drei DVDs aus der Reihe „Deutschland Swing Party“ mit in die Zelle zu geben.

Das geht so nicht, so das Gericht, denn FSK-18-Filme gefährden generell die Vollzugsziele und die Sicherheit der Anstalt. Einer näheren Prüfung des Einzelfalles bedürfe es dabei nicht. Was wohl nichts anderes bedeutet, als dass die Richter sich nicht vergewissert haben, wie detailliert die Swing Partys in dem Streifen tatsächlich dokumentiert sind.

Den Beschluss kann man hier nachlesen.

Hip-Hop gehört zu Deutschland

Das Bundesverfassungsgericht rettet den Hip-Hop. Klingt theatralisch, passt aber dennoch auf eine aktuelle Entscheidung aus Karlsruhe. Die Richter rügen nämlich den Bundesgerichtshof, der das „Sampling“ als Urheberrechtsverletzung eingestuft hatte. Hintergrund ist der seit vielen Jahren dauernde Rechtsstreit zwischen dem Komponisten Moses Pelham und der Band Kraftwerk. Pelham hatte für einen Song von Sabrina Setlur kurze Tonschnipsel von Kraftwerk ungefragt verwendet.

Der Bundesgerichtshof war der Meinung, selbst kürzeste Musiksequenzen dürften nicht einfach übernommen werden, ohne dass dafür ein Lizenzvertrag geschlossen und gezahlt wird. Oder der Künstler muss die Tonfolge selbst nachspielen. Beides wird aber der (neuen) Kunstform des Hip-Hop nicht gerecht, sagen die Verfassungsrichter. Sie machen deutlich: Neue Kunstformen haben ihre Existenzberechtigung, die Kunstfreiheit schützt sie ebenso wie etablierte Ausdrucksformen. Deshalb müsse hinreichend berücksichtigt werden, dass Sampling, also die Verwertung fremder Musik in einem neuen Werk, ein stilprägendes Element des Hip-Hop ist.

Der Bundesgerichtshof muss den Rechtsstreit nun noch einmal entscheiden (Aktenzeichen 1 BvR 1585/13).

Unzüchtig im Chat

Videochats in sozialen Netzwerken bergen ja auch immer die Gefahr, dass Nutzer mehr zeigen, als andere sehen wollen. Wie aber ist jemand gegebenenfalls zu bestrafen, der zum Beispiel in einem nicht einschlägigen Chat für andere sichtbar masturbiert? Juristisch gar keine einfache Frage, wie aktuell ein Beschluss des Oberlandesgerichts Karlsruhe zeigt.

Während in einem Videochat andere nur plaudern wollten, befriedigte sich der Angeklagte selbst. Damit handelte er sich eine Anzeige ein. Das Landgericht sah darin eine „Zugänglichmachung pornografischer Darstellungen durch Rundfunk, Medien- oder Teledienste“ (§ 184d StGB) und verurteilte den Mann zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen.

Das klingt zunächst plausibel, ist aber wohl mit dem Gesetz nicht zu vereinbaren, so das Oberlandesgericht Karlsruhe. Die Vorschrift gelte nur für Programmverantwortliche von Sendern und sonstigen Medien. Der Angeklagte selbst habe aber keine Einflussmöglichkeiten auf Dauer und Modalitäten seiner „Internet-Ausstrahlung“ gehabt, also einen Zugriff auf die technische Infrastruktur. Vielmehr hätten die Betreiber des Chats und die Moderatoren die „Sendehoheit“.

Eher in Frage kommt für das Oberlandesgericht eine Strafbarkeit wegen Erregung öffentlichen Ärgernisses (§ 183a StGB) durch öffentliche sexuelle Handlungen. Die nach dem Gesetz nötige „Öffentlichkeit“ lag wohl vor, weil die Teilnehmer des Chats keine geschlossene Gruppe bildeten. Beim Vorsatz ist dann die Hauptfrage, ob der Angeklagte tatsächlich ein „Ärgernis“ verursachen wollte. Ob dies der Fall war, soll das Landgericht neu prüfen (Aktenzeichen 1 (3) Ss 163/15 – AK 51/15).

Stöckelschuhe – nur auf eigenes Risiko

Stöckelschuhe und Schmutzfangmatten sind zweifellos eine gefährliche Kombination. Wer hierbei zu Fall kommt, darf die Schuld aber nicht bei anderen suchen. So sieht es zumindest das Oberlandesgericht Hamm. Die Richter lehnen Schadensersatz und Schmerzensgeld für eine Theaterbesucherin ab, der so eine Schmutzfangmatte am Eingang des Marler Stadttheaters zum Verhängnis wurde.

2.000 Euro Schmerzensgeld und weitere 3.750 Euro Schadensersatz wollte die Frau einklagen. Sie sei nach ihrem Sturz über zwei Monate arbeits- und sportunfähig gewesen. Selbst schuld, meint dagegen das Oberlandesgericht Hamm wie schon das Landgericht Essen als Vorinstanz.

Schmutzfangmatten hätten an Eingangstüren eine Existenzberechtigung, da sie die Besucher vor Stürzen durch Nässe und Verschmutzungen schützen. Außerdem sei die Matte selbst farblich gut erkennbar gewesen, auch die Löcher in der Matte waren für jeden Passanten zu sehen. Mit ihren kleinflächigen, mindestens 4,5 Zentimeter hohen Absätzen habe die Klägerin einfach vorsichtiger sein müssen. Der Stadt Marl habe dagegen keine Pflicht verletzt (Aktenzeichen 11 U 127/15).

Darf Sky seinen Kunden höhere Preise diktieren?

Der Bezahlsender Sky dreht kräftig an der Gebührenschraube. Derzeit werden viele Kunden darüber informiert, dass ab Sommer ihre Abos deutlich teurer werden – um bis zu drei Euro pro Monat. Allerdings beträgt die individuelle Kostensteigerung maximal 5,0 Prozent. Was wenig überraschend ist, denn ab einer Preissteigerung von 5,1 % müsste Sky dem betroffenen Kunden ein Sonderkündigungsgrecht gewähren. So bestimmt es ausdrücklich das Kleingedruckte von Sky.

Dementsprechend lakonisch weist Sky in einer Infomail an seine Kunden auch darauf hin, dass diese wegen der Preiserhöhung leider, leider nicht vorzeitig aus ihrem Vertrag aussteigen dürfen. Allerdings ist dies möglicherweise nicht die ganze Wahrheit. Denn vorrangig stellt sich natürlich die Frage, ob die Preiserhöhungsklausel selbst überhaupt wirksam ist.

Die aktuelle Fassung des Textes, mit dem Sky nun die Preise erhöhen möchte, kann man auf der Webseite des Senders nachlesen. Danach darf Sky die Abogebühren erhöhen, wenn sich die Gesamtkosten des Senders erhöhen, und zwar in den Bereichen „Entgelte für Programmlizenzen, Entgelte für Technikleistungen, Kundenservice- und sonstige Umsatzkosten, allgemeine Verwaltungskosten“.

Die Punkte sind nicht ohne Grund so ausführlich aufgezählt. Denn der Bundesgerichtshof hat im Jahr 2007 eine ähnlich formulierte Preiserhöhungsklausel von Sky (Name damals: PREMIERE) für unwirksam erklärt (Aktenzeichen III ZR 247/06). Darin führen die Richter an, der Kunde müsse erkennen können, bei welchen Kostengruppen eine Steigerung auf ihn umgelegt werden kann. Dem trägt die neugefasste Klausel Rechnung, denn sie zählt die einzelnen Sendersparten auf.

Dabei hat es der Bundesgerichtshof aber nicht belassen. Vielmehr hat er auch gefordert, dass die Gewichtung der einzelnen Kostenelemente offengelegt wird, so dass der Kunde bei Vertragsschluss die auf ihn zukommenden Preissteigerungen einschätzen kann. Eine dementsprechende „Gewichtung“ enthält die aktuelle Klausel jedenfalls nicht, die einzelnen Positionen werden als gleichwertig aufgezählt. Was natürlich nur dann korrekt wäre, wenn die Kosten für Lizenzen, Technik und Kundendienst absolut jeweils gleich hoch sind.

In seiner Kundeninformation sagt Sky nicht, welche Kosten sich konkret in welcher Höhe geändert haben. Mangels absoluter und relativer Zahlen dürften Kunden auf jeden Fall das Recht haben, von Sky aussagekräftige Informationen zu verlangen, damit sie die Preiserhöhung entsprechend der Vorgabe des Bundesgerichtshofs inhaltlich nachvollziehen können.

Im Zweifel könnte sich auch die Nachfrage lohnen, ob Sky im fraglichen Zeitraum nicht auch Kosten eingespart hat. Denn diese Kostenersparnisse müssten zumindest gegengerechnet werden (Ziff. 4.4 der Sky-AGB). Nach den eigenen Bedingungen muss Sky auch nachweisen, dass Kostensteigerungen „nicht vorhersehbar“ waren und „nicht im Belieben von Sky stehen“. Gerade Kostensteigerungen sind doch für ein Unternehmen mit funktionierendem Controlling sehr oft vorhersehbar, jedenfalls jene im normalen Rahmen.

Ich verstehe auch nicht, was Kosten sein könnten, die im „Belieben“ von Sky stehen. Das alles klingt jedenfalls reichlich vage. Da stellt sich schnell die Frage, ob solche Formulierungen noch dem Transparenzgebot entsprechen. Das Risiko trägt bei AGB immer der Verwender, hier also Sky. Bei einem Verstoß wäre im Zweifel die gesamte Preiserhöhungsklausel unwirksam.

Selbst wenn die Klausel wirksam wäre, müsste Sky den eigenen AGB Rechnung tragen und dem Kunden nachvollziehbar mit Zahlen belegen, dass die Voraussetzungen vorliegen. Mit der bloßen Behauptung, die Preiserhöhung sei schon in Ordnung, muss sich ein Sky-Abonnement jedenfalls nicht abspeisen lassen.

Selbst wenn die aktuelle Sky-Klausel den Vorgaben des Bundesgerichtshofs genügen sollte, wäre es also interessant, wie Sky auf gezielte Nachfrage zu den einzelnen Kostensteigerungen und möglichen Einsparungen antwortet. Bleibt das Unternehmen konkrete Angaben schuldig, könnte nämlich auch dies dem Kunden das Recht geben, jedenfalls die Preiserhöhung zu verweigern und einer Kündigung oder Leistungsverweigerung durch Sky gelassen zu begegnen.

Anwalt fälscht Urteil, wird aber nicht bestraft

Kurios auf jeden Fall, aber auch lehrreich. So lässt sich eine aktuelle Entscheidung des Oberlandesgerichts Hamm zusammenfassen. Es ging um einen Anwalt, der seinem Mandanten vorspiegelte, er habe für diesen einen Prozess vor dem Arbeitsgericht gewonnen. Tatsächlich hatte der Anwalt sich wohl nicht um die Sache gekümmert. Eine Klage hatte er jedenfalls nicht erhoben. Dafür bastelte er ein passendes Urteil selbst und schickte dem Mandanten eine „Abschrift“. Der Schwindel flog auf, und der Anwalt landete wegen Urkundenfälschung vor Gericht.

Zwei Instanzen hatten keine großen Probleme damit, das nicht existierende Urteil als strafbare Urkundenfälschung (§ 267 StGB) zu bewerten. Doch die Richter am Oberlandesgericht schauten in letzter Instanz etwas genauer hin und sprachen den Anwalt frei. Genau an diesem Punkt wird das Urteil lehrreich. Denn es zeigt sehr schön, dass vor allem (ausgedruckte) E-Mails, Fotokopien und Faxe, auf die wir uns zum Beispiel bei Vertragsschlüssen im Alltag sehr oft verlassen, normalerweise gar keine strafrechtlich „geschützten“ Dokumente sind.

Das betreffende Papier selbst muss nämlich die Erklärung des Ausstellers „verkörpern“. Das tun aber gerade Fotokopien keineswegs, denn sie sind halt nicht das Original. Den Anwalt rettete deshalb, dass er dem Mandanten eben nur eine Abschrift des vermeintlichen Urteils schickte und nicht ein vermeintliches Original, also eine von der Geschäftsstelle des Gerichts mit Stempel und Unterschrift bestätigte „Ausfertigung“. (Das von den Richtern unterschriebene Original bleibt ja sowieso stets in der Akte.)

Allerdings sollte man nicht übersehen, dass der Anwalt vor seinem Freispruch zwei Mal verurteilt wurde. Das bestätigt auch meine Erfahrung, dass die strenge Unterscheidung zwischen Original und Kopie bei Gerichten heute kaum noch salonfähig ist. Selbstverständlich wird auch dort je nach Bedarf schon mal einer einer Urkunde ein Beweiswert zugesprochen, obwohl sie gar keine Urkunde ist. Vor allem natürlich dann, wenn nicht ernsthaft zur Debatte steht, dass irgendwo das passende Original existiert.

Als Freibrief für Trickser und Täuscher sollte man das Urteil deshalb nicht ansehen (Aktenzeichen 1 RVs 18/16).