Reisen: Namensänderung kann teuer werden

Ein Schreibfehler beim Namen oder auch ein Namenswechsel können bei Reisebuchungen teuer werden. Reiseveranstalter berechnen oft exorbitante Änderungsgebühren. Gegen besonders heftige Gebühren eines Hamburger Anbieters ging die Verbraucherzentrale Brandenburg vor. Sie mahnte die Firma erfolgreich ab.

Bis zu 100 % des Reisepreises wollte der Anbieter für eine Namensänderung in Reiseunterlagen, außerdem noch eine Bearbeitungsgebühr von 50 Euro. „Solche Entgelte sind schlicht unverschämt“, meint die Verbraucherzentrale. Nach ihrer Meinung kann nur ein angemessener Aufwand in Rechnung gestellt werden.

Das abgemahnte Unternehmen lenkte ein und unterschrieb eine Unterlassungserklärung. Die Verbraucherzentrale hält ähnliche Klauseln nicht nur wegen überzogener Gebühren für unwirksam. Oft spiele es noch nicht einmal eine Rolle, wer den Fehler gemacht habe. So eine Regelung dürfte den Kunden unangemessen benachteiligen. Mit der Folge, dass die Klausel insgesamt unwirksam ist.

Gebrauchtwagen dürfen auch mal länger stehen

Ein Gebrauchtwagen ist nicht schon deswegen mangelhaft, weil er vor seiner Erstzulassung mehr als zwölf Monate gestanden hat. Die anderslautende Rechtsprechung für Neu- oder Jahreswagen gilt bei Gebrauchten nicht. Dies stellt der Bundesgerichtshof in einem heute verkündeten Urteil klar.

Je älter das Auto sei, desto mehr verliere eine lange Standzeit vor der Erstzulassung an Bedeutung, heißt es in dem Urteil. Deshalb müsse bei älteren Gebrauchten – hier war der Wagen vor knapp zweieinhalb Jahren zugelassen worden – der Käufer einen konkreten Mangel darlegen und beweisen (Aktenzeichen VIII ZR 191/15).

Fließbandgeschäft

Die Arbeit bei vielen Staatsanwaltschaften ist ein Fließbandgeschäft. Das merkt man jedenfalls bei den „kleinen“ Fällen, die nach Schema F abgearbeitet werden können. Was da nicht der vorgegebenen Logik genügt, kann sich schnell zum juristischen Ausreißer entwickeln.

Nehmen wir den Fall eines kleinen Arbeitgebers. Der beschäftigte einen Arbeiter. Er zahlte den im Arbeitsvertrag vereinbarten Lohn. Die Abgaben für die Sozialkasse führte er ordnungsgemäß ab. Nach einigen Monaten begann ein Streit, ob dem Arbeiter nicht mehr Geld zusteht. Weil möglicherweise ein Tarifvertrag anwendbar ist.

Die Sache ging vors Arbeitsgericht und dümpelte dort lange rum. Die zuständige Richterin war in Elternzeit, mit dem Ersatz klappte es wohl nicht so recht. Jedenfalls ging so viel Zeit ins Land, dass dem verärgerten Arbeitnehmer bzw. dessen Anwalt der Kragen platzte. Sie schoben noch eine Strafanzeige hinterher, in der sie „Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt“ (§ 266a StGB) beklagten. Und zwar für den ganzen Zeitraum, in dem der Arbeiter nach wie vor nur sein vereinbartes Gehalt und nicht den Tariflohn bekommen hat.

Irgendwann war die Richterin wieder da. Ihr Urteil erklärte den Tarifvertrag für anwendbar. Sie verurteilte den Arbeitgeber zur Nachzahlung. Die dieser auch leistete. Und die Staatsanwaltschaft? Die schreibt dem Arbeitgeber, gegen ihn bestehe nun der „ausreichende“ Verdacht, Arbeitnehmeranteile an den Sozialabgaben für das vom Gericht festgestellte Arbeitsentgelt nicht rechtzeitig abgeführt zu haben, und zwar „zu den Fälligkeitsterminen im Beschäftigungszeitraum“.

Also mal ehrlich. Auch einem gestressten Staatsanwalt sollte doch auffallen, dass eine rückwirkende Verurteilung zu einer bis dahin arbeitsvertraglich streitigen Lohnzahlung nicht bedeutet, dass damit auch die Sozialabgaben rückwirkend fällig werden. Das würde ja bedeuten, dass der Arbeitgeber zwar der Meinung sein darf, er schulde den Lohn nicht, gleichwohl muss er aber schon mal vorsorglich die Arbeitnehmeranteile abführen. So streng ist das System dann aber doch nicht.

Das einzig richtige Ergebnis wäre also spätestens jetzt, das Ermittlungsverfahren mangels Tatverdachts einzustellen. Stattdessen bietet der Staatsanwalt zwar die Einstellung an, aber nur, wenn mein Mandant als Auflage einen schönen Batzen Geld für die Staatskasse locker macht.

Wir werden wohl dankend ablehnen. Vielleicht schaut der Staatsanwalt ja doch noch mal richtig in seine Akte. Bei einem Telefonat, das ich vorhin mit ihm führte, hatte ich jedenfalls nicht den Eindruck, dass er die auch nur ansatzweise kennt.

Brexit: Keine Frist ohne Parlamentsbeschluss

Momentan wird lautstark gegen die Briten gepoltert, weil die nicht umgehend mit der Austrittserklärung aus der EU rüberkommen wollen. Premier David Cameron will den Brexit wohl seinem Nachfolger überlassen, der aber frühestens im Oktober benannt wird.

Alles nur eine perfide Verzögerungstaktik, um die Zwei-Jahres-Frist für einen geordneten Ausstieg aus der EU gar nicht in Lauf zu setzen? Bei genauer juristischer Betrachtung dürften die Forderungen nach einem schnell formulierten Austrittsbrief der Briten jedenfalls wenig Substanz haben. Denn Art. 50 des EU-Vertrages schreibt folgendes Prozedere vor:

Jeder Mitgliedstaat kann im Einklang mit seinen verfassungsrechtlichen Vorschriften beschließen, aus der Union auszutreten.

Notwendig ist also ein Beschluss, der im Einklang mit den verfassungsrechtlichen Vorschriften des austrittswilligen Landes gefasst wurde. Eine Volksbefragung hat in Großbritannien aber keine unmittelbare bindende Wirkung. Darauf weist der Bielefelder Professor Franz C. Mayer im Verfassungsblog hin. Ohne Parlamentsbeschluss in London, der wohl erforderlichen Beteiligung der Regionalparlamente und einem ordentlichen Ratifzierungsprozess hätte ein Austrittsbrief wohl kaum Hand und Fuß. Das Verfahren muss also nach britischem Verfahren laufen. Premier Cameron ist allerdings politisch schon mal insoweit wortbrüchig, als er für den Fall eines Ja zum Brexit ein schnelles Parlamentsvotum angekündigt hatte.

Ob und inwieweit die Zwei-Jahres-Frist für die Abwicklung des Austrittswunsches anderweitig beginnen kann, dürfte von der Auslegung der Austrittsklausel abhängen. Diese ist, wenig überraschend, eher schwammig formuliert. Wegen der Einzelheiten verweise ich auf den Post von Franz C. Mayer, der die wichtigsten Möglichkeiten durchspielt.

Ein sehr seltenes Delikt

Das Amtsgericht Bremen verhandelte heute morgen einen ganz besonderen Fall. Jedenfalls, wenn es nach der Pressestelle geht. Die annoncierte dem interessierten Publikum nämlich in der Pressevorschau, im Prozess gehe es um einen „Angriffsdiebstahl“.

Das ist ein extrem seltenes Delikt. So selten, dass weder das Gesetz, Rechtsprechung noch juristische Kommentarliteratur Nennenswertes dazu beitragen können. Im Gegensatz etwa zum stinknormalen Einbruchsdiebstahl, der vielleicht auch gemeint gewesen sein könnte.

Immerhin: Mit dem „Angriffsdiebstahl“ hat sich das Amtsgericht Bremen gleich eine Topplatzierung bei Google gesichert.

Adblock Plus in Deutschland unzulässig

Der Werbeblocker „Adblock Plus“ verfolgt ein in Deutschland unzulässiges Geschäftsmodell. So sieht es jedenfalls das Oberlandesgericht Köln. Auf eine Klage der Axel Springer AG untersagt das Gericht Adblock Plus bezahltes Whitelisting. Whitelisting bedeutet, dass der Adblocker Werbung in gewissem Umfang durchlässt, wenn Werbetreibende hierfür bezahlen.

Die bezahlte „Whitelist“-Funktion ist nach Auffassung des Oberlandesgerichts eine unzulässige aggressive Praktik im Sinne des Wettbewerbsrechts. Die Beklagte befinde sich aufgrund der von ihr angebotenen Blacklist in einer Machtposition, die nur durch das von ihr kontrollierte „Whitelisting“ wieder zu beseitigen sei.

Als „Gatekeeper“ habe die Beklagte durch die Kombination aus „Blacklist“ und „Whitelist“ eine so starke Kontrolle über den Zugang zu Werbefinanzierungsmöglichkeiten, dass werbewillige Unternehmen in eine Blockadesituation gerieten, aus der diese sich sodann freikaufen müssten. Dass das Programm im Ergebnis einem Wunsch vieler Nutzer nach werbefreiem Surfen im Internet entgegen komme, ändere daran nichts.

Im Ergebnis werde die Entscheidungsfreiheit werbewilliger Unternehmen erheblich beeinträchtigt. Jedenfalls größere Webseitenbetreiber und Werbevermittler würden zu Zahlungen herangezogen. Dass die Machtposition erheblich sei, zeige das Beispiel von großen amerikanischen Internetkonzernen, die nach unstreitigem Vortrag der Parteien beträchtliche Zahlungen für ein „Whitelisting“ leisten.

Das Gericht hat die Revision zugelassen. Die Axel Springer AG müsste eine sehr hohe Sicherheit leisten, wenn sie vor Rechtskraft aus dem Urteil vollstrecken will. Wie hoch die Sicherheit wäre, teilt das Oberlandesgericht nicht mit (Aktenzeichen 6 U 149/15).

ACAB-Beschluss: Polizisten dürfen nicht so empfindlich sein

Polizeibeamte werden die Abkürzung „ACAB“ künftig nicht mehr ohne weiteres zum Anlass nehmen können, Anzeigen zu schreiben. Oder wenn sie es doch tun, bestehen zumindest gute Aussichten, dass die Verfahren schnell eingestellt werden. Das Bundesverfassungsgericht hat nämlich zwei Verurteilungen von Fußballfans aufgehoben, die im Stadion „ACAB“-Schriftzüge gezeigt haben.

Das Bundesverfassungsgericht wertet „ACAB“ als Meinungsäußerung, die nicht per se unzulässig ist. Jedenfalls liege nicht unbedingt eine Schmähung vor, die unter keinen Gesichtspunkten von der Meinungsfreiheit gedeckt ist. In einem der Fälle war es so, dass sich bei dem Protest ein Bezug zu Stuttgart 21 und eine umstrittene Polizeieinheit finden ließ. Hier sei eine viel und emotional diskutierte Frage aufgenommen worden, sagt das Gericht.

Eine Strafbarkeit von „ACAB“ kommt nach den aktuellen Beschlüssen nur in Betracht, wenn die Verantwortlichen bewusst die Nähe zu einzelnen Polizeibeamten gesucht haben, denen sie ihre Missachtung ausdrücken wollten. Es genüge nicht, wenn Polizeibeamte im Einsatz die Parole wahrnehmen. Vielmehr müsse im einzelnen festgestellt werden, dass es eine „personalisierende Adressierung“ gab. Die Polizei als solche sei eine viel zu große Gruppe, um kollektiv beleidigt werden zu können. Das bedeutet nichts anderes, als dass es auch Polizisten nicht unbedingt persönlich nehmen dürfen, wenn gegen ihren Berufsstand als solchen kritische Worte fallen.

Die beiden Fälle müssen nun neu verhandelt werden (Aktenzeichen 1 BvR 257/14 und 1 BvR 2150/14).

Gute Nachrichten für Schnäppchenjäger

Gute Nachrichten für Schnäppchenjäger und Couponfetischisten: Geschäfte sind grundsätzlich berechtigt, auch Rabattcopuons von der Konkurrenz einzulösen. Ein derartiges Angebot ist nicht wettbewerbswidrig, urteilt der Bundesgerichtshof. Damit ist es Firmen künftig erlaubt, die Rabattaktionen von Konkurrenten direkt zu kontern.

Nach Auffassung der Richter fischt die Übernahme eines fremden Rabatts nicht auf unlautere Art und Weise in fremden Kundenkreisen. Denn zum Zeitpunkt, in dem Empfänger die Coupons erhalten, handele es sich allenfalls um zukünftige Kunden. Daran ändere sich auch nichts, wenn die Gutscheine im Rahmen von Kundenkarten oder Kundenbindungsprogrammen (etwa Payback) versandt werden.

Es ist künftig also damit zu rechnen, dass Firmen verstärkt damit werben, dass sie den Rabatt der Konkurrenz ebenfalls bieten, wenn der Kunde den passenden Coupon hat. Besonders preisbewusste Verbraucher können natürlich auch proaktiv im Geschäft Rabatte einfordern, die ganz andere Unternehmen bieten. Das wird ab heute jedenfalls vielversprechender (Aktenzeichen I ZR 137/15).

Keine Gebühr für Wohnungsbesichtigung

Wohnungsmakler dürfen von Interessenten keine „Besichtigungsgebühr“ verlangen. Ein süddeutscher Makler wollte von Interessenten 35 Euro dafür haben, dass er ihnen die Wohnung zeigt.

Das Landgericht Stuttgart betrachtet solche Gebühren als Umgehung des Bestellerprinzips. Nach dieser Regelung, die seit einem Jahr in Kraft ist, dürfen Wohnungsmakler nur noch von ihrem Auftraggeber eine Courtage verlangen – das sind in der Regel die Vermieter. Laut dem Urteil kommt es auch nicht darauf an, dass sich der Makler selbst nur als „Dienstleister“ bezeichnete. Geklagt hatte unter anderen der Mieterverein Stuttgart (Aktenzeichen 38 O 73/15 KfH und 38 O 10/16 KfH).

Gegen Verstorbene wird nicht verhandelt

Heute habe ich erfahren, dass vor wenigen Tagen einer meiner Mandanten verstorben ist.

Gegen den Mandanten lief noch eine Anklage vor dem Schöffengericht. Die hat sich nun erledigt, denn der Tod ist in der Juristensprache ein „Verfahrenshindernis“. Noch dazu ein unbehebbares, jedenfalls nach heutigem Stand der Wissenschaft.

Das Gericht muss bei einem Verfahrenshindernis den Prozess nach § 206a StPO einstellen. Nach dem Tod eines Angeklagten wäre eine Verhandlung auch dann unzulässig, wenn ein großes Interesse an der Aufklärung besteht.

Ob mein Mandant die ihm zur Last gelegten Taten begangen hat, bleibt somit zumindest in strafrechtlicher Hinsicht für alle Zeit offen.

Alles, nur kein Betrug

Im Wirtschaftsleben ist es ja fast schon üblich geworden, Streitigkeiten nicht nur zivilrechtlich auszutragen. Vielmehr muss auch gleich noch Strafanzeige erstattet werden. Wofür wir Strafveteidiger uns natürlich ausdrücklich bedanken. Gar nicht selten wird der größte Humbug behauptet. Und bedauerlicherweise fallen Staatsanwälte sogar darauf rein, was ihnen Anwälte so schreiben, die mal nebenher jeden zivilrechtlichen Pups mit einer Strafanzeige verstärken.

Bei dem aktuellen Fall, über den ich erzählen möchte, rettet mich an sich nur die Hoffnung, dass die fragliche Anklage hoffentlich von Juristenazubi geschrieben wurde und dem verantwortlichen Staatsanwalt nur Zeit oder Lust zum Lesen fehlten.

Es geht um folgendes: Ein Bauherr zahlte an einen Bauunternehmer immer die vollen Rechnungsbeträge, obwohl für einige Zeiträume gesetzlich vorgesehene Freistellungsbescheinigungen (noch) nicht vorlagen. Der Bauherr wusste, dass er wegen der fehlenden Bescheinigungen an sich einen Teil des Geldes einbehalten kann. Er machte es aber nicht. Wahrscheinlich, weil er davon ausging, es gehe schon alles gut. Oder weil er keine Diskussionen wollte. Ebenso war dem Bauherren bekannt, dass er möglicherweise gegenüber dem Finanzamt in eine Zweithaftung rutscht, wenn er trotz fehlender Bescheinigungen den vollen Rechnungsbetrag bezahlt.

Genau das passierte dann auch. Das Finanzamt wollte noch mal Geld. Was den Bauherren schäumen ließ wie Henckell Trocken. In seiner Strafanzeige ließ er seinen Anwalt erklären, der Unternehmer habe ihm doch mehrfach zugesagt, dass er die Bescheinigungen nachreicht, sobald er sie vom Finanzamt bekommt. Was dann leider nicht passierte.

Das reichte wiederum der Staatsanwaltschaft für eine Anklage. Wegen Betruges. Dumm nur, dass Betrug eine Täuschung voraussetzt. Und zwar eine über Tatsachen, die gegenwärtig sind. Was möglicherweise in der Zukunft passiert, ist in diesem Sinne keine Tatsache, sondern höchstens eine Erwartung oder Aussicht.

So einfach ist das, und damit hat sich die Anklage schon im ersten Prüfungsschritt erledigt. Es kämen dann noch etliche weitere rechtliche Aspekte, wegen denen ein Betrug ebenfalls ausscheidet. Nur wenige Stichworte: Kausalität zwischen Täuschung, Irrtum und Vermögensverfügung. Stoffgleichheit zwischen Vermögensverfügung und Schaden. Und das alles selbst dann, wenn man den Sachverhalt sklavisch exakt so zu Grunde legt, wie ihn die Anklageschrift darstellt.

In dem Fall schicke ich dem Mandanten ausnahmsweise mal keine Vorschussrechnung für die vier kurzen Absätze, die ich nun ans Gericht geschrieben habe. Es ist ja jetzt schon klar, dass diese Anklage hier zu Ende ist und am Ende die Staatskasse zahlt.

Mein Anwalt weiß mehr als ich

Ein neuer Mandant wurde bisher von einem anderen Rechtsanwalt vertreten. Doch zwischen Anwalt und Mandant kam es zu einem Streit. Ursache des Ärgers: Der bisherige Anwalt hatte zwar Einsicht in die Strafakte genommen. Er weigerte sich aber kategorisch, dem Mandanten eine Kopie der Akte zu geben. Das wiederum wollte der Mandant sich nicht gefallen lassen…

Ich konnte mir nur schwer vorstellen, dass dies wirklich der tragende Grund für den Streit war. Also telefonierte ich erst mal – der Mandant war einverstanden – mit dem bisherigen Anwalt. Doch was der Mandant über die Ursache des Konflikts erzählte, traf zu. „Ich gebe den Mandanten grundsätzlich keine Kopien von Ermittlungsakten“, sagte mir der Anwaltskollege. „Ich bespreche den Inhalt der Akte mit dem Mandanten, er darf in meiner Gegenwart auch mal die wichtigsten Stellen lesen, aber eine Kopie gibt es bei mir grundsätzlich nicht.“

Eine richtige Begründung für diese Praxis wollte mir der Kollege nicht geben. Außer natürlich, dass er das schon immer so macht. Seitdem er als Anwalt zugelassen ist, was immerhin 15 Jahre sind. Was er ansonsten sagte, klang so, als wolle er er sich ein gewisses Herrschaftswissen gegenüber dem eigenen Auftraggeber sichern. Nach dem Motto: Ich bin der Anwalt, lass mich arbeiten, stell‘ am besten gar keine Fragen. Damit war er bei dem aktuellen Mandanten aber an den falschen geraten.

Der Betroffene fragte sich völlig zu Recht, wie er seinen Anwalt informieren und mit ihm gemeinsam eine Strategie entwickeln soll, wenn er gar nicht exakt weiß, was gegen ihn vorliegt. Dazu müsste er ja die Ermittlungsakte kennen. Denn nur aus dem Akteninhalt von Seite 1 bis zum Ende ergibt sich der Tatvorwurf.

Ich nehme vorweg, die beiden fanden nicht mehr zusammen. Ich habe das Mandat also übernommen und bin so vorgegangen, wie ich es regelmäßig tue. Ich besorgte die Ermittlungsakte. Der Mandant kriegte von mir eine Kopie aller Unterlagen. So konnte er selbst lesen, was was ihm zur Last gelegt wird und welche Beweismittel es gibt. Anschließend konnten wir auf Augenhöhe besprechen, wie wir ihn rausholen.

Ab und zu gibt es aber tatsächlich Fälle, in denen komplette Offenheit gegenüber dem Mandanten sich nicht verwirklichen lässt. Das kann zum Beispiel dann sein, wenn ich begründeten Anlass zur Sorge haben muss, dass der Mandant die Informationen missbrauchen wird. Um Zeugen zu bedrohen etwa. Oder für Verdunkelung.

Besonders heikel ist es, wenn sich aus der Akte ergibt, dass gegen den Mandanten ein Haftbefehl besteht. Oder dass eine Durchsuchung ansteht. Dann muss ich abwägen. Ich frage dann, ob ich die Informationen auf „ordentlichem“ Wege erhalten habe. Kann man mir keine Trickserei vorwerfen, gehen im Zweifel die Interessen des Mandanten vor.

Aber solche Probleme stellen sich echt nur in ein, zwei Prozent der Fälle. Ansonsten kriegt der Mandant alle Unterlagen, die ich erhalte. Ich persönlich würde es ja auch befremdlich finden, wenn mich mein eigener Anwalt teilweise im Dunkeln lassen würde. Der einzige Strafverteidiger, den ich bisher in meinem Leben brauchte, hat es aber zum Glück so gehalten wie ich.

Erdogan 0 : Döpfner 2

Für den türkischen Staatspräsidenten läuft es juristisch in Deutschland nicht komplett rund. Das Oberlandesgericht Köln hat wie schon die Vorinstanz seinen Antrag zurückgewiesen, gegen den Vorstandsvorsitzenden des Springer Verlags, Mathias Döpfner, eine einstweilige Verfügung zu erlassen.

Döpfner hatte auf der Internetseite der Zeitung „Die Welt“ seine Solidarität mit Jan Böhmermanns „Schmähgedicht“ bekundet und in einem „PS“ erklärt, er wolle sich „vorsichtshalber allen Ihren Formulierungen und Schmähungen inhaltlich voll und ganz anschließen und sie mir in jeder juristischen Form zu eigen machen.“

Nach Auffassung des Oberlandesgerichts, die der des Landgerichts entspricht, ist der „offene Brief“ des Antragsgegners als eine von Art. 5 GG geschützte zulässige Meinungsäußerung zu werten. Es handele sich bei dem Brief zuvorderst um eine Stellungnahme zur rechtlichen Zulässigkeit des Beitrags von Jan Böhmermann in dessen Sendung „Neo Magazin Royale“. Dass der Antragsgegner den Beitrag von Jan Böhmermann gutheiße, sei vom Grundgesetz als zulässige Meinungsäußerung geschützt.

Auch das „PS“ des Briefes führe nicht zu einem Unterlassungsanspruch. Im Presserecht könne das „Zu-Eigen-Machen“ einer fremden Äußerung zwar zu einer erhöhten Verantwortlichkeit führen. Ein solcher Fall sei hier aber nicht gegeben. Denn auch das Post Scriptum sei Teil der Auseinandersetzung um die verfassungsrechtlichen Gewährleistungen der Meinungs- und Kunstfreiheit sowie um die Diskussion hierüber im Anschluss an das „Gedicht“ von Herrn Böhmermann. Gegen ein „Zu-Eigen-Machen“ im presserechtlichen Sinne spreche schon, dass der Antragsgegner das Gedicht in seiner satirischen Einkleidung nicht wiederholt habe. Vielmehr gehe es dem Antragsgegner erkennbar darum kundzutun, dass er das Gedicht in der von Herrn Böhmermann vorgetragenen Form für Satire und damit für zulässig halte. Dass der Antragsgegner das Gedicht ohne satirische Einkleidung für zulässig halte, sei dagegen weder behauptet noch ersichtlich.

Eine andere rechtliche Bewertung folgt auch nicht daraus, dass der offene Brief das Wort „Ziegenficker“ enthalte. Denn mit dem Begriff habe der Antragsgegner lediglich eine Passage des Gedichts in Bezug genommen und nicht den Antragsteller bezeichnet (Aktenzeichen 15 W 32/16).