Ich muss mal wieder die Postbank verklagen

Die Postbank kassiert ab Anfang November Gebühren für ihr Girokonto. Das kann man überall nachlesen. Die Postbank ist zwar nicht meine Hausbank, aber ich habe dort seit 2007 ein Konto, weil ich privaten Bedarf für ein Zweit-, Dritt- oder Viertkonto hatte. Da traf es sich gut, dass die Postbank bei einer Werbeaktion über Tchibo versprach, ich erhalte lebenslang ein gebührenfreies Konto.

Damit sind wir beim Kern der Sache. Auch wenn seit der Kontoeröffnung mittlerweile neun Jahre verstrichen sind, liebe Postbank: Ich lebe noch. Dafür trete ich auch gern den Beweis an und reise mit meinem Personalausweis ans Amtsgericht, das für den Sitz der Postbank zuständig ist.

Ich tue das nicht, weil mich die künftigen monatlichen Gebühren von 3,90 € für das Fullservice-Konto oder von 1,90 € für das Online-Konto existenziell treffen würden. Sondern weil es mich nervt, dass belegbare Versprechen mit einem Mal nicht mehr existieren, wenn sie einem nicht mehr in den Kram passen. Mit keinem Wort erwähnt die Postbank in ihren offiziellen Verlautbarungen, wie sie es mit den Kunden halten will, die sie mit lebenslang geködert hat. Was wohl darauf hinausläuft, dass einfach so getan wird, als habe es die Zusage damals nicht gegeben.

Anders formuliert: Hätte mich die Postbank angeschrieben und offen kommuniziert, dass sie ohne meine 1,90 € ein Fall für den Rettungsschirm wird, hätte ich mich vielleicht mit den Achseln gezuckt und gesagt, es ist halt Finanzkrise. Ich hätte auch keine Probleme, wenn die Postbank mir die Kündigung für den Fall in Aussicht gestellt hätte, dass ich das neue Kontenmodell nicht akzeptiere. Aber jetzt so mir nichts dir nichts die Hand aufhalten und alte Zusagen totschweigen – aus meiner Sicht ist das mehr als schlechter Stil.

Deswegen werde ich auch auf mein lebenslang pochen und notfalls einen Prozess führen, auch wenn der Streitwert noch so pieselig sein wird. Die Postbank weiß übrigens, dass ich es ernst meine. Die Postbank hat nämlich schon mal ein Werbeversprechen „vergessen“ beziehungsweise auf abenteuerliche Art und Weise zurechtgebogen, welches sie mir wegen der Barabhebungsgebühren für ihre Visa-Karte gegeben hatte.

Die Unterstützer einer Lügnerin

Das heutige Urteil im Fall Gina-Lisa Lohfink fällt eindeutig aus. Das Gericht folgte der Angeklagten nicht darin, dass sie Opfer einer Sexualstraftat wurde. Stützen kann sich das Gericht dabei eigentlich auf eine besonders gute Beweislage, die für solche Fälle höchst ungewöhnlich ist: Es gibt Videoaufnahmen von der angeblichen Vergewaltigung. Die Bilder sprechen nach Einschätzung des Gerichts eine deutliche Sprache. Danach hat Gina-Lisa Lohfink einvernehmlichen Sex gehabt und die beiden Männer somit zu Unrecht beschuldigt.

Damit zeigt sich, dass der Fall der denkbar schlechteste war, um ein zweifellos wichtiges Thema zu diskutieren. Nämlich die Frage, ob in Deutschland die sexuelle Selbstbestimmung ausreichend geschützt ist. Nach geltendem Recht reicht ein bloßes „Nein“ im Normalfall eben nicht aus, vielmehr muss sich das Opfer gewehrt haben oder bedroht worden sein. Zwar hat Gina-Lisa Lohfink in dem Video mal „Nein“ gesagt, aber das bezog sich laut dem Urteil nun mal auf das Filmen und nicht auf den Sex.

Auch die bald kommende „Nein-heißt-Nein“-Regelung hätte an diesem Befund rein gar nichts geändert. Der lautet nach heutigem Stand nämlich schlicht und einfach, dass Gina-Lisa Lohfink die Unwahrheit über die Nacht gesagt hat, und das wahrscheinlich aus Verägerung über den Umstand, dass einer oder beide Männer die Videoaufnahmen weitergegeben haben. So „schäbig“ (O-Ton Staatsanwältin) dieses Verhalten auch war, so wenig berechtigte es Gina-Lisa Lohfink, die wahren Ereignisse im nachhinein in eine Vergewaltigung umzudeuten.

Auch mit der „Nein-heißt-Nein“-Regelung wäre dies alles rausgekommen. Denn auch nach dem neuen Recht lässt sich ein „Nein“ nicht nachträglich herbeizaubern. Vielmehr muss dieses „Nein“ tatsächlich gesagt oder deutlich gemacht worden sein. Heißt das Ergebnis aber, es gab kein verbales oder sonstwie vermitteltes „Nein“, das sich auf die sexuellen Handlungen bezog, dann bleibt eben nur eine Lüge. Der Grundsatz „Im Zweifel gegen den Angeklagten“ ist auch im neuen Gesetz nicht enthalten. Ebenso wenig die Regelung, dass künftig jedem mutmaßlichen Opfer einfach so geglaubt wird, es habe mit der entsprechenden Deutlichkeit „Nein“ gesagt.

Peinlich ist das Urteil vor allem für jene, die den Fall Lohfink zum Gradmesser für angebliche Lücken im deutschen Sexualstrafrecht hochgejazzt haben. Die Mitglieder des Teams Gina-Lisa, allen voran die amtierende Familienministerin, haben sich vor den Karren einer mutmaßlichen (das Urteil ist nicht rechtskräftig) Lügnerin spannen lassen.

Die Protagonisten können froh sein, dass das Amtsgericht Tiergarten sich so lange mit der Beweisaufnahme Zeit gelassen hat, bis die Gesetzesänderung in trockenen Tüchern ist. Die Debatte wäre sonst vielleicht ganz anders verlaufen.

„20 PP“

Viel war es nicht, was die Polizei dem Staatsanwalt als „Beweismittel“ vorlegen konnte. Genau genommen war es lediglich eine Zeile aus einer Excel-Tabelle, die bei einem angeblichen Drogenhändler sichergestellt wurde. Aber weil der Mann seine Waren im „Darknet“ verkauft haben soll, wurde halt besonders emsig ermittelt.

Dumm nur, dass in Bezug auf meinen Mandanten die Excel-Tabelle bei genauer Betrachtung nicht mal die Basics für eine Straftat hergab. Außer, dass dort der Name meines Mandanten notiert war, dessen Adresse und der Vermerk „20 PP“. Nicht mal ein mögliches Bestell- oder Lieferdatum war eingetragen. Aber das hinderte die Polizei nicht an dem messerscharfen Schluss, dass im Darknet sowieso nur verbotene Sachen gibt.

Dumm nur, dass auch intensivste Ermittlungen nicht ergaben, was denn mit „20 PP“ gemeint sein könnte. Im Gegensatz zu anderen Produkten, die etwas nachvollziehbarer bei anderen Kunden notiert waren. Zum Beispiel „Sweet Cheese – Indoor Weed“. Oder etwa die gut laufenden „Android Pills Blue – 200 mg MDMA“.

Ich verwahrte mich gegenüber dem Statsanwalt in in mehrfacher Hinsicht gegen den Tatvorwurf. Erst mal gab es keinerlei Belege dafür, dass mein Mandant tatsächlich selbst was bestellt hat. Ebenso wenig gab es Belege für eine Zahlung und eine Lieferung. Und im übrigen hielt ich auch den Schluss für gewagt, dass „20 PP“ wirkich so super illegale Drogen gewesen sein müssen. Der mutmaßliche Dealer hatte nämlich auch einige Legal Highs im Angebot, die jedenfalls derzeit noch nicht unter das Betäubungsmittelgesetz fallen.

Verfahren eingestellt, und zwar mangels Tatverdachts.

Offenbar

Eine Mandantin streitet sich mit der Eigentümergemeinschaft eines Hauses darüber, ob sie als Wohnungseigentümerin einen Wasserschaden in der unten gelegenen Wohnung verursacht hat. Ich zitiere aus dem Schreiben des Verwalters:

Der eingeschaltete Gutachter konnte in dem Termin vor Ort keine konkrete Schadensursache ausmachen und vermutete einen Zusammenhang mit der Badezimmersanierung in Ihrer Wohnung. Auch die Firma S. konnte bis heute keine genaue Schadensursache nennen (die Firma S. geht wohl von einer kurzfristigen Verstopfung der Abwasserleitung aus).

Und jetzt die Begründung, warum die Mandantin den Schaden bezahlen soll und nicht die Eigentümergemeinschaft:

Da die Arbeiten in Ihrer Wohnung einen Tag vor dem Wasseraustritt abgeschlossen wurden, liegt offenbar die Sanierung im direkten Zusammenhang mit dem Schaden.

Argumentieren will schon gelernt sein. Hier sehe ich doch noch einigen Trainingsbedarf. Unsere Antwort wird eher kurz ausfallen und wird definitiv die Floskel „Wie Sie schon selbst schreiben…“ enthalten.

Termine, Termine

Einer meiner Mandanten ist Schöffe am Amtsgericht. In dieser Eigenschaft teilt ihm das Amtsgericht immer vorab seine Sitzungstage mit, die er sich tunlichst freizuhalten hat.

Jetzt hat der Mandant aber noch eine Ladung von einem anderen Amtsgericht erhalten. Ausgerechnet an seinem Sitzungstag als Schöffe soll der Einspruch verhandelt werden, den der Mandant gegen einen Bußgeldbescheid wegen eines Tempoverstoßes eingelegt hat.

Ich habe den beteiligten Richtern jetzt mal ihre wechselseitigen Telefonnummern mitgeteilt. Wäre doch gelacht, wenn die das Problem nicht einvernehmlich und ganz ohne Einmischung auflösen können. Aber im Zweifel lachen wir hier ja gerne…

Richter verurteilt Anwälte gleich mit

Der aufsehenerregender Prozess um einen möglichen Mord- bzw. Totschlagsversuch auf dem Münchner Oktoberfest endete gestern mit einem Urteil. Viereinhalb Jahre soll die Angeklagte für den Messerstich in Haft. Neben der juristischen Kernfrage Notwehr bot das Verfahren auch kuriose Randaspekte. So zum Beispiel einen Vorsitzenden Richter, der nach der eigentlichen Urteilsbegründung über die Verteidiger der Angeklagten herzog, wie es etwa Spiegel Online heute schildert.

Den Anwälten scheint das Gericht nämlich zu unterstellen, sie hätten sich zu Mittätern gemacht. Und zwar bei der Präsentation eines bezahlten Entlastungszeugen. Diesen Zeugen gab es in der Tat. Jedenfalls soll neben dem (aufgeflogenen) Zeugen auch der Lebensgefährte der Angeklagten gestanden haben, dass er Geld für diese Aktion bereitstellte.

Außerdem ist dem Gericht ein Dorn im Auge, dass die Verteidiger mit dem Verletzten über statthafte Entschädigungssummen verhandelt haben. Ob man darin nun ein Schweigegeld sehen kann, hängt natürlich von den Umständen und den Inhalten einer möglichen Vereinbarung ab. Allerdings ist es keinem Angeklagten verwehrt, sich frühzeitig an das Opfer zu wenden und einen Täter-Opfer-Ausgleich anzubieten, wie ihn das Gesetz in § 46a StGB ausdrücklich vorsieht.

Da die Frau den Stich gestanden hat, konnte sie in dieser Hinsicht auch zweigleisig fahren. Dass sie dem Verletzten quasi vorsorglich Kompensation anbot, hinderte sie trotzdem nicht daran, weiter auf Notwehr zu plädieren. Wenn das Gericht die Bereitschaft zur Entschädigung quasi durch die Hintertür als Schuldeingeständnis wertet, wäre das sicherlich nicht in Ordnung.

Aber zurück zu den Anwälten. Sowohl beim angeblichen Schweigegeld als auch bei dem gekauften Zeugen sparte der Vorsitzende laut den übereinstimmenden Medienberichten nicht mit Wertungen, aber dafür umso mehr mit Fakten. Dabei kann jedenfalls ein dringender Verdacht (zum Beispiel auf versuchte Strafvereiteilung) gegen die Anwälte gar nicht vorliegen. Denn ansonsten wäre das Gericht verpflichtet, die Verteidiger auszuschließen (§ 138a StPO). Damit darf es auch nicht warten, um das Verfahren noch über die Runden zu retten.

Wenn aber – so überhaupt – nur ein einfacher Tatverdacht vorliegt, dann hätte sich der Richter seine Vorwürfe auch sparen können. Denn dann gilt für die betroffenen Anwälte jedenfalls uneingeschränkt die Unschuldsvermutung. Dann wäre es besser gewesen, die weiteren Ermittlungen der Staatsanwaltschaft abzuwarten. Die Strafkammer urteilte gestern über die Angeklagte, nicht über ihre Verteidiger.

Dass es Ermittlungen geben wird, ist allerdings wahrscheinlich. Die Staatsanwaltschaft hat in den turbulenten Tagen vor dem Urteil sowohl den gekauften Zeugen als auch den Financier, den Lebensgefährten der Angeklagten, festnehmen lassen. Am Ende standen jeweils Geständnisse, getreu der Erfahrung „U-Haft schafft Rechtskraft“. Wenn die Strafverfolger bei ihrer Linie bleiben, könnte es für die Anwälte durchaus noch sehr ungemütlich werden.

Im Anhang noch ein Ablaufplan

Aus der Menge unerfreulicher Mails, die einen Anwalt so erreichen, stach am Montag eine besonders heraus. Jemand, den ich früher mal als Anwalt vertreten habe und zu dem aktuell kein konkretes Mandatsverhältnis besteht, fragte per Mail nach einem Besprechungstermin für einige juristische Probleme.

So weit natürlich kein Ding. Leider gab es den zweiten Teil der Mail. Darin schilderte der Betreffende einen unerträglichen Druck, dem er sich ausgesetzt fühle. Und dann erklärte er mir, wie er diesen Druck zu lindern gedenke. Abgesehen davon, dass er mich wegen der juristischen Sachen als Anwalt beauftragen möchte. Nämlich, ich fasse zusammen, durch einen Amoklauf.

Es folgte ein sehr detaillierter Ablaufplan, wie der Betreffende an einem der nächsten Werktage vier Personen binnen ca. 90 Minuten metzeln würde. Darunter einen Richter und die Ehefrau eines Polizisten. Alles inklusive (existierender) Namen, inklusive (existierender) Adressen und plausibler örtlicher Gegebenheiten. Und dann jeweils eine detaillierte Schilderung der Tötungsprozedur. Diese war wiederum angelehnt an einschlägig bekannte Filmmotive.

Ich habe mir die Mail ein paar Mal durchgelesen. Und dann ins Gesetz geschaut, nämlich den § 138 StGB (Nichtanzeige geplanter Straftaten). Zu gern wäre ich zu dem Ergebnis gekommen, dass das „Vorhaben“ jedenfalls nicht „glaubhaft“ rüberkommt. Das war mir aber leider nicht möglich.

Die anwaltliche Schweigepflicht half auch nicht weiter. Zum einen, weil es noch kein aktuelles Mandatsverhältnis gab. Zum anderen, weil das Anwaltsprivileg (§ 139 Abs. 3 StGB) ausdrücklich nicht für Mord oder Totschlag gilt. Auch eine eventuell bestehende Schweigepflicht hätte mir also juristisch nichts gebracht, wenn etwas passiert wäre.

Ich habe also die Polizei informiert. Der bisher einzige Fall in mehr als 20 Berufsjahren, in dem ich einen (Fast-)Mandanten, der sich an mich gewandt hat, angeschwärzt habe. Ich hoffe, das passiert mir so schnell nicht wieder.

Autoanzeige muss richtig sein

Fehlt bei einem Autokauf die zugesagte Freisprecheinrichtung, kann das den Käufer zum Rücktritt vom Kaufvertrag berechtigen. Das gilt auch dann, wenn die Freisprecheinrichtung lediglich in der Annonce erwähnt war, im Kaufvertrag bzw. der Bestellbestätigung aber nichts davon steht. Dies hat das Oberlandesgericht Hamm entschieden.

Der Käufer hatte letztes Jahr einen BMW X1 sDrive 18d für 21.200 Euro bei einem entfernt liegenden Autohändler gekauft, nachdem er über eine Anzeige auf „mobile.de“ aufmerksam geworden war. Bei Lieferung des Autos stellte er fest, dass die in der Anzeige genannte „Freisprecheinrichtung mit USB-Schnittstelle“, wie BMW die Ausstattung selbst nennt, nicht eingebaut war.

Laut dem Gericht war der Text der Anzeige nur so zu verstehen, dass eine originale Freisprecheinrichtung von BMW verbaut ist. Der Text der Anzeige sei eine „konkrete Beschaffenheitszusage“ durch den Händler gewesen. Deshalb spiele es keine Rolle, dass die Freisprechanlage in den weiteren Vertragsformularen nicht erwähnt wird.

Der Käufer darf den Wagen zurückgeben und erhält sein Geld zurück, allerdings unter Anrechnung einer Nutzungsentschädigung (Aktenzeichen 28 U 2/16).

Schmerzensgeld für Castor-Arrest

Wer von der Polizei unberechtigt in Gewahrsam genommen wird, kann sich vor Gericht dagegen wehren. Das gelang einem Betroffenen auch, der bei einer Castor-Demo ohne richterlichen Beschluss über Nacht mindestens acht Stunden festgehalten wurde. Das Landgericht stellte zwar die Rechtswidrigkeit der Maßnahme fest, verweigerte dem Mann aber ein Schmerzensgeld. Wohl zu Unrecht, meint nun das Bundesverfassungsgericht und ordnet eine neue Verhandlung an.

Das Landgericht hatte es für ausreichend gehalten, dass die Rechtswidrigkeit der Maßnahme festgestellt wird. Dies verkennt die Tragweite des Grundrechts auf persönliche Freiheit, sagt dagegen das Bundesverfassungsgericht. Eine Geldentschädigung könne nur versagt werden, wenn die Rechtsverletzung nicht erheblich war. Davon sei bei einer einer achtstündigen Freiheitsentziehung nicht auszugehen.

Ausdrücklich weisen die Richter darauf hin, das Schmerzensgeld habe in solchen Fällen auch „abschreckende Wirkung“ für Polizeibehörden. Umgekehrt sieht das Gericht in der Versagung des Schmerzensgeldes also einen indirekten Anreiz für Verantwortliche, es auch künftig mit den Grundrechten nicht so eng zu sehen (Aktenzeichen 1 BvR 1717/15).

Späte Erkenntnis

Heute mittag sollte vor dem Amtsgericht eine Strafsache verhandelt werden.

Sollte.

Das Gericht hat per Fax abgesagt, heute morgen um 8:21 Uhr. Immerhin eine Frist von etwas mehr als vier Stunden. Die Abladung enthält sogar eine Begründung:

Das Verfahren wird an eine andere Abteilung abgegeben.

Der Richter ist wohl der Meinung, dass die Angelegenheit nicht vor den Strafrichter gehört. Sondern an das etwas höher angesiedelte Schöffengericht.

Ob das sachlich gerechtfertigt ist, will ich hier gar nicht diskutieren. Wohl aber den Umstand, dass die Aktenlage seit rund sieben Monaten unverändert ist. So lange liegt die Anklageerhebung nämlich schon zurück. Und so lange liegt die Sache schon auf dem Schreibtisch des Richters.

Dass die Sache vielleicht vor ein anderes Gericht gehört, musste also nicht bis zum letzten Augenblick verborgen bleiben. Vorausgesetzt natürlich, man schaut als Richter nicht erst am Tag vor der Verhandlung erstmals länger als 10 Sekunden in eine Verfahrensakte.

Für mich ist ärgerlich, dass ich wegen der Verhandlung in dieser Sache erfolgreich bei einem anderen Gericht beantragt hatte, den dortigen Termin zu verlegen. Das ist für einen Anwalt auch betriebswirtschaftlich unlustig, aber das erwähne ich nur mal ganz am Rande.

Kleines Schreiben, gewisse Wirkung

Heute mal ein kleines Beispiel, wie sich mit einer proaktiven Herangehensweise auch mal Gerichtsverhandlungen verhindern lassen. Nicht mit Blick auf eine Entlastung der Justiz, sondern im Interesse des Mandanten. In diesem Fall geht es ein junges Mädchen, das mit seiner Schwester bei Primark einkaufen wollte, ohne zu bezahlen. Wert der Waren: jeweils um die 50 Euro.

Aus meinem Schreiben an das Gericht:

Ich beantrage, das Verfahren nach § 47 JGG einzustellen.

Die Voraussetzungen des § 47 Abs. 1 Nr. 1 JGG liegen vor.

Es handelt sich um einen kleineren Ladendiebstahl. Es ist kein Schaden entstanden, da meine Mandantin am Ausgang angehalten wurde. Die hypothetische Beute bewegte sich zwar etwas über der Geringwertigkeitsgrenze. Da laut der Anklage jedoch kein gemeinschaftliches Handeln vorliegt, ist jeder der Angeklagten nur der Wert der selbst eingesteckten Waren zuzurechnen (Schönke/Schröder, StGB, § 248a Rn. 15).

Bei einem Diebesgut knapp über der Geringwertigkeitsgrenze spräche auch bei einem Erwachsenen alles dafür, das Verfahren nach § 153 StPO einzustellen.

Im Übrigen liegen die Voraussetzungen des § 47 Abs. 1 Nr. 2 JGG vor.

Der Vater meiner Mandantin hat mit dieser schon „deutliche“ Worte geredet und ihr klar gemacht, welche strafrechtlichen Konsequenzen so ein Fehlverhalten hat und warum es wichtig ist, sich auch mit Blick auf die eigene Zukunft an die Gesetze zu halten.

Auch ich als Verteidiger habe mit der Angeklagten entsprechend geredet und ebenfalls deutlich gemacht, dass sie sich unbedingt straffrei führen muss, um sich Zukunftsperspektiven in unserer Gesellschaft zu erhalten. Ich habe den Eindruck, diese „Botschaft“ ist auch angekommen.

Vor diesem Hintergrund ist es vertretbar, das Verfahren, wie angeregt, einzustellen.

Ich bitte höflich um Prüfung dieses Antrags und hoffe auf eine positive Entscheidung.

Heute kam der Beschluss des Gerichts:

Das Verfahren wird nach § 47 JGG eingestellt.

Nach Aktenlage scheint eine Ahndung entbehrlich, weil die Schuld der Angeschuldigten als gering anzusehen ist und ein öffentliches Interesse an der Verfolgung nicht besteht.

Klappt nicht immer. Aber durchaus so oft, dass man es in geeigneten Fällen versuchen sollte.

ARD darf Geiselnahme von Gladbeck verfilmen

Vor 28 Jahren ereignete sich das Gladbecker Geiseldrama. Die ARD möchte die Ereignisse jetzt verfilmen, wogegen sich einer der beiden Täter, Hans-Jürgen R., juristisch wehrt. Bislang allerdings erfolglos.

Das Oberlandesgericht Köln wies einen Prozesskostenhilfeantrag R.s ab. Der Verurteilte habe schon nicht glaubhaft gemacht, in welcher Weise er in dem geplanten Film dargestellt werden soll. Somit sei eine drohende konkrete Persönlichkeitsrechtsverletzung nicht feststellbar.

Unabhängig davon wiege das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen nicht schwerer als das Informationsinteresse der Öffentlichkeit. Es handele sich um eine spektakuläre, in der Geschichte Deutschlands einzigartige Straftat. Diese sei untrennbar mit der Person des Täters verbunden.

Der Täter selbst habe außerdem den Fall in Erinnerung gerufen, als er sich vor kurzem über seinen Anwalt zur gegen ihn verhängten Sicherungsverwahrung geäußert habe (Aktenzeichen 15 W 42/16).