Kein Gottesurteil

Ein Strafbefehl ist kein Gottesurteil. Das allerdings scheint eine junge Mutter geglaubt zu haben, die nach einem Bericht des Focus eine Geldstrafe über 20 Tagessätze wegen eines angeblichen Diebstahls akzeptiert hat. Dabei hätte es für die junge Frau durchaus nahelegen, sich gegen den Strafbefehl zu wehren.

Den Diebstahl hat nach ihrer eigenen Schilderung nämlich gar nicht die junge Mutter begangen. Sondern ihr sieben Monate altes Baby, das sie im Kinderwagen durch einen Drogeriemarkt schob. Bei einer Kontrolle an der Kasse entdeckte der Ladendetektiv in der Kinderhand eine Haarkur für 65 Cent. Den eigentlichen Einkauf hatte die Frau auf das Kassenband gelegt.

Trifft die Schilderung der jungen Frau zu, hat sie sich nicht strafbar gemacht. Einen fahrlässigen Diebstahl, etwa durch fehlende Aufsicht gegenüber dem Kind, gibt es nicht. Das Verhalten des Kindes kann der Mutter deshalb strafrechtlich nicht zugerechnet werden. Jedenfalls so lange nicht, wie sie ihr Kind nicht zu Diebstählen „motiviert“.

Eine andere Frage ist natürlich, ob das Gericht die Geschichte glaubt. Wertet man die Story als unglaubwürdig, kann die Mutter durchaus als Diebin verurteilt werden. Aber selbst in diesem Fall hätte es sich wahrscheinlich gelohnt, den Strafbefehl anzufechten. Es handelt sich um eine geringwertige Sache. Beim ersten Ladendiebstahl im Bagatellbereich stellen Staatsanwaltschaften das Verfahren schon normalerweise von sich aus ein.

Wenn die Mutter allerdings schon einschlägig vorbestraft war, kann auch ein Bagatelldiebstahl zu einer Vorstrafe führen. Ist sie vorbestraft, würde der Focus-Bericht in dem Punkt nicht zutreffen, dass die Frau sich immerhin noch über eine Vorstrafe unter der Eintragungsgrenze freuen kann. Wenn es schon die zweite Strafe ist, spielt die Eintragungsgrenze von 90 Tagessätzen keine Rolle mehr. Dann stehen alle Vorstrafen im Registerauszug; auch die unter 90 Tagessätzen.

Der Justillon zum gleichen Thema

Gericht: Auch die Polizei sollte bei Spam nicht die Nerven verlieren

Eine Wohnung darf nicht einfach deshalb durchsucht werden, um mutmaßliche Spam-Mails an die Polizei zu verhindern. Auch die Beschlagnahme der Hardware des Spammers ist nicht zulässig, entschied jetzt das Oberlandesgericht Karlsruhe.

Es ging um einen Mann, der einige Polizeiwachen in seiner Gegend über Nacht mit 57 E-Mails bombardiert hatte. In den kaum verständlichen Mails wollte sich der Betroffene wohl über Behörden beschweren. Zwei Tage vorher hatte der Mann schon einmal 39 Mails geschickt.

Die Polizei reagierte auf ihre Weise, besorgte sich beim willigen Ermittlungsrichter einen Durchsuchungsbeschluss und konfiszierte die Computeranlage des Mannes. Ansonsten, so die Begründung, bestehe die Gefahr, dass bei der „Flut“ von Mails wichtige Schreiben untergehen.

Eine Argumentation, welche das Oberlandesgericht Karlsruhe nicht sonderlich beeindruckt. Es gebe durchaus mildere Mittel als einen Eingriff in die Unverletzlichkeit der Wohnung, erläutern die Richter. So sei es problemlos möglich gewesen, die Domain des Absenders auf die Blacklist für normalen E-Mail-Spam zu setzen. Mit dem bei den Landesbehörden verwendeten Programm „Outlook“ sei das ohne großen Aufwand möglich, selbst wenn der Betreffende mehr als eine E-Mail-Adresse verwendet haben sollte.

Wegen dieser einfacheren Möglichkeit, das Problem in den Griff zu bekommen, sei die Durchsuchung unverhältnismäßig gewesen. Das Gericht hat außerdem Zweifel, ob es sich überhaupt um eine taugliche Maßnahme handelte. Selbst wenn man dem Betroffenen den Computer wegnehme, sei es heute doch recht leicht möglich, E-Mails übers Handy (oder im Internetcafé) zu versenden (Link zum Beschluss).

Gericht rät zur Hornhautcreme

Ein Richter soll Sachkunde haben. Und Lebenserfahrung. Beides konnte ein Strafsenat am Oberlandesgericht Celle jetzt voll ausspielen – mit hilfreichen Tipps zur Hornhautentfernung an den Füßen. Mechanisches Gedöns wie Hornhautraspeln und Honrhauthobel, so das Fazit der Richter, sind hierfür nur bedingt zu empfehlen.

Ausgangspunkt war der Wunsch eines Gefangen, in seiner Zelle eine Hornhautraspel und einen Honrhauthobel nutzen zu dürfen. Seine Hornhaut wachse sehr stark, klagte der Inhaftierte. Deshalb müsse er sich regemäßig gut pflegen. Das Gefängnis wiederum hatte Sicherheitsbedenken. Immerhin hätten Raspel und Hobel scharfkantige Metalleinsätze. Damit könne man auch Sachen anspitzen und Waffen schärfen.

Das Gericht folgte den Sicherheitsbedenken der Anstalt. Dem Gefangenen entstehe auch kein Nachteil, denn Raspel und Hobel seien heute ohnehin nur zweite Wahl. Wörtlich heißt es in dem Gerichtsbeschluss:

Diese Erwägungen sind rechtlich nicht zu beanstanden, zumal es neben der vom Antragsteller bislang praktizierten mechanischen Hornhautentfernung bekanntlich auch wirksame Cremes zur Hornhautentfernung gibt, die aus medizinischer Sicht ohnehin regelmäßig gegenüber einer mechanischen Hornhautentfernung mittels Raspel und Hobel wegen der damit verbundenen Verletzungs- und Infektionsgefahr vorzugswürdig sind.

Aktenzeichen 1 Ws 323/16; RA Detlef Burhoff zum gleichen Thema

„Juristen!“ und andere Menschen – zehn Bücher zu gewinnen

Juristen wird oft nachgesagt, sie müssten schon von Berufs wegen möglichst komplett humorbefreit sein. Einer, der das Gegenteil beweist, ist Tim Oliver Feicke. Feicke ist im Hauptberuf Richter, kondensiert seine täglichen Beobachtungen aber mit ebenso großer Begeisterung in Cartoons.

FEICKE 108 Glauben law blog

Schon seit zehn Jahren zeichnet Feicke den ganz normalen Wahnsinn vor Gericht. Dramen im Beratungszimmer, keifende Mandanten und der tägliche Kampf mit der Akte – das sind die Themen, die ihm zum Glück nie ausgehen. Pünktlich
zum Cartoonisten-Jubiläum ist in diesen Tagen der Band „Juristen!“ erschienen. Er enthält eine Auswahl der besten Cartoons von Tim Oliver Feicke.

Damit sich die Leser selbst ein Bild machen können, verlose ich ab heute hier im law blog zehn Exemplare der „Juristen“! Fünf Bücher wirft Tim Oliver Feicke in den Korb, die anderen spendiere ich.

Wer bei der Verlosung sein Glück versuchen möchte, schreibt bitte bis spätestens Montag, 12. September 2016, einen Kommentar unter diesen Beitrag. Wichtig ist, dass eine gültige E-Mail-Adresse angegeben ist. Die E-Mail-Adresse wird nicht nicht veröffentlicht, weitergegeben und nur zur Benachrichtigung der Gewinner genutzt.

Den Band „Juristen!“ und Tim Oliver Feickes andere Werke gibt es auch im Buchhandel, zum Beispiel hier bei Amazon. „Juristen!“ kostet geschenkefreundliche 9,99 Euro (ISBN-13: 978-3830343899). Die Homepage von Tim Oliver Feicke: www.feickecartoons.de

Viel Glück!

FEICKE 109 Erstes Date law blog

Nachfragen bitte an Frau Merkel

Laut Anhörungsbogen der Polizei war die Sache klar:

„In Auswertung des XY-Forums durch das LKA wurde festgestellt, dass Sie als User „schnepfe“ in der Zeit vom 18.02.2008 bis 14.06.2012 mindestens 3625 Beiträge verfasst haben. Ihre Beiträge haben zum Fortbestand und damit zur Unterstützung des Forums als kriminelle Vereinigung beigetragen…“

Dass „schnepfe“ nicht immer freundliche Dinge geschrieben hat, war klar. Aber wie kam die Polizei darauf, dass mein Mandant „schnepfe“ ist? Lediglich darüber, dass der Nutzer „schnepfe“ bei Anlage seines Foren-Accounts eine E-Mail-Adresse bei einem bekannte Freemailer angegeben hatte. Diese E-Mail-Adresse war wiederum registriert worden unter Angabe von zwei E-Mail-Adressen für eventuelle Rückfragen oder Systemnachrichten, von denen eine meinem Mandanten gehörte.

Nun wies schon der Freemailer in seiner Auskunft an die Polizei darauf hin, dass er die Anmeldedaten nicht überprüft. Und dass er auch die E-Mail-Adressen nicht kontrolliert, die als Kontaktmöglichkeit genannt werden. Das wiederum schien der Staatsanwalt aber nicht gelesen zu haben, denn er klagte den Sachverhalt ebenso selbstsicher an wie schon das LKA den Anhörungsbogen formuliert hatte.

Tja, dann saßen wir also in der Hauptverhandlung, und selbst die nicht sehr IT-affine Amtsrichterin hielt eine nicht verifizierte E-Mail-Adresse für kein schlagkräftiges Indiz (von einem Beweis konnte man ja ohnehin kaum sprechen). „In das Anmeldeformular kann man ja alles eintragen“, stellte sie zutreffend fest. „Möchte nicht wissen, wie oft Angela Merkel genannt wird…“

Zwei Minuten später war das Verfahren eingestellt, sogar die Anwaltskosten fallen der Landeskasse zur Last.

Angeklagter wurde scharf beobachtet

Der Angeklagte sitzt in der Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht und tut das, was viele Angeklagte auch besser tun sollten. Er schweigt. Das wiederum gefällt dem Gericht ganz und gar nicht, wie sich aus dem Urteil ergibt. Darin heißt es über den Angeklagten:

Auch sein nonverbale Verhalten in der Hauptverhandlung lies nicht den geringsten Ansatz von Unrechtseinsicht und Problembewusstsein für die schwierige Lage der Polizei in E an diesem Tag erkennen.

Dem Angeklagten wird also strafschärfend zur Last gelegt, dass er nichts sagt. Mehr noch: Offenbar begutachtete das Gericht Mimik, Bewegungen oder Haltung des Angeklagten und schloss daraus auf fehlende Unrechtseinsicht und fehlendes Problembewusstsein.

Wären solche Rückschlüsse erlaubt, wäre das grundlegende Schweigerecht praktisch nicht mehr allzu viel wert. Denn ein schweigender oder leugnender Angeklagter kann ja schlecht Unrechtseinsicht zeigen, ohne damit mittelbar ein Geständnis abzugeben. So sieht es auch das Oberlandesgericht Hamm. Es hob die Entscheidung auf und ordnete eine Neuverhandlung an (Aktenzeichen 1 RVs 20/16).

Morgens um sieben

Eine Vorladung zur Polizei ist ja schon als solche unangenehm und damit ein guter Grund, die Sache einem Anwalt zu übergeben. In einem neuen Fall spielte für den Auftrag an mich allerdings auch die Uhrzeit eine Rolle, zu welcher der Mandant bei einem Polizeioberkommissar vorsprechen soll:

160901a

Wäre interessant zu erfahren, um wie viel niedriger die Erscheinensquote bei diesem Beamten ist. Etwa im Vergleich zu seinen Kollegen im Großstadtrevier, die bei ihren Vorladungen eher christliche Uhrzeiten nennen. Jedenfalls vermute ich mal ganz dreist, dass der Beamte im Zweifel eher weniger zu tun hat, weil die Leute auf solche Uhrzeiten schon mal gar keine Lust haben und er die Akte deshalb schneller zuklappen kann.

Bayerns Justiz verletzte Menschenrechte

Deutsche Gefängnisse dürfen Inhaftierten nicht nach Gutdünken eine Methadon-Behandlung vorenthalten. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte bejaht in einem aktuellen Urteil, dass die bayerische Justiz einen langjährig Drogenkranken unmenschlich und erniedrigend behandelt hat, als sie ihm während seiner Haft die Ersatzdroge Methadon verweigerte.

Der 1955 geborene Kläger ist seit 1973 schwer drogenabhängig und seit 1988 mit HIV infiziert. Im Juni 2008 kam er in Untersuchungshaft und wurde später zu sechs Jahren Gefängnis verurteilt. Vor seiner Verhaftung war er in einem Methadon-Programm. Die Behörden verweigerten ihm während der Haft die Fortsetzung. Auch bei einem gerichtlich angeordneten Entzug erhielt er keine Substitution. Auch als er wegen Scheiterns des Entzugs wieder in Haft ging, wurde ihm weiter Methadon verweigert.

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte kritisiert in dem Urteil harsch, dass die Justiz ohne nähere ärztliche Prüfung beziehungsweise aus Prinzip, weil die jeweilige Haftanstalt Methadon-Programme gar nicht anbietet, eine Substitution verweigerte. Die Überwindung der Drogensucht sei auch im Strafvollzug ein wichtiges Ziel. Hierbei sei es unumgänglich, dass der Betroffene eingehend untersucht wird und fachkundige Ärzte entscheiden, ob zum Beispiel eine Methadon-Therapie sinnvoll ist.

Das ist sicher ein Urteil mit großer Bedeutung für die Praxis in deutschen Haftanstalten. Die Verweigerung einer Methadon-Behandlung ohne Rücksicht auf den Einzelfall, die heute in einigen Bundesländern üblich ist, dürfte damit nicht mehr zulässig sein (Aktenzeichen 62303/13).

Einbrecher sucht Rat bei der Polizei

Weiterbildung ist in jedem Gewerbe wichtig, doch in Saarbrücken hat es ein mutmaßlicher Einbrecher doch etwas übertrieben. Er informierte sich ausgerechnet an einem Beratungsstand der Polizei über dort ausgestellte Sicherheitsfenster. Jedenfalls bis die Handschellen klickten und der Betroffene in Untersuchungshaft wanderte.

Am Gustav-Regler-Platz, wo gerade die Seniorentage sind, fragte der 26-Jährige die Polizisten von der Einbruchsberatung nach Informationen. Unter anderem ließ er sich ein Infoblatt mit Tipps für einen einbruchssicheren Haushalt geben. Dumm nur, dass einer der Beamten den Mann erkannte. Dieser wird mit Haftbefehl gesucht, seit er in eine Saarbrücker Postagentur durch ein Toilettenfenster eingestiegen und 56,90 Euro geklaut haben sein soll.

Bericht in der Saarbrücker Zeitung

1 böser Kommentar mit besoffenem Kopf kann den Job kosten

Ein volksverhetzender Leserkommentar auf einer Internetseite kann den Job kosten – auch wenn die Äußerung in keinem direkten Zusammenhang zum Arbeitsplatz steht.

Ein 48-jähriger Bergmechaniker war 32 Jahre im Dienst der Essener RAG Aktiengesellschaft. Er wurde gekündigt, weil er unter einem Fernsehbericht des Senders n-tv unter anderem geäußert hatte, er hoffe dass beim Brand einer Flüchtlingsunterkunft in Thüringen „alle verbrennen,,,die nicht gemeldet sind“. In einem späteren Kommentar schrieb er noch: „alle raus und es geht gut.“

Das Arbeitsgericht Hamm sah in den Äußerungen eins schwerwiegende Pflichtverletzung, die eine fristlose Kündigung rechtfertigt. Dabei berücksichtigte das Gericht, dass der Mann in seinem Facebook-Profil die RAG als Arbeitgeber nannte. Der Link zu Facebook war bei n-tv zu sehen. Dem Arbeitnehmer habe klar sein müssen, dass die RAG, die sich sozial stark engagiere, durch den Bezug über das Facebook-Profil in den Verdacht gerate, die Firma dulde es, wenn Asylsbewerber böswillig verächtlich gemacht werden und zum Hass gegen diese aufgestachelt wird.

Der Arbeitnehmer wandte ein, er habe den Kommentar unter Alkoholeinfluss geschrieben. Außerdem habe er den Post schnell wieder gelöscht. Dennoch war das Arbeitsgericht Hamm der Meinung, dass es keiner Abmahnung bedurfte. Auch eine ordentliche Kündigung als milderes Mittel habe nicht ausgereicht.

Gegen das Urteil legte der Betroffene zunächst Berufung ein. Diese Berufung nahm er jedoch mittlerweile zurück. Das Urteil ist also rechtskräftig, teilt das Landesarbeitsgericht Hamm mit (Aktenzeichen 5 Ca 2806/15).

„Fahle Gesichtsfarbe“

Wer gelegentlich mal einen Joint raucht und trotzdem mit dem Auto unterwegs ist, hat es deutlich schwieriger als ein Alkoholkonsument. Auch nach einem ausgiebigen Zechgelage kann man nach 24 Stunden sicher sein, dass der Promillewert null sein wird. Oder zumindest nicht mehr im nennenswerten Bereich. Bei Marihuana ist das keineswegs der Fall, wie jetzt mal wieder ein Mandant feststellen musste.

Bei einer allgemeinen Verkehrskontrolle wurde der Mandant nachts rausgewinkt. Die Blutprobe ergab einen THC-Gehalt von knapp 2 ng/ml. Und das, obwohl der Mandant sich sicher war, dass er mindestens 72 Stunden rein gar nichts mehr geraucht hatte. Trotzdem reichten die chemischen Nachwirkungen noch locker, um den sogenannten analytischen Grenzwert von 1 ng/ml zu übersteigen.

Früher hätte man nicht mal im Traum denken können, so niedrige THC-Konzentrationen mit vertretbarem Aufwand nachweisen zu können. Dank des rasanten Fortschritts der Analysetechnik lassen sich heute auch weit geringere Spuren belegen. Der „analytische Grenzwert“ ist deshalb eher eine juristische Absicherung nach unten, weniger eine technische Notwendigkeit.

Ab 1 ng/ml dem gibt es bei uns bereits ein Fahrverbot von einem Monat, 500 Euro Geldbuße und zwei Punkte in der Verkehrssünderkartei. Jedenfalls bei Bußgeldrichtern, die nicht vom Bußgeldkatalog abweichen. Das sind die allermeisten. Und das ganz dicke Ende kommt dann ohnehin erst noch später: Das Straßenverkehrsamt lädt im besten Fall zum Drogenscreening, im ungünstigsten zum kompletten Idiotentest.

Dabei hätte der Mandant sogar noch eine realistische Chance gehabt, ungeschoren davon zu kommen. Dazu hätte er aber einiges auf keinen Fall nicht mit sich machen lassen dürfen. Nämlich dem Polizeibeamten erlauben, dass er ihm in die Augen leuchtet, was zu der Feststellung „erweiterte Pupillen“ führte. Ebenso wenig hätte er sich dazu äußern müssen, ob er einen trockenen Mund hat.

Gut, gegen die weitere Feststellung „fahle Gesichtsfarbe“ konnte der Mandant sich kaum wehren. Spätestens da hätte er aber jede Kooperation einstellen sollen. Die Beamten waren ja – auch weil mein Mandant im Straßenverkehr nicht aufgefallen war – auf der Suche nach Ausfallerscheinungen oder körperlichen Symptomen, die auf Betäubungsmittelkonsum hindeuten.

Den schwerwiegendsten Fehler machte der Mandant, als ihn der Polizeibeamte um einen „Drogenvortest“ bat. Diese Tests gibt es in verschiedenen Varianten. Entweder wird ein spezielles Papier über die Stirn gewischt. Oder der Betroffene wird überredet, in einen Plastikbecher zu pinkeln, damit der Beamte einen Teststreifen in den Urin halten kann.

Zur Mitwirkung an beiden Tests ist man nicht verpflichtet. Die Polizei kann auch nichts erzwingen, auch wenn vor Ort gerne mal was anderes behauptet wird. Wer den Test verweigert, nimmt nur seine Rechte wahr. Für den Mandanten hätte es in diesem Augenblick im Fall seiner Weigerung noch die Chance gegeben, dass die Beamten ihn doch nicht als lohnendes Objekt betrachten. Denn einen Verdächtigen bei unklarer Lage mit auf die Wache zu nehmen, kostet Zeit und später auch Geld. Den Polizeiarzt und die Blutanalyse zahlt dem Staat bei „0,0“ keiner.

Jeder Beamte wägt also sehr sorgfältig ab, ob er einen Wackelkandidaten mit auf die Wache nimmt. Gut möglich, dass er sich für ein „Gute Fahrt noch“ für den Betroffenen entscheidet – der nächste Verdächtige ist ja in der Regel nur einen Kellenwink entfernt.

Indem der Mandant aber brav in das Töpfchen pieselte, nahm er sich natürlich diese realistische Chance. Deshalb kann ich auch anlässlich dieses Falls nur noch mal darauf hinweisen, dass man sich bei einer Verkehrskontrolle schon prophylaktisch am besten dadurch verteidigt, indem man jedwede Mitwirkung und möglichst auch eine Befragung konsequent verweigert.

Nur so wahrt man sich die Chance, vielleicht doch weiterfahren zu dürfen. Ein schlechtes Gewissen muss man sich dafür von niemandem einreden lassen. Rechte sind nun mal dafür da, dass man sie nutzt.

Ich will doch nur das Protokoll

Den Verhandlungstermin an einem Amtsgericht habe ich eigentlich noch in angenehmer Erinnerung. Die Richterin war freundlich, die Beweisaufnahme verlief erfreulich, das heißt die als Belastungszeugen geladenen Polizeibeamten quatschten sich um Kopf und Kragen – und am Ende wurde das Verfahren eingestellt.

Für die Abrechnung mit der Rechtsschutzversicherung der Mandantin brauchte ich jetzt nur noch eine Kopie des Hauptverhandlungsprotokolls. Keine große Sache. Manche Gerichte senden die Protokollabschrift sogar unaufgefordert zu. Da hier nichts kam, bat ich halt schriftlich um Übersendung.

Das war am 8. Juni 2016. Keine Reaktion. Am 3. August schrieb ich nochmals ans Gericht und wies sehr freundlich darauf hin, dass ich eine Protokollabschrift benötige. Da schrieb ich sogar rein, dass die Erfüllung dieser Bitte keine reine Gefälligkeit ist. Nach Ziff. 9000 Abs. 3 Nr. der Anlage 1 zum Gerichtskostengesetz besteht ein Anspruch auf eine Abschrift, und für die darf noch nicht mal was berechnet werden.

Nach fast vier Wochen habe ich noch immer kein Protokoll. Nun also das dritte Schreiben, nach wie vor höflich. Dennoch sagt mir ein unbestimmtes Gefühl, es wird sich erst etwas tun, sobald im nächsten Brief das Wort „Dienstaufsichtsbeschwerde“ steht. Dann aber ganz schnell.

Hallo, Postbank!

Vor einigen Tagen habe ich meinem Ärger über die Postbank Luft gemacht. Die Postbank will nun für ein Konto, welches sie mir vor Jahren über eine Tchibo-Aktion als lebenslang gebührenfrei verkauft hat, nun monatliche Kontoführungsgebühren kassieren.

Ich habe der Postbank mittlerweile geantwortet. Hier ist mein Brief:

Sehr geehrte Damen und Herren,

mit Dialogpost vom 19. August 2016 informieren Sie mich darüber, dass Sie künftig ein monatliches Entgelt für die Kontoführung von 3,90 Euro pro Monat berechnen.

Diesem Entgelt für die Kontoführung widerspreche ich hiermit.

Ich habe das Girokonto seinerzeit zum „Tchibo Tarif“ abgeschlossen. Der Tarif wurde nachweislich damit beworben, dass die Kontoführung dauerhaft gebührenfrei ist.

Ich zitiere aus dem Angebot:

„0,00 € über die gesamte Vetrtragslaufzeit“

„Full Service, dauerhaft null Gebühren – Ihr kostenloses Girokonto“

„kostenlose Kontoführung auf immer und ewig“

Diese Aussagen sind eindeutig. Hieraus ergibt sich, dass die kostenlose Kontoführung seitens der Postbank nicht einseitig änderbar ist.

Insofern bin ich verwundert darüber, dass Sie die damals unzweifelhaft Vertragsgegenstand gewordenen Konditionen nun einseitig ändern wollen. Das ist nämlich unzulässig.

Ich lege Wert darauf, dass mein Konto zu den bisherigen Bedingungen weitergeführt wird, also ohne Berechnung einer Kontoführungsgebühr von 3,90 Euro im Monat (bzw. 1,90 Euro im Falle der Umstellung auf „Postbank Konto – Giro direkt“).

Ich untersage Ihnen hiermit, Kontoführungsgebühren eigenmächtig in Rechnung zu stellen und abzubuchen. Sollten Sie der Meinung sein, dass Ihnen eine Kontführungsgebühr zusteht, stelle ich anheim, dass Sie diese Position gerichtlich geltend machen.

Sollten Sie entgegen meinem Widerspruch Kontoführungsgebühren geltend machen, werde ich meinerseits nicht zögern, gerichtlich vorzugehen.

Außerdem werde ich mich in diesem Fall bei der BaFin beschweren.

Da ich mein Konto ohnehin nur online nutze, bin ich ohne Anerkennung einer Rechtspflicht damit einverstanden, dass Sie mein Konto künftig als „Postbank Konto – Giro direkt“ führen, nach dem oben Gesagten aber selbstverständlich ohne die Kontoführungsgebühr von 1,90 Euro pro Monat.

Bitte bestätigen Sie mir den Eingang dieses Schreibens.

Mit freundlichen Grüßen

Falls sich jemand an dem Schreiben orientieren möchte, gern. Es gibt kein Copyright. Postbank-Kunden sollten aber beachten, dass die Gebührenfreiheit damals nur im Rahmen der Tchibo-Aktionen zugesagt wurde, die nach meinen Informationen über mehrere Jahre liefen. Die Broschüren und Online-Informationen zu den einzelnen Aktionen waren jedes Jahr geringfügig anders formuliert. Im Kern fand sich aber immer die Zusage, dass das Girokonto dauerhaft („ewig“) gebührenfrei geführt wird, und zwar unabhängig von einem Mindestgeldeingang.

Ich werde die Leser unterrichten, wie die Sache weitergeht.

Nachtrag: Laut diesem Bericht will die Postbank von Kunden der Tchibo-Aktion keine Gebühren verlangen, wenn diese der Tarifänderung widersprechen. Fragt sich nur, wieso die Kunden überhaupt widersprechen müssen – und wieso von der Widerspruchsmöglichkeit nichts in dem Informationsschreiben steht.

Nachtrag 2: Bericht im Handelsblatt

Eigengebote bei ebay zählen nicht

Wer bei ebay auf eigene Artikel bietet und damit den Preis treibt, geht ein hohes Risiko ein. Kommen die Eigengebote nämlich raus, können unterlegene Käufer Schadensersatz verlangen. So erhält ein ursprünglich gescheiterter Käufer eines VW Golf jetzt nach einem Gerichtsurteil knapp 16.000 Euro Schadensersatz, weil ihm das Auto nur wegen unzulässiger Eigengebote durch die Lappen gegangen ist.

Der Bundesgerichtshof beschäftigte sich jetzt erstmals mit dem sogenannten „Shill Bidding“ bei ebay und auf anderen Plattformen. Das Ergebnis fällt denkbar nüchtern aus: Scheingebote, die der Verkäufer selbst abgibt oder abgeben lässt, zählen nicht. Vielmehr kommt derjenige Bieter zum Zuge, der das letzte „echte“ Höchstgebot ohne Manipulation abgegeben hat.

In dem entschiedenen Fall lautete das Gebot auf 1,50 Euro, als der Verkäufer anfing, über einen Zweitaccount den Preis in die Höhe zu treiben. Der echte Kaufinteressent bot zwar bis zu 17.000 Euro mit, dennoch gilt nach Auffassung des Bundesgerichtshofs nur sein niedrigstes, unbeeinflusstes Gebot. Das waren eben jene 1,50 Euro.

Dass der Käufer für den schon anderweitig verkauften Wagen jetzt rund 16.000 Euro für „nichts“ bekommt, spielt nach Meinung des Gerichts keine Rolle. Schon früher hat der Bundesgerichtshof geurteilt, dass niedrige Startpreise gerade den Reiz von Auktionen ausmachen. Wer mit niedrigen Startpreisen Kunden anlocke, müsse auch das Risiko für den Fall tragen, dass mangels Nachfrage Schnäppchenjäger zuschlagen (Aktenzeichen VIII ZR 100/15).

Ich muss mal wieder die Postbank verklagen

Die Postbank kassiert ab Anfang November Gebühren für ihr Girokonto. Das kann man überall nachlesen. Die Postbank ist zwar nicht meine Hausbank, aber ich habe dort seit 2007 ein Konto, weil ich privaten Bedarf für ein Zweit-, Dritt- oder Viertkonto hatte. Da traf es sich gut, dass die Postbank bei einer Werbeaktion über Tchibo versprach, ich erhalte lebenslang ein gebührenfreies Konto.

Damit sind wir beim Kern der Sache. Auch wenn seit der Kontoeröffnung mittlerweile neun Jahre verstrichen sind, liebe Postbank: Ich lebe noch. Dafür trete ich auch gern den Beweis an und reise mit meinem Personalausweis ans Amtsgericht, das für den Sitz der Postbank zuständig ist.

Ich tue das nicht, weil mich die künftigen monatlichen Gebühren von 3,90 € für das Fullservice-Konto oder von 1,90 € für das Online-Konto existenziell treffen würden. Sondern weil es mich nervt, dass belegbare Versprechen mit einem Mal nicht mehr existieren, wenn sie einem nicht mehr in den Kram passen. Mit keinem Wort erwähnt die Postbank in ihren offiziellen Verlautbarungen, wie sie es mit den Kunden halten will, die sie mit lebenslang geködert hat. Was wohl darauf hinausläuft, dass einfach so getan wird, als habe es die Zusage damals nicht gegeben.

Anders formuliert: Hätte mich die Postbank angeschrieben und offen kommuniziert, dass sie ohne meine 1,90 € ein Fall für den Rettungsschirm wird, hätte ich mich vielleicht mit den Achseln gezuckt und gesagt, es ist halt Finanzkrise. Ich hätte auch keine Probleme, wenn die Postbank mir die Kündigung für den Fall in Aussicht gestellt hätte, dass ich das neue Kontenmodell nicht akzeptiere. Aber jetzt so mir nichts dir nichts die Hand aufhalten und alte Zusagen totschweigen – aus meiner Sicht ist das mehr als schlechter Stil.

Deswegen werde ich auch auf mein lebenslang pochen und notfalls einen Prozess führen, auch wenn der Streitwert noch so pieselig sein wird. Die Postbank weiß übrigens, dass ich es ernst meine. Die Postbank hat nämlich schon mal ein Werbeversprechen „vergessen“ beziehungsweise auf abenteuerliche Art und Weise zurechtgebogen, welches sie mir wegen der Barabhebungsgebühren für ihre Visa-Karte gegeben hatte.