Entschädigung für Kunden von TUIfly?

Das Flugunternehmen TUIfly muss derzeit einen großen Teil seiner Flüge absagen. Grund dafür ist der Umstand, dass sich Cockpit und Kabinenpersonal massenhaft krankmeldet. Die Ausfälle liegen wohl weniger am Erkältungswetter, sondern vielmehr am Unmut der TUIfly-Mitarbeiter über den geplanten Unternehmensumbau im Schlepptau der Turbulenzen um Air Berlin. Die Kunden bleiben wegen des fehlenden Flugpersonals aber nicht nur am Boden, vielmehr will TUIfly laut Berichten auch keine Entschädigung für Verspätungen und Annulierungen zahlen.

Nach EU-Recht steht jedem Kunden eine finanzielle Entschädigung zu, wenn sein Flug stark verspätet (mehr als drei Stunden) ist oder gar gestrichen wird. Die Entschädigungen betragen bis zu 600 Euro pro Strecke. Eine Ausnahme gilt nur dann, wenn die Airline nicht für die Flugverspätung verantwortlich ist. Dafür bedarf es aber „außergewöhnlicher Umstände“. Außergewöhnlich sind Umstände nur dann, wenn die Fluggesellschaft sie nicht vermeiden konnte. Typische Beispiele sind Sperrungen des Flughafens oder Luftraums, politische Instabilität, Vögel im Triebwerk, Unwetter und Streiks.

Streik?

Nach außen hin hat es TUIfly erst mal mit individuellen Krankmeldungen zu tun. Und nicht mit einem Arbeitskampf. Gewerkschaftsvertreter haben ja auch bereits erklärt, dass sie so eine subversive Form des Arbeitskampfes nicht unterstützen. TUIfly macht es sich also etwas zu leicht, wenn die Krankmeldungen pauschal mit einem Streik gleichgesetzt werden und deshalb nicht gezahlt wird.

Jedenfalls dürfte die Beweislast für einen tatsächlichen (wilden) „Streik“ bei TUIfly liegen. Ebenso dafür, dass man sich bis heute nicht ausreichend auf den hohen Krankenstand einstellen konnte, zum Beispiel durch das Engagement von Ersatz-Crews bei anderen Airlines oder Personaldienstleistern.

Gute Gründe also, sich als Fluggast nicht so einfach abwimmeln zu lassen.

A-N-P-F-I-F-F

Bei der Staatsanwaltschaft Wuppertal verliert jemand mit uns die Geduld.

161005a

In der Angelegenheit hatten wir Akteneinsicht durch die Staatsanwaltschaft und die Fahrerlaubnisbehörde. Dummerweise haben wir anscheinend die Aktenversendungspauschale von zwölf Euro zwei Mal an die Fahrerlaubnisbehörde überwiesen (die das Geld offenbar gerne behalten hat).

Trotzdem unser Fehler – also höfliche Entschuldigung nach Wuppertal. Die Überweisung ist raus.

Böhmermann: Quatsch bleibt Quatsch

Die Mainzer Staatsanwaltschaft wird den Satiriker Jan Böhmermann nicht wegen Beleidigung des türkischen Staatspräsidenten anklagen. Das von Böhmermann im ZDF vorgelesene und kommentierte „Schmähgedicht“ lasse, so die Ankläger, eine strafbare Herabwürdigung des türkischen Staatspräsidenten „nicht naheliegend“ erscheinen.

Das Schmähgedicht sei eine „geradezu absurde Anhäufung vollkommen übertriebener, abwegig anmutender Zuschreibung negativ bewerteter Eigenschaften und Verhaltensweisen, denen jeder Bezug zu tatsächlichen Gegebenheiten – offensichtlich beabsichtigt – fehlt“. Oder anders ausgedrückt: Böhmermann habe sein Sendeformat und das Schmähgedicht mehrfach ausdrücklich als „Quatsch-Sendung“ tituliert – ein ernstlicher Angriff auf die Ehre des Staatsoberhaupts sei ihm angesichts dieser eindeutigen Distanzierungen letztlich nicht nachzuweisen.

Demnach fehlte es Böhmermann zumindest persönlich am Beleidigungsvorsatz – selbst wenn viele andere seinen Auftritt vielleicht anders verstanden haben. Sehr zutreffend und auch im Detail nachvollziehbar führt die Staatsanwaltschaft Mainz in ihrer Pressemitteilung aus, dass trotz der harschen Worte eben doch eine sachliche Kritik an Staatspräsident Erdogan im Vordergrund stand. Das Schmähgedicht und der hierzu in der Sendung abgegebene Kommentar Böhmermanns waren nämlich eine Reaktion auf durchaus fragwürdigen Umgang der Türkei mit der Meinungsfreiheit in früheren deutschen Fernsehsendungen.

Sehr deutlich ordnet die Staatsanwaltschaft das Schmähgedicht auch als Kunst ein, weil es eben den wesentlichen Stilelementen der Kunstgattung Satire genügt: Übertreibung, Verzerrung und Verfremdung. Völlig zu Recht kommen die Ankläger zu dem Schluss, dass auch in diesem Kontext die denkbare persönliche Diffamierung Erdogans weit weniger wichtig war als die (letztlich) sachliche Auseinandersetzung mit dem, was Herr Erdogan unter Meinungsfreiheit versteht.

Letztlich hat Böhmermann auch eine offensichtlich kluge Einlassung seiner Anwälte geholfen. Diese wiesen nämlich darauf hin, Böhmermann habe die extreme Zuspitzung eben gerade deswegen gewählt, damit nur ja keiner seiner Zuschauer auf die Idee kommt, er wolle Erdogan persönlich zu nahe treten. Böhmermann habe deshalb jedenfalls nicht vorsätzlich gehandelt, auch wenn sein frommer Wunsch nach dem aufgeklärten Zuschauer sich nicht erfüllte. Auch dieser Argumentation folgt die Staatsanwaltschaft.

Dieses Ende eines Strafverfahrens ist eine gute Nachricht. Eine nur vorläufige allerdings – der türkische Staatspräsident kann Beschwerde einlegen.

Mannheimer darf Cannabis anbauen

Zur Linderung seiner chronischen Schmerzen erhält er Cannabis verschrieben, den Stoff aus der Apotheke kann er sich aber finanziell nicht leisten. Nun gibt es für einen 53-jährigen Mannheimer endlich eine Lösung: Das Bundesinstitut für Arzneimittel erteilte dem Mann die Erlaubnis, das benötigte Cannabis im Badezimmer anzubauen. Es ist bundesweit die erste Erlaubnis dieser Art.

Der an Multipler Sklerose erkrankte Mann klagte viele Jahre auf die Erlaubnis zum Eigenanbau. Er wies darauf hin, dass er sich Apotheken-Cannabis nicht leisten kann, da er die Kosten von rund 1.500 Euro im Monat nicht aufbringen kann. Das Bundesverwaltungsgericht gab ihm im Frühjahr recht und verpflichte die Behörde zu einer Sondergenehmigung.

Der Mann darf jetzt bis 20 Pflanzen gleichzeitig in seinem Badezimmer großziehen; maximal 130 pro Jahr. Weitere Einzelheiten berichtet die Legal Tribune Online.

Verträge kündigen ohne Unterschrift

Verträge kündigen ist ab sofort viel leichter. Firmen dürfen ihren Kunden in Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht mehr vorschreiben, dass diese den Vertrag per eigenhändig unterschriebenem Brief oder Fax kündigen. Gerade bei online abgeschlossenen Verträgen, wo bei Abschluss normalerweise ja auch keine Unterschrift verlangt wird, erschwerte das Kunden über viele Jahre die Kündigung.

Im Kleingedruckten dürfen Firmen jetzt nur noch verlangen, dass die Kündigung die „Textform“ einhält. Damit ist die Kündigung beispielsweise auf folgenden Wegen möglich:

E-Mail
Telefax
Computerfax
maschinell erstellter Brief
SMS
Online-Chat des Unternehmens
Facebook-Nachricht bzw. Direct Message über Twitter
WhatsApp-Nachricht

Eine eigenhändige Unterschrift oder die Übermittlung auf Papier darf, wie gesagt, nicht mehr verlangt werden. Wirksam ist die Kündigung aber natürlich nur dann, wenn die Firma den Vertragspartner ausreichend identifizieren kann. Man sollte also auf jeden Fall die Kunden-Nummer angeben sowie Namen und Adresse und genau mitteilen, welchen Vertrag man zu welchem Zeitpunkt kündigen will. Aber das ist ja eigentlich selbstverständlich.

In diversen Berichten heißt es, das neue Recht gelte nur für online abgeschlossene Verträge. Das ist nach meiner Meinung falsch, denn § 309 Ziff. 13 BGB gilt für alle Verträge, die Allgemeine Geschäftsbedingungen enthalten. Auch ein Möbelhaus oder ein Elektromarkt, bei dem man zum Beispiel vor Ort was kauft, wird die Kündigung deshalb künftig nicht im Kleingedruckten von der Unterschrift abhängig machen dürfen. Und zwar auch dann, wenn der Kaufvertrag vor Ort eigenhändig unterschrieben worden ist.

Die Neuregelung gilt nur für Verträge, die ab dem 1. Oktober 2016 abgeschlossen werden. Auf ältere Verträge ist das neue Recht nicht anwendbar. Das bedeutet allerdings nicht unbedingt, dass Firmen Kündigungen älterer Verträge unter Berufung auf eine Schriftsformklausel zurückweisen dürfen. Auch der Bundesgerichtshof hat schon in diesem Sinne entschieden.

„Das ist der Vater meines Kindes“

Ein Mann muss es nicht hinnehmen, wenn eine Mutter ihn öffentlich als Vater ihres Kindes hinstellt, ohne dass dies bewiesen ist. Das Amtsgericht München untersagte jetzt einer Frau die öffentliche Behauptung, ein Mann aus Saudi-Arabien habe ein Kind mit ihr.

Der Mann aus Saudi-Arabien hatte die Frau 2012 kennengelernt, als er beruflich in München war. Nach der Geburt ihrer Tochter postete die Frau in sozialen Medien immer wieder Bilder des Mannes und des Kindes. Dabei schrieb sie unter anderem in die Untertitel der Fotos, der Kläger sei der Vater. Das jedoch bestreitet der Mann.

Das Amtsgericht München sieht in der Vaterschaft eine Tatsachenfrage. Die Beweislast trage die Frau, wenn sie den Mann öffentlich als Vater darstelle. Auch ein Unterlassungsanspruch sei gegeben, denn die Behauptungen verletzten die Privatsphäre des Mannes. Ein öffentliches Interesse daran, Bilder des Klägers zu veröffentlichen, bestehe ohnehin nicht.

Die Beklagte muss nun ihre Postings löschen. Außerdem verurteilte sie das Amtsgericht zum Widerruf ihrer Behauptungen (Aktenzeichen 161 C 3139/15).

Gericht unterstützt die GEZ-Rebellen

Gegner des Rundfunkbeitrags werden sich über eine aktuelle Entscheidung des Landgerichts Tübingen freuen. Ein Einzelrichter hatte darüber zu entscheiden, ob der Südwestrundfunk (SWR) aus Gebührenbescheiden gegen einen GEZ-Rebellen vollstrecken darf. Nach Meinung des Richters ist das in diesem Fall nicht zulässig. Die Begründung reicht aber weit über den Einzelfall hinaus, weil sie grundsätzlich für jede Rundfunkanstalt gilt.

Nach Auffassung des Gerichts dürfen nur Behörden eigene Gebührenbescheide erlassen und vollstrecken. Den SWR betrachtet der Richter aber nicht als Behörde. Hierfür führt er diverse Gründe auf. Bespiele:

– grob rechtswidrige Zahlungsregelungen in der Rundfunksatzung;

– undurchsichtige „Behörden“struktur;

– unternehmerisches Handeln des SWR (Verkauf von Werbezeiten);

– vom Gesetzgeber gewollte Auslagerung des „freien“ Rundfunks aus der staatlichen Verwaltung.

Mangels Behördeneigenschaft des SWR ist laut dem Gericht die Vollstreckung also unzulässig. Überdies, so das Gericht, habe die Beitragsstelle nicht nachweisen können, dass ihre Bescheide, die mit einfacher Post geschickt wurden, dem Schuldner zugestellt wurden. Die Beweislast für den Zugang sieht das Gericht beim Sender.

Der Einzelrichter weist in seinem Beschluss selbst darauf hin, dass seine Meinung deutlich von dem abweicht, wie die Gerichte sonst über Rundfunkgebühren entscheiden. Deshalb hat er auch die Rechtsbeschwerde zugelassen. Auch wenn der Beschluss möglicherweise keinen Bestand haben wird – Wasser auf die Mühlen der Rundfunkbeitragsgegner ist er in jedem Fall. Das scheint dem Richter auch bewusst zu sein, denn er nimmt ausdrücklich für sich in Anspruch, nicht im Einklang mit den anderen Gerichten entscheiden zu müssen. Die Rechtsprechung in Deutschland sei eben „konstitutionell uneinheitlich“.

Ein Fake ist der Beschluss wohl nicht. Er ist in der offiziellen Urteilsdatenbank des Landes Baden-Württemberg veröffentlicht.

Zschäpes zaghafte Schritte Richtung Geständnis

Im Münchner NSU-Prozess hat die Angeklagte Beate Zschäpe heute was gesagt. Das ist deshalb erwähnenswert, weil Zschäpe seit Beginn des Verfahrens selbst nie das Wort ergriffen hat. Nach langem Schweigen beantwortete sie dann zuerst schriftliche Fragen des Gerichts, aber nur ebenso schriftlich und über ihre Anwälte. Nun also die ersten Worte von Zschäpe zur Sache – mehr als eine Erklärung allgemeiner Natur war es aber wohl zunächst nicht.

Ich kann mir nicht vorstellen, dass ein paar Worte des Bedauerns die Sachlage für Zschäpe wesentlich ändern können. Zumal die bisherigen schriftlichen Fragerunden ja wohl eher unbefriedigend verliefen. Sie machten jedenfalls nicht viel deutlicher, ob und inwieweit die Angeklagte an den ihr zur Last gelegten Taten beteiligt war. Mit den bisherigen Aussagen ist es also wie mit der heutigen Erklärung: Sie bringen das Gericht, das ja die einzelnen Fälle aufklären muss, beim mühsamen Erforschen der Wahrheit nicht wesentlich weiter.

Ob Zschäpes plötzliche Zugänglichkeit also mehr als stimmungsaufhellend wirkt, darf bezweifelt werden. Aber es ist ja auch denkbar, dass die heutige Erklärung eine Art Versuchsballon ist. Je nach Ausgang werden Zschäpe und die Anwälte, mit denen sie noch spricht, wahrscheinlich auch einen größeren Wurf ins Auge fassen. Ein (umfassendes) Geständnis käme sicher spät. Aber es wäre wegen der vielen unbeantworteten Fragen in dem Fall nicht zu spät, um noch eine spürbare Strafmilderung mitzunehmen.

Damit würde die bisherige Verteidigungsstrategie zwar ad absurdum geführt. Aber letztlich zählt für die Angeklagte nur das Ergebnis. Und zwiespältiger, als sie heute dasteht, könnte sie selbst nach einem verkorksten Geständnis nicht mehr wirken.

Post scannt ab sofort Personalausweise

Die Deutsche Post hat das PostIdent-Verfahren geändert. In den Filialen müssen Kunden jetzt nicht mehr nur ihren Ausweis vorzeigen. Vielmehr wird dieser gescannt und die elektronische Kopie für einen nicht näher bekannten Zeitraum gespeichert. Der schleswig-holsteinische Landtagsabgeordnete Patrick Breyer geht dagegen vor, unter anderem mit einer Beschwerde bei den Datenschutzbehörden.

Wie Breyer auf seinem Blog berichtet, war er vor kurzem in zwei Postfilialen für das PostIdent. Dabei hätten ihn die Mitarbeiter nicht darüber informiert, dass sie seinen Ausweis scannen. Das habe er nur durch eine zufällige Bemerkung mitgekriegt.

Bislang wurden in der Postfiliale die Daten nur von den Ausweisen abgeschrieben. Die elektronische Speicherung der Ausweiskopien hält Breyer aus mehreren Gründen für unzulässig. Der Gesetzgeber habe wegen der Missbrauchsmöglichkeiten gerade bei den neuen Personalausweisen Kopien vermeiden wollen.

Eine (Papier-)Kopie des Ausweises sei zwar nach dem Geldwäschegesetz zur Identifizierung des Kunden zulässig, jedoch nicht zwingend erforderlich. Ein Scan sei wegen der weitreichenderen Speicherungsmöglichkeiten aber weit mehr als eine Kopie. Ähnliche Bedenken hat auch schon das Verwaltungsgericht Hannover in einem Urteil geäußert, das Breyer zitiert. Breyer weist außerdem darauf hin, PostIdent werde nicht nur für Geldinstitute angeboten, sondern auch für eine Vielzahl anderer Unternehmen (zum Beispiel Erotikversender).

An Geldinstitute gibt die Deutsche Post AG laut eigener Stellungnahme die Scans weiter. Nicht relevante Teile des Ausweises würden vorher geschwärzt. Ob auch andere Kunden, die nicht dem Geldwäschegesetz unterfallen, die Scans erhalten, wird nicht gesagt. Breyer verlinkt eine Infoseite der Post, auf der von einer „Bereitstellung der gescannten Kopie des Ausweisdokuments“ als Dienstleistung im Rahmen von PostIdent die Rede ist.

In ihrer Stellungnahme weist die Post auch darauf hin, dass Kunden dem Ausweisscan nicht widersprechen können. Sei der Kunde nicht einverstanden, werde der Vorgang abgebrochen.

Die Täterin war Kachelmanns Ex

Nach seinem Freispruch im Strafverfahren erfährt Jörg Kachelmann jetzt auch zivilrechtlich Genugtuung. Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main verurteilte die ehemalige Freundin Kachelmanns zu 7.100 Euro Schadensersatz. Grund: Die Frau habe Kachelmann zu Unrecht in Haft gebracht, als sie ihn der Vergewaltigung beschuldigte.

Das sei Freiheitsberaubung in mittelbarer Täterschaft, so das Oberlandesgericht. Die Frau habe die Ermittlungsbehörden durch ihre wahrheitswidrige Strafanzeige und falsche Aussagen vorsätzlich getäuscht. Sie muss Kachelmann jetzt einen Teil des Geldes ersetzen, das dieser für seine Verteidigung aufgewandt hat. Insbesondere geht es um Kosten für Gutachter, mit denen Kachelmann während der U-Haft seine Unschuld belegen wollte.

Die Vorinstanz hatte Kachelmanns Klage noch abgewiesen. Zwar gingen die Richter damals auch nicht davon aus, dass die Vorwürfe stimmen. Allerdings hielten sie es nicht für ausgeschlossen, dass Kachelmanns Ex-Partnerin durch „nicht intentionale Verfälschungs- und Verzerrungseffekte“ selbst fest an eine Vergewaltigung geglaubt habe. Derartige Überlegungen hält das Oberlandesgericht für rein spekulativ. Die Beweisaufnahme habe im übrigen ergeben, dass sich die Frau absichtlich selbst verletzt hatte. Das Oberlandesgericht hatte extra noch einen weiteren Rechtsmediziner befragt.

Kachelmann erklärte zu dem Urteil, nun sei erneut festgestellt, dass er Opfer falscher Beschuldigungen war. Seine Ex-Partnerin reagierte weniger sachlich auf das Urteil. Sie beschimpfte laut Medienberichten die Richter als „armselige, feige Frauenverächter“ (Aktenzeichen 18 U 5/14).

Es war mehr drin

Nach einigen Verhandlungen kommt heute ein Schreiben der Staatsanwaltschaft:

Es besteht Bereitschaft, das gegen Ihren Mandanten eingeleitete Verfahren nach § 153a StPO einzustellen. Die Auflage würde 700,00 € betragen, zahlbar an eine noch zu bestimmende gemeinnützige Organisation. Ich bitte um Mitteilung, ob diesem Vorschlag zugestimmt wird bis zum 10.10.2016.

Der Mandant war und ist seit jeher mit einer Einstellung einverstanden, um die Angelegenheit aus dem Kreuz zu kriegen. Das hätte er sich durchaus auch mehr kosten lassen. Ich jedenfalls hatte von ihm die Freigabe für eine Zustimmung, so lange es nicht mehr als fünftausend Euro kostet.

Da sage ich also lieber ganz schnell mal ja…

Vorsatz, was sonst?

Mein Mandant war alkoholisiert mit dem Wagen unterwegs. Die zuständige Bußgeldstelle ist sich auch sicher, dass mein Mandant vorsätzlich handelte. Und nicht nur fahrlässig.

Das ergibt sich allerdings nicht aus einer näheren Prüfung der Umstände des Einzelfalles, sondern aus einem vorgehefteten „Aktenvermerk“. Dieser Textbaustein wird anscheinend in alle passenden Fälle reinkopiert. Darin steht:

Aktenvermerk:

Jeder Kraftfahrzeugführer, welcher in einem überschaubaren Zeitraum vor Fahrtantritt alkoholische Getränke in nicht ganz unerheblichem Umfang zu sich nimmt, weiß, dass er in Gefahr läuft, eine Atemalkoholkonzentration von 0,25 mg/l bzw. eine Blutalkoholkonzentration von 0,5 Promille oder mehr erreicht zu haben. Wenn er dennoch ein Kraftfahrzeug führt, handelt er in aller Regel bedingt vorsätzlich.

Mit Arbeitsvermeidung bei der Bußgeldstelle hat das viel zu tun, mit der tatsächlichen Rechtslage aber wenig. Denn tatsächlich darf Vorsatz nur angenommen werden, wenn feststeht, dass der Betroffene seine Fahruntüchtigkeit gekannt oder wenigstens mit ihr gerechnet hat. Maßgeblicher Zeitpunkt ist der Fahrtantritt, mögliche Überlegungen vorher spielen erst mal keine Rolle. Sogar Fahrfehler sind nicht unbedingt ein Beleg. Vielmehr muss man feststellen, dass der Fahrer die Fehler bemerkt und dadurch über seine Fahrtüchtigkeit nachgedacht hat.

Nicht mal eine hohe Blutalkoholkonzentration reicht alleine aus, um den Vorsatz zu bejahen. Eine hohe Blutalkoholkonzentration führt nämlich zur Kritiklosigkeit, die den Täter seine Fahrunsicherheit nicht wahrnehmen lässt. Es gibt daher keinen Erfahrungssatz, dass man ab einer bestimmten Blutalkoholkonzentration seine Fahrunsicherheit erkennt.

Nach Schema F auf eine vorsätzliche Alkoholfahrt zu schließen, ist da schon ziemlich dreist. Schauen wir mal, ob das Amtsgericht ergebnisoffener denkt, wenn es über den Einspruch gegen den Bußgeldbescheid verhandelt. Ich kann mir jedenfalls nicht vorstellen, dass der Textbaustein dort auf sonderlich viel Gegenliebe stößt.

Kein Richterbonus für Ex-Flugbegleiter

Wenn ein Richter in einem früheren Beruf besondere Kenntnisse erworben hat, kann das sein Einstiegsgehalt erhöhen. Allerdings reicht nicht jeder Job hierfür aus, zum Beispiel die Tätigkeit als Flugbegleiter. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht nun in letzter Instanz entschieden.

Der heutige Berliner Richter war jahrelang als Flugbegleiter und Fluggastabfertiger tätig. Diese Arbeit habe seine sozialen Kompetenzen geschärft, meint er. Nach dem Besoldungsgesetz kann Berufserfahrung den Verdienst erhöhen. Aber nur, wenn die frühere Tätigkeit dem Richter berufsbezogene soziale Kompetenzen vermittelt hat.

Das ist nach Auffassung der Richter hier nicht der Fall. Für den Richterberuf seien folgende Fähigkeiten prägend: Erfassung komplexer Lebensverhältnisse, Vermittlungs-, aber auch Entcheidungsfreude sowie Teamfähigkeit. Das vermittele nicht automatisch jede Berufstätigkeit, die Kontakt zu Menschen mit sich bringt. Der bloße Kundenkontakt durch Dienstleistungen reiche jedenfalls nicht aus (Aktenzeichen 2 C 29.15).

Massenabmahnung von Fake-Anwälten

Wer Post von der Berliner Rechtsanwaltskanzlei Jörg Schmidt, Kurfürstendamm 234 in Berlin, bekommt, sollte in diesen Tagen besonders vorsichtig sein. Das Anwaltsbüro, in dessen Namen massenhaft Abmahnungen wegen angeblicher Porno-Downloads verschickt werden, existiert nicht. Die Rechtsanwaltskammer Berlin warnt in einer Mitteilung ausdrücklich davor, sich von dem Schreiben beeindrucken zu lassen.

Die (echte) Anwaltskanzlei Weiß & Partner hat eine der Abmahnungen online gestellt. Die Abmahnung ist sehr professionell gestaltet, sogar eine passende Homepage soll es geben. Das alles ändert aber nichts daran, dass nicht nur der Kanzleisitz unbekannt ist. Auch die genannten Rechtsanwälte sind der Anwaltskammer nicht bekannt.

Bleibt nur die Frage, wieso sich die Verantwortlichen so viel Arbeit machen. Einen Weg, um die in der vorbereiteten Unterlassungserklärung so dringend geforderten 950 Euro zu zahlen, zeigen sie in ihrem Schreiben nämlich nicht auf. Wäre natürlich ein Treppenwitz, wenn sie ausgerechnet dies vergessen hätten. Oder sollten die Macher tatsächlich glauben, dass die „Anwaltskanzlei Schmidt“ den Betrag später problemlos für ihre angebliche Mandantin einklagen kann, wenn einer der Adressaten erst mal gutgläubig unterschreibt?

Fußballfans haften sogar für Vereinsstrafen

Stadionbesucher müssen einem Fußballverein die Vereinsstrafe an den DFB ersetzen, wenn ihr Verhalten Grund für die Sanktion ist. Der Bundesgerichtshof entschied diese Grundsatzfrage heute im Urteil gegen einen Böllerwerfer, dessen Knallkörper bei einem Heimspiel des 1. FC Köln sieben Zuschauer verletzt hatte.

Wegen des Vorfalls und einiger früherer Vorkommnisse verhängte der DFB gegen den 1. FC Köln unter anderem eine Geldsstrafe von 50.000 Euro. Von diesem Betrag wollte der Fußballverein 30.000 Euro von dem Krawallo wiederhaben. Das Landgericht Köln verurteilte den Mann, das Oberlandesgericht Köln verneinte dagegen eine Zahlungspflicht.

In letzter Instanz schlägt sich der Bundesgerichtshof nun auf die Seite des 1. FC Köln. Die Vereinsstrafe sei nicht nur eine mehr oder weniger zufällige Folge des Fan-Fehlverhaltens. Vielmehr stehe sie in einem inneren Zusammenhang mit dem Böllerwurf. Auch die Verbandsregeln dienten letztlich dazu, die Fans zu disziplinieren. Das Oberlandesgericht Köln hatte einen so weitgehenden „Zurechnungszusammenhang“ ausdrücklich verneint.

Vom Urteil gibt es bislang nur eine kurze Zusammenfassung in Form einer Pressemitteilung. Es lässt sich also nicht sagen, wie überzeugend der Bundesgerichtshof die sehr weitgehende Haftung von Fußballfans begründet (Aktenzeichen VII ZR 14/16).