Die sogenannte „Öffentlichkeitsfahndung“ wird immer beliebter. Früher hieß das Steckbrief. Wie man eine Öffentlichkeitsfahndung nicht machen sollte, zeigt die Kriminalpolizei aus dem bayerischen Ansbach.
Nach einem Diskobesuch soll eine Frau von mehreren Männern vergewaltigt worden sein. Die Polizei konnte vor Ort keine Täter ermitteln, auch die Befragung von Zeugen blieb ohne Ergebnis. Deshalb startet die Polizei jetzt eine „Öffentlichkeitsfahndung“ nach vier Männern. Die Überwachungskamera in der Diskothek hat die Männer aufgenommen. Die Bilder stellt die Polizei ins Internet.
Aus dem Fahndungsaufruf erfährt man:
„Die Ermittlungsmaßnahmen haben bisher jedoch nicht zur Identifizierung der Tatverdächtigen geführt.“
Dabei bleibt an dieser Stelle des Textes völlig offen, ob die abgebildeten Personen die Tatverdächtigen sind und ob deswegen nach ihnen gefahndet wird.
Außerdem heißt es:
„Die Ermittlungen ergaben, dass sich die Frau in den Stunden vor der Tat mit vier unbekannten Männern in der Diskothek aufgehalten hatte. Diese können möglicherweise wichtige Angaben zur Tat machen. Daher wenden sich die Ermittler nun mit folgenden Fragen an die Bevölkerung:
Wer kann Angaben zur Identität der Männer machen?
Wer hat in der betreffenden Nacht Fotos oder Videos gemacht, auf welchen die abgebildeten Personen zu sehen sind? Wer hat Wahrnehmungen zu dem Übergriff gemacht und kann hierzu sachdienliche Hinweise geben?“
Der Satz „Diese können möglicherweise wichtige Angaben zur Tat machen“ wirft erstmals die berechtigte Frage auf, welchen juristischen Status die Männer haben. Sind sie Beschuldigte? Oder Zeugen? Für letzteres spricht wenigstens zwischen den Zeilen, dass man wohl nur in einem schlechten Krimi auf die Idee kommen würde, bislang optisch, aber namentlich nicht bekannten Beschuldigten höflich um Kontaktaufnahme zu bitten, damit sie doch freundlichst aus ihrer Sicht den Ablauf der Vergewaltigung schildern.
Für eine Beschuldigtenrolle der Betreffenden spricht aber wieder der Absatz, der die Leser fragt, ob sie Angaben zur Identität der Männer machen können. Wenn die Männer nur Zeugen sind, wäre es an dieser Stelle mehr als angebracht, auch sie anzusprechen, und zwar so:
„Wenn Sie sich auf den Fotos wiedererkennen, melden Sie sich bitte bei der Kriminalpolizei Ansbach. Sie können als Zeuge möglicherweise wichtige Angaben machen.“
So bleibt der gesamte Aufruf ambivalent zur juristischen Rolle der Gesuchten. Das ist aber nicht zulässig – und es kann sogar zu Schadensersatzansprüchen der Betroffenen gegen das Land Bayern führen. Immerhin greift jeden Öffentlichkeitsfahndung tief in die Persönlichkeitsrechte ein. Die Reputation der Männer ist mit einiger Sicherheit hinüber. Man kann nämlich nie beweisen, eine Tat nicht begangen zu haben. Anders gesagt: Es bleibt immer was hängen.
Genau deshalb untersagt die Strafprozessordnung so einen ambivalenten Fahndungsaufruf. In § 131b StPO ist ausdrücklich vorgeschrieben:
„Die Veröffentlichung muss erkennbar machen, dass die abgebildete Person nicht Beschuldigter ist.“
Das wird in dem Aufruf schlicht nicht hinreichend deutlich. Sofern ein Richter den Fahndungsaufruf tatsächlich in dieser Form abgesegnet hat, ist das ein Armutszeugnis.