Tauben gefüttert, Wohnung futsch

Wer aus dem Fenster einer Mietwohnung mehrmals täglich Tauben füttert, riskiert die Wohnungskündigung. So hat es das Amtsgericht Nürnberg entschieden.

Bis zu 30 Tauben lockte ein Wohnungsmieter an, wenn er mehrfach täglich Futter auf die Fensterbank seiner Wohnung streute. Die Wohnung liegt im vierten Stock. Nicht nur der Vermieter, auch Nachbarn hatten sich über die Taubenfütterung beschwert.

Da der Beklagte auf Abmahnungen und eine vorherige (ordentliche) Kündigung nicht reagierte, kündigte der Vermieter wegen nachhaltiger Störung des Hausfriedens fristlos. Zu Recht, so das Amtsgericht Nürnberg in seinem mittlerweile rechtskräftigen Urteil (Aktenzeichen 14 C 7772/15).

Jeder Fünfte muss zur Nacktkontrolle

Bei der Disziplinierung ihrer Truppen waren die Römer einfallsreich. Im Falle schwerer Vergehen, etwa Meuterei oder Feigheit vor dem Feind, konnte der Kommandant eine Dezimation anordnen. Jeder Soldat, auch die Offiziere (mit Ausnahme des Heerführers), mussten ein Los ziehen. Jeder zehnte hatte dann eine richtig fette Niete in der Hand, nämlich sein Todesurteil. Das durften die „glücklichen“ Kameraden dann gleich durch Prügel vollstrecken.

In einer Folge der Fernsehserie Spartacus (Amazon-Partnerlink) kann man sich das sehr schön anschauen. Und auch welche Tricks und Kniffe es gab, aus der Sache rauszukommen. Zumindest, wenn man der Sohn des Chefs ist.

Keine Regel also ohne Ausnahme. Bis zur bayerischen Justizverwaltung hat sich diese Erkenntnis aber noch nicht rumgesprochen, obwohl eigentlich ausreichend Zeit gewesen wäre. Zumindest in der Haftanstalt Straubing praktizierte man bisher nämlich ein Ritual, bei dem auch Gefangene nach strenger Arithmetik einem zwar nicht tödlichen, aber dennoch entwürdigenden Akt unterzogen wurden. Einer Nacktkontrolle nämlich, mit Inaugenscheinnahme aller Körperöffnungen. Jeden fünften Gefangenen, der Besuch von draußen erwartete, musste es laut Anordnung treffen.

Das Bundesverfassungsgericht hat diese Pauschalkontrolle in der praktizierten Form nun kassiert. Und zwar mit einer Begründung, die auf viele Standardmaßnahmen zutreffen wird, die so in Gefängnissen praktiziert werden. Dass jeder Fünfte kontrolliert werden soll, lässt das Gericht noch als „Einzelanordnung“ durchgehen, wenn auch mit Bauchschmerzen. Was aber gar nicht gehe sei das Fehlen jeder Ausnahme für diesen heftigen Grundrechtseingriff. Das heißt, zumindest in den Fällen, in denen auch das Personal beim besten Willen nicht davon ausgehen kann, dass der Gefangene das Besuchsrecht missbraucht, muss von der Kontrolle abgesehen werden können.

Nur so, befindet das Gericht, sei ein „gerechter Ausgleich zwischen dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht, der Wahrung der Intimsphäre des Gefangenen und dem Sicherheitsinteresse der Vollzugsanstalt zu erreichen“ (Aktenzeichen 2 BvR 06/16).

Vorsicht vor Word-Dateien

Auf etwas verschlungenen Wegen ist den Behörden eine Word-Datei in die Hände gefallen. Den Ausdruck kann man mit etwas Anstrengung so lesen wie das Protokoll von Drogenkonsum. Oder, aus anderer Richtung betrachtet, als Dokumentation eines längerdauernden, wechselhaften Entzugs („heute viel geschwitzt, trotzdem 36 Stunden durchgehalten“).

In dem Papier steht nicht konkret, was für Betäubungsmittel konsumiert wurden. Es sei denn natürlich, „1/8 Nase“ ist nur mir nicht als eindeutige Stoffbezeichnung bekannt. Aber die werte Staatsanwaltschaft betrachtet das Papier tatsächlich als hinreichenden Beleg dafür, dass mein Mandant in dem fraglichen Zeitraum jeweils „Konsumeinheiten“ zu sich genommen hat. Und zwar, da legt man sich einfach mal fest, Heroin.

Mir fällt dazu erst mal ein, dass man so eine Word-Datei auch als Entwurf einer Kurzgeschichte oder den Anfang eines Romans lesen kann. Beweise, dass hier tatsächlich ein echter Drogenkonsum dokumentiert wird, nennt die Anklageschrift nicht. Es gibt auch keine. Jedenfalls keine, die ich in der Ermittlungsakte hätte finden können.

Überhaupt nichts gibt das Dokument im übrigen dafür her, woher die vermeintlichen Betäubungsmittel kamen oder wo sie mein Mandant konsumiert haben soll. Das ist insofern wichtig, weil die Anklage ja auf Besitz lautet. Lauten muss. Denn, das weiß natürlich eine bemühte Staatsanwältin, der bloße (sofortige) Konsum von Betäubungsmitteln ist gar nicht strafbar.

Zu so einer Anklage kann ich nur sagen: So was könnte man sich auch sparen – wenn man nicht auf Bauchplatscher vor Gericht steht. Ich wette gegen mich schon mal fünzig Nasen (hier bitte beliebige Währung und Stückelung einsetzen) zu Gunsten von Amnesty International, dass diese Anklage nicht zugelassen wird.

Ach, sagen wir hundert Nasen.

Anwälte: Keine Dienstreisen vor sechs Uhr morgens

Mal wieder eine Entscheidung für den vielreisenden Anwalt. Sie stammt vom Oberlandesgericht Naumburg:

Erstattungsfähige Prozesskosten sind auch die Übernachtungskosten eines Rechtsanwalts, wenn es diesem nicht zuzumuten ist, am Terminstag anzureisen. Ihm kann nicht abverlangt werden, die notwendige Anreise zum Terminsort zur Nachtzeit anzutreten. Als Nachtzeit ist in Anlehnung an § 758a Abs. 4 ZPO die Zeit von 21.00 Uhr bis 6.00 Uhr anzusehen.

Bei der Anreisezeit darf laut dem Beschluss nicht die bloße Fahrtzeit angesetzt werden. Zunächst ist der Anwalt nicht verpflichtet, erst in letzter Minute zu erscheinen. Darauf legen ja auch die Gerichte durchaus Wert, wie zutreffend festgestellt wird. Außerdem muss bei der Reisezeit ein Puffer für eventuelle Staus eingerechnet werden und auch für Pausen (zumindest bei einer Strecke von knapp 300 Kilometern). Interessanterweise erwähnt das Gericht, dass der Anwalt damals schon „über 70 Jahre alt“ war, weswegen ihm mutmaßlich eine extralange Pause zugebilligt worden wäre.

Letztlich kommt es also darauf an, ob man als Anwalt unter Einrechnung all dieser Faktoren vor sechs Uhr morgens losfahren musste, um pünktlich bei Gericht zu sein. Ist das der Fall, darf eine Übernachtung berechnet werden.

Link zur Entscheidung / Detlef Burhoff zum gleichen Thema

Sehr schöner Einstieg

Wie spricht man per Mail einen Anwalt auf ein Beratungsmandat an? Der Einstieg in einer Mail hat mir sehr gut gefallen. Deswegen möchte ich die Mail einfach zitieren:

Guten Tag Herr Vetter,

recht herzlichen Dank für die schnelle und ausführliche Antwort.

Ich würde Ihnen, wenn ich darf, kurz die Situation schildern um eventuell zu erfahren wie die Erfolgschancen für mich stehen. Selbstverständlich bin ich bereit für Ihre Auskünfte zu bezahlen – hierfür finden Sie meine Rechnungsadresse am Ende dieses Schreibens.

Ich lebe in der Nähe von …

Es sind noch Freisprüche da

Mit einer Richterin habe ich heute einen Verhandlungstermin abgesprochen. Für den 3.1., 8.30 Uhr.

„Ich hoffe, dass die bekannte Weihnachtsmilde zu dem Zeitpunkt noch etwas anhält“, sagte ich. „Ach, das ist meine erste Sitzung im neuen Jahr. Da sind noch jede Menge Freisprüche und Einstellungen drin, was die Quote halt so hergibt.“

Das mit der Quote war natürlich ein Scherz. Ich bin trotzdem guter Dinge.

Die Anwaltsrobe bleibt namenlos

Die Anwaltsrobe bleibt als „Werbefläche“ tabu. Das hat der Bundesgerichtshof entschieden, siehe auch diesen Bericht im law blog. Der Kölner Anwalt Dr. Martin Riemer wollte auf seine Anwaltsrobe seinen Namen und die Internetadresse seiner Kanzlei drucken. Das hat ihm die Anwaltskammer aber untersagt.

Nun liegt die schriftliche Urteilsbegründung vor. Man kann sich also nun selbst ein Bild davon machen, welch unglaublich wichtige Funktion die Anwaltsrobe selbst heute noch haben soll.

Der in letzter Instanz unterlegene Kollege Dr. Riemer sucht seine Zuflucht in einer ersten Stellungnahme im Humor:

Das alles wäre wirklich etwas für einen Loriot-Sketch gewesen, die Rechtsanwälte Müller-Lüdenscheidt und Dr. Klöbner nicht in der Badewanne, sondern im Gerichtssaal: Die Robe bleibt draußen.

In der Sache kritisiert Riemer vor allem, dass der Bundesgerichtshof argumentativ zwar alle Register zieht. Aber elegant die Frage umgeht, ob die gesetzliche Regelung, wonach Anwaltswerbung nur zulässig ist, wenn sie sachlich ist, heute tatsächlich noch Bestand haben kann. Riemer verweist beispielsweise auf die weitaus laxere Berufsordnugn der Wirtschaftsprüfer, die lediglich „unlautere“ Werbung untersagt.

Berufsrechtlich wohl weniger problematisch wäre vielleicht die Fachanwaltsrobe (Bericht aus dem Jahr 2014). Bislang habe ich allerdings noch niemanden gesehen, der so ein Teil im Gerichtssaal trägt.

Notorische Falschparker riskieren Führerschein

Schlechte Nachrichten für notorische Falschparker, die sich Strafzettel problemlos leisten können. Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden, dass bei beharrlichen Parkverstößen die Fahrerlaubnis entzogen werden kann – und zwar unabhängig vom Punktestand in der Flensburger Verkehrssünderkartei.

Das Auto des Betroffenen war zwischen Januar 2014 und Januar 2016 in Berlin 83-mal falsch geparkt; außerdem gab es fünf weitere Ordnungswidrigkeiten. Daraufhin entzog das Landesamt für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten dem Mann sofort vollziehbar die Fahrerlaubnis. Dieser hatte sich geweigert, seine Fahrtauglichkeit durch ein ein Gutachten (MPU) überprüfen zu lassen.

Durch dauerndes Falschparken zeigt ein Autofahrer nach Auffassung der Richter, dass ihm die Farheignung fehlt. Der Betreffende dokumentiere durch sein Verhalten, dass er nicht willens sei, „die im Interesse eines geordneten, leichten und ungefährdeten Verkehrs geschaffenen Ordnungsvorschriften einzuhalten“. Der Mann wandte ein, meist habe seine Frau falsch geparkt. Das lassen die Richter nicht gelten. Wer nichts dagegen unternehme, dass andere Personen mit seinem Auto ständig falsch parken, zeige auch dadurch einen charakterlichen Mangel (Aktenzeichen 11 K L 432.16).

Rechnungshof prüft Bundesrichter

Der Bundesrechnungshof hat mal ganz oben in der Justiz angeklopft. Beim Bundesgerichtshof nämlich. Dort wollte man prüfen, in welchem Umfang Bundesrichter außerhalb ihres eigentlichen Amtes tätig sind.

Heraus kam wenig Überraschendes: Bundesrichter sind so stark mit Nebentätigkeiten eingespannt, dass der Rechnungshof Gefahren für die Leistungsfähigkeit der Senate sieht. Die klare Empfehlung soll lauten, Nebentätigkeiten nicht mehr so großzügig zu genehmigen wie bisher, berichtet die Legal Tribune Online.

Ganz einfach scheint die Prüfung nicht gewesen zu sein. Die betroffenen Richter haben sich der Herausgabe ihrer Personalakten an den Rechnungshof widersetzt. Mein Tipp an den Rechnungshof wäre, einfach mal die Kataloge juristischer Seminaranbieter zu wälzen. Man könnte dort recht einfach rausschreiben, auf wie vielen Fortbildungsveranstaltungen so mancher Bundesrichter an Werktagen doziert, und zwar mitunter fließbandmäßig immer zum selben Thema. Da dürften ganz beachtliche Zeiten zusammenkommen, für die der Richter definitiv ausfällt.

Der abschließende Prüfbericht des Rechnungshofs wurde als vertraulich eingestuft. Der Bundesgerichtshof soll lediglich erklärt haben, er nehme das Ergebnis zur Kenntnis und werde den Umsetzungsbedarf „sorgfältig und aufgeschlossen auswerten“.

Ein alter Mann ist – ein alter Mann

Wer einen alten Mann einen alten Mann nennt, äußert noch keine strafbare Beleidigung. So sieht es zumindest das Oberlandesgericht Hamm. Die Richter hoben ein Urteil des Landgerichts Dortmund teilweise auf.

Der Angeklagte hatte sein Opfer nicht nur vermöbelt (dafür wurde er wegen Körperverletzung verurteilt), sondern auch als „alten Mann“ bezeichnet. Da das Opfer Jahrgang 1957 ist, vermochte das Oberlandesgericht hierin keine Beleidigung zu erkennen.

Eine Tatsachenbehauptung – Beweis: Lebensalter des Geschädigten – sei nur dann beleidigend, wenn sich aus besonderen Umständen ergebe, dass hiermit eine gezielte Herabwürdigung zum Ausdruck gebracht wird. Hierzu hatte die Vorinstanz lediglich festgestellt, der Angeklagte habe seine Äußerung „abfällig“ gemeint. Das sei aber lediglich eine Wertung. Hierauf könne ein Strafurteil nicht gestützt werden (Aktenzeichen 1 RVs 67/16).

Familiengericht: Die Türkei ist ein gefährliches Land

Wenn ein Elternteil mit seinem Kind in ein gefährliches Land reisen will, muss auch im Falle des Getrenntlebens der andere Elternteil zustimmen – sofern er gleichberechtigtes Sorgerecht hat. Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main entschied dies jetzt im Falle einer Mutter, die mit ihrem Kind eine Reise in die Türkei plante. Der getrennt lebende Vater hatte sich dagegen gewehrt.

Die Mutter wollte mit dem Kind Badeurlaub in Side machen. Der Vater hielt das für unsicher. Das Oberlandesgericht weist zunächst darauf hin, dass eine Türkei-Reise bei der aktuellen Sicherheitslage keine „Angelegenheit des täglichen Lebens“ ist. Bei einer Angelegenheit des täglichen Lebens dürfte der Elternteil, bei dem das Kind lebt, allein entscheiden.

Vielmehr, so das Gericht, sei auch die Zustimmung des anderen Elternteils erforderlich. Die Regierung der Türkei habe inzwischen den Ausnahmezustand ausgerufen. Es sei als Folge des Putschversuchs zu Massenverhaftungen sowie zu Regierungsentscheidungen gekommen, die für eine Vielzahl von Betroffenen in der Türkei von existenzieller Bedeutung sind. Bei dieser Sachlage bestehe eine konkrete Gefahr, dass es in der Türkei Unruhen ausbrechen, die auch Auswirkungen auf die Urlaubsregionen haben können (Aktenzeichen 5 UF 206/16).

Gericht entwaffnet Rocker

Schon die Mitgliedschaft in einer Outlaw Motorcycle Gang wie den „Hells Angels“ oder den „Bandidos“ begründet für das Verwaltungsgericht Aachen die waffenrechtliche Unzuverlässigkeit. Im Falle eines Mitglieds des Rockerclubs „Gremium MC“ entschied das Gericht im Eilverfahren, dass dem Mann wohl zu Recht der Waffenschein abgenommen wurde.

Der Betroffene ist Mitglied im „Gremium MC“, aber ansonsten strafrechtlich noch nicht aufgefallen. Das Euskirchener Chapter, dem er angehört, ist wohl selbst noch nicht sonderlich aufgefallen. Gleichwohl gehört der Rockerclub nach Auffassung des Verwaltungsgerichts aufgrund seiner Einbindung in die europaweite Struktur von „Gremium“ zu den sogenannten „1%-Clubs“. Diese grenzen sich sich durch Nähe zu Gewaltkriminalität, Rotlichtmilieu, Drogen- und Waffenhandel von den unbedenklichen 99 % der anderen Motorradclubs ab. Problematisch sieht das Gericht auch den strengen Ehrenkodex des „Gremium MC“ und die Gefahr gewalttätig ausgetragener Konflikte mit der „Konkurrenz“.

Deshalb bestehe bei dem Betroffenen insgesamt die naheliegende Gefahr, dass er die ihm erlaubten Waffen missbräuchlich verwendet. Die Entziehung des Waffenscheines durch die Stadtverwaltung sei also rechtmäßig. Gegen die Eilentscheidung kann der Mann Beschwerde einlegen (Aktenzeichen 6 L 858/16).

Die Gewinner

rak-17-2-30

Im law blog gab es zehn Anwaltskalender 2017 des Karikaturisten wulkan zu gewinnen (Link zum Gewinnspiel). Nun stehen die Gewinner fest:

7dabu
Saunagänger
Alwin Werner
Göre
Sebastian
MrTom
Christian Abele
Mad Scientist
Neo
Helmut

Die Gewinner wurden bereits per Mail benachrichtigt. Allen anderen herzlichen Dank für die Teilnahme.

Wer trotzdem einen Anwaltskalender 2017 haben möchte, kann direkt beim Zeichner einen Kalender ordern. Der Preis beträgt 20,95 Euro zzgl. 5,00 Euro Versandkostenpauschale.

Bestellungen sind schnell und unkompliziert möglich unter wulkan@arcor.de oder telefonisch unter 0172-200 35 70. Über den Buchhandel ist der Anwaltskalender nicht erhältlich.

rak-17-8-30

Manchmal schaut man besser ins alte Gesetz

Kein Staatsanwalt hat es gern, wenn ihn jemand beim Plädoyer unterbricht. Schon gar nicht, wenn es sich um den garstigen Verteidiger handelt, der ihm schon den ganzen Prozesstag über Verdruss bereitet hat.

Mitunter ist dies jedoch für mich als Verteidiger unumgänglich. Nämlich dann, wenn sich der Vortrag des Anklagevertreters, sagen wir es mal modern, im Postfaktischen bewegt. Das ist momentan ziemlich regelmäßig der Fall, wenn ich Angeklagte verteidige, die wegen eines Verstoßes gegen § 184b StGB angeklagt sind.

So auch gestern wieder. Der Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft, ein Rechtsreferendar, hielt sich bei seinem Plädoyer an den üblichen Aufbau, wie er in allen Lehrbüchern steht. Im letzten Drittel sagte er erwartungsgemäß den folgenden Satz:

Fraglich ist, wie der Angeklagte zu bestrafen ist. Das Gesetz sieht für den Besitz von Kinderpornografie einen Strafrahmen von bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe oder Geldstrafe vor.

Tja, so steht das tatsächlich im Gesetz. Und zwar seitdem die letzte Ergänzungslieferung in den Schönfelder des Rechtsreferendars gelangt ist. Der Schönfelder ist diese berühmte, rot eingeschlagene Gesetzessamlung aus losen Blättern. Sie wird auch „Ziegelstein“ genannt. Vor ein paar Monaten hat der Referendar also brav nach Erhalt der neuesten Ergänzungslieferung viele, viele Blätter ausgetauscht. Somit ist sein Gesetz wieder auf dem neuesten Stand.

Allerdings sollte man schon daran denken, dass der „neuste Stand“ im Strafrecht nicht immer richtige Stand ist. Wir verhandelten einen Fall, in welchem dem Angeklagten Besitz im Jahre 2011 vorgeworfen wurde. Man muss da also nicht fragen, welches Strafgesetz am 24. November 2016 gilt, sondern welches Strafgesetz am 29. April 2011 galt. Und wenn beide Gesetze unterschiedlich sein sollten, muss man prüfen, welches von beiden das mildere Gesetz ist.

Hier lag der Fall einfach. Mit der Gesetzesänderung zum 27. Januar 2015 wurden die Strafen im § 184b deutlich angehoben. Besitz von Kinderpornografie wurde vorher mit maximal zwei Jahren Freiheitsstrafe bestraft. Jetzt sind es drei.

Ohne meine kleine Intervention hätte der Anklagevertreter die Strafe also in einem Strafrahmen gefunden, dessen Spielraum er um ein Drittel überschätzte. Immerhin reagierte der Betreffende recht souverän auf meinem Hinweis – er nahm ihn dankend an. Was aber auch nicht schwierig war, denn ich hatte die unterschiedlichen Gesetzesfassungen schon mal ausgedruckt mitgebracht. Auch der Richter ließ sich ein Exemplar geben. Wobei ich allerdings nicht ergründen konnte, ob er die Gesetzesänderung schon von sich aus im Auge gehabt hatte.

Für den – weitgehend geständigen – Mandanten kam dann ein erfreuliches Ergebnis zustande. Der Anklagevertreter plädierte ersichtlich milde, nämlich auf eine Geldstrafe. Wobei ich weiß, dass dieser Richter in solchen Fällen entsprechend dem Mainstream an den Amtsgerichten eigentlich immer Freiheitsstrafen verhängt, wenn auch auf Bewährung. Aber heute wollte der Richter dann anscheinend nicht päpstlicher sein als der Papst. Er beließ es bei der Geldstrafe.

Für ein lustiges Anwaltsjahr

rak-17-6-30

Rechtzeitig vor dem Wochenende wollte ich noch mal auf die Verlosung hinweisen, die gerade im law blog läuft. Es gibt zehn zehn Anwaltskalender 2017 des Karikaturisten wulken zu gewinnen.

Näheres zum Anwaltskalender 2017 und zum Gewinnspiel steht hier in der Ankündigung. Wer noch teilnehmen möchte, kann dies ebenfalls mit einem Kommentar dort drüben machen.

Wer sich nicht auf sein Glück verlassen will, kann natürlich auch sehr gerne bei wulkan einen Kalender ordern. Der Preis beträgt 20,95 Euro zzgl. 5,00 Euro Versandkostenpauschale.

Bestellungen sind schnell und unkompliziert möglich unter wulkan@arcor.de oder telefonisch unter 0172-200 35 70. Über den Buchhandel ist der Anwaltskalender nicht erhältlich.

rak-17-10-30