Vor Gericht und auf hoher See ist man bekanntlich in Gottes Hand. Möge die Macht der Schicksalslotterie also mit einem sein – auch vor Deutschlands höchsten Strafrichtern. Dabei hatte ein Angeklagter, der – zusammengefasst – einen anderen mit Gewalt um dessen Rauschgift brachte beziehungsweise hierzu anstiftete, sogar zuerst noch Glück.
Sein Fall kam zum 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs. Der vertrat in einem früheren Fall die Auffassung, dass man – auch wieder zusammengefasst – einem anderen dessen Betäubungsmittel zwar wegnehmen kann, sich aber deswegen nicht so richtig strafbar macht. Verbotene Ware sei nicht so von der Rechtsordnung geschützt wie etwa ein BMW X 5.
Da andere Strafsenate das seit jeher anders sehen und auch Drogenbesitzer vor Langfingern, Räubern und Erpressern „schützen“, tat der 2. Strafsenat seine abweichende Auffassung in einem Beschluss kund. Im Anschluss daran läuft – wiederum gerafft dargestellt – eine Art Abstimmungsverfahren, und falls die Meinungsverschiedenheit nicht beigelegt werden kann, entscheidet am Ende der Große Senat für Strafsachen.
Nun könnte man meinen, dass wenigstens der 2. Strafsenat sich bei künftigen Entscheidungen auch auf seine (neue) Rechtsauffassung stützt, die er gerade formuliert hat. Aber genau das ist nicht der Fall. Während die anderen Strafsenate noch über ihren Stellungnahmen zu dem Vorstoß brüten, hat der 2. Strafsenat jetzt den zunächst sicher extrem hoffnungsvollen Angeklagten ungerührt verknackt. Und zwar genau mit der juristischen Begründung, die der 2. Strafsenat eigentlich als überkommen ansieht.
So was fällt natürlich auf, und so rechtfertigt sich das Gericht in dem Beschluss vorsorglich selbst:
Ebenso wenig ist ein anfragender Senat gehindert, bei Vorliegen einer Binnendivergenz zwischen verschiedenen Sitzgruppen abweichend von seiner eigenen Anfrage zu entscheiden. Der Anfragebeschluss entfaltet keine Sperrwirkung.
Zur Erläuterung: Der Senat ist die Gesamtheit der Richter. Die „Sitzgruppe“ sind einzelne Richter aus dem Senat, die gemeinsam ein Urteil fällen. Im Senat gibt es normalerweise mehr Richter, als für ein Urteil erforderlich sind. Die Richter entscheiden also in wechselnden Zusammensetzungen. Wie sich so eine „Sitzgruppe“ zusammenwürfelt, ist auch so eine Frage endloser juristischer Debatten. Oft genug wird kritisiert, dass es mit der gebotenen Transparanz, welche Richter denn nun konkret welchen Fall bekommen, nicht zum Besten gestellt ist. Aber das ist ein anderes Thema.
Verblüffend an dem vorliegenden Fall ist, dass der arme Angeklagte nun von folgenden Richtern all seiner Hoffnungen beraubt wurde. Diese heißen:
Fischer, Zeng, Appl, Bartel, Eschelbach
Diese Richter distanzieren sich als gemäß dem obigen Zitat von den Kollegen im eigenen Senat, welche die neue Rechtsauffassung propagiert und die Anfrage bei den anderen Senaten angeschubst haben. Schauen wir uns die Mitglieder dieser ursprünglichen „Sitzgruppe“ an. Deren Mitglieder sind folgende Richter:
Fischer, Zeng, Krehl, Bartel, Eschelbach
Nur ein Richter ist also unterschiedlich. Und auch bei richterlichen Entscheidungen gilt im Kern das Mehrheitsprinzip. Aber dafür kann sich der nun abgeblitzte Angeklagte natürlich nichts kaufen. Wie es zu der Entscheidung kam, unterliegt dem Beratungsgeheimnis.
Ich frage mich nur, wie es die Richter denn empfinden, wenn sie jetzt den Angeklagten verurteilen, ihr ursprünglicher und ja durchaus nachvollziehbar begründeter Vorstoß aber irgendwann zur angestrebten Änderung der Rechtsprechung führt. Gilt natürlich nur für die Zukunft, können sie dann sagen. Merkwürdig bleibt das ganze aber schon. Wenn man Gerichtshöfe nicht für einen Lotteriebetrieb hält.
Zum Thema auch RA Detlef Burhoff, dort finden sich auch die Links zu den einzelnen Beschlüssen.