Richter bewerten Arbeit eines Kollegen als „Frechheit“

Ein Kölner Amtsrichter hat sich von der übergeordneten Instanz die Höchststrafe eingehandelt. Die Richter der zuständigen Berufungskammer am Landgericht schreiben in ihrer Entscheidung, das Urteil des Amtsrichters sei „schlicht eine Frechheit“. Wegen gravierender Mängel liege gar kein Urteil vor, sondern allenfalls ein unwirksames „Scheinurteil“.

Statt eine Urteilsbegründung zu schreiben, bemühte der Amtsrichter den Kopierer, berichtet die Legal Tribune Online. Er kopierte die Anklageschrift ins Urteil, dann das Sitzungsprotokoll sowie die Verteidigungsschrift eines Anwalts. Letztere war noch nicht einmal in das Verfahren eingeführt worden. Trotzdem behandelte der Amtsrichter die Stellungnahme des Anwalts als Aussage des Angeklagten. Nennenswerte eigene Ausführungen des Richters finden sich in den Entscheidungsgründen nicht.

Mangels eigener Leistung des Amtsrichters war das Landgericht schon gar nicht in der Lage, in dem „Urteil“ die gesetzlich vorgeschriebene Beweiswürdigung zu entdecken. Trotz der hohen Arbeitsbelastung von Amtsrichtern schade so ein grober Verstoß gegen die Strafprozessordnung „auch und gerade dem Strafverfolgungsinteresse der Allgemeinheit“.

Als vertrauensbildende Maßnahme wird man die Arbeit des Richters in der Tat kaum werten dürfen. Das Landgericht sah sich angesichts dieser Katastrophe sogar veranlasst, zwei Straftatbestände zu erwähnen: Strafvereitelung im Amt (§ 258a StGB) und Rechtsbeugung (§ 339 StGB).

Gut möglich, dass es für den Amtsrichter noch dicker kommt (Aktenzeichen 152 Ns 59/15).

Weißes Pulver: Nicht strafbar, aber vielleicht sehr teuer

Bundesweit werden derzeit Behörden und Gerichte lahmgelegt, weil Unbekannte weißes Pulver in Briefumschlägen versenden. Auch im Bundesverfassungsgericht ist ein verdächtiger Brief eingegangen, berichtet die Tagesschau. Da stellt sich natürlich auch die Frage, wie die Absender der Briefe zu bestrafen wären, sollten sie ermittelt werden.

Die Staatsanwaltschaft Karlsruhe ermittelt nach eigenen Angaben wegen „Störung des öffentlichen Friedens durch die Androhung von Straftaten“ (§ 126 StGB). Das ist – überraschenderweise – auch so ziemlich der einzige Straftatbestand, der möglicherweise anwendbar ist.

Allerdings ist es eher so, dass man am Ende nicht mal § 126 StGB wird bejahen können.

Zwar kann auch auf schlüssige Weise mit einer Straftat gedroht werden. Aber die Übersendung des Pulvers ist ja keine „Androhung“, sondern jedenfalls schon der konkrete Versuch einer Straftat (z.B. einer Vergiftung). Schon deswegen passt die Strafvorschrift letztlich nicht. Der Absatz 2 (Vortäuschen einer bevorstehenden Verwirklichung) kann sich nur auf die Taten Dritter beziehen. Für den Absender des Pulvers selbst gilt diese Norm gar nicht.

Am Ende wird also wohl nur eine Ordnungswidrigkeit bleiben. Nämlich in Form einer „Belästigung der Allgemeinheit“, früher auch grober Unfug genannt (§ 118 OWiG). Dafür kann eine Geldbuße von maximal 1.000 Euro verhängt werden.

Eine andere Frage ist, ob der oder die Verantwortlichen am Ende für die Kosten von Polizei, Feuerwehr und Rettungsdiensten aufkommen müssen. Das richtet sich nach Polizeirecht. Hier sind die Voraussetzungen völlig andere als bei der Strafbarkeit. Für die Ersatzpflicht kann schon die vorsätzliche oder fahrlässige Herbeiführung einer „Gefahr“ reichen. Und das unabhängig davon, ob sich die Gefahr am Ende verwirklicht.

Führerscheine werden ungültig

Ziemlich genau in einem Jahr kann es für die Fahrer von Klein-Lkw eine böse Überraschung geben. Ihr Führerschein ist dann möglicherweise nicht mehr gültig. Die Geltung der Fahrerlaubnisklassen C1 und C1E ist nachträglich auf fünf Jahre befristet worden. Und zwar rückwirkend ab dem 19. Januar 2013. Das bedeutet, nächstes Jahr im Januar werden die ersten Führerscheine ungültig, wenn sich die Inhaber nicht rechtzeitig um eine Verlängerung bemühen.

Grund für die nachträgliche Befristung ist nach Angaben der Bundesregierung ein Vertragsverletzungsverfahren, das die EU-Kommission gegen die Bundesrepublik eingeleitet hat. Um dem Verfahren den Wind aus den Segeln zu nehmen, ist die nachträgliche Befristung nun in Kraft getreten.

Betroffen sind zunächst alle Fahrerlaubnisse der Klassen C1 und C1E, die ab den 19. Januar 2013 erteilt wurden. Diese Fahrerlaubnisse gelten nur noch fünf Jahre ab Erteilung. Sie können verlängert werden. Hierfür müssen die Antragsteller aber eine Gesundheitsprüfung ablegen. Dabei wird unter anderem das Sehvermögen neu getestet.

Tückisch ist die Neuregelung vor allem für Inhaber von relativ neuen Fahrerlaubnissen (ausgestellt ab dem 19. Januar 2013), bei denen im Führerschein noch eine Befristung auf das 50. Lebensjahr eingetragen ist. Diese Befristung ist ab sofort nicht mehr gültig. Das bedeutet: Wer die Fahrerlaubnis länger als fünf Jahre hat und jünger als 50 Jahre alt ist, kann sich bei einer Kontrolle nicht darauf berufen, dass sein Führerschein ausweislich des Eintrags im Feld „Befristung“ bis zum 50. Lebensjahr gilt.

Vielmehr ruft das Verkehrsministerium Baden-Württemberg die Betroffenen konkret dazu auf, ihre Führerscheine umschreiben und an die neue Rechtslage anpassen zu lassen. Wer am Steuer erwischt werde, riskiere ein Strafverfahren.

Für ältere Fahrerlaubnisse ändert sich dagegen nichts. Ist die Fahrerlaubnis zwischen dem 1. Januar 1999 und dem 18. Januar 2013 erteilt worden, bleibt es bei der Befristung bis zur Vollendung des 50. Lebensjahres. Danach muss dann ebenfalls eine Gesundheitsprüfung abgelegt werden, aber das war bisher auch schon so.

Ebenfalls nicht betroffen sind Fahrerlaubnisse der alten Klasse 3 (erteilt vor dem 31. Dezember 1998). Für diese Fahrer gilt Bestandsschutz. Sie dürfen mit der Klasse C1 und C1E auch über das 50. Lebensjahr hinaus Klein-Lkw fahren, ohne eine Gesundheitsprüfung machen zu müssen.

Zu allem Überfluss ändert sich auch noch der Geltungsbereich „neuer“ Fahrerlaubnisse der Klassen C1, C1E, C und CE. Ab einem Gesamtgewicht von 3.500 kg dürfen keine Personen mehr befördert werden. Wer dies machen möchte, braucht künftig die Fahrerlaubnis Klasse D1 oder D1E. Aber auch hier gibt es wieder eine Ausnahme. Die Änderung gilt nicht für Wohnmobile, gepanzerte Limousinen und die Fahrzeuge von Polizei und Rettungskräften.

Undankbare Katze

Geschichten, die das Leben schreibt. Da nimmt ein Ehepaar eine Katze aus dem Tierheim „zur Probe“ bei sich auf. Und wie zeigt das Tier seine Dankbarkeit? Mit Kratzern und Bissen. Bei sich wollten die Opfer jedoch keine Verantwortung sehen. Stattdessen verklagten sie das Tierheim auf Schadensersatz und Schmerzensgeld.

Das Tierheim muss allerdings nichts zahlen, urteilt das Amtsgericht Ansbach. Das Ehepaar hatte nämlich schon früher Katzen. Mit einer Aufklärungspflicht des Tierheims war es deshalb nicht weit her.

Dann gibt es noch die allgemeine Haftung des Tierhalters nach § 833 BGB. Diese Haftung ist verschuldensunabhängig (weil Tiere sich halt nun mal unvorhersehbar verhalten). Doch auch mit der Halterhaftung hatten die Tierfreunde keinen Erfolg. Während der Probezeit seien sie nämlich selbst die Tierhalter gewesen, so das Gericht. Die Klage auf rund 3.000 Euro wurde abgewiesen (Aktenzeichen 5 C 756/16).

Kein Wucher durch den Schlüsseldienst

Aus der eigenen Wohnung ausgesperrt? Es gibt schönere Situationen. Noch dazu, wenn ein Schlüsseldienst gerufen werden muss – und dieser dann happig abkassiert. Allerdings sind auch deftige Schlüsseldienst-Rechnungen normalerweise kein Fall für den Staatsanwalt, hat das Oberlandesgericht Köln entschieden.

Der Inhaber eines Schlüsseldienstes war wegen Wuchers (§ 291 StGB) angeklagt. Er soll eine zugeschlagene Tür in Sekunden mit einer Scheckkarte geöffnet haben. Seine Rechnung lautete auf 319,51 €. Wie schon die Vorinstanzen lässt das Oberlandesgericht die Frage offen, welcher Betrag angemessen gewesen wäre. Denn nach Auffassung der Richter fehlt es an einem notwendigen Tatbestandsmerkmal des Wucherparagrafen: der Ausnutzung einer „Zwangslage“.

Nicht jede unbequeme, schwierige Situation sei eine Zwangslage im Sinne des Gesetzes. Es fehle jedenfalls im Normalfall an einer „ernsten Bedrängnis“ des Ausgesperrten und insbesondere an der Möglichkeit des Schlüsseldienstes, diese Situation auszubeuten. So weisen die Richter darauf hin, dass es normalerweise Sache des Betroffenen ist, mit dem Schlüsseldienst im Vorfeld über den Preis zu verhandeln und notfalls einen preiswerteren zu beauftragen. Wenn vorab nicht über den Preis gesprochen werde, schulde der Auftraggeber ohnehin nur die ortsübliche Vergütung. Er könne sich deshalb weigern, nach der Türöffnung eine überhöhte Forderung zu bezahlen.

In dem entschiedenen Fall bestand auch keine besondere Notlage. Möglicherweise würde der Fall anders liegen, wenn die Türöffnung superdringend ist. Etwa wenn ein Säugling in der Wohnung eingeschlossen ist. Der Inhaber des Schlüsseldienstes wurde freigesprochen (Aktenzeichen 1 RVs 210/16).

Die Wirkkraft des Anwaltsbriefkopfs

In einem interessanten Blogeintrag berichtet der Kollege Thorsten Blaufelder von der Unlust eines Behördenmitarbeiters, mit ihm Vergleichsverhandlungen zu führen. Und das, obwohl genau dieselbe Behörde sich erst kürzlich wegen eines Vergleichs in ähnlicher Sache an Blaufelder gewandt hat. Wenn auch durch einen anderen Sachbearbeiter.

Im Umgang mit Behörden oder (großen) Firmen ist das keine ungewöhnliche Erfahrung. Oft genug hast du das Gefühl, dass die Sachbearbeiter sich nur noch an Checklisten entlanghangeln und ihren vorgetrampelten schmalen Pfad auf keinen Fall verlassen wollen. Sei es, um keine Fehler zu machen. Aus Unlust. Oder beidem.

Da kommt auf normaler Ebene dann oft die segensreiche Wirkung des Anwaltsbriefkopfs ins Spiel. Der Brief vom Anwalt landet halt in der Rechtsabteilung, weil Anwaltsschreiben dorthin weitergeleitet werden müssen. Und siehe da, plötzlich öffnen sich ganz neue Perspektiven, weil die Ansprechpartner dann auch einen größeren Handlungsspielraum haben. Manche Mandanten wundern sich, dass du als Anwalt inhaltlich auch nichts anderes geschrieben hast als sie selbst. Aber plötzlich ist ein Ergebnis möglich.

Aber so ist halt die Dynamik der Abläufe. Wirtschaftlich betrachtet, muss man als Anwalt darüber noch nicht mal so unglücklich sein.

„Verfahren aufgrund elektronisch übermittelter Daten“

Es geht um keine große Sache. Schwarzfahren. Die Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft ist jedoch gleich interessant zu lesen:

Vermerk

Einleitung eines Verfahrens aufgrund elektronisch übermittelter Daten der Stadtwerke XY GmbH:

Datum der Strafanzeige: 28.06.2016

gegen: Tobias Dings *22.11.1984

Strafantrag: Wir stellen Strafantrag

Anscheinend mailen die örtlichen Verkehrsbetriebe ihre Strafanzeigen gebündelt an die Staatsanwaltschaft. Das ist grundsätzlich möglich. Strafanzeigen sind nicht an eine bestimmte Form gebunden.

Das gilt aber nicht für den Strafantrag. Dieser ist notwendig, wenn ein Verkehrsunternehmen das Erschleichen von Leistungen (§ 265a StGB) verfolgt sehen will. Nach § 158 StPO bedarf der Strafantrag der Schriftform. Daran fehlt es hier, denn eine Mail wahrt nun mal nicht die Schriftform.

An sich müsste die Staatsanwaltschaft also die Verfahren, die via Mail auf ihren Tisch kommen, einstellen. Weil kein wirksamer Strafantrag vorliegt. Bei hartnäckigen Schwarzfahrern könnte die Staatsanwaltschaft allerdings von sich aus ein besonderes öffentliches Interesse an der Strafverfolgung bejahen. Dieses öffentliche Interesse ersetzt dann den Strafantrag. Aber das können an sich nur Ausnahmen sein – jedenfalls nach der Vorstellung des Gesetzgebers.

Ich fürchte allerdings, dass es schlicht entgegen dem Regel-Ausnahme-Prinzip läuft. Denn den Stadtwerken wäre ja wahrscheinlich schon aufgefallen, wenn sie ständig Post mit dem Hinweis bekommt, dass ihre per E-Mail gestellten Strafanträge unwirksam sind.

Also entweder bejaht die Staatsanwaltschaft immer das besondere öffentliche Interesse an der Strafverfolgung und macht es damit eben zur Normalität, um das bequeme Verfahren zu erhalten. Das wäre dann aber eine sehr sachwidrige Prüfung. Oder es wird einfach stillschweigend aus Bequemlichkeit ignoriert, dass hier regelmäßig gegen wichtige Formvorschriften verstoßen wird.

Demnächst wird mein Fall am Amtsgericht verhandelt. Für Gesprächsstoff ist gesorgt.

Wohnungsmiete darf später gezahlt werden

Viele Wohnungsmieter können sich ab sofort mehr Zeit lassen, wenn sie die Monatsmiete überweisen. Entgegen dem Wortlaut der meisten Formularverträge ist es nicht erforderlich, das die Miete am dritten Werktag eines Monats beim Vermieter eingeht. Vielmehr genügt es, wenn das Geld bei der Bank eingezahlt ist bzw. der Dauerauftrag ausgeführt wird. Das hat der Bundesgerichtshof entschieden.

Die meisten Formularverträge orientieren sich am Gesetz. Danach muss die Miete bis zum 3. Werktag des Monats entrichtet werden (§ 556 BGB). Das wurde bisher so verstanden, dass die Miete spätestens am 3. Werktag des Monats beim Vermieter eingegangen sein muss. Nach Auffassung des Bundesgerichtshofs wird „entrichten“ heute aber allgemein so verstanden, dass das Geld bei der Bank eingezahlt wird und dann auf die Reise zum Empfänger geht. Die schärfere Regelung bürde dem Mieter das Risiko für Verzögerungen bei der Bank auf. Das benachteiligt laut dem Gericht den Mieter, weswegen die Klausel unwirksam ist (Aktenzeichen VIII ZR 222/15).

Sie müssen erst den Nippel durch die Lasche ziehen

Sicherlich gibt es einige, die just in diesem Augenblick versuchen, ein mutmaßlich aus fernen Ländern importiertes, in Einzelteilen geliefertes Weihnachtsgeschenk zu montieren, einzurichten oder wenigstens zum Blinken zu bringen.

Falls das Ganze in Flüchen und Verwünschungen endet, hält vielleicht ausgerechnet das Bürgerliche Gesetzbuch ein wenig Trost bereit. Die frohe Botschaft stammt aus § 434 BGB:

Ein Sachmangel liegt bei einer zur Montage bestimmten Sache ferner vor, wenn die Montageanleitung mangelhaft ist…

Vielleicht ist einviertelaufgebaut zurückgeben also seliger als behalten. In diesem Sinne: frohe und stressfreie Weihnachten.

Keine Marzipantorte für die Betriebsrentner

Ziemlich sauer auf ihren früheren Arbeitgeber scheinen einige Betriebsrentner gewesen zu sein. Sie verklagten die Firma, weil diese ihnen nicht nur das jährliche Weihnachtsgeld in Höhe von 105 Euro strich. Sondern auch die Marzipantorte, mit der die Firma ihren Ehemaligen Weihnachten versüßte.

Die Betriebsrenter verklagten den Nahrungsmittelhersteller aus Köln. Allerdings erfolglos. Das Arbeitsgericht Köln stellte nämlich fest, dass auch in der Vergangenheit nicht alle Betriebsrenter mit Geld und Torte beehrte wurden. Weil nicht alle profitierten, scheide eine „betriebliche Übung“ aus, die einen Anspruch auf die Gaben begründen könnte.

Außerdem, so das Arbeitsgericht, habe der Arbeitgeber in seiner Weihnachtspost immer darauf hingewiesen, dass es Torte und Geld nur als freiwillige Leistung gibt und kein Anspruch für die Zukunft ensteht. So ein Vorbehalt kann verhindern, dass eine betriebliche Übung entsteht (Aktenzeichen 11 Ca 3589/16).

Vater bot Kind auf ebay an – keine Strafe

Alles nur ein Scherz: Mit dieser Verteidigungsstrategie konnte ein 28-Jähriger in Duisburg die Staatsanwaltschaft überzeugen. Die Ermittlungen gegen ihn wurden eingestellt. Der Mann hatte seine 40 Tage alte Tochter im Herbst für 5.000 Euro auf ebay zum Kauf angeboten.

Die Staatsanwaltschaft glaubte dem Mann, dass er lediglich eine Anzeige aus Großbritannien imitierte. Dort hatte ein Mann seine Ehefrau auf ebay zum Kauf angeboten; dieser sei dadurch „populär“ geworden. Letztlich hatte der Beschuldigte die Auktion auch schnell von sich aus wieder gelöscht.

Ohne Vorsatz keine Strafbarkeit wegen Kinderhandels, auch nicht wegen des Versuchs. Insofern eine nachvollziehbare Entscheidung des Staatsanwalts.

Bericht in der LTO

Danke, lieber Justizminister

Wer schon mal die Freude hatte, die Sitzung eines Strafrichters (Amtsgericht) ganz oder teilweise zu besuchen, wird sich gewundert haben. Unglaublich, wie viele Angeklagte doch tatsächlich ohne Anwalt erscheinen. In den niederen Sphären der Rechtspflege herrscht keine Anwaltspflicht, und beim Vorwurf einer kleineren Straftat kann ja auch nicht so viel passieren. Wird zumindest manche Frohnatur denken und sich die Kosten für den Anwalt sparen.

Den Rechtsanwälten, darunter natürlich vorrangig den Strafverteidigern, war das über Jahrzehnte ein Dorn im Auge. Dank einer ausgetüftelten Strategie ist es ihnen nun gelungen, dass Bundesjustizmninister Heiko Maas extra für sie ein Konjunkturprogramm ins Leben ruft. Stolz verkündete der Minister gestern, das Bundeskabinett habe seinen Gesetzentwurf einstimmig beschlossen, welcher die Einnahmesituation deutscher Strafverteidiger erheblich verbessern wird.

Verkauft wird das Ganze allerdings offiziell unter einem anderen Label. Denn mehr Geld für Anwälte ist nun ganz sicher nichts, mit dem man in der heutigen Zeit politisch punkten kann. Deshalb musste auch ein kleiner Trick angewendet werden. Statt die Anwaltspflicht auch bei kleineren Verfahren zu verankern, lähmt die Bundesregierung künftig auch den kleinsten Angeklagten mit so einer Heidenangst, dass dieser künftig absolut mit dem Klammerbeutel gepudert sein muss, wenn er sich auch jetzt noch den Anwalt spart.

Das alles funktioniert, indem man Strafrichtern künftig die Möglichkeit gibt, bei „jeder Straftat“ ein Fahrverbot von bis zu sechs Monaten zu verhängen. Also ganz konkret: Wenn sich jemand in der Kneipe prügelt, mit der Rheinbahn schwarz fährt oder im DM-Markt einen Deoroller klaut, muss der Betroffene nicht nur mit einer Geldstrafe rechnen, sondern auch mit einem Fahrverbot. Und das, auch wenn der Betreffende gar kein Auto hat. Oder das Auto zum Zeitpunkt der Tat brav zu Hause in der Garage stand.

Bisher war es für ein Fahrverbot notwendig, dass die Tat im Zusammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeugs stand. Das fällt künftig komplett weg. Noch dazu wird die Höchstfrist des Fahrverbots verdoppelt. Nämlich von drei auf sechs Monate. Somit läuft also jeder Angeklagte mit Führerschein Gefahr, dass ihm ein Richter zu pädagogischen Zwecken noch ein Fahrverbot aufbrummt, vor allem wenn er das Gefühl hat, dass der Angeklagte seine Geldstrafe aus der Portokasse zahlen kann. Oder um es mit den Worten des Justizministers zu sagen:

Die Öffnung des Fahrverbots für alle Straftaten erweitert die Möglichkeiten strafrechtlicher Sanktionen. Dadurch geben wir den Strafgerichten ein zusätzliches Mittel an die Hand, um zielgenau, spürbar und schuldangemessen auf den Täter einzuwirken.

Was trifft den mobilen Bundesbürger härter als der temporäre Verzicht auf sein Auto? Auf das er womöglich auch beruflich angewiesen ist. Nun ja, aber wenn dieses Risiko künftig ganz handfest vorhanden ist, werden die Betroffenen sich tendenziell nicht mehr ohne Rechtsbeistand in eine Hauptverhandlung trauen. Denn ab sofort steht wirklich was auf dem Spiel.

Natürlich kann man auch rechtspolitisch viel gegen diese neue Form einer Strafe einwenden. Mit einiger Sicherheit ist sie auch verfassungswidrig. Aber als Anwalt sage ich mal lieber nichts außer:

Danke, danke, danke, lieber Justizminister.

„Schummeln“ bei der Einbürgerung ist nicht unbedingt strafbar

Mit einem Satz entlastet der Bundesgerichtshof die deutschen Amtsgerichte um eine ganze Menge Arbeit. Immer wieder kommt es vor, dass Ausländer, die gerne deutsche Staatsbürger werden möchten, bei ihren Einbürgerungsanträgen etwas schummeln. Kleinere Geld- oder Freiheitsstrafen werden gern schon mal verschwiegen, und genau das führt dann wieder zu einem neuen Strafverfahren. Denn falsche Angaben beim Einbürgerungsantrag werden bestraft.

Die Frage war bislang allerdings, ob auch verschwiegene Vorstrafen geahndet werden können, selbst wenn diese an sich gar kein Grund sind, den Einbürgerungsantrag zurückzuweisen. Abgelehnt wird eine Einbürgerung nämlich nur dann, wenn eine Geldstrafe oder mehrere Geldstrafen von ingesamt mehr als 90 Tagessätzen in Rede stehen. Oder eine Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten auf Bewährung, sofern die Strafe noch nicht erlassen ist.

Trotzdem haben die Staatsanwaltschaften aber auch immer wieder Anklagen erhoben, wenn geringere Strafen verschwiegen wurden. Grundlage hierfür waren Entscheidungen des Kammergerichts Berlin. Laut diesen Beschlüssen spielt es keine Rolle, ob die verschwiegenen Strafen überhaupt zur Versagung der Einbürgerung führen können. Dem folgten die meisten Gerichte in Deutschland. Bis nun ein mutiger Amtsrichter in München mal anders entschied und das Oberlandesgericht München seine Auffassung teilte.

Auf die Vorlage des Oberlandesgerichts München erging nun folgender Beschluss des Bundesgerichtshofs, der die Streitfrage in einem Satz beantwortet:

Eine Strafbarkeit nach § 42 StAG ist nicht gegeben, wenn im Einbürgerungsverfahren unrichtige oder unvollständige Angaben über inländische Strafverurteilungen gemacht werden, die gemäß § 12a Abs. 1 S. 1 und S. 2 StAG bei der Einbürgerung außer Betracht bleiben.

Bereits rechtskräftig Verurteilte profitieren allerdings nicht von dieser überraschenden Wendung, denn diese wirkt sich nur für die Zukunft aus. Erwähnen möchte ich noch, dass es aber auch künftig keine gute Idee ist, Vorstrafen im Einbürgerungsantrag zu verschweigen. Die Vorstrafen sind alle im Bundeszentralregister gespeichert. Jedes Einbürgerungsamt besorgt sich vor seiner Entscheidung einen Registerauszug und erfährt schon auf diesem Weg von eventuellen Vorstrafen. Niemand verlässt sich also auf die Angaben, die der Antragsteller selbst macht.

Neue ARAG-Kolumne: Nutzungsausfall fürs Internet?

Von mir gibt es eine neue ARAG-Kolumne. Diesmal greife ich den Hackerangriff auf, der für viele tausend Telekom-Kunden einen Blackout ihrer Anschlüsse mit sich brachte. Die Frage ist, unter welchen Voraussetzungen man Nutzungsaufall oder Schadensersatz für einen Ausfall des Internets geltend machen kann.

Hier geht es zur neuen Kolumne.

Falls jemand zu Weihnachten eine Flugdrohne verschenkt oder als Geschenk erwartet, für den ist vielleicht noch meine ARAG-Kolumne „Geschenke überm Weihnachtsbaum“ interessant. Denn einfach losfliegen ist nicht. Es gibt einige wichtige Dinge zu beachten – vom Versicherungsschutz bis zu Flugverboten.

Hier geht es upgedateten Kolumne „Geschenke überm Weihnachtsbaum“.

Viel Spaß beim Lesen.

Gericht oder Lotteriebetrieb?

Vor Gericht und auf hoher See ist man bekanntlich in Gottes Hand. Möge die Macht der Schicksalslotterie also mit einem sein – auch vor Deutschlands höchsten Strafrichtern. Dabei hatte ein Angeklagter, der – zusammengefasst – einen anderen mit Gewalt um dessen Rauschgift brachte beziehungsweise hierzu anstiftete, sogar zuerst noch Glück.

Sein Fall kam zum 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs. Der vertrat in einem früheren Fall die Auffassung, dass man – auch wieder zusammengefasst – einem anderen dessen Betäubungsmittel zwar wegnehmen kann, sich aber deswegen nicht so richtig strafbar macht. Verbotene Ware sei nicht so von der Rechtsordnung geschützt wie etwa ein BMW X 5.

Da andere Strafsenate das seit jeher anders sehen und auch Drogenbesitzer vor Langfingern, Räubern und Erpressern „schützen“, tat der 2. Strafsenat seine abweichende Auffassung in einem Beschluss kund. Im Anschluss daran läuft – wiederum gerafft dargestellt – eine Art Abstimmungsverfahren, und falls die Meinungsverschiedenheit nicht beigelegt werden kann, entscheidet am Ende der Große Senat für Strafsachen.

Nun könnte man meinen, dass wenigstens der 2. Strafsenat sich bei künftigen Entscheidungen auch auf seine (neue) Rechtsauffassung stützt, die er gerade formuliert hat. Aber genau das ist nicht der Fall. Während die anderen Strafsenate noch über ihren Stellungnahmen zu dem Vorstoß brüten, hat der 2. Strafsenat jetzt den zunächst sicher extrem hoffnungsvollen Angeklagten ungerührt verknackt. Und zwar genau mit der juristischen Begründung, die der 2. Strafsenat eigentlich als überkommen ansieht.

So was fällt natürlich auf, und so rechtfertigt sich das Gericht in dem Beschluss vorsorglich selbst:

Ebenso wenig ist ein anfragender Senat gehindert, bei Vorliegen einer Binnendivergenz zwischen verschiedenen Sitzgruppen abweichend von seiner eigenen Anfrage zu entscheiden. Der Anfragebeschluss entfaltet keine Sperrwirkung.

Zur Erläuterung: Der Senat ist die Gesamtheit der Richter. Die „Sitzgruppe“ sind einzelne Richter aus dem Senat, die gemeinsam ein Urteil fällen. Im Senat gibt es normalerweise mehr Richter, als für ein Urteil erforderlich sind. Die Richter entscheiden also in wechselnden Zusammensetzungen. Wie sich so eine „Sitzgruppe“ zusammenwürfelt, ist auch so eine Frage endloser juristischer Debatten. Oft genug wird kritisiert, dass es mit der gebotenen Transparanz, welche Richter denn nun konkret welchen Fall bekommen, nicht zum Besten gestellt ist. Aber das ist ein anderes Thema.

Verblüffend an dem vorliegenden Fall ist, dass der arme Angeklagte nun von folgenden Richtern all seiner Hoffnungen beraubt wurde. Diese heißen:

Fischer, Zeng, Appl, Bartel, Eschelbach

Diese Richter distanzieren sich als gemäß dem obigen Zitat von den Kollegen im eigenen Senat, welche die neue Rechtsauffassung propagiert und die Anfrage bei den anderen Senaten angeschubst haben. Schauen wir uns die Mitglieder dieser ursprünglichen „Sitzgruppe“ an. Deren Mitglieder sind folgende Richter:

Fischer, Zeng, Krehl, Bartel, Eschelbach

Nur ein Richter ist also unterschiedlich. Und auch bei richterlichen Entscheidungen gilt im Kern das Mehrheitsprinzip. Aber dafür kann sich der nun abgeblitzte Angeklagte natürlich nichts kaufen. Wie es zu der Entscheidung kam, unterliegt dem Beratungsgeheimnis.

Ich frage mich nur, wie es die Richter denn empfinden, wenn sie jetzt den Angeklagten verurteilen, ihr ursprünglicher und ja durchaus nachvollziehbar begründeter Vorstoß aber irgendwann zur angestrebten Änderung der Rechtsprechung führt. Gilt natürlich nur für die Zukunft, können sie dann sagen. Merkwürdig bleibt das ganze aber schon. Wenn man Gerichtshöfe nicht für einen Lotteriebetrieb hält.

Zum Thema auch RA Detlef Burhoff, dort finden sich auch die Links zu den einzelnen Beschlüssen.