Vorladungen zur sogenannten ED-Behandlung – die Abkürzung steht für erkennungsdienstlich – sehe ich natürlich öfter. Die polizeiliche Anordnung einer „Nackt-ED“ nicht so oft. Ich wusste ehrlich gesagt gar nicht, dass so was tatsächlich praktiziert wird. Mein Mandant war logischerweise ziemlich geschockt, als er genau so eine Vorladung aus dem Briefkasten holte.
Es geht um angeblichen „Exhibitionismus“ auf einer Online-Plattform. Ein Mann soll in einem Chat nackt im Sessel gesessen und sein erigiertes Glied gezeigt haben. Das hat wohl ein Nutzer gemeldet, indem er zwei undeutliche Screenshots an die Polizei übermittelte und – ohne nähere Belege – behauptete, diese stammten von einem bestimmten Account. Von dem Account wiederum mutmaßt die Polizei, dieser werde von meinem Mandanten betrieben. Beweise? Bislang keine. Indizien? Nur extrem dürftige. So will ich es mal zusammenfassen.
Nun zu der Nackt-ED, welche die Polizei durchführen will. Ich gehe dagegen vor und habe einen Antrag beim zuständigen Gericht eingereicht. Für die ED-Behandlung im Ermittlungsverfahren sieht das Gesetz vor, dass diese „notwendig“ ist (§ 81b StPO). Eine ED-Behandlung steht also keineswegs im Belieben der Polizei, so dass man sich durchaus juristisch dagegen wehren kann.
Erste Stufe der Prüfung ist dabei die Frage, ob die Maßnahme überhaupt geeignet ist.
Aus meiner Sicht fehlt es schon hieran. Denn was will die Polizei denn vergleichen: den erigierten Penis vom Foto mit dem Schniedel meines Mandanten bei der ED-Behandlung? Der Mandant wird in der Fotokammer des Polizeipräsidiums sicherlich in einer Stimmung sein, aber garantiert nicht in einer, die mit einer Erektion einhergeht. Einen Betroffenen dazu zu bringen, durch welche Stimulation auch immer, ist definitiv nicht zulässig. Stichwort: Menschenwürde. Darüber braucht man meiner Meinung nach gar nicht zu diskutieren, zumal es sich auch nur um ein Bagatelldelikt handelt.
So weit ich mit meinem zugegeben begrenzten Erfahrungshorizont weiß, lassen sich erigierte und schlaffe Schniedel aber nun mal nur sehr eingeschränkt miteinander vergleichen. Eine Expertenumfrage hier im Büro ergab sogar, dass man vom Normalzustand eher gar nicht auf den anderen Zustand schließen kann. Damit dürfte sich das Thema dann schon erledigt haben, denn die geplante Aktion kann gar nicht zum erwünschten Ziel führen.
Es gibt natürlich noch eine Vielzahl anderer rechtlicher Aspekte, die ich auch angeführt habe. Immerhin hat die Polizei schon mal von sich aus ganz schnell den anberaumten Termin zunächst abgesagt. Man ist jedenfalls bereit, die Entscheidung des Gerichts abzuwarten. Vielleicht folgt bei näherer Beschäftigung mit der Thematik und einer Rückfrage beim Hausjuristen noch die Einsicht, dass man übers Ziel hinausgeschossen ist. Der Richter würde sich wahrscheinlich freuen, wenn er sich erst gar nicht zu positionieren braucht.