Bevor ich mich in einen kleinen Urlaub verabschiede, möchte ich noch auf einen ganz neuen Gesetzentwurf des Passauer Rechtsprofessors Dirk Heckmann hinweisen. Das Projekt, unterstützt von meinem Kooperationspartner ARAG, soll in erster Linie eine Alternative zum Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) aufzeigen, welches ja schon im Vorfeld viel Kritik einstecken musste – die sich seit Inkrafttreten weitgehend auch bestätigt hat.
Kernanliegen von Heckmanns Vorschlägen ist ein verbesserter und vor allem wirksamer Schutz der Internetnutzer vor Hass-Postings, Ehrverletzungen und Cybermobbing. Statt auf Bußgelder gegen Facebook & Co. setzt der Gesetzentwurf darauf, die Zuständigkeit für Maßnahmen gegen schwere Persönlichkeitsrechtsverletzungen wieder in die Hände der Justiz zurückzugeben.
Dazu soll auch ein neuer Straftatbestand eingeführt werden, bei dem Heckmann allerdings ganz schön in die Vollen geht. So soll sich die Strafdrohung für einfache Beleidigungen auf zwei Jahre verdoppeln, bloß weil die Beleidigung online erfolgte. Außerdem schlägt Heckmann Freiheitsstrafen von bis zu fünf Jahren vor, wenn die Tat geeignet ist, die Lebensgestaltung einer Person nachhaltig zu beeinträchtigen oder sogar leichtfertig dazu beiträgt, dass der Betroffene von Cybermobbing sich das Leben nimmt.
Ich persönlich glaube allerdings nicht, dass drakonische Strafdrohungen alleine etwas bewirken. Vielmehr kommt es darauf an, dass bestehende Strafrahmen im Einzelfall angemessen ausgeschöpft werden.
Aber mit der Forderung nach neuen und härteren Strafen erschöpft sich der Diskussionsvorschlag natürlich nicht. So soll für schwere Ehrverletzungen im Internet kein Strafantrag mehr erforderlich sein. Online-Beleidigungen würden hierdurch zu Delikten, gegen die Staatsanwaltschaften im Regelfall von sich aus vorgehen müssen – auch nach Anzeigen unbeteiligter Dritter. Man kann sich allerdings lebhaft vorstellen, was das für eine Anzeigenlawine gegen Gott und die Welt auslösen würde, vom Missbrauchspotenzial ganz zu schweigen. Immerhin soll jeder persönlich Betroffene die Möglichkeit haben, einer Strafverfolgung zu widersprechen.
Weiterer Kernpunkt des Entwurfes ist die Pflicht sozialer Netzwerke, Nutzern die Meldung von Persönlichkeitsrechtsverletzungen zu erleichtern. Dazu fordert Heckmann einen Meldebutton auf jeder Seite. Soziale Netzwerke sollen Beschwerden sofort sichtbar für jeden Nutzer umsetzen, indem sie gemeldete Inhalte als fragwürdig kennzeichnen. Hierdurch sollen andere Nutzer davor „gewarnt“ werden, dass es sich um einen problematischen Inhalt handelt und sie sich möglicherweise selbst strafbar machen oder zumindest Persönlichkeitsrechte verletzen, wenn sie den beanstandeten Post teilen.
Das ist sicher ein Diskussionsansatz. Aber auch hier stellt sich die Frage, wie soziale Netzwerke berechtigte und unberechtigte Meldungen vernünftig trennen sollen. Wenn man so etwas möchte, müsste man die Kennzeichnungspflicht vielleicht nach dem Prinzip der Radarwarner gestalten, die ja auch erst Alarm geben, wenn eine relevante Zahl an Nutzern eine Meldung gemacht haben. Für Postings ohne sonderliche Öffentlichkeit, zum Beispiel unter Jugendlichen, würde das dann aber wieder nicht helfen.
Sehr weitgehend ist auch der Vorschlag, dass soziale Netzwerke nach jeder Meldung fragwürdige Inhalte dokumentieren müssen, damit später eine gerichtliche Überprüfung möglich ist. Betroffene sollen über erweiterte Auskunftspflichten sogar erfahren können, wer gemeldete Inhalte weiterverbreitet oder auch nur zu Gesicht bekommen hat. So ehrenwert dieser Wunsch nach umfassendem Schutz vor Persönlichkeitsrechtsverletzungen ist, so funktioniert er aber nur mit weitgehender Überwachung jedes einzelnen Nutzers durch die Anbieter. Hier muss man ganz klar sehen, dass die Schaffung der nötigen Kontrollinfrastruktur weitere Begehrlichkeiten nach dem Datenzugriff schaffen wird – eher früher als später.
Ansonsten setzt der Vorschlag naturgemäß sehr stark auf eine Verbesserung von Opferrechten. So soll es erleichterte Möglichkeiten zur Nebenklage geben, einfacheren vorläufigen Rechtsschutz, ein Recht auf psychosoziale Betreuung und auf einen Opferanwalt.
Der Gesetzentwurf ist auf jeden Fall ein wichtiger Denkanstoß für alle, die sich nicht für mit dem Netzwerkdurchsetzungsgesetz abfinden wollen. Der Entwurf ist hier nachzulesen. Es gibt auch eine konsolidierte Fassung, damit man sich nicht alle Änderungen mühsam zusammensuchen muss.
Im law blog geht es ab dem 6. März weiter.