Falls Sie heute an einem Kindergarten vorbeikommen oder sich gar etwas länger in dessen Nähe aufhalten, geben Sie Gas. Sonst landen Sie in der Verbrecherkartei der Polizei. Nur deswegen. So ist es jetzt einem Mann in München passiert, und die Münchner Polizei ist auch noch stolz auf ihr Vorgehen.
Das kann man im Pressebericht für den 10. August 2017 (Nr. 1253) nachlesen. Dort heißt es:
Ein Mann wurde seit Anfang Juli 2017 öfters im Umfeld eines Münchner Kindergartens in Harlaching gesehen. Ein aufmerksamer Zeuge teilte dies am Dienstag, 08.08.2017, gegen 11.00 Uhr, der Polizei mit. Eine entsandte Polizeistreife konnte einen 61-jährigen Mann feststellen, der sich im Umfeld des Kindergartens aufgehalten hat.
Der Mann wurde durch die Polizeistreife kontrolliert und befragt. Dabei konnte er keine vernünftige Argumentation für seinen Aufenthalt im Umfeld des Kindergartens nennen.
Der Mann wurde durch die eingesetzten Beamten zur Polizeiinspektion gebracht und präventiv erkennungsdienstlich behandelt.
Eine Straftat oder deren Vorbereitung unterstellte zu diesem Zeitpunkt nicht mal die Polizei. Denn dazu heißt es im Pressebericht:
Strafrechtlich relevante Tatbestände liegen nach derzeitigem Stand der Ermittlungen nicht vor.
Schon mit dieser Erkenntnis wird das juristische Eis sehr brüchig, auf dem die Maßnahme steht. § 81b StPO, der die erkennungsdienstliche Behandlung bundesweit regelt, ist nicht erfüllt. Es läuft kein Ermittlungsverfahren gegen den Mann, also ist seine erkennungsdienstliche Behandlung für Zwecke des Strafverfahrens nicht zulässig. Auch eine ED-Behandlung „für die Zwecke des Erkennungsdienstes“ scheidet aus. Denn hierfür bedarf es ebenfalls entweder eines laufenden oder nicht allzu langen zurückliegenden Verfahrens, aus dem sich Anhaltspunkte ergeben, dass der Betroffene künftig möglicherweise (weitere) Straftaten begehen wird.
Bleibt nur Art. 14 des Bayerischen Polizeiaufgabengesetzes. Danach ist eine ED-Behandlung zulässig, wenn „dies erforderlich ist zur Abwehr einer Gefahr oder einer drohenden Gefahr für ein bedeutendes Rechtsgut.“ Die „drohende Gefahr“ ist natürlich ein sehr weiter und, wie man im vorliegenden Fall sieht, extrem gefährlicher Begriff. Kann eine „drohende Gefahr“, also eine wie auch immer gerartete Vorstufe der Gefahr, schon dann angenommen werden, wenn ein Bürger sein Recht in Anspruch nimmt, den öffentlichen Straßenraum zu nutzen? Oder darf die Polizei daraus, dass der Betreffende „keine vernünftige Argumentation“ für seinen Aufenthalt an einem öffentlichen Ort vorbringen kann, auf böse Absichten schließen?
Nein, nicht mal nach dem fast uferlosen Bayerischen Polizeiaufgabengesetz. Die Münchner Polizei bringt es ja in dem Pressebericht sehr schön auf den Punkt, wenn sie zugibt, was sie letztlich zum Einschreiten gegen den Mann veranlasst hat: die „missdeutige Wahrnehmung seines Handelns“.
Falsch verstanden bzw. gedeutet hat hier allerdings nur die Polizei.