Das heutige Urteil im Fall Gina-Lisa Lohfink fällt eindeutig aus. Das Gericht folgte der Angeklagten nicht darin, dass sie Opfer einer Sexualstraftat wurde. Stützen kann sich das Gericht dabei eigentlich auf eine besonders gute Beweislage, die für solche Fälle höchst ungewöhnlich ist: Es gibt Videoaufnahmen von der angeblichen Vergewaltigung. Die Bilder sprechen nach Einschätzung des Gerichts eine deutliche Sprache. Danach hat Gina-Lisa Lohfink einvernehmlichen Sex gehabt und die beiden Männer somit zu Unrecht beschuldigt.
Damit zeigt sich, dass der Fall der denkbar schlechteste war, um ein zweifellos wichtiges Thema zu diskutieren. Nämlich die Frage, ob in Deutschland die sexuelle Selbstbestimmung ausreichend geschützt ist. Nach geltendem Recht reicht ein bloßes „Nein“ im Normalfall eben nicht aus, vielmehr muss sich das Opfer gewehrt haben oder bedroht worden sein. Zwar hat Gina-Lisa Lohfink in dem Video mal „Nein“ gesagt, aber das bezog sich laut dem Urteil nun mal auf das Filmen und nicht auf den Sex.
Auch die bald kommende „Nein-heißt-Nein“-Regelung hätte an diesem Befund rein gar nichts geändert. Der lautet nach heutigem Stand nämlich schlicht und einfach, dass Gina-Lisa Lohfink die Unwahrheit über die Nacht gesagt hat, und das wahrscheinlich aus Verägerung über den Umstand, dass einer oder beide Männer die Videoaufnahmen weitergegeben haben. So „schäbig“ (O-Ton Staatsanwältin) dieses Verhalten auch war, so wenig berechtigte es Gina-Lisa Lohfink, die wahren Ereignisse im nachhinein in eine Vergewaltigung umzudeuten.
Auch mit der „Nein-heißt-Nein“-Regelung wäre dies alles rausgekommen. Denn auch nach dem neuen Recht lässt sich ein „Nein“ nicht nachträglich herbeizaubern. Vielmehr muss dieses „Nein“ tatsächlich gesagt oder deutlich gemacht worden sein. Heißt das Ergebnis aber, es gab kein verbales oder sonstwie vermitteltes „Nein“, das sich auf die sexuellen Handlungen bezog, dann bleibt eben nur eine Lüge. Der Grundsatz „Im Zweifel gegen den Angeklagten“ ist auch im neuen Gesetz nicht enthalten. Ebenso wenig die Regelung, dass künftig jedem mutmaßlichen Opfer einfach so geglaubt wird, es habe mit der entsprechenden Deutlichkeit „Nein“ gesagt.
Peinlich ist das Urteil vor allem für jene, die den Fall Lohfink zum Gradmesser für angebliche Lücken im deutschen Sexualstrafrecht hochgejazzt haben. Die Mitglieder des Teams Gina-Lisa, allen voran die amtierende Familienministerin, haben sich vor den Karren einer mutmaßlichen (das Urteil ist nicht rechtskräftig) Lügnerin spannen lassen.
Die Protagonisten können froh sein, dass das Amtsgericht Tiergarten sich so lange mit der Beweisaufnahme Zeit gelassen hat, bis die Gesetzesänderung in trockenen Tüchern ist. Die Debatte wäre sonst vielleicht ganz anders verlaufen.