Das Landgericht München I hat den Geschäftsführer eines großen Abschleppunternehmens freigesprochen. Der Vorwurf lautete auf Erpressung. Die Firma schleppt im gesamten Bundesgebiet im Auftrag von Grundstücksbesitzern Falschparker ab. Bis zu 340 Euro soll die Firma von den Fahrern verlangt haben, damit diese ihr Auto wiederbekommen. Teilweise soll den Autobesitzern ohne Zahlung noch nicht mal gesagt worden sein, wo sich ihr Fahrzeug befindet.
Die 29 angeklagten Fälle seien jedenfalls keine Erpressung, lautet das Urteil. Die Vorsitzende des Gerichts betonte, in allen Fällen seien die Fahrzeuge unberechtigt geparkt gewesen. Das habe die Abschleppfirma lückenlos belegen können. Auch keiner der rund 100 vernommenen Zeugen habe behauptet, die Autos seien rechtmäßig geparkt gewesen. Die Beschilderung sei Eindeutig gewesen. Außerdem hätten die Parkplatzbesitzer teilweise sogar Flugblätter verteilt, mit denen sie das Abschleppen androhten.
Das Gericht betonte, das Urteil sei kein Freibrief für das Geschäftsmodell. In allen Fällen sei der Nachweis aber nicht gelungen, dass die Firma vorsätzlich einen so überhöhten Betrag verlangt habe, der die Schwelle zur Strafbarkeit überschreite.
Details zu den rechtlichen Erwägungen nennen weder die Pressemitteilung des Gerichts noch die Medienberichte. Juristische Grundlage für das Verhalten der Abschleppfirma ist aber das Zurückbehaltungsrecht nach § 273 BGB. Danach kann die Herausgabe einer Sache verweigert werden, wenn berechtigte Gegenansprüche bestehen. Das wären in diesem Fall die Abschleppkosten.
Allerdings ist das juristisch alles sehr komplex. Die Abschleppfirma hat ja selbst gar keinen Anspruch gegen den Falschparker. Dieser steht allenfalls dem Grundstücksbesitzer zu. Dann stellen sich noch etliche weitere Fragen: Liegt überhaupt ein „Schaden“ vor, etwa, wenn ein falsch geparktes Auto auf einem weitgehend leeren Supermarktparkplatz steht? Sind die „Aufwendungen“ ( = Abschleppkosten) stets erforderlich und wenn ja, in welcher Höhe? Bedarf die Abschleppfirma einer Inkassoerlaubnis? Was ist, wenn der Halter des Fahrzeugs das Auto gar nicht selbst falsch geparkt hat?
Die Aufzählung lässt sich noch lange fortsetzen. Und dann hätte man erst die zivilrechtlichen Vorfragen abgearbeitet, bevor man sich dann dem auch nicht unkomplizierten Tatbestand der Erpressung (§ 253 StGB) zuwenden darf. Es ist also keineswegs ausgemacht, dass die Entscheidung des Landgerichts München I Bestand hat. Die Staatsanwaltschaft hat bereits Revision angekündigt, so dass wir hoffentlich bald Näheres vom Bundesgerichtshof erfahren werden.