Das Web 2.x machte uns alle zu Publishern – wenn wir es denn möchten. Das führt natürlich dazu, dass auch Betroffene von Strafverfahren Dokumente ins Netz stellen. Zum Beispiel die Anklageschrift. Das ist jedoch meist keine gute Idee, denn die Veröffentlichung ist ihrerseits eine Straftat. Dies hat das Bundesverfassungsgericht in einem aktuellen Beschluss bestätigt.
Ein Angeklagter hatte Teile der Anklageschrift und den Eröffnungsbeschluss des Gerichts auf seine Homepage gestellt. Hierfür kassierte er gleich noch eine Anklage – wegen verbotener Mitteilungen über Gerichtsverhandlungen. Die Vorschrift untersagt die Veröffentlichung von amtlichen Dokumenten aus Ermittlungs- und Gerichtsakten, bevor diese in der Hauptverhandlung erörtert worden oder das Verfahren abgeschlossen ist.
Um diese Strafvorschrift gibt es immer wieder Ärger, denn sie schränkt die Meinungsfreiheit ein, und zwar ganz erheblich. Dennoch sieht auch das Verfassungsgericht einen praktischen Nutzen. Die Vorschrift soll demnach verhindern, dass Zeugen, Gericht und andere Beteiligte durch die Veröffentlichung beeinflusst werden. Mit einem vermeintlichen Schutz des Angeklagten vor sich selbst mochte das Gericht doch nicht argumentieren. Stattdessen weist es darauf hin, es könnten ja auch Mitangeklagte und Nebenkläger in ihren Persönlichkeitsrechten betroffen sein.
Das alles heißt freilich nicht, dass die fraglichen Dokumente tatsächlich „geheim“ bleiben müssen. Denn das Gesetz untersagt nur die Wiedergabe „im Wortlaut“. Es ist also durchaus zulässig, den Inhalt der Papiere in indirekter Rede mitzuteilen. Wer nicht nur scannen, sondern auch formulieren kann, ist hier klar im Vorteil. Trotz dieser Umgehungsmöglichkeit hält das Verfassungsgericht die Vorschrift im Ergebnis (noch) für nützlich. Immerhin, so meinen die Richter, erwecke nur die wörtliche Wiedergabe den „Eindruck amtlicher Authentizität“.
Strafbar ist übrigens auch nur die Wiedergabe des gesamten Dokuments oder „wesentlicher“ Teile (Aktenzeichen 2 BvR 429/12).