Das Landgericht Köln hat ein Urteil gefällt, das sicher noch für Diskussion Sorgen wird. Nach Auffassung der Richter ist die Beschneidung eines Jungen eine strafbare Körperverletzung, wenn sie aus religiösen Motiven erfolgt. Das Gericht verurteilte nach einem Bericht der Financial Times Deutschland nun einen muslimischen Beschneider, der auf Wunsch der Eltern einen vierjährigen Jungen beschnitten hatte.
Nach Auffassung des Landgerichts Köln soll es sich bei der Beschneidung aus religiösen Gründen um eine "schwere und irreversible Beeinträchtigung der körperlichen Unversehrtheit" handeln. Diese sei weder durch die Religionsfreiheit noch das Elternrecht gedeckt.
Diese Ansicht haben allerdings auch schon andere deutsche Gerichte vertreten. Die meisten Entscheidungen drehen sich aber um zivilrechtliche Fragen, etwa die Überschreitung des Sorgerechts durch Eltern oder Schmerzensgeldansprüche beschnittener Jungen. Strafrechtlich scheint die Frage bislang in der Tat noch nicht geklärt. In den Standardkommentaren ist durchaus (noch) zu lesen, eine religiös motivierte Beschneidung sei bei Jungen “sozialadäquat”, verbunden mit dem Hinweis, die Beschneidung von Jungen sei nicht zu vergleichen mit der Genitalverstümmelung von Mädchen.
Die Problematik des Kölner Urteils liegt allerdings auf der Hand. Es verabsolutiert die körperliche Unversehrtheit eines Kindes, das aufgrund seines Alters nicht wirksam in den Eingriff einwilligen kann, gegenüber den religiösen Grundregeln seiner Eltern und deren (grundsätzlich zu achtenden) Wunsch, das Kind ebenfalls in dieser Religion zu erziehen.
Hinzu kommt, dass die männliche Beschneidung laut Wikipedia (Achtung: Der Wikipedia-Eintrag ist bebildert und möglicherweise NSFW) der weltweit am häufigsten vorgenommene chirurgische Eingriff ist. Beschneidungen erfolgen nicht nur aus religiösen Gründen, in den USA ist der Eingriff bei Jungs so etwas wie ein gesellschaftlich etablierter Standard. Außerdem gibt es eine Vielzahl medizinischer Indikationen für die männliche Beschneidung.
Strafrechtlich gesehen hat das Landgericht Köln somit zwar gesprochen. Ich bezweifle aber, dass es schon das letzte Wort in dieser schwierigen Problematik war.