Neuerdings nennt man es wulffen, was die Staatsanwaltschaft Frankfurt am Main auf ihrer Internetseite macht. Die Ausführungen zur “Einsicht in Ermittlungsakten” auf der Hinweisseite sind zwar juristisch korrekt und somit unangreifbar. Jedoch bleibt doch einiges ungesagt, was das rechtssuchende Publikum interessieren dürfte. Absicht? Arbeit spart es auf jeden Fall…
Unter “Einsicht in Ermittlungsakten” informiert die Staatsanwaltschaft Frankfurt am Main folgendermaßen:
Beschuldigte oder Opfer haben selbst keinen Anspruch auf Einsicht in die Strafakten. Die Strafprozessordnung sieht vor, dass nur ein Rechtsanwalt Akteneinsicht erhält.
Jetzt stellen wir uns vor, das liest ein Beschuldigter, der sich keinen Anwalt leisten kann. Oder will. Was ist seine Erkenntnis? Ohne Anwalt kriege ich keine Informationen aus der Akte. Er wird also möglicherweise mit der Polizei reden, ohne zu wissen, was genau gegen ihn vorliegt. Oder er schreibt im Zustand der Nullinformation gleich selbst eine flammende Verteidigungsschrift an den zuständigen Staatsanwalt. Die Chancen stehen gut, dass er sich mit der einen wie der anderen Lösung selbst aufs Kreuz legt.
Hoffen wir deshalb, dass der Beschuldigte die Auskünfte der angeblich objektivsten Behörde der Welt mit Googles Hilfe gegencheckt. Dabei wird er sehr schnell auf § 147 Strafprozessordnung stoßen. In dessen Absatz 7 steht:
Dem Beschuldigten, der keinen Verteidiger hat, sind auf seinen Antrag Auskünfte und Abschriften aus den Akten zu erteilen, soweit dies zu einer angemessenen Verteidigung erforderlich ist, der Untersuchungszweck, auch in einem anderen Strafverfahren, nicht gefährdet werden kann und nicht überwiegende schutzwürdige Interessen Dritter entgegenstehen.
Das steht im Kern schon seit 13 Jahren im Gesetz. Von der Grundaussage liest es sich doch etwas anders, als es die Staatsanwaltschaft Frankfurt am Main online vermittelt. Auch ein Beschuldigter kann also beantragen, Informationen aus der Akte zu bekommen. Und dieses Recht dürfen ihm die Ermittler nur verweigern, wenn sie gute Gründe haben.
Trotzdem kann die Staatsanwaltschaft Frankfurt, wenn auch in Wulffscher Tradition, einwenden: Unsere Aussage auf der Homepage ist korrekt. Das Recht des Beschuldigten besteht nur darin, Auskünfte und Abschriften aus der Akte zu erhalten. Die Aushändigung von Kopien und das Recht, die Originalakte einzusehen, sind doch verschiedene Dinge.
Indem man sagt, der Beschuldigte habe kein Recht auf Akteneinsicht, schließt man in der Tat nicht aus, dass der Betroffene vielleicht Auskünfte oder Kopien erhalten kann. Man erwähnt es halt nur nicht, obwohl es ja vielleicht doch ein klitzekleines bisschen naheliegt. Diese Information wäre jedenfalls nicht nur für einen unbedeutenden Kreis interessant; die Mehrzahl der Verfahren läuft ohne Verteidiger ab.
Am fehlenden Platz auf der Seite oder der Angst, das Internet könnte überlaufen, kann es ja kaum liegen, dass man sich auf einer Seite mit “Allgemeinen Hinweisen” in so einem ersichtlich wichtigen Punkt wortkarg gibt. Möglicherweise aber daran, dass Beschuldigte ohne Anwalt durchaus auch Arbeit machen können, eben auch mit Anträgen auf Abschriften aus den Ermittlungsakten.
Dass die Beschuldigten sich dann auch noch besser verteidigen könnten, ist demgegenüber ja fast geschenkt.