Der haftunfähige Hausarzt

Für einen Mandanten haben wir vor einiger Zeit einen niedergelassenen Arzt verklagt und den Prozess gewonnen. Die Zwangsvollstreckung erwies sich als kompliziert. Laut Gerichtsvollzieher ist der Arzt „amtsbekannt fruchtlos“ eingerichtet. Die Bankverbindung läuft über seine Tochter. Die Kassenärztliche Vereinigung, bei der er Honorare liquidiert, wehrte sich gegen eine Pfändung. Privatpatienten sind zwar vorhanden, haben dann aber offensichtlich nach Erhalt eines Pfändungs- und Überweisungbeschlusses den Arzt gewechselt. Oder ab sofort bar bezahlt.

Nur die eidesstattliche Versicherung, den Offenbarungseid, hat der Arzt noch nicht abgegeben. Nachdem wir sogar einen Haftbefehl erwirkten, kam wenigstens etwas Bewegung in die Sache. Der Doktor übersandte ein Attest, wonach er „haftunfähig“ ist. Interessanterweise ist die wenige Zeilen lange Stellungnahme von einer Amtsärztin beim zuständigen Landrat ausgestellt.

Auf Nachfrage stellte sich heraus, dass die Behörde keineswegs von sich aus oder auf Antrag des Vollstreckungsgerichts tätig geworden ist. Sondern auf Bitten des Schuldners. Aufgrund welcher Rechtsgrundlage das geschah, wollte man uns bislang nicht sagen. Riecht nach Gefälligkeitsgutachten für einen alten Freund.

Nachdem wir nun beim Vollstreckungsgericht nachgehakt haben, wird endlich ein ordentliches Gutachten über die Haftfähigkeit des Mediziners eingeholt. Ich frage mich nur, wie er in seinem angeblich so bedauernswerten psychischen Zustand noch in der Lage ist, Tag für Tag seine Praxis zu öffnen. Was er wohl tut.

Abgesehen davon ist die Sache ohnehin eine Farce. In Haft müsste der Schuldner ja nur, wenn und so lange er die angeordnete eidesstattliche Versicherung verweigert. Sobald er das Vermögensverzeichnis ausgefüllt und die eidesstattliche Versicherung abgegeben hat, wäre der Haftbefehl gegenstandslos. Die Frage müsste also eher lauten, ob der Schuldner gesundheitlich in der Lage ist, mit Hilfe des Gerichtsvollziehers ein simples Formular auszufüllen.

Immerhin hat der Druck nun schon so zugenommen, dass sich der Arzt einen eigenen Anwalt genommen hat. Der kündigt nun ein „Entschuldungsangebot“ an. Sein Mandant möchte gern weiter arbeiten und brauche eine „Lebensperspektive“.

Schauen wir mal.