Ein Sinn für Scham

Der Vizepräsident des Bundesverfassungsgerichts Winfried Hassemer hat für die Frankfurter Allgemeine Zeitung* einen Aufsatz über die Zukunft des Datenschutzes geschrieben. Darin erwähnt er auch die Operation Mikado:

… Dem Datenschutz ist diese Option nicht günstig. Er braucht ein Klima der Freiheitslust, der kritischen Empfindsamkeit für Kontrolle und Neugier und einen Sinn für Scham. Die Wegweiser zeigen in die Gegenrichtung. So waren jüngst 14 Banken bereit, 22 Millionen Kreditkarten zu überprüfen, um der Polizei von Sachsen-Anhalt 322 Verdächtige zu benennen, die für den Zugang zu einer kinderpornographischen Internetseite 79,99 Dollar gezahlt hatten.

Dass und wie sie dafür umstandslos öffentlich belobigt wurden, bestätigt mich in der Annahme, dass das Heil des Datenschutzes nicht mehr nur im beständigen Werben für Privatheit und Selbstbestimmung liegt, sondern auch in Angeboten an eine Sicherheitspolitik, ihre präventiven Ziele nicht nur mit Eingriffen in Grundrechte, sondern mit Phantasie und Informationstechnologie zu verwirklichen.

Schämen müssen sich Banken, die so freimütig ihren gesamten Datenbestand rastern, eigentlich nur dann, wenn das Ansinnen der Ermittlungsbehörden aus Sicht dieses Verfassungsgsrichters zumindest nicht, nun ja, astrein gewesen ist. Denn ansonsten hätten sie ja nur ihrer staatsbürgerlichen Pflicht genügt – und sich Lob verdient.

Meine Verfassungsbeschwerde gegen die Operation Mikado liegt dem Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung vor.

* Printausgabe vom 5. Juli 2007

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