Trotz geduldigen Wartens auf das Urteil hat sich bis heute nichts getan. Neuneinhalb Wochen nach der Verurteilung warten der Mandant und ich immer noch auf die schriftlichen Urteilsgründe. Ohne die kann die Revision nicht begründet werden.
Ich versuche es jetzt mit einer Haftbeschwerde:
In der Strafsache
gegen
S.
lege ich hiermit Haftbeschwerde ein.
1. Das Landgericht hat sein Urteil am 9. März 2006 verkündet.
Das Urteil war am 9. März 2006 bereits geschrieben. Dies ergibt sich aus dem Umstand, dass die Vorsitzende das Urteil nicht in freier Rede begründet hat. Sie hat vielmehr das bereits schriftlich vorliegende Urteil vorgelesen.
Dies wird glaubhaft gemacht durch hiermit erfolgende anwaltliche Versicherung des Unterzeichners, im Übrigen durch einzuholende dienstliche Äußerungen der am Verfahren beteiligten Berufsrichter.
Das Urteil ist bis heute, also neuneinhalb Wochen nach Verkündung, nicht zugestellt.
Der Unterzeichner fragte am 4. Mai 2006 telefonisch nach, wann mit der Zustellung des Urteils zu rechnen ist. Die Geschäftsstelle erkundigte sich und teilte in einem Rückruf vom 5. Mai 2006 mit, das Urteil werde in den nächsten Tagen zugestellt.
Eine erneute Rückfrage bei der Geschäftsstelle am 15. Mai 2006 ergab, dass sich das Urteil immer noch in der Schreibkanzlei befinden soll. Wegen Rückständen könne nicht gesagt werden, wann das Urteil zugestellt wird.
2. Die Urteilsabsetzungsfrist beträgt im vorliegenden Fall gemäß § 275 Abs. 1 StPO zwar sieben Wochen. Sie endete somit am 27. April 2006.
Diese Frist ist aber nicht so zu verstehen, dass sie unter allen Umständen ausgeschöpft werden kann. Vielmehr trifft die Strafgerichte bei Haftsachen in allen Verfahrensabschnitten die Pflicht, das Verfahren so zügig wie möglich zu bearbeiten (vgl. zum Beispiel BVerfG Beschluss vom 16. März 2006 – 2 BvR 170/06 Absatz 30).
Bei einem Urteil, das im Verkündungstermin fertig vorliegt und nur noch verlesen wird, ist es nicht nachvollziehbar, wieso es auch noch neuneinhalb Wochen nach Verkündung nicht zugestellt ist. Das fertige Urteil hätte kurzfristig, jedenfalls aber lange vor Ablauf der Siebenwochenfrist zur Akte gereicht und zugestellt werden können.
Angesichts des Zeitablaufs liegt somit eine unnötige, insbesondere aber auch eine erhebliche Verfahrensverzögerung im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts vor.
3. Sollte das fertige Urteil möglicherweise mit der gebotenen Beschleunigung zur Akte gereicht worden sein, läge jedenfalls eine relevante Verfahrensverzögerung vor, deren Ursache dann eben im nichtrichterlichen Bereich zu suchen ist; an der Bewertung ändert sich nichts (a.a.O. Absatz 30).
4. Auch die Fertigstellung des Hauptverhandlungsprotokolls kann bei einer derart überschaubaren Strafsache eine Verzögerung vom dargestellten Ausmaß nicht rechtfertigen (a.a.O. Absatz 30).
5. Die bereits eingetretene Verfahrensverzögerung führt dazu, dass die Fortdauer der Untersuchungshaft unverhältnismäßig geworden ist.
Rechtsanwalt