Die Angehörigen in Aufruhr, der Beschuldigte vom Rest der Welt abgeschnitten. So ist die Situation nach einer Festnahme – wenn die Polizeibeamten mauern. Wie vorhin, als mich eine Frau beauftragte, was für ihren Bruder zu tun. Der war heute Morgen verhaftet worden.
Zwar gelang es der Frau, mit einem der Beamten zu sprechen. Über das Handy ihres Bruders. Auf die Bitte, zu sagen, wo sich ihr Bruder befindet, wurde sie abgebügelt. Auch auf die Frage nach einer Telefonnummer für einen Rückruf, damit sie einen Anwalt beauftragen kann, will sie nur eine unfreundliche, man könnte auch sagen skandalöse Antwort erhalten haben:
Ihr Bruder braucht keinen Anwalt.
Über einige Umwege kriegte ich einen der bis dahin anonymen Beamten zu sprechen, die für die Sache verantwortlich sind. Auch mir gegenüber zeigte er sich nicht freundlich. Zuerst hieß es, der Junge habe schon einen Anwalt. Der sei aber nicht da, weil er keine Zeit habe.
Ich erklärte, wie immer in dieser Situation, dass jeder Beschuldigte bis zu drei Anwälte haben darf. Und bat darum, eine eventuell andauernde Vernehmung zu unterbrechen, den Beschuldigten zu unterrichten, dass ein Anwalt zur Verfügung steht und mir Gegelegenheit zu geben, an der Vernehmung teilzunehmen. Darauf kam dann der übliche Spruch:
Ich weiß doch gar nicht, wer Sie sind. Schicken Sie erst mal eine Bestellung. Wir setzen die Vernehmung bis dahin fort.
In solchen Fällen helfen zwei Sachen: Der Hinweis, dass alles, was ab sofort („15.04 Uhr, ich notiere mir die Zeit“) gesagt wird, später halt nicht verwertbar sein wird, weil das Recht des Beschuldigten auf Rücksprache mit seinem Verteidiger vereitelt wird. Und die Frage, ob der Vorgesetzte es denn gut findet, wenn man so ruppig mit Anwälten, die ja auch nur ihren Job machen, umgeht. Oder ob er es vielleicht gar nicht nicht weiß.
Der Polizist hatte also die Wahl, ob er mich mit seinem Boss verbindet. Oder mit dem Beschuldigten. In der Hierarchie (nur nie beim direkten Vorgesetzten aufgeben) findet sich fast immer jemand, der den Kripoleuten an der Basis empfiehlt, den Ball etwas flacher laufen zu lassen. Deshalb spielt es letztlich keine so große Rolle, für welche Option sich der Beamte entscheidet.
Jener wählte allerdings die zeitsparende Möglichkeit. Er ließ mich mit dem Mandanten sprechen:
Wenn es Sie glücklich macht.
Das tat es, in der Tat. Zumindest wird der Junge heute nichts mehr sagen. Oder unterschreiben. Und wenn die sonstigen Beweise dem Staatsanwalt für eine Vorführung vor den Haftrichter reichen, sehen wir morgen weiter.