Der Jura-Bachelor kommt in NRW

Der Bachelorabschluss wird für Juristen eine Alternative. Nun ermöglicht es auch das Land Nordrhein-Westfalen Universitäten, dass Jurastudenten am Ende ihres erfolgreichen Studiums einen Bachelor-Titel erhalten – unabhängig von möglicherweise bestandenen ersten Staatsexamen.

Die Regelung sorgt dafür, dass ein komplettes Jurastudium nicht erfolglos bleibt, nur weil an dessen Ende nicht das Staatsexamen steht. Von der Regelung profitieren zum Beispiel Studentinnen, die in dieser Zeit Mutter werden und ihre Lebensplanung umstellen. Aber auch natürlich alle Studenten, die am ersten juristischen Staatsexamen scheitern. Das sind 20 bis 30 Prozent aller Kandidaten, eine weitaus höhere Quote als in anderen Studiengängen.

Diese Studenten erhalten mit dem Bachelor nun einen universitären Abschluss und können zum Beispiel ein Masterstudium anschließen. Alternativ haben sie künftig natürlich auch eine Qualifikation für den Arbeitsmarkt, zum Beispiel bei Versicherungen oder in Unternehmensverwaltungen. Damit, so der NRW-Justizminister Benjamin Limbach, werde auch der Fachkräftemangel abgefedert.

Auch in anderen Bundesländern gibt es den Bachelor-Studiengang schon oder es gibt Pläne dazu.

Ex-Terroristen dürfen Ex-Terroristin nicht besuchen

Die vor kurzem festgenommene frühere RAF-Terroristin Daniela Klette darf gewisse Besucher nicht empfangen. Ehemaligen RAF-Terrroristen und einer heutigen Sympathisantin verweigert die Ermittlungsrichterin am Bundesgerichtshof Besuche in der Justizvollzugsanstalt Vechta, wo Klette einsitzt. Befürchtet werden Fluchtabsprachen und Schützenhilfe Klettes für noch flüchtige Mittäter.

Konkret geht es um die früheren, heute aber längst freien RAF-Terroristen Günter Sonnenberg und Karl-Heinz Dellwo sowie um die Bremer Aktivistin Ariane M. Letztere hatte schon mal eine Dauerbesuchserlaubnis bei Klette, diese wurde jetzt aber zurückgenommen. Sonneberg und Dellwo will die Richterin gar keine Erlaubnis geben. Wie die Tagesschau berichtet, steht insbesondere im Raum, dass Klette Nachrichten an den noch flüchtigen Burkhard Garweg übermitteln könnte. Außerdem wird wohl befürchtet, dass Befreiungspläne geschmiedet werden – obwohl jeder Besuch von Polizisten überwacht wird.

Auch Klettes Postverkehr gibt der Richterin Anlass für Zweifel. So soll ein Brief aufgefallen sein, der aus nicht zusammenhängenden Sätzen besteht. Klettes Anwalt kann die Maßnahmen nicht nachvollziehen. Dellwo und Sonneberg seien über 70 Jahre alt, die RAF sei seit über 25 Jahren aufgelöst.

Auf Behörden kann man sich verlassen…

Auf Zusagen von Behörden kann man sich verlassen? Seid euch da nicht so sicher…

Eine Frau sollte Corona-Hilfen zurückzahlen. Sie rief bei der zuständigen Behörde, der Investitionsbank Sachsen-Anhalt, an und bat darum, die einmonatige Klagefrist gegen die Rückforderung zu verlängern. Diesem Wunsch entsprach eine Mitarbeiterin der Bank, und zwar per Mail.

Erst nach Ablauf der eigentlichen Klagefrist von einem Monat ging die Frau dann zum Anwalt – und fiel dort wohl aus allen Wolken. Denn die Verlängerung einer Klagefrist ist gesetzlich nicht vorgesehen, die Behörde hat hierzu eigentlich kein Recht.

Die Frage war jetzt, wie das Verwaltungsgericht Magdeburg mit der Sache umgeht. Ziemlich hartherzig, kann man sagen. Nach Auffassung des Gerichts ist die Klägerin an allem selbst schuld. Sie hätte sich nicht auf die behördliche Zusage verlassen dürfen, sie hätte früher zum Anwalt gehen müssen, ein Irrtum oder Rechtsunkenntnis sei ganz allein ihr Problem.

Natürlich hätte der Richter das auch anders sehen und von Amts wegen die sogenannte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewähren können. Immerhin ist das Urteil bislang nicht rechtskräftig. Es gibt also noch eine Chance, dass man sich auf Zusagen einer Behörde vielleicht doch verlassen kann, selbst wenn sie nicht korrekt sind (Aktenzeichen 6 A 33/23 MD).

Kein Visum bei Hochzeit per Video

Das Bundesaußenministerium gilt bei der Erteilung von Visa als nachgiebig, gerade wenn es um Afghanen geht. Allerdings gibt es auch Fälle, die sind so suspekt, dass selbst diese Behörde nein sagt.

Es ging um einen 2015 eingebürgerten Afghanen, der seit 21 Jahren in Deutschland lebt. Er heiratete eine Afghanin, nachdem er seinen deutschen Pass hatte, und wollte diese anschließend nach Deutschland holen. Allerdings stellte sich heraus, dass der Bräutigam für die Trauung noch nicht einmal zu seiner Verlobten reiste. Er nahm zwar an einer „religiösen Zeremonie“ teil, ließ sich für diese Trauung aber lediglich per Videokonferenz aus Deutschland zuschalten.

Für das Oberverwaltungsgericht Brandenburg liegt keine wirksame Ehe vor. Der Ehemann habe sich während der Eheschließung in Deutschland befunden, deshalb gelte (auch) deutsches Recht. Deutsches Recht sehe aber zwingend vor, dass beide Ehegatten physisch vor dem Standesbeamten präsent sind. Die Ehe sei damit formunwirksam (Aktenzeichen 6 B 1/24).

Gericht stoppt Werbung für Hyaluron-Filler

Unternehmen dürfen nicht mit Vorher-Nachher-Bildern für kosmetische Eingriffe werben. Das Oberlandesgericht Hamm bremst eine Firma, die auf Instagram und anderen sozialen Medien für Hyaluron-Behandlungen warb.

Es ging in dem Verfahren nicht darum, ob die Bilder unzutreffend sind. Diese zeigten angebliche Erfolge von unterspritzten Fillern im Bereich von Nase, Wangenknochen und im Kinnbereich. Vielmehr bejaht das Gericht ein grundsätzliches Verbot der Vorher-Nachher-Werbung bei allen kosmetischen Eingriffen. Die Richter folgen damit der Verbraucherzentrale, die Klage eingereicht hatte.

Die Firma verteidigte sich damit, das Unterspritzen sei kein operatives plastisch-chirurgisches Verfahren im Sinne der Vorschriften. Doch, sagt das Gericht. Jeder instrumentelle Eingriff, der die Gestalt verändere, sei so eine Operation. Dem Gesetz gehe es gerade darum, dass keine optischen Anreize für riskante Eingriffe geschaffen werden (Aktenzeichen 4 UKl 2/24).

Tempo 60? Im Ruhrgebiet nicht möglich

75 Minuten Anreisezeit für eine Fahrtstrecke von 75 Kilometern – eine katastrophale Fehlplanung. Jedenfalls, wenn man im Ruhrgebiet unterwegs ist. Mit dieser Erkenntnis versorgt uns der Anwaltsgerichtshof Hamm.

Ein Durchschnittstempo von 60 Stundenkilometern sei in dieser Region völlig unrealistisch, so das Gericht – jedenfalls an einem Freitagmittag. Für eine Rechtsanwältin hat diese Erkenntnis negative Auswirkungen. Die Juristin verpasste ihren Berufungstermin wegen einer Pflichtverletzung. Ihre Berufung wurde verworfen, weil die Betroffene 45 Minuten zu spät erschien.

Allerdings ging es in dem Verfahren nicht nur um den täglichen Wahnsinn auf Nordrhein-Westfalens Straßen. Der Gerichtshof kreidet der Kollegin auch an, dass sie kein Handy dabei hatte, um wenigstens im Gericht anzurufen. Zu allem Überfluss hatte die Anwältin ihren Anwaltsausweis nicht dabei, weshalb sie länger am Gerichtseingang kontrolliert wurde.
Doch damit nicht genug.

Laut dem Gericht verlief sie sich auch auf dem Weg zum Saal, was weitere Zeit kostete. Dabei, so das Gericht, hätte sie zumindest das Sicherheitspersonal nach dem Weg fragen müssen – was sie nicht tat. Das Urteil gegen die Rechtsanwältin wurde ohne weitere Prüfung rechtskräftig (Aktenzeichen 2 AGH 01/24).

Richterin ver….t Anwalt

Ziemlich dreist. Was anderes fällt mir nicht ein zum Verhalten einer Strafrichterin am Landgericht Bonn. Diese machte erst Zusagen, die sie dann einfach nicht einhielt. Die Quittung kommt jetzt vom Bundesgerichtshof.

Das Strafverfahren verzögerte sich wegen neuer Termine, einer der beteiligten Anwälte hatte einen dreiwöchigen Urlaub gebucht. Für diesen Zeitraum erklärte sich die Richterin zu sogenannten Schiebeterminen bereit. Der Anwalt hätte eine Vertreterin senden können. Wesentliche Dinge sollten in der Zeit nicht im Verfahren passieren. Ein durchaus übliches Vorgehen.

Allerdings überlegte es sich die Richterin anders. Während der Anwalt urlaubte, setzte sie eine letzte Frist zur Stellung von Beweisanträgen. Diese Frist lief noch vor Urlaubsende des Verteidigers aus. Außerdem ordnete die Richterin an, dass die Staatsanwaltschaft schon mal ihr Plädoyer hält. Zur Begründung führte sie an, nach ihrer Erfahrung wären Anwälte auch im Urlaub „aktiv“.

Die Richterin ist ganz klar befangen, urteilt der Bundesgerichtshof. Das Urteil wurde deshalb aufgehoben, die Sache muss nun neu verhandelt werden (Aktenzeichen 2 StR 51/23).

Anwaltskammern verrechnen sich

Die deutschen Rechtsanwaltskammern haben bei einer wichtigen Abstimmung die geltenden Regeln nicht richtig angewandt. Damit steht ein Beschluss zur Abschaffung des Vertretungsmonopols spezieller Rechtsanwälte am Bundesgerichtshof auf der Kippe.

Soll der elitäre Kreis vertretungsberechtigter Zivilrechtsanwälte am Bundesgerichtshof künftig ausgeweitet werden – zum Beispiel durch einen Fachanwalt? Für diesen Schritt ergab sich in einer Abstimmung unter den 28 deutschen Anwaltskammern eine knappe Mehrheit. Das wäre eine kleine Revolution auf dem Anwaltsmarkt.

Allerdings gelten für die Abstimmungen seit kurzem neue Regeln für die Gewichtung der Stimmen der einzelnen Kammern. Je mehr Mitglieder eine regionale Anwaltskammer hat, desto größer ihr Einfluss. Allerdings werden dabei nur einzelne Anwälte als „Mitglieder“ gezählt. Anwaltsgesellschaften, die auch Mitglied der Kammern sein können, zählen dagegen nicht. Das ist logisch, weil die Mitglieder der Anwaltsgesellschaften ja selbst Anwälte sind und es zu einem doppelten Stimmrecht käme.

Diese Regeln wurden nicht beachtet, in Frankfurt und Berlin fiel den Kammern deshalb eine Stimme zu viel zu. Bei einem Abstimmungsergebnis von 48 : 46 also ein entscheidender Fehler. Der Fehler ist übrigens schon ausgemacht. Bei der Programmierung des elektronischen Wahlsystems hat man wohl nicht aufgepasst. Ob und wie der Beschluss jetzt neu gefasst wird, ist noch unklar.

Bericht bei beck-aktuell

Winterkorn-Prozess platzt wegen Duschunfall

Der Prozess gegen den früheren VW-Chef Martin Winterkorn wegen dessen Rolle in der Diesel-Affäre ist erst einmal geplatzt. Winterkorn soll in der Dusche gestürzt sein und sich den Oberschenkel gebrochen haben. Laut einem medizinischen Gutachten ist er nicht verhandlungsfähig.

In dem Verfahren wurde vor mehr als drei Wochen zuletzt verhandelt. Eine Unterbrechung über drei Wochen hinaus ist nicht zulässig. Da ist die Strafprozessordnung unerbittlich. Nur während der Corona-Pandemie waren längere Unterbrechungen möglich, sofern das Gericht einen entsprechenden Beschluss fasste. Diese Regelungen sind aber außer Kraft getreten.

Da Landgericht Braunschweig rechnet nun mit einem Neustart im 1. Quartal des kommenden Jahres (Aktenzeichen 16 KLs 75/19).

Die Migrantenquote und das Grundgesetz

Die SPD-Fraktion im Bundestag plant nach Medienberichten eine Migrantenquote für den öffentlichen Dienst. Dies soll die „Einwanderungsgesellschaft“ stärken. Ein Gesetzentwurf soll angeblich noch in diesem Jahr vorliegen und der Sozialdemokratie mutmaßlich zu enormen Rückenwind bei der Wählerschaft verhelfen.

Die Idee einer festen Migrantenquote geht weit über die Diversitätskonzepte hinaus, wie man sie bisher kennt. Mit dem Grundgesetz in seiner jetzigen Fassung ist eine Migrantenquote aber gar nicht vereinbar. Das Grundgesetz gewährt jedem den gleichen Zugang zu einem öffentlichen Amt, und zwar „nach seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung“. Das gilt für Bund, Länder und Kommunen.

Von den Vorfahren, der geografischen Herkunft des Bewerbers oder gar Fluchtschicksalen steht da nichts. Erschwerend kommt hinzu, dass Art. 3 Abs. 3 Grundgesetz es nicht nur verbietet, jemanden wegen seiner Abstammung oder Herkunft zu benachteiligen. Nein, bitte genau lesen. Da steht auch ausdrücklich drin, dass niemand wegen seiner Abstammung oder Herkunft bevorzugt werden darf. Einen anderen Auftrag erteilt das Grundgesetz ausdrücklich nur in einem einzigen anderen Punkt – der Gleichberechtigung von Männern und Frauen.
Es gibt also derzeit keinerlei verfassungsrechtlichen Auftrag für eine Migrantenquote. Ganz im Gegenteil würde eine Migrantenquote offenkundig zu einer – verbotenen – Bevorzugung führen und Leute in öffentliche Ämter bringen, die hierfür nach geltenden Kriterien schlechter qualifiziert sind als andere Bewerber.

Weitere Frage: Wie soll das alles praktisch gehen? Für eine Beamtenstellung muss der Bewerber ja einen deutschen Pass haben. Für ein Ticket auf der Migrantenquote wird er also mit der eigenen „Original“-Abstammung und der seiner Eltern werben müssen. Wobei es ja spätestens in dem Augenblick interessant wird, wenn sich der in Deutschland geborene Sohn eines südkoreanischen Arztes und einer amerikanischen Professorin nach seinem Studium auf seinen unzweifelhaften „Migrantenstatus“ beruft, um seinen Traum von einer Beamtenkarriere zu erfüllen. Vielleicht ein krasses Beispiel. Umgekehrt lässt es sich einfacher auf den Punkt bringen: Der Doofe ist am Ende immer die Kartoffel.

Halten wir fest: Ohne Änderung des Grundgesetzes ist eine Migrantenquote verfassungswidrig. Für eine Änderung des Grundgesetzes wäre eine Zwei-Drittel-Mehrheit erforderlich. Wo diese Mehrheit herkommen soll, können wahrscheinlich nur die Befürworter eines AfD-Verbots erklären. Wer das wohl ist?

Corona-Kritik mit Hakenkreuzen ist strafbar

Corona-Kritik mit Hakenkreuzen ist strafbar, so das Kammergericht Berlin. Die Richter verurteilen einen Mann, der auf X Corona-Masken mit aufgedruckten Hakenkreuzen gepostet hatte, verbunden mit kritischen Texten. Das ist nach Auffassung der Richter eine strafbare Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen.

Verboten ist die Verwendung von Hakenkreuzen, wenn sie auf eine Unterstützung der dahinter stehenden Ideologie ausgerichtet ist. Wenn sich aus dem Kontext aber eine klare Distanzierung ergibt, ist die Abbildung nicht verboten. Allerdings sieht das Kammergericht die „Beweispflicht“ hier beim Betroffenen. In dem entschiedenen Fall fehlt ihnen eine „eindeutige Abkehr von den Idealen des Nationalsozialismus“.

Außerdem wolle das Strafgesetz die inflationäre Verwendung solcher Symbole vermeiden, so die Richter. Es soll ein „kommunikatives Tabu“ geben, damit kein Gewöhnungseffekt eintritt.
Das Amtsgericht Tiergarten hatte den Angeklagten noch freigesprochen. Über das Strafmaß muss jetzt ein anderer Amtsrichter entscheiden (Aktenzeichen 2 ORs 14/24)

Keine Pauschalgebühr für neue SIM-Karte

Mobilfunkanbieter dürfen dem Kunden für eine Ersatz-SIM-Karte nicht einfach Gebühren berechnen. Pauschal 15 Euro gehen nicht, so das Oberlandesgericht Frankfurt am Main.

Der Verbraucherzentrale Bundesverband hatte einen Mobilfunkanbieter verklagt, weil der für jeden SIM-Karten-Tausch 15 Euro berechnete. Damit müsste der Kunden auch zahlen, wenn die SIM-Karte aus technischen Gründen nicht mehr funktioniert oder der Anbieter die Karte von sich austauscht. Letztlich geht eine Gebühr also nur dann, wenn der Austausch vom Kunden verursacht wird, zum Beispiel bei Kartenverlust (Aktenzeichen 1 UKl 2/24).