Zwischenruf kostet 300 Euro

Über die Verurteilung seines Sohnes in einem Strafverfahren war ein Mann so erbost, dass er die Urteilsverkündung des Vorsitzenden Richters am Landgericht Aachen unterbrach. Der Mann redete in die Urteilsverkündung hinein und sagte (sinngemäß), die Entscheidung sei eine Farce, das Urteil soll im Namen des Volkes ergehen, er sei schließlich auch das Volk. Wie nicht anders zu erwarten, kassierte er hierfür ein Ordnungsgeld in Höhe von 300 Euro.

Im Juristendeutsch spricht man von Ungebühr. An dem Fall ist interessant, dass der Betroffene eigentlich leicht aus der Sache herausgekommen wäre – hätte er sich die Verfahrensfehler des zuständigen Richters zu Nutze gemacht.

Der Kapitalfehler des Richters lag darin, dass er das angebliche Fehlverhalten nicht richtig protokollierte. Ein Ordnungsgeldbeschluss setzt nämlich voraus, dass die beanstandeten Äußerungen wörtlich wiedergegeben werden und auch klar gemacht wird, welche äußeren Umstände herrschten. Hiervon findet sich in dem fraglichen Ordnungsgeldbeschluss allerdings nichts. Im Protokoll heißt es lediglich, während der mündlichen Urteilsbegründung habe der Zuschauer den Vorsitzenden unterbrochen. Er sei ermahnt worden. Für den Wiederholungsfall sei ihm ein Ordnungsgeld und die Entfernung aus dem Sitzungssaal angedroht worden.

Was der Betreffende konkret gesagt hat, steht dagegen nicht im Protokoll. Das reicht nach Auffassung des Oberlandesgerichts Köln im Normalfall nicht, um einen Ordnungsgeldbeschluss zu rechtfertigen. Vielmehr ist es notwendig, dass die nächsthöhere Instanz die Entscheidung anhand des Protokolls inhaltlich überprüfen kann. Auf spätere Stellungnahmen des Richters darf nicht zurückgegriffen werden. Aber keine Regel ohne Ausnahme. Denn der Betroffene hat vergessen, sein Fehlverhalten in seiner Beschwerde gegen den Ordnungsgeldbeschluss ausdrücklich zu bestreiten. In diesem Fall wird der Wortlaut der Äußerungen dann doch nicht benötigt – so zumindest das Oberlandesgericht Köln.

Aus der Sache kann man also mitnehmen, dass man als – renitenter – „Zuschauer“ vor Gericht jedenfalls dann gute Karten hat, wenn der Richter sich nicht die Zeit nimmt, ein genaues Protokoll aufzunehmen. Man darf dann nur nicht vergessen, den Vorwurf abzustreiten. Unabhängig davon wird häufig in solchen Situationen vergessen, den Betroffenen vor Verhängung des Ordnungsgeldes anzuhören. Wie in jedem Verfahren hat man auch hier Anspruch auf rechtliches Gehör (Aktenzeichen 2 Ws 379/24).