Wahllokale: Zuschauer sind erwünscht

Die Auszählung von Wahlstimmen ist in Deutschland öffentlich. Das heißt, jeder darf im Wahllokal die Wahl, die Auszählung und die Feststellung des Ergebnisses beobachten, und zwar unabhängig vom eigenen Stimmrecht. Man darf nur nicht stören.

Auf den Seiten vieler Wahlbehörden werden die Vorteile der Wahlbeobachtung extra erwähnt:

1. Wahlbeobachtung erhöht die Transparenz des demokratischen Prozesses. 2. Sie fungiert als zusätzliche Sicherheitsmaßnahme gegen potenzielle Manipulationen. 3. Sie stärkt das Vertrauen der Bürger in die Integrität des Wahlsystems.

Fünfeinhalb Jahre später…

Ihr erinnert euch an die „Mutter aller Autokorsos“? Am 22. März 2019 soll eine Hochzeitsgesellschaft mit Sportwagen die A 3 blockiert haben. Dabei soll auch mit einer Pistole geschossen worden sein. Die Justiz hat den Fall immer noch nicht erledigt. Nach über fünf Jahren gab es jetzt einen Gerichtstermin. Herausgekommen ist: nichts.

Seinerzeit haben Polizeibeamte in Zivil, die sich zufällig hinter dem Korso befanden, die Aktion gefilmt. So soll es ein Video geben, in dem ein Angeklagter im Brautfahrzeug Donuts auf der A 3 dreht. Es wurden dann auch die Mobiltelefone der Hochzeitsgäste einkassiert und ausgewertet.

Nach fünfeinhalb (!) Jahren gab es nun die erste Verhandlung. Den angeklagten Männern wird gemeinschaftliche Nötigung und Waffenmissbrauch vorgeworfen. Viel herausgekommen ist im ersten Prozesstermin nichts. Der Angeklagte, der geschossen haben soll, erschien nicht.

Das Gericht macht einen neuen Anlauf im Januar nächsten Jahres. Noch eine kleine Information zum Schluss: Es ist bereits der vierte Versuch, die Sache zu verhandeln. Alle bisherigen Termine scheiterten ebenfalls (Aktenzeichen 401 Ls 35/21).

Auch Demente können ein Testament machen

Auch demente Menschen können ein Testament errichten – das ergibt sich aus einer Entscheidung des Landgerichts Frankenthal.

Eine Frau hatte im Alter von 90 Jahren beim Notar ihr Testament gemacht. Darin schenkte sie dem Sohn einer Freundin ihr wertvolles Haus in Ludwigshafen. Der Testamentsvollstrecker ging gegen das Testament vor. Er verwies auf Arztberichte. Diese erwähnten eine „beginnende demenzielle Entwicklung“ und eine „bekannte Demenz“.

Laut den Richtern muss auch bei einer Demenz geprüft werden, ob der Erblasser trotz seiner Erkrankung noch ein klares Urteil über die Tragweite seiner Anordnungen treffen kann. Und ob er frei von Einflüssen Dritter entscheiden kann.

Zumindest eine beginnende oder leichtgradige Demenz mache ein Testament regelmäßig nicht unmöglich, heißt es in dem Beschluss. Den Begriff der Testierunfähigkeit definieren die Richter also streng und fordern für ein Testament nicht unbedingt den „Vollbesitz“ geistiger Kräfte (Aktenzeichen 8 O 97/24).

Anwalt? Brauchen wir nicht…

Am Anfang stand eine Geldstrafe, am Ende Haft: Das Bundesverfassungsgericht befreit im Wege der einstweiligen Verfügung einen Mann aus dem Knast. Der Betroffene war vom Landgericht Frankfurt in Abwesenheit und ohne Anwalt zu zwei Jahren Gefängnis ohne Bewährung verurteilt wurde.

In dem Verfahren ging es um zwei Geldstrafen, die gegen den Angeklagten getrennt verhängt worden waren. Gegen diese Verurteilungen legte neben dem Angeklagten auch die Staatsanwaltschaft Berufung ein, was dann auch eine härtere Strafe denkbar machte. Der Angeklagte kam nicht zu seiner Berufungsverhandlung. Er sei krank, ließ er über seinen Anwalt mitteilen. Der Verteidiger erschien ebenfalls nicht. Am Ende verhandelte das Landgericht nur die Berufung der Staatsanwaltschaft – und verhängte geschlagene zwei Jahre ohne Bewährung.

Nun herrschte eigentlich Einigkeit darüber, dass so eine hohe Strafe nicht ohne Verteidiger geht. Ab einer Straferwartung von einem Jahr geht es ohne Anwalt schlicht nicht mehr, so der rechtsstaatliche Grundsatz. Von daher wundert sich das Verfassungsgericht erkennbar darüber, dass das Oberlandesgericht die Revision des Angeklagten trotz der offenkundigen Verstöße als „unzulässig“ verwarf.

Da der Mann bereits seine Strafhaft angetreten hat, setzt das Verfassungsgericht mit seinem Beschluss vom 19. Juli die Vollstreckung vorläufig aus. Der Angeklagte darf also erst mal nach Hause, in der kommenden Neuauflage des Prozesses wird der Anwalt sicher nicht vergessen werden (Aktenzeichen 2 BvR 829/24).

Sorry Grüne, ich bin unmoralisch

„Die Grünen moralisieren gar nicht!“

Diesem Clickbait des Zeit-Journalisten Bernd Ulrich konnte ich nicht widerstehen. Immerhin muss diese These ja jedem, der schon ein bisschen Lebenserfahrung hat und das notgedrungen auch mit den Grünen im Fernsehen und im real life beim unvermeidlichen Elternabend, mörderisch steil erscheinen. Immerhin: Der Autor widerlegt sich mit vielen putzigen Zeilen selbst. Doch reichen für Faule schon zwei Zitate, um Ulrichs Denkfehler zu erkennen.
Beginnen wir damit, wie Ulrichs Mustergrüner die Welt sieht:

Fast alle Fässer sind mittlerweile so voll, dass jeder weitere Tropfen sie zum Überlaufen bringt. Der epochale Wechsel besteht genau darin: Was bis vor Kurzem noch kein Gegenstand von Moral zu sein brauchte, weil die Folgen für Dritte unerheblich waren, und was darum als reine Betätigung individueller Freiheit erlebt und beansprucht wurde, das verwandelt sich nun in einen moralischen Tatbestand, weil die Folgen für Dritte bereits jetzt gravierend sind und alsbald katastrophal werden könnten. Fleischessen, Fliegen, Autofahren, Massentourismus sind in die Sphäre der Moral eingetreten. Das ist ganz schlicht ein moralischer Tatbestand, der auch nicht aus der Welt, den Gewissen und den Hinterköpfen verschwinden würde, wenn die Grünen das Reden komplett einstellen würden.

Das ist die Essenz des grünen Moralins. Früher war Grün ein leicht benebelndes Eau de Cologne (Joschka Fischer), heute ist es längst ein schweres Eau de Parfum (Robert Habeck). Aber ich will Bernd Ulrich ja gar nicht wegnehmen, dass seine Leute heute jedes private Handeln, vor allem aber jedes Vergnügen und sogar jede Unsinnigkeit nur noch auf den CO2-Ausstoß reduzieren und somit am Ende schon deine und meine Existenz als Zumutung ansehen.

Kennen wir, akzeptieren wir.

Ulrichs eigentlicher Denkfehler ergibt sich aus dem nächsten Satz. Dieser bezieht sich auf jeden, welcher der grünen Lehre nicht anhängt:

Schließlich ist auch die Behauptung, man dürfe trotz kumulativer und exponentieller Effekte so weitermachen wie bisher, ein ziemlich großformatiges moralisches Statement, genauer gesagt eine moralische Anmaßung.

Nein, das Leben der Anderen, der Nichtgrünen, ist genau das Gegenteil. Es ist zwar ein großformatiges, man könnte auch sagen hoffentlich geiles Statement, aber letztlich eben ein unmoralisches Statement. Der Andere, der Nichtgrüne, formuliert ein lakonisches, gerne auch durch einen CO2-Ausgleich abgemildertes Scheißegal, was zum Beispiel den Beitrag seines Teneriffa-Flugs zum Armageddon betrifft. Letztlich nimmt sich der Andere aber trotz hochgezogener Augenbrauen unter blauen Haaren des grünen Zeitgenossen das Recht, diesen Planeten zu plündern – so wie es seit dem ersten Höhlenmenschen der Fall gewesen ist. Der Andere ist ganz bewusst ein letztlich schlechter Mensch – aber eben nur in Klimakleber-Kategorien. Der Andere bricht bei seinen Sünden nicht in Tränen aus. Nicht mal in Deutschland. Im Rest der Welt weiß sowieso niemand, wovon Ulrich schreibt.

Das heftigste und nervigste Moralisieren der Grünen besteht somit darin, allen Nichtgrünen Moral aufzwingen zu wollen, welche diese gar nicht haben und schon mal gar nicht haben wollen. Der Versuch zieht bei mir nicht, obwohl Joschka eine coole Socke war.

Widerruf: Probieren schadet nicht

Auch wenn alle bekannten Vorurteile über Gebrauchtwagenhändler natürlich nicht stimmen, begegnete meine Mandantin der buchstäblichen Ausnahme. Das Ekelpaket kaufte über eine Online-Plattform den Gebrauchtwagen meiner Mandantin. Das ist ja alles auch sehr praktisch und vor allem so reibungslos. Aber dann ging der Ärger los.

Als es um die Abholung des Wagens und die avisierte Barzahlung ging, wollte der Käufer plötzlich vom vereinbarten Kaufpreis nichts mehr wissen. Er habe sich die Bilder vom Auto noch mal angesehen. Und – natürlich – einen angeblichen Vorschaden entdeckt. Außerdem sei da was an der Radaufhängung, undsoweiterundsofort. Dreitausend Euro müsse meine Mandantin auf jeden Fall vom Preis runtergehen. Er habe gute Anwälte, fügte der Käufer an.

Die Mandantin war ziemlich aufgelöst, weil mit Druck kann sie nicht gut umgehen. Ich bin bekanntlich kein Zivilrechtler, aber dennoch habe ich mal schnell ins Gesetz geguckt. Dort stieß ich auf ein Widerrufsrecht, wenn der Vertrag ausschließlich online oder telefonisch geschlossen wird (Fernabsatzvertrag). Hier waren allerdings die Rollen vertauscht. Aber es steht im Gesetz jedenfalls nicht ausdrücklich, dass der Verbraucher Käufer und der Unternehmer Verkäufer sein muss.

Ich riet der Mandantin also zum Vorgehen streng nach Gesetz. Also Widerruf per Einzeiler – ohne jede Begründung. Der Käufer tobte zwar in einer Mail und kündigte Post von seinen tollen Anwälten an. Aber am nächsten Tag kam von ihm nur eine kurze Nachricht: „Die Sache ist für mich erledigt. Weitere Vertragsanfragen werden wir von Ihrer Seite künftig ignorieren.“

Die Idee war also wirksam. Ich hoffe, sie stimmt auch mit der Rechtslage überein. Das habe ich nämlich nicht geprüft.

Wer zahlt fürs Sperma?

Wenn ein biologischer Mann sich auf Kosten der gesetzlichen Krankenkasse zur Frau umwandeln lässt, kann er vorher Spermien von sich einfrieren lassen – um später einen Kinderwunsch über künstliche Befruchtung zu erfüllen. So weit, so gut. Die Frage ist, ob dafür auch die Krankenkasse zahlen muss. Die Entscheidung des Bundessozialgerichts liegt nun vor.

Die sogenannte Kryo-Konservierung ist gesetzlich geregelt. Wenn wegen einer Erkrankung und der damit verbundenen Therapie einem Mann Zeugungs- oder einer Frau Empfängnisunfähigkeit (sogenannte Keimzellenschädigung) droht, können diese ihre Spermien oder Eizellen auf Kosten der Krankenkasse einfrieren lassen. Bei einer anstehenden Geschlechtsumwandlung ist das mit der Erkrankung aber fraglich. Immerhin beruht die Transition auf einem eigenen, freien Entschluss. Die Vernichtung der von Geburt vorhandenen Keimzellen ist somit nicht Folge, sondern gerade Ziel einer Geschlechtsangleichung.

Die Vorinstanz wies die Klage des früheren Mannes genau mit dieser Begründung ab. Doch das Bundessozialgericht sieht es ganz anders. Das Recht auf Kryo-Konservierung trage dem Bedürfnis Rechnung, die eigene Fortpflanzungsfähigkeit zu erhalten, und zwar unabhängig von der geschlechtlichen Identität. Die Anpassung Mann -> Frau ändere nichts am möglichen Kinderwunsch, und dieser mögliche spätere Wunsch muss laut den Richtern auch von den Beitragszahlern vorfinanziert werden.
Die Krankenkasse muss die Kryo-Konservierung nun zahlen. Es ging um 693,77 € (Aktenzeichen B 1 KR 28/23 B).

Klimakleber in der Strafspirale

Juristisch wird die Luft dünner für Klimakleber. Das Amtsgericht Tiergarten hat einen Aktivisten zu einem Jahr und neun Monaten Freiheitsstrafe verurteilt – ohne Bewährung. Dem 65-Jährigen wurden insgesamt 40 Taten zur Last gelegt, darunter auch Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte.

Bei dem Mann häuften sich die angeklagten Taten in einem Verfahren. Bei anderen Klimaklebern sind es mittlerweile die Vorstrafen oder die Vielzahl getrennter, paralleler Verfahren. Gerade bei letzteren dreht sich die Sanktionsspirale im Strafrecht immer schneller. Werden die ersten Taten noch eingestellt, folgen dann Arbeitsstunden oder Geldstrafen. Später folgen aus gleichartigen Taten Haftstrafen, die erst mal zur Bewährung ausgesetzt werden. Aber dann halt nicht mehr. Neue und alte Verurteilungen werden aus gesetzlichen Gründen meistens zu sogenannten Gesamtstrafen zusammengezogen. Auch wenn hier nicht blind addiert werden darf, schaukelt sich das Strafmaß hoch. Das ist eine Dynamik, die gerade junge Klimakleber vielleicht gar nicht kennen – und die ihnen von ihren Finanziers und Einpeitschern auch verschwiegen wird.

Fast schon tragisch am Berliner Fall: Das Gericht hat dem Angeklagten eine Freiheitsstrafe von einem Jahr auf Bewährung angeboten, wenn er die Taten einräumt. Das hat der Mann über seine Anwälte abgelehnt, weil die Justiz angeblich sowieso nur „Feindstrafrecht“ anwendet.

Mauschelei in NRW ist noch nicht vom Tisch

Das Oberverwaltungsgericht Münster hat weiter keinen Präsidenten. Seit nun mehr als drei Jahren. Das Bundesverfassungsgericht gab nun der Beschwerde eines unterlegenen Bewerbers statt. Der Bundesrichter hatte sich auf die Stelle beworben, scheiterte aber gegen eine Kandidatin aus dem Innenministerium von Nordrhein-Westfalen. Nach wie vor steht der Verdacht im Raum, dass der grüne Justizminister bei der Auswahlentscheidung gemauschelt hat.

Der unterlegene Richter hatte im Gerichtsverfahren erklärt, Justizminister Benjamin Limbach habe ihm schon früh signalisiert, er habe im Ergebnis praktisch keine Chance . Limbach soll das „Vorsprung“ genannt haben und auch das Geschlecht der Konkurrentin ins Spiel gebracht haben. Eine Rolle spielen auch schriftlich niedergelegte höchst positive Bewertungen von Limbach bzw. seinem Ministerium über die Kandidatin („hervorragend geeignet“). Limbach räumte ein, dass er mit der Frau „vielleicht drei Mal“ essen gewesen sei, sieht darin aber keine übertriebene Nähe.

Während sich die Vorinstanzen skeptisch zeigten und das Verfahren stoppten, winkte das Oberverwaltungsgericht Münster – also das Gericht, dem der Präsident fehlt – , Limbachs Entscheidung durch. Die Begründung zusammengefasst: Die angebliche Voreingenommenheit des Ministers sei schon gar nicht belegt.
So einfach kann man es sich aber nicht machen, heißt es nun vom Bundesverfassungsgericht. Jeder Bewerber für ein öffentliches Amt habe Anspruch auf ein faires Auswahlverfahren. Der unterlegene Bewerber habe hier belastbare Umstände vorgetragen, aus denen man auf eine Voreingenommenheit schließen könne – wenn die Behauptungen zutreffen. Das hätte vom Gericht aufgeklärt werden müssen, so die recht nachvollziehbare Argumentation aus Karlsruhe.

Die Sache geht also weiter. Das Oberverwaltungsgericht Münster wird derzeit vom Vizepräsidenten geleitet. Dieser hat sich, soweit bekannt, nicht um die Stelle beworben (Aktenzeichen 2 BvR 418/24).

Das Grundgesetz ist nicht in Stein gemeißelt

Bitte lasst euch nicht erzählen, das Grundgesetz sei in Stein gemeißelt. Es wurde seit 1949 schon 67-mal umgeschrieben, wobei rund 200 Artikel geändert wurden (viele mehrfach).

Die sogenannte Ewigkeitsgarantie gilt nur für die Achtung der Menschenwürde sowie einige naturgemäß eher schwammige Rechtsstaatsprinzipien (zum Beispiel Demokratieprinzip, Gewaltenteilung, Sozialstaatsprinzip). Sogar die Grundrechte – ja, die Grundrechte – können mit Zwei-Drittel-Mehrheit geändert oder sogar aufgehoben werden.

Das gewählte Parlament hat die Macht – auch über das Grundgesetz. Alles andere stimmt einfach nicht.

Einwegkunststoffverbotsverordnung (EWKVerbotsV)

Man witzelt schon mal gerne, aber letztlich hat alles seinen knallharten juristischen Hintergrund:

Am 30.07.2024 und 15.08.2024 sollten insgesamt 1.854.000 Stück Strohhalme über das Zollamt Hamburg in den freien Warenverkehr abgefertigt werden. Die Zollbeamtinnen und -beamten guckten sich aber die in Taiwan und Vietnam hergestellten Halme genauer an, da der Verdacht bestand, dass sie aus umweltschädlichem Kunststoff bestanden. Das Bezirksamt Hamburg-Mitte als zuständige Marktüberwachungsbehörde bestätigte die Feststellungen des Zolls. Die Trinkhalme dürfen nun gemäß der Einwegkunststoffverbotsverordnung (EWKVerbotsV) nicht nach Deutschland eingeführt werden.

Hauptzollamt Hamburg

Wo die freie Gesellschaft verteidigt wird

Interessanter Artikel in der Welt über die Sorgen und Nöte, die unsere freie Gesellschaft plagen und darüber, wie wir immer darum ringen müssen, dass unsere offene und unbeschwerte Art zu leben nicht gefährdet wird. Es geht um die Tätigkeit des Deutschen Werberates, der vornehmlich Beschwerden über angeblich sexistische Werbung nachgeht.

Das mutmaßlich krasseste Beispiel für sexistische Werbung in dem Beitrag ist der „Süsse Arsch“ vom König-City an der Düsseldorfer Bolkerstraße. Ein Plakat, das schon so viele Jahre vor dem Lokal steht, dass es selbst gelegentliche Altstadtgänger schon gar nicht mehr wahrnehmen.

Aber auch ansonsten scheint sich die Empörung über sexistische Werbung bei uns in Grenzen zu halten. Für 182 Beschwerden fühlte sich der Werberat im 1. Halbjahr überhaupt nur zuständig. Ganze 29 Werbungen wurden letztlich beanstandet – wobei das keine rechtliche Verbindlichkeit mit sich bringt.

Der „Süsse Arsch“ bleibt übrigens. Der Wirt weigert sich, das Plakat zu entfernen. Auch weil sich, wie er sagt, gerade Frauen sehr gerne gegenseitig vor dem Schild ablichten. Dass das Plakat laut dem Werberat tatsächlich die Käuflichkeit der Frau und nicht die des angepriesenen Himbeerlikörs implizieren soll, bleibt also bis auf weiteres ungesühnt.

Bericht in der Welt

Transparente, die niemand sieht

Die Autobahn A 27 bei Bremen musste heute mit gerichtlichem Segen für eine halbe Stunde gesperrt werden, weil sich Umweltaktivistin von einer Autobahnbrücke abseilen und dabei Transparante vorzeigen wollten.

„Der klima- und umweltschädliche Autoverkehr ist tagtäglich für viele Menschen und Tiere tödlich und verletzend“, so die Botschaft der Demonstranten. Die Stadt Achim wollte die Aktion nicht genehmigen. Sie hielt es für ausreichend, wenn sich die Protestler auf der Autobahnbrücke versammeln und dort demonstrieren können. Außerdem hatte die Behörde – durchaus naheliegend – Sicherheitsbedenken gegen das Abseilen.

Dennoch musste die A27 heute tatsächlich gesperrt werden, denn mit einer Demo ist dem Demonstrationsrecht laut dem Verwaltungsgericht Stade heutzutage nicht mehr ausreichend gedient. Mit einer Kundgebung auf der Autobahnbrücke würden die Aktivisten nicht den „erstrebten Beachtungserfolg“ erzielen. Deshalb gebiete die Versammlungsfreiheit eine einstündige Sperrung der Autobahn.

Wer diese Entscheidung für reichlich abstrus hält, liegt juristisch möglicherweise falsch. Das Oberverwaltungsgericht Lüneburg als Beschwerdeinstanz hat ebenfalls keine Probleme mit dieser doch reichlich neuen Protestform. Allerdings reduzierten die Richter die Sperrung auf eine halbe Stunde. Für diese Zeit wurde die Autobahn dann heute tatsächlich komplett gesperrt. Natürlich mit der Folge, dass praktisch niemand die Transparente gesehen hat.

Bericht

Berliner Polizei beschuldigt 12 Kollegen

Die Berliner Polizei hat den Katalog von Beschuldigten in Strafverfahren erweitert – um zwölf ihrer Kollegen. Die Beamten sollen gemeinsam einen Diebstahl in einer Kreuzberger Wache vertuscht haben. Es geht um Goldmünzen im Wert von 600 Euro. Die Münzen soll ein spielsüchtiger Polizist aus einem Dienstschrank entwendet haben.

Nach dem Verschwinden der Münzen war wohl allen Beteiligten klar, dass nur ein Kollege die Tat begangen haben konnte. Es fehlten nämlich Aufbruchspuren am Schrank. Der Dienststellenleiter soll die Sache angesprochen haben. Laut der Polizei lag ein Tatverdacht gegen einen Kollegen auf der Hand, dessen Spielsucht allen bekannt gewesen sein soll. Trotzdem sollen die Beamten keine Anzeige erstattet haben.

Der Diebstahl auf der Wache soll sich bereits im Jahr 2021 ereignet haben. Bekannt wurde die Sache, weil der mögliche Münzdieb mit einem anderen Polizisten gemeinsam im Jahr 2023 einen Autofahrer „kontrollierte“ und dem Autofahrer dann 57.000 Euro Bargeld abgenommen haben sollen. Bei den dortigen Ermittlungen wurden Chats beschlagnahmt, die jetzt wohl den Verdacht wegen des Diebstahls auf der Wache begründen.

Wer auf der Suche nach einer Drehbuch-Idee ist, kann sich gerne bedienen. Für alle anderen Leser noch mal der Hinweis: Wer schreibt, der bleibt. Telefonate sind vergänglich, Chats bleiben womöglich bis in die Unendlichkeit erhalten – und fallen Ermittlern oft aus komplett anderen Anlässen in die Hände. Nur in einem Punkt kann ich als Anwalt uneingeschränkt zum Schriftverkehr raten: Wenn es um Verabredungen zum Sex geht. Wenn am Ende unterschiedliche Auffassungen über die Freiwiligkeit bestehen, können Textnachrichten rettend sein.

Pressemeldung der Polizei

Ein ganz normaler Tag am Amtsgericht

Zu den Klassikerin im Anwaltsgeschäft gehört die Reise zu einer Hauptverhandlung, von der man als Verteidiger weiß, dass sie zwar stattfinden kann, aber irgendwann auf jeden Fall komplett wiederholt werden muss. Das ist immer der Fall, wenn das Gericht den sogenannten Eröffnungsbeschluss vergisst. Kommt gar nicht so selten vor, deshalb lohnt es sich immer darauf zu achten. Der fehlende Eröffnungsbeschluss führt ohne jedes Pardon zur Nichtigkeit der gesamten Hauptverhandlung – durch alle Instanzen.

Ich hatte nun mal wieder mit so einem Fall zu tun. Eine Ladung zum Termin gab es. Aber eben keinen Eröffnungsbeschluss. Allerdings hatte die Richterin den Fehler wohl bei der Vorbereitung des Falles noch bemerkt. Denn sie wies von sich aus darauf hin, verkündete salopp den Eröffungsbeschluss und wollte in die Verhandlung eintreten. Nun ja, flottes Tempo, aber was ist mit den Rechten des Angeklagten? Natürlich kannst du als Anwalt da brav die Klappe halten. Musst du aber nicht.

Fehlt der Eröffnungsbeschluss, sind nämlich die Ladungsfristen juristisch nicht eingehalten, auch wenn es eine schriftliche Ladung gibt. Denn wegen der fehlenden Zustellung des Eröffnungsbeschlusses, die zwingend vorgeschrieben ist, ist die Ladungsfrist (mindestens eine Woche) formal nicht in Gang gesetzt worden. Das hat zur Folge, dass der Angeklagte die Aussetzung der Hauptverhandlung verlangen kann. Über dieses Recht hätten wir sogar belehrt werden müssen, und erst dann hätten wir auf eine Einhaltung der Ladungsfrist verzichten können – wobei die Betonung wie gesagt auf können liegt.

So eine Situation ist natürlich ein guter Einstieg für ein Gespräch darüber, ob man die Sache nicht sozialverträglich erledigen kann. Zum Beispiel durch Einstellung des Verfahrens gegen Zahlung einer Geldauflage. Das hätte hier sogar nahegelegen. Aber wie so häufig stellte sich die Staatsanwaltschaft quer und legte Wert darauf, erst mal die Zeugen zu hören. Wie sich herausstellte, waren die fünf Zeugen bis auf einen aber gar nicht erschienen. Jetzt hätte man sowieso nur noch verhandeln können, wenn mein Mandant sich zur Sache äußert. Denn ohne Zeugen bzw. Geständnis natürlich keine Verurteilung. Ich lasse meinen Mandanten aber natürlich nichts sagen, wenn die Staatsanwaltschaft eine Einstellung des Verfahrens schon kategorisch abgelehnt hat. Damit war der Tag dann aber auch wirklich zu Ende.

Nächster Gerichtstermin: in einigen Monaten.