Elfjährige bekommt Kind vom Stiefvater

Ein elfjähriges Mädchen aus Siegen hat ein Baby bekommen – von ihrem Stiefvater. Allerdings behauptet das Kind, nie sexuelle Kontakte zu dem Mann gehabt zu haben. Vielmehr habe sie sich ein Kind von ihm gewünscht und sich – unter Verwendung eines gebrauchten Kondoms – selbst inseminiert. Die Polizei ermittelt, der Stiefvater ist aber nicht in Untersuchungshaft.

Über den Fall berichtet die Siegener Zeitung, leider hinter einer Paywall. Die Schwangerschaft fiel demnach Lehrern auf, weil das Mädchen immer weitere Kleider trug. Sie informierten das Jugendamt.

Theoretisch ist so ein „Samenraub“ tatsächlich möglich. Es gibt online zahlreiche Seiten, die sachlich über künstliche Befruchtung zu Hause aufklären. Allerdings ergibt sich gerade aus diesen Informationen, dass die Ermittler die Schilderung des Mädchens aus gutem Grund bezweifeln. Zum einen muss man das Alter des Mädchens sehen. Wenn sie laut den Berichten nun mit elf Jahren Mutter wurde, war sie zum Zeitpunkt ihres „Kinderwunsches“ mutmaßlich erst zehn. Die Selbstinsemination, das kann man den Ratgebern entnehmen, ist ein nicht ganz unkomplizierter Vorgang. Überdies ist Sperma maximal eine Stunde haltbar, die größte Befruchtungschance besteht bei gerade mal zehn Minuten altem Sperma. Was dann zu der Frage zu der Frage führt, wie das Kind so schnell und unbemerkt an das gebrauchte Kondom gekommen sein will.

Weiter wird man ja nicht von einem „isolierten“ Kinderwunsch bei dem Kind ausgehen können. Es ist kaum vorstellbar, dass das Mädchen keinerlei sexuelle Zuneigung gegenüber dem Stiefvater empfunden hat. Wenn sexuelle Motive eine Rolle spielen, stellt sich aber die Frage, wieso das Kind dann so ein kompliziertes Vorhaben nicht nur plant, sondern es auch tatsächlich umsetzt. Realistischerweise hätte es für das Kind doch dann näher gelegen, dem Stiefvater Avancen zu machen, die dieser dann wiederum hätte ablehnen müssen. Erst im Anschluss daran macht der „Plan“ des Kindes eigentlich Sinn.

Allerdings bin ich mir sicher, die Unklarheiten bleiben nicht lange bestehen. Ein guter forensischer Sachverständiger wird einen, maximal zwei Tage brauchen, bis er im Gespräch mit dem Mädchen die Wahrheit herausgefunden hat.

Bericht

Fall Arian: Warum dauert das so lange?

Wurde die Leiche des kleinen Arian gefunden? Oder handelt es sich um ein anderes Kind? Es wird nach offiziellen Angaben möglicherweise noch tagelang dauern, bis Polizei und Staatsanwaltschaft die Öffentlichkeit informieren. „Warum dauert das so lange?“, fragt die Bildzeitung und wundert sich, wieso der DNA-Test als sehr sichere Identifizierungsmethode so lange braucht.

Ich kann es auch nicht nachvollziehen. Wobei ich einfach mal ein Beispiel aus der letzten Zeit schildern möchte. Es ging darum, dass nachts ein Speditionslager geplündert wurde. Zu den Verdächtigen gehörte mein Mandant. Weil er vor etlichen Monaten kurze Zeit bei der Firma gearbeitet hat. Und weil am Tatort drei Zigarettenstummel der spanischen Marke „Fortuna“ gefunden wurden. Solche Zigaretten raucht mein Mandant in der Tat.

Allerdings merkte ich in der Gerichtsverhandlung an, dass man die Stummel doch auch mal auf DNA hätte untersuchen können. Dann wäre es nicht nur Spekulation, ob mein Mandant die Zigaretten geraucht hat. Der Richter fand das, wenig überraschend, nachvollziehbar. Er zog sich kurz in sein Kämmerlein zurück und telefonierte mit dem zuständigen Landeskriminalamt Um 9.45 Uhr brachte eine Polizeistreife die Kippen ins Polizeilabor. Wir verhandelten weiter. Gegen halb zwei am Nachmittag verlas der Richter ein Fax des Labors: Es ist ausreichend DNA auf allen Stummeln, aber die DNA stammt jedenfalls nicht von meinem Mandanten.

Es dauerte also nicht mal vier Stunden bis zum Ergebnis, und das in einem nun wirklich nicht sonderlich bedeutenden Fall. Es würde also gehen, wenn man wollte. Aber vielleicht gibt es ja auch kriminalistische Gründe, die Frage möglichst lange offen zu lassen. Das können wir nicht wissen – und somit auch nicht ausschließen.

Schwabbelbacke war’s nicht

Heute mal wieder ein Einblick in die Polizeiarbeit. Ich zitiere aus dem Tätigkeitsprotokoll des zuständigen Kommissars:

Bei der vorgeworfenen Tat fand Kommunikation über die E-Mail Adresse „Schwabbelbackehusthust27@mail.ru“ statt. Der Beschuldigte ist laut Aktenlage 31 Jahre alt. Da die Zahl in E-Mail-Adressen meist das Lebensalter oder Geburtsjahr widergibt, spricht dies gegen eine Beteiligung des Beschuldigten.

Achtet also bitte künftig darauf, dass sich die Zahl in eurer E-Mail-Adresse nicht pünktlich zu jedem Geburtstag automatisch ändert, wie das bei vielen E-Mail-Anbietern ja bekanntlich der Fall ist. Sonst kommt euch die Polizei ruckzuck auf der Spur.

Anwalt schickt Pornos – ans Gericht

Der Kölner Anwalt Martin R. kämpft unermüdlich gegen Standesregeln, die nach seiner Meinung kreative Werbung unmöglich machen. Legendär ist seine Robe, die er mit der Internetadressse seiner Kanzlei beflocken ließ, ebenso eine Geschichte mit frech bedruckten Tassen. Nun hat der Anwalt schon wieder Ärger wegen einer seiner Werbemaßnahmen. Im Rahmen eines seiner Verfahren schickte er pornografische Bilder ans Anwaltsgericht. Diese Aktion machte ihn nun zum Angeklagten in einem Strafprozess.

Martin R. wehrte sich ursprünglich dagegen, dass die Anwaltskammer ihm eine Art Pirelli-Kalender verbot, mit dem er bei Autowerkstätten auf Mandantenfang gehen wollte. Die farbigen Kalenderblätter stießen ewartungsgemäß auf Gegenwehr der Kammer. Im nächsten Jahr versuchte es R. mit braveren Bildern, noch dazu alle in ästhetischem schwarz-weiß. Aber auch hierfür kriegte der Anwalt wieder Ärger. Er mache keine seriöse Werbung, sondern verbreite schlicht Pin-Up-Kalender mit sexistischen Bildmotiven ohne Bezug zur anwaltlichen Tätigkeit, so der Vorwurf.

Hierauf schickte der genervte Jurist dem Anwaltsgericht dann einige Bilder aus dem Internet, die er tatsächlich für sexistisch hält. Darunter auch eine Reihe Hardcore-Fotos, die an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig lassen. Statt das Ganze gelassen zur Akte zu nehmen und den Mantel des Schweigens drüber zu decken, wurde R. wegen strafbaren Verbreitens von Pornografie (§ 184 StGB) angezeigt und dann auch angeklagt. Vom Landgericht Köln kassierte er nun eine Geld- und Vorstrafe von 2.700 Euro.

Juristisch heikel ist das Ganze, weil R. mit der Vorlage der Bilder seinen Kalender geschmacklich von wirklich anstößigen Inhalten abgrenzen wollte. Das Landgericht sieht in der Übersendung der Pornobilder jedoch keine zulässige Rechtsverteidigung. Die Vorlage der pornografischen Bilder sei „völlig unnötig“ gewesen. Auch Richter müssten vor pornografischem Material geschützt werden, wenn es im Prozess nicht gerade darum gehe. Letztlich hätte Anwalt R. auch einfach allgemein auf das im Internet verfügbare Material hinweisen können. Wobei, wenn R. irgendwas von x Hamstern geschrieben oder gar einen Link gesendet hätte, wäre ihm das vielleicht als auch als „Verbreitung“ angekreidet worden.

Ob das Urteil letztlich Bestand hat, wird sicher interessant. Aber schon jetzt ist das wieder ein schöner Beleg dafür, wie Polizei und Strafjustiz ihre Ressourcen verschwenden. Wir müssen in einer schönen und vor allem sicheren Welt leben, wenn es keine drängenderen Fälle gibt als ein paar ausgedruckte Pornobilder in einer Gerichtsakte.

Bericht zum Thema

Wenige Gehminuten zum wunderschönen Strand

Wenn ihr auch mal Pauschalurlaub bucht, sollte euch dieses Urteil interessieren. Das Amtsgericht München hat festgelegt, was bei einem Hotelaufenthalt unter „wenige Gehminuten“ zu verstehen ist. Im entschiedenen Fall ging es um einen Luxusurlaub in Costa Rica. Das Hotel war laut Katalog „nur wenige Gehminuten von wunderschönen Stränden entfernt“. Leider war das nicht ganz der Fall.

Die Reisende erfuhr an der Hotelrezeption, dass sie und ihre Tochter besser mit dem Taxi zum Strand fahren sollen. 25 Minuten dauert der Fußwegweg laut Rezeption. Der Reiseveranstalter sprach vor Gericht aber nur von 1,3 Kilometern. Dafür benötige man höchstens 15 Minuten. Selbst nach diesen Maßstäben könne von „wenigen Gehminuten“ nicht mehr die Rede sein, befindet das Gericht. Unter wenigen Gehminuten seien höchstens fünf Gehminuten zu verstehen, und zwar bei „normalem“ Gehtempo. Ausdrücklich berücksichtigt das Gericht aber, dass es sich laut Katalog um eine „unvergessbare Luxusreise“ handelte. Angesichts der vollmundigen Aussage seien auch entsprechende Erwartungen gerechtfertigt. Außerdem habe der Veranstalter gewusst, dass die Frau mit ihrer neunjährigen Tochter reist; für ein Kind sei ein hohes Gehtempo nicht vorauszusetzen.

Die Klägerin bekommt 1.795 Euro zurück. Sie hatte auf eigene Kosten ein geeignetes Hotel gebucht, nachdem die lokale Ansprechpartnerin des Veranstalters dem nicht widersprochen hatte (Aktenzeichen 241 C 13523/23).

Amazon Prime: Jeder kann kostenlos gegen Werbung klagen

Seid ihr Kunde bei Prime Video vom Amazon? Dann kennt ihr das Problem. Prime Video pflastert seit Februar Filme und Serien mit Werbung zu. Eine klare Einschränkung des bisherigen Angebots. Gefragt hat euch allerdings niemand. Trotz der Leistungseinschränkung sollt ihr weiter den bisherigen Tarif zahlen. Damit sind wir beim Thema: Wer Amazons Vorgehen nicht gut findet, kann jetzt mit geringem Aufwand dagegen vorgehen. Und zwar über das neue Instrument der „Verbandsklage“, der man sich als betroffener Verbraucher anschließen kann. Die Verbraucherzentrale Sachsen hat so eine Klage gegen Amazon eingereicht.

Auf 2,49 € monatlich schätzen die Verbraucherschützer den „Schaden“, den man als Kunde erleidet. Das ist der Betrag, den Amazon seit Februar zusätzlich berechnet, wenn man weiter werbefrei schauen will. Das ist für den einzelnen Monat zwar nicht viel, aber die Verbraucherschützer gehen von einer langen Verfahrensdauer aus. Überdies setzt im Erfolgsfall das Gericht die Entschädigung fest. Die Entschädigung kann also auch höher ausfallen. Ein Kostenrisiko hat man als Klageteilnehmer nicht. Erweist sich die Klage als unbegründet, kann Amazon keine Prozesskosten von einzelnen Kunden fordern. Die Wahrscheinlichkeit, dass Amazon unliebsame Kläger kündigt, schätzt die Verbraucherzentrale Sachsen als sehr gering ein.

Die Anmeldung ist wirklich einfach, es werden nur sehr wenige Angaben verlangt.

Zur Verbandsklage der Verbraucherzentrale Sachsen

Harte Worte gegen Vergewaltiger bringen Jugendknast

Nachdem sich auch Elon Musk auf X zu einem Hamburger Gerichtsurteil geäußert hat, wird die Entscheidung für weltweite Schlagzeilen sorgen. Eine 20-Jährige muss ein Wochenende in den Jugendknast. Ihr Vergehen: Die Frau hat wutentbrannt einen Vergewaltiger beschimpft und „bedroht“. Auslöser für ihre Empörung war die (Gruppen-)Vergewaltigung einer 14-Jährigen in Hamburg, von der sie in den Medien gelesen hat. Neun von 11 ursprünglich ermittelten Verdächtigen, die meisten selbst jugendlich, waren für die Taten angeklagt, von allen war Sperma bei dem Opfer gefunden worden. Die Tat sorgte allseits für Entsetzen. Ebenso der Umstand, dass alle bis auf einen Täter Bewährungsstrafen erhielten und möglicherweise keinen Tag Strafhaft absitzen müssen.

Bei der 20-Jährigen hält das Gericht dagegen Freiheitsentzug für erforderlich. Sie hatte in sozialen Medien die Kontaktdaten eines der Angeklagten gefunden. Sie schrieb ihm, er sei ein „ehrloses Vergewaltigerschwein“ und „ekelhafte Missgeburt“. Laut Anklage drohte sie dem Mann außerdem, er könne nirgendwo mehr hingehen, „ohne auf die Fresse zu kriegen“. „Schämst du dich nicht, wenn du in den Spiegel schaust?“, oder „Hoffen wir, dass du einfach weggesperrt wirst“, schrieb sie laut Hamburger Abendblatt zudem. Vor Gericht soll die Angeklagte ihr Verhalten bedauert haben. Sie haben ihrem Ärger freien Lauf gelassen, ohne lange nachzudenken.

Bedrohung und Beleidigung sollen die Straftatbestände lauten, wegen derer die Frau nun verurteilt wurde. Eine normale Beleidigung wird nur auf einen Strafantrag hin verfolgt. Also hat der verurteilte Vergewaltiger einen Strafantrag gestellt. Das ist sein gutes Recht. Allerdings ist es keineswegs so, dass aus einem Strafantrag auch eine Pflicht der Staatsanwaltschaft folgt, die Beleidigung auch tatsächlich anzuklagen. Vielmehr handelt es sich um sogenanntes Privatklagedelikt. Das heißt, im Normalfall soll der Verletzte selbst vors Strafgericht ziehen. Die Staatsanwaltschaft soll nur Anklage erheben, „wenn dies im öffentlichen Interesse liegt“. Oder wenn, zumindest gilt das zusätzlich im hier anwendbaren Jugendstrafrecht, dies für die „Erziehung“ des Verdächtigen erforderlich ist.

Laut den Berichten handelte es nicht um eine Privatklage, die der Vergewaltiger selbst erhoben hat. Die Staatsanwaltschaft muss sich in diesem Fall also fragen lassen, woher ein öffentliches Interesse kommen soll. Die Frau hat den Vergewaltiger selbst angeschrieben. Die Sache ging also nicht über den „Lebenskreis“ der Beteiligten hinaus. Genau für diesen Fall gehen die Richtlinien für das Straf- und Bußgeldverfahren aber davon aus, dass gerade kein öffentliches Interesse vorliegt. Allerdings ist die Entscheidung der Staatsanwaltschaft auch nicht revidierbar, auch nicht durch einen Richter. Nur das mediale Echo muss die Behörde nun aushalten.

Eine Bedrohung bei den zitierten Äußerungen zu bejahen, ist auch nicht unbedingt zwingend. Die Äußerung, der Betroffene könne nirgends mehr hingehen, ohne auf die Fresse zu kriegen, enthält eher eine Art Feststellung oder so was wie einen innigen Wunsch. Getragen ist das aber offensichtlich von Empörung. Überdies fehlen mir auch Umstände, welche die Ernsthaftigkeit der angeblichen Drohung durch die Frau oder Leute, die sie selbst in Marsch setzt, belegen. Nicht ernsthaftige Drohungen fallen aber nicht unter das Strafgesetz.

Wieso am Ende des Verfahrens dann Freiheitsentzug stehen musste, ist ohnehin die große Frage. Ein Jugendrichter hat viele Möglichkeiten unterhalb des Jugendarrestes. Es gibt die Einstellung, es gibt Ermahnungen, Arbeitsauflagen und und und. Wieso es nun dazu gekommen ist, bleibt mir rätselhaft. Vielleicht gibt es ja gewissen Gründe, in einigen Berichten werden andere Delikte der Frau angedeutet. Aber das traurige Signal an die Öffentlichkeit wird ohnehin bleiben: Es gibt eher „Knast“ für menschlich motivierte Kritik an laschen Urteilen als dass angemessen auf schwerste Straftaten reagiert wird.

Womöglich passt das Ganze aber in ein Konzept. Die Hamburger Polizei lässt jedenfalls mitteilen, dass noch gegen 140 andere Beschuldigte ermittelt wird, die sich möglicherweise zu „Hassrede“ über den traurigen Ausgangsfall hinreißen ließen. Man sieht also, die Behörden sind fokussiert. Wie gut, dass es an anderer Stelle ganz und gar nicht brennt.

Sylt-Video darf nicht unverpixelt gezeigt werden

Die „Ausländer raus“ – Gesänge auf dem Syltvideo waren das eine. Das andere aber war der Umstand, dass die Personen auf dem Video ersichtlich Privatleute sind – und nun im Sturm einer bundesweiten Empörungswelle stehen. War es nötig oder zumindest zulässig, die Betreffenden unverpixelt in den Medien zu zeigen? Das Landgericht München I verneint dies und verbietet der Bildzeitung die weitere Veröffentlichung.

Die einstweilige Verfügung des Gerichts ist, wie üblich, nicht begründet. Allerdings hatte die Anwältin der Betroffenen nach eigenen Angaben insbesondere mit der Prangerwirkung solcher Veröffentlichungen argumentiert. Die Bloßstellung führe zu einer Stigmatisierung, die bis zur Existenzvernichtung gehen kann. Es ist zwar grundsätzlich zulässig, bei Ereignissen der Zeitgeschichte Protagonisten abzubilden. Aber halt nur, wenn deren Persönlichkeitsrechte nicht überwiegen. Im Fall Sylt liegt es eigentlich auf der Hand, dass es gerade kein Interesse daran gab, die Gesichter unverfremdet zu sehen. Jedenfalls überwog dieses Interesse nicht die Risiken, denen die Betroffenen ausgesetzt waren und sind. Die Bildzeitung kann Rechtsmittel gegen den Beschluss einlegen (Aktenzeichen 26 O 6325/24).

Bericht in der Legal Tribune Online

Der Knöllchen-Hammer, der keiner ist

Können wir unser Auto ab sofort sorglos überall im Parkverbot abstellen, ohne dass es auch nur einen Euro kostet? Dafür soll ein angebliches „Knaller-Urteil“ des Bundesverfassungsgerichts sorgen. Der Beschluss könnte, so die frohe Botschaft in fast allen Onlinemedien, sämtliche Knöllchen-Sorgen in Luft auflösen. Steuern wir auf eine heile Autofahrer-Welt zu, sofern man sich am absehbaren Parkchaos nicht stört? Ganz so einfach ist es nicht…

Auch ich hatte etwas zu dem Fall geschrieben (Beitrag von gestern) Das dort Gesagte will ich nicht wiederholen, sondern nur in aller Kürze mit Missverständnissen zu der Entscheidung aufräumen.

Zunächst mal steht in dem Beschluss nichts Neues. Auch bei Parkverstößen gilt das Täterprinzip. Deshalb durfte das Ordnungsamt nicht davon ausgehen, dass der Halter des Wagens automatisch auch der Fahrer ist. Grundsätzlich ist es deshalb richtig, dass man sich gegen fast jedes Parkknöllchen erfolgreich vor Gericht wehren kann. Denn in den allerwenigsten Fällen haben die Ämter einen Beweis dafür, dass der Halter des Wagens auch tatsächlich der Fahrer war. Erlässt das Amt trotzdem einen Bußgeldbescheid, was die Regel ist, wird man richtigerweise spätestens vor Gericht freigesprochen – wenn man sich gegen das Bußgeld wehrt.

Allerdings, und das geht in der Berichterstattung unter, läuft es ja normalerweise so, dass der Parkverstoß erst mit einer „Verwarnung“ geahndet wird. Das ist sozusagen ein Angebot, die Sache gütlich zu regeln. Nur für den Fall, dass der Betroffene nicht antwortet oder nicht zahlt, erlässt die Behörde dann einen Bußgeldbescheid, gegen den man sich mit einem Einspruch wehren kann.

Das Problem bei dieser Gegenwehr ist nur: So was geht nicht lange gut. Denn spätestens nach zwei, drei solchen Runden droht die Behörde mit einem Fahrtenbuch. Dieses muss dann für das Auto geführt werden. Und ergibt sich bei einem neuen Verstoß aus dem Fahrtenbuch wiederum nicht, wer zum Tatzeitpunkt am Steuer saß, zieht das ein eigenes Bußgeld nach sich. Wer also vermeintlich geschickt gegen Bußgelder agiert, handelt möglicherweise mit Zitronen. Denn so eine Fahrtenbuchauflage ist wirklich lästig, glaubt es mir.

Der betroffene Halter hätte sich das Gerichtsverfahren übrigens auch sparen können. Hätte er dem Amt gleich mitgeteilt, dass er nicht gefahren ist und auch nicht weiß, wer am Steuer saß, wäre das Verfahren auch sogleich eingestellt worden. Allerdings greift dann eine besondere Halterhaftung, es fällt eine Gebühr von 20 Euro zuzüglich Auslagen an. Das sind am Ende meist 40 Euro. Auch bei dieser Variante haben die Behörden nur bedingt Geduld. Müssen sie sich öfter mit den 20 Euro begnügen, kann sie ebenfalls mit einer Fahrtenbuchauflage drohen.

Bei vernünftiger Betrachtung ist es also besser, das Knöllchen zu zahlen bzw. schon bei der Anhörung zu dem Parkverstoß den Fahrer zu benennen.

Verfassungsgericht verhandelt über 30-Euro-Knöllchen

Mit einem einfachen Parkverstoß einen Fall fürs Bundesverfassungsgericht zu schaffen, das muss man erst mal schaffen. Einer Richterin oder einem Richter am Amtsgericht Siegen kommt aber nun die Ehre zuteil, Tagesgespräch in der Kantine zu werden.

Es ging um ein Auto, welches das Ordnungsamt aufgeschrieben hat. Laut Parkscheibe durfte der Wagen bis 14.30 Uhr stehen, war aber um halb sechs am Abend immer noch da. Das sollte 30 Euro kosten. Der Bußgeldbescheid wurde an den Halter des Wagens adressiert, dieser zog dagegen vor Gericht. In der Verhandlung schwieg der Halter. Das Gericht verurteilte ihn kurzerhand wegen der Parksünde zu einer Geldbuße von 30 Euro.

Falsch, sagt das Bundesverfassungsgericht. Denn die Haltereigenschaft ist kein Beleg dafür, dass der Halter seinen Wagen auch selbst gefahren hat. Wer Halter ist, habe für diese Frage keinerlei Aussagekraft, so die Richter. Wenn vom Halter auf den Fahrer geschlossen werden solle, müsse es zumindest weitere Anhaltspunkte geben. Diese Beweise oder Indizien darf ein Richter auch ermitteln, aber das war hier nicht passiert. Jetzt kann sich ein anderer Richter am Amtsgericht Siegen freuen. Er darf die Sache neu verhandeln.

Nicht ganz unbeteiligt am Verfahren war übrigens das Ordnungsamt. Die Behörde hätte das Problem auch sehen können. Sie hätte besser zur sogenannten Halterhaftung gegriffen. Danach muss bei Verstößen im ruhenden Verkehr der Halter eine Art Strafgebühr in Höhe von 20 Euro bezahlen, wenn der Fahrer vor Verjährung nicht ermittelt werden kann (Aktenzeichen 2 BvR 1457/23).

Heute vor 259 Tagen

Vor 259 Tagen überfielen in Berlin zwei Männer eine 80-jährige Frau und raubten ihr die Handtasche. Die Seniorin stürzte, verletzte sich am Kopf und fiel in Ohnmacht. Die Täter ließen die bewusstlose Frau auf der Straße zurück. 259 Tage sind zweifellos eine lange Zeit, aber am heutigen 12. Juni 2024 kommt sichtbar Bewegung in die Sache. Die Polizei in Berlin holt die Porträts der Täter raus und startet eine Öffentlichkeitsfahndung. Denn bislang wurden die Täter nicht gefasst.

Der Berliner Tagesspiegel veröffentlicht die Bilder der beiden Tatverdächtigen. Ein Foto, wahrscheinlich von einer Überwachungskamera, ist gar nicht so schlecht gelungen, finde ich. Das führt auf jeden Fall zu einer deutlichen Wahrscheinlichkeit, dass jemand einen oder beide Räuber erkennt.

Allerdings stellt sich natürlich die Frage, wieso die Behörden erst nach etlichen Monaten auf die Bevölkerung setzen. Deshalb ein paar Worte zur Rechtslage für die sogenannte Öffentlichkeitsfahndung. Diese ist nur zulässig, „wenn die Aufklärung einer Straftat, inbesondere die Feststellung der Identität eines unbekannten Täters auf andere Weise erheblich weniger Erfolg versprechend oder wesentlich erschwert wäre“. Demnach müssen vor einer Öffentlichkeitsfahndung sonstige andere Möglichkeiten ausgeschöpft werden, um an die Täter zu kommen. Ab diesem Zeitpunkt kann ein Richter die Fahndung genehmigen.

Es wäre also interessant, welche Fahndungsansätze die Berliner Polizei in diesem Fall hatte. Und wie intensiv sie diesen nachgangen ist. Für mich ist es irgendwie schwer vorstellbar, dass bei unbekannten Tätern so viele Ermittlungsansätze vorhanden sind, dass es Monate braucht, um diese abzuarbeiten. Immerhin handelt es sich um eine schwere Straftat. Etwas Manpower sollte also zur Verfügung stehen, auch wenn natürlich immer ein Blitzermarathon oder eine Aktionswoche gegen Hasskriminalität im Netz dazwischenkommen kann. Im Ergebnis handelte es sich also wohl um einen ungewöhnlichen Fall, aus dem wir gar nichts schließen können. Oder jemand hat sich doch tatsächlich seeeehr lange Zeit gelassen, um auf die Idee mit der Öffentlichkeitsfahndung zu kommen.

Nirgendwo im Gesetz steht auf jeden Fall, dass man 259 Tage für so einen Schritt warten muss.

Grundgesetzänderung für Ehrenplatz beim CSD

Muss das Grundgesetz geändert werden, damit Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner die CSD-Parade eröffnen und auf einem Mottowagen mitfahren darf? Gar nicht so abwegig wie es klingt, denn laut Berliner Tagesspiegel verlangen die CSD-Organisatoren ultimativ, dass die „sexuelle Identität“ als Schutzgut im Artikel 3 des Grundgesetzes ausdrücklich aufgeführt wird. Als Druckmittel wird tatsächlich eine mögliche Ausladung bzw. Nichteinladung des Bürgermeisters zur Parade genannt.

Angesichts eines solch brutalen Ultimatums, welches jedem Berliner natürlich unter die Haut geht, kündigt der Antidiskrimierungsbeauftragte des Senats sogleich eine entsprechende Bundesratsiniative an. „In Zeiten zunehmender queerfeindlicher Hetze und eines erstarkten Rechtspopulismus brauchen wir einen verfassungsmäßigen Schutz der queeren Community nötiger als je zuvor“, heißt es von der Behörde. Künftig soll in Artikel 3 des Grundgesetzes demnach auch die „sexuelle Identität“ geschützt werden.

An der Idee ist einiges merkwürdig. Zunächst mal erwähnt Art. 3 GG bereits, dass niemand „wegen seines Geschlechts“ benachteiligt oder bevorzugt werden darf. Es steht also offensichtlich schon in der Verfassung, was nun als zusätzlicher Schutz gefordert wird. Überdies ist die „geschlechtliche Identität“ auch bereits durch das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Art. 2 GG geschützt. Dies hat das Bundesverfassungsgericht unter anderem in seiner Entscheidung zum Personenstandregister ausdrücklich festgestellt (1 BvR 2019/16). Die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts haben Gesetzescharakter (§ 31 BVerfGG). Somit kann keiner – ernsthaft – behaupten, der Schutz der „geschlechtlichen Identität“ sei derzeit nicht gewährleistet.

Der Hinweis auf queerfeindliche Aktivitäten und „Rechtspopulismus“ übersieht außerdem einen wichtigen Punkt. Das Grundgesetz regelt nicht das Verhältnis der Bürger untereinander. Das Grundgesetz, insbesondere die Grundrechte von Artikel 1 bis 19, sind Schutzrechte des Einzelnen gegenüber dem Staat. Man spricht auch von Abwehrrechten. Auf das Verhältnis der Menschen untereinander wirken die Grundrechte allenfalls mittelbar. Kein queerer Mann, keine queere Frau und auch keine queere Person, die sich diesen Kategorien nicht zugehörig fühlt, kann nach einem körperlichen oder verbalen Angriff erfolgreich vor Gericht rügen, dass ihn der Täter in seinen Grundrechten aus Art. 2 in Verbindung mit Art. 3 GG verletzt hat. Wohl aber, dass er Opfer eines strafbaren Angriffs geworden ist und deshalb vom Staat (zu Recht) erwarten kann, dass die Täter bestraft werden.

Eine Grundgesetzänderung wäre reine, überflüssige Kosmetik. Interessant ist übrigens auch, dass die Forderung nach einer Grundgesetzänderung längst nicht alles ist, was dem Regierenden Bürgermeister in der CSD-Community salonfähig machen soll. Von fünf weiteren Forderungen spricht der Tagesspiegel. Wie man beim CSD abseits dieser fragwürdigen Anspruchshaltung tickt, erklärt der zitierte Funktionär selbst: „Die Zeit drängt, denn wir wissen nicht, ob wir nach der Bundestagswahl noch mit der erforderlichen progressiven Mehrheit rechnen können.“ Wird sicher interessant, ob der CSD mit dieser albernen Pistole-auf-die-Brust-Taktik tatsächlich durchkommt.

„Buyx faselt“ – Strafanzeige

Als recht dünnhäutig erweist sich die ehemalige Vorsitzende des deutschen Ethikrates, Alena Buyx. Sie zeigte den Hannoveraner Professor und Corona-Kritiker Stefan Homburg wegen Beleidigung an. Homburg hatte auf Twitter geschrieben: „Buyx faselt ständig von der nächsten ‚Pandemie‘. Sie wollen das Spiel offenbar mit verfeinerten Methoden wiederholen. Der WHO-Vertrag macht’s möglich.“

Dass dies keine strafbare Beleidigung ist, sagt einem schon der gesunde Menschenverstand. Es lässt sich aber auch juristisch begründen, sogar in aller Kürze:

Es ist nicht Aufgabe des Beleidigungsparagrafen (§ 185 StGB), Menschen vor bloßer Taktlosigkeit oder Unhöflichkeit zu schützen. Bei nur unhöflichen Formulierungen müssen besondere Umstände hinzukommen, aus denen sich positiv der Wille ergibt, dem Angesprochenen seinen Achtungsanspruch als Mitmensch abzusprechen. Im Bereich der politischen und gesellschaftlichen Auseinandersetzung darf die Sprache auch „robust“ sein. Faseln bedeutet laut Duden, unüberlegt, wirr, meist weitschweifig und ohne genaue Sachkenntnis von etwas reden oder über etwas schreiben, Unsinn von sich zu geben. Da sich Stefan Homburg auf sachbezogene Äußerungen von Buyx bezieht, liegt also gar kein direkter persönlicher Angriff auf die Frau vor. Sondern nur eine Kritik, dass sie sich zu den Sachfragen nicht überzeugend äußert. Das aber ist im Kern eben nicht mehr als eine zulässige Meinungsäußerung.

Wir können also guter Dinge sein, dass spätestens der Staatsanwalt schon den Anfangsverdacht verneint. Ärgern dürfen wir uns allerdings darüber, dass mit solchen Aktionen – ein näher beschreibendes Adjektiv lasse ich bewusst weg – die Strafverfolgungsbehörden davon abgehalten werden, sich um wichtigere Dinge zu kümmern.

„Buyx faselt“: Ehemalige Ethikrat-Chefin zeigt Corona-Kritiker wegen Beleidigung an

Sylt – bald auch in Ihrer Stadt?

Die Polizei in Mönchengladbach löste am Samstag eine Geburtstagsfeier in einer Kleingartenanlage auf. Eine Nachbarin hatte gehört, wie Gäste das Lied „L’amour toujours“ mit dem Text „Deutschland den Deutschen, Ausländer raus“ unterlegten. Angeblich hat die Nachbarin das gehört, muss es korrekt heißen. Denn an der Aussage der Frau gibt es mittlerweile Zweifel.

Die Polizei macht jedenfalls ein riesiges Fass auf. Die Party wurde nicht nur gesprengt, jetzt laufen auch umfangreiche Ermittlungen. Die Namen aller Gäste wurden notiert, alle werden mutmaßlich zur Zeugenaussage bzw. Beschuldigtenanhörung geladen. Überdies werden Nachbarn über die Medien aufgerufen, sich zu melden. Einige Gäste der Feier haben bereits mit der Presse gesprochen. Drei Gäste erklärten der Rheinischen Post, es habe keine rassistischen Gesänge gegeben. „Wenn ich so etwas gehört hätte, hätte ich die Party sofort verlassen“, zitiert die Zeitung einen Teilnehmer.

Interessanterweise haben die herbeigerufenen Polizisten selbst keine rassistischen Sprüche gehört. Ein „Beweis“ könnte also nur über die Gäste geführt werden. Jeden von denen steht aber zumindest ein umfassendes Auskunftsverweigerungsrecht nach § 55 StPO, weil sie sich nicht selbst belasten müssen. Schon die Angabe, auf der Party gewesen zu sein, begründet nämlich einen Anfangsverdacht, mitgesungen zu haben. Oder die Sprüche durch Anwesenheit unterstützt zu haben. Was man, wenn man es schon mit deutscher Gründlichkeit ausermitteln will, als Beihilfe zur denkbaren Volksverhetzung werten könnte. Jedem Teilnehmer steht also ein Schweigerecht zu. Das gilt natürlich erst recht für den Fall, dass die Polizisten alle angeblichen Gäste als Beschuldigte betrachten, was aus meiner Sicht korrekter wäre. Beschuldigte müssen bekanntlich sowieso nichts sagen.

Und selbst wenn der eine oder andere sich äußert, wird es eher in die Richtung gehen: „Ich habe da zwar was gehört, aber selbst gesungen habe ich nicht.“ Von daher bin ich mir sehr sicher, dass man beim Mönchengladbacher Staatsschutz derzeit überlegt, die Sache zu eskalieren. Warum nicht die Handys aller Teilnehmer beschlagnahmen? Der eine oder andere Gast wird ja gefilmt haben. Warum nicht eventuelle WhatsApp-Gruppen durchforsten, jemand wird ja was gepostet haben. Am Ende führen wir dann wieder die altbekannte Debatte, ob die für solche Maßnahmen erforderlichen Hausdurchsuchungen, man braucht ja ein Überraschungsmoment, verhältnismäßig waren.

Zumal es bislang noch keineswegs ausgemacht ist, dass solche Gesänge á la Sylt überhaupt strafbar sind. Das Bundesverfassungsgericht sagte im Jahr 2010 schon mal: eher nein. Dabei ging es um um die Parole „Ausländer raus“ auf Wahlplakaten. Allerdings verurteilte das Landgericht Magdeburg 2017 einen Angeklagten wegen Volksverhetzung, weil er auf einer Demonstration die Parole „Ausländer raus“ angestimmt hatte.

Die Staatsanwaltschaft Augsburg hat erst vor knapp zwei Wochen ein Verfahren eingestellt, als auf einem Faschingsumzug der Landjugend solche Parolen zu hören gewesen sein sollen. Die Staatsanwaltschaft sah keinen hinreichenden Tatverdacht. Sie bezog sich darauf, dass Volksverhetzung mehr voraussetzt als die Kundgabe bloßer Ablehung und Verachtung gegenüber bestimmten Bevölkerungsgruppen. Der Straftatbestand sei nur erfüllt, wenn zu Hass oder Gewalt aufgestachelt oder tatsächlich die Menschenwürde von Ausländern verletzt wird. Selbst wenn also im Kleingarten so etwas gesungen wurde, steht noch lange nicht fest, dass es auch eine Straftat war. Die Kriminalstatistik für „Hassdelikte“ wird sich durch die absehbaren Fälle landauf landab aber auf jeden Fall aufblähen. Für interessierte Kreise ist ja schon das ein willkommener Effekt.

Wagendesinfektion für 153 Euro

Ach, die Corona-Zeiten. Am Bundesgerichtshof landete jetzt ein Fall aus dieser Zeit, der aber auch nach Corona noch durchaus interessant ist. Es ging um die Kosten einer Wagendesinfektion im Vorfeld einer Autoreparatur. 158 Euro berechnete die Werkstatt, um das stinknormale Fahrzeug virenfrei zu kriegen. Zu hoch sagte natürlich die Versicherung des Unfallverursachers.

So eine Desinfektion sei damals durchaus sinnvoll gewesen, urteilen die Richter. Deshalb müsse die Versicherung auch dafür zahlen. Aber die 158 Euro hält der Bundesgerichtshof für überzogen, ebenso wie die Vorinstanz. Hygienemaßnahmen habe es „in allen Bereichen des täglichen Lebens“ gegeben. Mit den damit verbundenen Kosten sei jeder Erwachsene konfrontiert gewesen. Somit bedürfe ein Richter auch keiner zusätzlichen Beratung durch einen Sachverständigen, um die erforderlichen Kosten zu ermitteln.

Maximal 33 Euro sind für eine Wagendesinfektion angemessen gewesen, heißt es im Urteil. Falls ihr mal mehr gezahlt habt, könnt ihr euch jetzt ärgern. Ein ähnliches Problem gibt es übrigens immer wieder mit der Pauschale für „Kleinteile“ oder „Verbrauchsmaterialien“ auf Handwerkerrechnungen. Die ist zwar grundsätzlich zulässig. Aber nur dann, wenn tatsächlich Kleinteile eingebaut oder verbraucht wurden. Außerdem dürfen dann einzelne dieser Kleinteile nicht noch zusätzlich auf die Rechnung gesetzt werden. Die Kleinteilepauschale darf auch 2 % des Auftragswertes nicht übersteigen (Aktenzeichen VI ZR 348/21).