Die Gerichtsverhandlung über Video ist zwar noch nicht die Regel. Aber immer mehr Gerichte nutzen die Möglichkeit, den Fall virtuell zu klären und den Beteiligten die Anreise zu ersparen. Möglich ist das am Zivil-, Verwaltungs-, Sozial-, und Finanzgericht. Also so gut wie überall, mit Ausnahme der Strafgerichte. Bei Videoverhandlungen hängen die Fallstricke aber niedrig. Das zeigt aktueller Fall.
Das Finanzgericht in Münster hatte die mündliche Verhandlung durch eine Video-Schalte ersetzt. Bild und Ton waren da. Allerdings betätigte sich der Vorsitzende Richter als „Regisseur“. Mal blendete er im Bild alle Richter ein. Aber auch mal nur den, der gerade sprach. Zwei Drittel der Sendezeit soll nur der Vorsitzende selbst zu sehen gewesen sein. Das belegt jetzt keine übertriebene Selbstverliebtheit. Der Vorsitzende hat fast immer den größten Redeanteil.
Der Kläger aus dem Verfahren wehrte sich aus formalen Gründen gegen die Entscheidung des Finanzgerichts. Seine Begründung: Jedes Gericht muss während der Verhandlung ordnungsgemäß besetzt sein. Das heißt, alle Richter müssen anwesend sein. Sie dürfen nicht schlafen. Oder per SMS den Babysitter absagen. Alles schon dagewesen.
Nur, so der Kläger, ohne ein Panoramabild von der Richterbank könne er dies am anderen Ende der Leitung nicht überprüfen. So simpel die Argumentation, so zugkräftig war sie. Der Bundesfinanzhof gab der Revision des Mannes statt. Neben schlafenden Richtern verweist der Bundesfinanzhof auf einen anderen Fall. Dort war einer der Richter erst kurz nach Verhandlungsbeginn am Arbeitsplatz erschienen. Bei einer virtuellen Verhandlung hätte der Kläger das ohne durchgehendes Bild von der Richterbank nicht feststellen können.
Wenn man im Prozess eine Klatsche gekriegt hat, lässt sich die Sache so ganz neu aufrollen. Ob das Ganz die Lust von Richtern auf Videoverhandlungen steigert, ist eine andere Frage (Aktenzeichen V B 13/22).