Im Gesetzgebungsverfahren wurde eindringlich gewarnt. Aber dem Bundestag war es egal: Die Strafvorschriften für den Besitz oder die Verbreitung von Kinderpornografie wurden zum 1. Juli 2021 erheblich verschärft. Die Mindeststrafe beträgt seitdem ein Jahr. Ausnahmen: nicht vorgesehen. Weil das Delikt damit vom Vergehen zum Verbrechen hochgestuft wurde, ohne dass es – wie etwa im Betäubungsmittelstrafrecht – einen minder schweren Fall gibt. Auch eine Einstellung des Verfahrens ist schlicht und einfach unmöglich. Welche absurden Konsequenzen dies hat, zeigt ein aktueller Fall aus Rheinland-Pfalz.
Eine 13-jähriges Mädchen hatte ein intimes Video von sich gemacht. Empfänger war ihr Freund. Aber der hatte nichts Besseres zu tun, als die Aufnahmen an Mitschüler zu schicken. Eine Lehrerin bekam das mit. Sie ließ sich das Video schicken, um die Mutter zu informieren. Nun ist sie nach § 184b StGB angeklagt. Selbst die Staatsanwaltschaft bedauert gegenüber der Tagesschau, die Lehrerin vor den Strafrichter zerren zu müssen. „Uns sind die Hände gebunden.“
Dem Richter allerdings auch, denn auch dieser muss sich ans Strafgesetzbuch halten. Ebenso auch das Land Rheinland-Pfalz. Es wird die Beamtin nicht mehr beschäftigen können. Denn bei einer Freiheitsstrafe ab einem Jahr müssen Beamte entlassen werden. Ausnahmen? Ebenfalls nicht vorgesehen.
Immerhin arbeitet das Bundesjustizministerium an einer Entschärfung des Gesetzes, welches es selbst für so dringend nötig hielt. Es gibt auch Eingaben ans Bundesverfassungsgericht, unter anderem von einem bayerischen Amtsrichter. Wann das Gesetz geändert wird oder das Verfassungsgericht entscheidet, ist allerdings noch nicht absehbar. Für Betroffene kann es momentan nur darum gehen, das eigene Verfahren möglichst lange offen zu halten. Ich habe in solchen Fällen durchaus mit Richtern zu tun, die kein Interesse daran, Existenzen zu vernichten. Sie tragen die Verhandlungstermine – im Rahmen ihrer Möglichkeiten – möglichst spät in den Gerichtskalender ein. Und dann heißt es, durch die Instanzen zu gehen. Denn eine Entschärfung des Gesetzes würde für alle Fälle greifen, in denen das Urteil noch nicht rechtskräftig ist.
Einstweilen kann man nur den Rat des Staatsanwalts in dem Bericht aufgreifen, sich in so einem Fall des „Drittbesitzes“ die Videos oder Fotos nicht schicken zu lassen. Und falls man selbst solche Dinge geschickt bekommt, muss man sich eben überlegen, ob die Polizei der richtige Ansprechpartner ist. Besitz ist eben Besitz. Ein Ermittlungsverfahren ist dann ebenso unausweichlich. Gut ist immerhin, niemand muss sich selbst ans Messer liefern. Und eine Pflicht, den Absender anzuzeigen, mag man vielleicht moralisch sehen. Rechtlich gibt es sie aber nicht. Gute Löschprogramme gibt es zum Glück genug.