90 Euro sollte mein Mandant bezahlen. Wegen eines Rotlichtverstoßes an der Ampel. Das hätte ihm auch einen Punkt in Flensburg gebracht. Aber eine kritische Nachfrage lohnt sich öfter, als man vielleicht denkt.
Mein Mandant ist fremd in der Stadt am Rhein, in welcher ihn ein Ordnungshüter stoppte. Der Polizist habe ihm vorgeworfen, bei rot „über die Ampel“ gefahren zu sein. Und zwar „mit der ganzen Autolänge“. Diskussion unerwünscht.
Das Ordnungsamt hat den Bußgeldbescheid natürlich erlassen, und zwar anhand der vom Beamten übermittelten Daten. Das ist ein juristischer Blindflug. Eine Schilderung des Sachverhalts fügen Polizisten meist gar nicht bei. In Zeiten von „Massenverfahren“ begnügt man sich mit Datum, Uhrzeit, Ort, Kfz-Kennzeichen, Personalien und Übermittlung des Bußgeldtatbestandes. Auf meine Rückfrage hin musste der Beamte allerdings eine Stellungnahme abgeben.
Danach hatte er meinen Mandanten tatsächlich beobachtet, wie dieser die Haltelinie überfuhr. An dieser Stelle wird es allerdings interessant: „Der Wagen stoppte, wobei nur noch das Heck auf der Haltelinie“ stand.
Aber HALLO, das ist doch kein Rotlichtverstoß. Dieser liegt nicht schon vor, wenn ein Auto über die Haltelinie fährt. Sondern nur, wenn der Wagen tatsächlich in den Bereich rauscht, der von der Ampel geschützt wird. Das kann mitunter auch ein Fußgängerüberweg sein, der noch vor der Ampel liegt, aber hinter der Haltelinie. So einen Überweg gibt es an der fraglichen Stelle aber nicht.
In dem Text des Beamten taucht drei Mal der Begriff Haltelinie auf, den von der Ampel geschützten Bereich thematisiert er dagegen nicht. Man darf also fast ein bisschen davon ausgehen, dass der Polizist (noch) nicht so richtig internalisiert hat, was den von ihm zur Anzeige gebrachten Rotlichtverstoß überhaupt ausmacht.
Das bloße Überfahren der Haltelinie ist zwar auch nicht ok. Aber das „Delikt“ kostet 10 Euro Verwarnungsgeld und damit auch keinen Punkt in Flensburg. Der Mandant war von unserem juristischen Erfolg etwas berauscht. So spekulierte er, ob das ein Geschäftsmodell des Polizisten sein könnte, damit er eine – offiziell natürlich nirgends existierende – Knöllchenquote seine Polizeipräsidenten erfüllt. Für so was habe ich natürlich keinerlei Anhaltspunkte. Aber berauscht hat mich das glückliche Ende dieses kleinen Falles ehrlich gesagt auch ein bisschen.