Die Berliner Staatsanwaltschaft reagiert auf die zahlreichen Straßenblockaden von Klimaaktivisten. Nach Angaben der Behörde hat sie bis Anfang August 76 Strafverfahren abgeschlossen und Strafbefehle beantragt.
Den Aktivisten, die meist zur Gruppe „Letzte Generation“ gehören, wird in den Strafbefehlen Nötigung vorgeworfen, und zwar meist in Verbindung mit Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte. Die Demonstranten hatten sich auf Durchgangsstraßen gesetzt, viele klebten ihre Hände außerdem auf der Fahrbahn fest.
Die Staatsanwaltschaft beantragt Geldstrafen. Ob die Strafbefehle erlassen werden, prüfen nun die zuständigen Amtsgerichte. Sollten die Strafbefehle erlassen werden, können die Betroffenen Einspruch einlegen. Dann kommt es zu einem Gerichtsverfahren, ggf. auch mit einer Hauptverhandlung.
Auch wenn die Sitzblockade mit den aktuellen Aktionen eine Art Revival erlebt, wird sich an der grundsätzlichen Strafbarkeit der Aktionen kaum etwas ändern. Zwar denken sogar Rechtsprofessoren vereinzelt über einen „rechtfertigenden Notstand aufgrund der Gesundheitsgefahren durch die Klimaveränderung“ nach. Aber man muss gedanklich natürlich schon sehr weit springen, um die Probleme des Klimawandels tatsächlich als eine so gegenwärtige Gefahr im Sinne des § 34 StGB anzusehen, dass diese tatsächlich an einem Montagmorgen auf der Berliner Avus effektiv bekämpft werden könnte.
Zur Frage, wann eine Handlung im Sinne des § 240 Abs. 2 StGB „verwerflich“ ist, würden die zu dem Thema ausdruckbaren Urteile locker einige Kartons füllen. Die Gerichte tun sich im Ergebnis jedenfalls seit jeher schwer, Fernziele wie etwa den Weltfrieden dafür heranzuziehen, ob Demonstrant A verhindert, dass Lieferant B an sein Ziel fahren kann. Entspannter wird es gesehen, wenn die Blockade kurz und damit eher symbolisch ist. Von zwei Ampelphasen habe ich mal gelesen. Aber eine Art smarter Protest passt weniger zur selbstgewählten Radikalität der Demonstranten.
Juristisch interessant ist, dass den Aktivisten Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte zur Last gelegt wird. Sofern sich die Protestierenden vor Eintreffen der Polizei auf den Straßen festgeklebt haben, ergibt sich hieraus gerade keine Strafbarkeit. Da bedarf es dann schon zusätzlicher Aktionen, zum Beispiel aktiver Gegenwehr beim Versuch, den Kleber zu lösen.
Nach Angaben der Staatsanwaltschaft laufen momentan noch 120 weitere Verfahren. Der Diskussionsstoff wird nicht ausgehen.