Es ging um ein paar Stundenkilometer zu viel, aber für einen Taxifahrer ist jeder Punkt in Flensburg eine doppelte Bürde. Ganz aussichtslos war die Sache nicht. Das Radarfoto zeigte zwar den Fahrer des Wagens, aber dieser hatte eine FFP2-Maske auf. Was man sonst vom Kopf sah, war nun auch nichts, was besonders ins Auge stach. Ist halt manchmal auch vorteilhaft, wenn man ein Allerweltsgesicht besitzt.
Der Mandant machte, was sein gutes Recht ist. Er bestritt, die Person auf dem Fahrersitz zu sein. Damit war ein Sachverständigengutachten im Gerichtstermin quasi obligatorisch. Mir persönlich schienen die Erfolgsaussichten aber nicht besonders ausgeprägt. Jedenfalls fiel mir auf, dass der Mandant unter dem linken Auge eine deutliche sichtbare Warze hat. Ausgerechnet an dieser Stelle zeigte auch das Messfoto einen dunklen Punkt.
Der Sachverständige erstellte im Gerichtstermin seine Vergleichsfotos und vertiefte sich sehr lange in die Daten, die über sein Notebook liefen. Schließlich winkte er ab: „Es passt einiges, aber die Warze ist an einer leicht anderen Stelle als der dunkle Fleck auf dem Messfoto.“ Er wollte sich also nicht auf eine Wahrscheinlichkeit festlegen, die für eine Verurteilung reicht. Dem folgte der Richter, was blieb ihm auch groß.
Also Freispruch. Kosten zahlt die Staatskasse. Das ist natürlich erfreulich. Nur mit den gegenüber dem Mandanten gehegten leisen Zweifeln, mit denen muss ich jetzt leben. Demnächst ist wieder etwas mehr „Professionalität“ angesagt.