Die Justiz arbeitet fleißig am papierlosen Büro. In Zivilsachen müssen Anwälte seit Jahresanfang so gut wie alle Schriftsätze elektronisch einreichen, also das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA) nutzen (§ 130d ZPO). Briefe oder Faxe bleiben im schlimmsten Fall unbeachtet; Fristversäumnisse nicht ausgeschlossen. Ähnliche Regelungen gelten seit dem Jahresanfang auch vor den Sozial-, Arbeits- und Verwaltungsgerichten. Ohne beA läuft praktisch nichts mehr. Immerhin funktioniert das beA nun im Großen und Ganzen.
In Strafsachen, mein Gebiet, nähert man sich dem Ziel allerdings etappenweise. Und zwar über den neuen § 32d StPO. Dieser erlaubt Verteidigern nach wie vor die Nutzung von Briefpost und Fax. Aber nicht für Berufung und ihre Begründung, die Revision, ihre Begründung und die Gegenerklärung sowie die Privatklage und die Anschlusserklärung bei der Nebenklage. Diese Erklärungen müssen als elektronisches Dokument eingereicht werden. Wer’s nicht weiß oder gerade nicht dran denkt, kann da ganz schön auf die Nase fallen.
Zumal es woanders dann wieder ganz anders läuft. Zum Beispiel am Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe. Das ist über das beA gar nicht zu erreichen. Das Gericht sieht sich, wie es auch in einer Entscheidung festgehalten hat, zur Entgegennahme von beA-Nachrichten außerstande. Das gilt auch für die praktisch wichtigsten Eingaben, nämlich Verfassungsbeschwerden. Zur Begründung heißt es, § 22 BVerfGG sehe in seiner gültigen Fassung nun mal die Schriftform vor. Wir halten also fest: Fast überall können Rechtsbehelfe nur noch elektronisch eingelegt werden. Nur beim Bundesverfassungsgericht ist es – genau umgekehrt. Keine Ahnung, wer sich so was ausdenkt.
Der Treppenwitz bei der täglichen Arbeit ist, dass gerade Verfassungsbeschwerden oft sehr textlastig sind. Überdies müssen alle angefochtenen Entscheidungen und sonstigen Anlagen beigefügt werden. Da kommen schnell hunderte Seiten zusammen, die man schon sehr bequem übers beA schicken könnte. Toll, wenn – wie so oft – die Frist ohnehin nur knapp eingehalten werden kann und der gute alte Brief somit nicht mehr möglich ist. Fürs späte Faxen hat das Verfassungsgericht übrigens mal fürsorglich entschieden, dass man als Anwalt nicht bis zur letzten Minute warten darf. Spätestens um 23.30 Uhr müsse mit dem Faxen begonnen werden, denn Übermittlungsprobleme seien einzuplanen.
Einfacher wird es auch nicht dadurch, dass der reguläre Faxanschluss des Bundesverfassungsgerichts legendär überlastet ist. Für diesen Fall habe ich allerdings einen kleinen Tipp. Ganz unten auf der Homepage des Gerichts findet sich der Hinweis, dass es noch zwei zusätzliche Faxnummern gibt. Vielleicht hilft diese Information ja mal einem Kollegen, der an der normalen Faxnummer verzweifelt.
Interessant finde ich, dass die zusätzlichen Faxnummern offenbar nach Berlin geschaltet sind. Ich nehme mal an, zu einem externen Dienstleister. Wäre interessant, ob der eingehende Faxe tatsächlich beim Eingang sofort ausdruckt. Oder sie womöglich nur als Datei nach Karlsruhe weiterleitet (am Ende noch per Mail!). Das Gericht betont nämlich stets, Faxe seien ja nur deshalb zulässig, weil sofort bei der Übermittlung ein „körperliches Schriftstück“ entsteht. (Deshalb muss man als Anwalt wiederum aufpassen, dass die Sendung nicht so wirkt wie ein Computerfax mit lediglich eingescannter Unterschrift. Das kann auch zur Unwirksamkeit führen, weil es ja beim Anwalt die Sendung nicht in Papierform gibt.)
Dieser Beitrag entsteht, weil ich noch auf die Übermittlung meines heutigen Faxes an das Bundesverfassungsgericht warte. Just in diesem Augenblick hat’s über eine der Berliner Rufnummern des Gerichts geklappt.
1 Stunde und vier Minuten für 104 Seiten.
Ich gehe jetzt nach Hause.