Polizei „vergisst“, Beweisvideo zu sichern

In Idstein wurde ein Mann von der Polizei fixiert. Zuvor war es zu einer körperlichen Auseinandersetzung gekommen, über deren Ursache gestritten wird. Der Mann hat während der Fixierung gerufen, dass er keine Luft bekomme. Das Ganze spielte sich vor der Polizeiwache in Idstein ab, dieser Bereich wird videoüberwacht. Nun ist nur leider angeblich versäumt worden, dass unstreitig mal vorhandene Überwachungsvideo dauerhaft zu sichern.

Der betroffene Mann wollte das nicht auf sich sitzen lassen. Er zeigte die für die Sicherung des Videos verantwortlichen Beamten wegen Unterdrückung beweiserheblicher Daten und Strafvereitelung im Amt an. Wegen des Verhaltens der Einsatzkräfte selbst wird wegen Körperverletzung im Amt und Freiheitsberaubung ermittelt. Gegen den Betroffenen laufen Ermittlungen wegen Körperverletzung und tätlichem Angriff auf Vollstreckungsbeamte.

Interessant ist, dass der Anwalt des Betroffenen extra bei der Polizei anrief, um das Video sichern zu lassen. Am Telefon wurde ihm dies zugesichert. Aus der Akte ergibt sich zudem, dass das Video einen Tag nach dem Vorfall angesehen wurde. Es ist kaum zu glauben, dass es dann fahrlässig versäumt wurde, das Video zu sichern. Einer der verantwortlichen Beamten hat sich auf andere Aufgaben berufen, die zu einer Verzögerung geführt hätten. Er sei außerdem irrtümlich davon ausgegangen, die Videos würden sieben bis acht Wochen zur Verfügung stehen – und nicht nur 21 Tage.

Zum Glück waren noch weitere Personen vor Ort, die den Vorfall mit mit ihren Handys aufzeichneten. Auf den Videos ist zu sehen, wie drei Beamte den Betroffenen zu Boden drücken, und man hört auch, dass er ruft, dass er keine Luft mehr bekomme und Panik kriege. Allerdings ist das Vorgeschehen nicht zu sehen. Die Beamten sagen, der Betroffene habe versucht, ihnen das Pfefferspray zu entreißen.

Die Staatsanwaltschaft hat die Ermittlungen gegen den verantwortlichen Polizeibeamten für die Sicherung wohl bereits abgeschlossen. Der Beamte habe „zweifelsfrei nicht vorsätzlich“ gehandelt; deshalb liege kein strafbares Verhalten vor.

Ohne das Video wird man nun nicht aufklären können, was tatsächlich im Vorfeld passiert ist. Im Zweifel steht dann Aussage gegen Aussage. Gerichte neigen in solchen Situationen dazu, den Polizeibeamten und -beamtinnen zu glauben, deren Aussagen auch häufig nicht voneinander abweichen. Der Vorwurf gegen die Beamten wird sich ohne die Bilder von der Vorgeschichte daher kaum nachweisen lassen. Insgesamt keine schöne Situation für den Betroffenen, aber auch nicht für seinen Verteidiger. Ich hoffe, das Gericht findet wenigstens passende Worte zum wundersamen Verschwinden eines wichtigen Beweismittels.

Bericht in der Frankfurter Rundschau

RA Dr. André Bohn