Das Verwaltungsgericht Braunschweig (Urt. v. 02.12.2020, AZ: 5 a 65/20) hat klare Worte zu einem SEK-Einsatz gefunden. Ein Angeklagter sollte zum Gericht transportiert werden. Hierfür wurde er gezwungen, sich vollständig zu entkleiden, die Durchsuchung sämtlicher Körperöffnungen hinzunehmen sowie Gehör- und Sichtschutz und Spuckhaube zu tragen.
SEK-Beamte hatten bei dem Angeklagten entsprechende Maßnahmen vollzogen. Die landgesetzliche Rechtsgrundlage für solche Untersuchungen erfordert Tatsachen, die die Annahme rechtfertigen, dass die betroffene Person Sachen mit sich führt, die sichergestellt werden dürfen. Für die SEK-Beamten waren die beschriebenen Maßnahmen aber Standardmaßnahmen, die immer erfolgen. Das Gericht hat folgerichtig die Rechtswidrigkeit bereits deshalb festgestellt, weil die Beamten das ihnen eingeräumte Ermessen, ob die Maßnahmen erforderlich sind, nicht ausgeübt haben. Mangels Anhaltspunkten für den Besitz von Gegenständen, die hätten sichergestellt werden dürfen, sei die Maßnahme aber auch unverhältnismäßig gewesen. Es bedürfe stets fallbezogener Verdachtsgründe.
Auch das Anlegen von Gehör, Sichtschutz und Spuckhaube seien unverhältnismäßig gewesen. Als milderes Mittel hätte eine Fesselung ausgereicht.
Es ist mitunter erschreckend, wie wenig Rechts- und Problembewusstsein bei Einsatzkräften mitunter vorhanden ist. Zumal es sich hier um Spezialkräfte handelt, die an sich auch entsprechend qualifiziert sein sollten. Wird das eingeräumte Ermessen, das dann auch zwingend ausgeübt werden muss, so krass verkannt wie hier, frage ich mich, ob das dann bei jeder anderen Eingriffsbefugnis auch so läuft: Alles, was die Polizei unter bestimmten Voraussetzungen darf, wird einfach mal standardmäßig immer durchgeführt – ohne Rücksicht auf Voraussetzungen und die jeweilige konkrete Situation.
Die Beamten scheinen sich auch nicht ansatzweise im Klaren darüber gewesen zu sein, was für starke Grundrechtseingriffe die geschilderten Maßnahmen mit sich bringen. In Anbetracht des Umstands, dass gerade das SEK schwer bewaffnet ist, fast jede Befugnisnorm Ermessen einräumt und tagtäglich Situationen vorkommen, in denen die Anwendung dieses juristischen Wissens erforderlich ist, wirft dieser Fall ein schlechtes Licht auf die Verantwortlichen, um nicht zu sagen auf die Polizei insgesamt.
Der Kollege Burhoff berichtet ebenfalls.
RA Dr. André Bohn