Alle Läden sind gleich – zumindest in NRW

Juristischer Paukenschlag aus Münster: Das Oberverwaltungsgericht hat alle Corona-Beschränkungen für Einzelhandelsgeschäfte in Nordrhein-Westfalen außer Vollzug gesetzt. Das heißt, es bedarf mit sofortiger Wirkung keiner Terminbuchung mehr, die Kundenzahl im Geschäft ist auch nicht beschränkt.

Die Richter monieren krasse Verstöße gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz. Denn neben Lebensmittelgeschäften dürfen seit dem 8. März auch wieder Buchhandlungen, Schreibwarengeschäfte, Blumengeschäfte und Gartenmärkte öffnen. Sie müssen nur darauf achten, dass maximal eine Person auf 10 Quadratmeter Verkaufsfläche anwesend ist; diese Regelung gilt auch für Supermärkte. Andere Geschäfte müssen dagegen viel strengere Regeln einhalten. Hier gilt: nur ein Kunden pro 40 Quadratmeter Verkaufsfläche. Und Click & Meet, das heißt kein Shopping ohne Voranmeldung.

Dem Gericht erschließt sich nach eigenen Angaben nicht, wieso Buchhandlungen, Schreibwarengeschäfte und Gartenmärkte einen anderen „Grundbedarf“ deckten als der restliche Einzelhandel. Ausdrücklich kritisieren die Richter, dass in der Corona-Schutzverordnung noch nicht einmal versucht werde, die Unterschiede nachvollziehbar zu begründen.

Das Gericht sah offenbar keinen anderen Weg, als die Regelungen komplett außer Kraft zu setzen. Bedanken bedarf sich der Einzelhandel bei einem Mediamarkt. Dieser hatte gegen die Regelungen geklagt (Aktenzeichen 13 B 252/21.NE).

Update: Die NRW-Landesregierung hat auf den Gerichtsbeschluss reagiert. Sie verschärft die Regeln für Schreibwarengeschäfte, Buchhandlungen, Blumenländen und Gartenmärkte auf das Niveau des sonstigen Einzhelhandels. So kann man Gleichbehandlung natürlich auch herstellen…

Pflichtverteidiger wird man jetzt schneller los

Wer sich einen eigenen Anwalt leisten kann, hat’s gut. Fällt die Zusammenarbeit nicht zur Zufriedenheit aus, kann man den Rechtsanwalt jederzeit auswechseln. Schwieriger ist das, wenn man auf einen Pflichtverteidiger angewiesen ist. Der wird ja vom Gericht beigeordnet, eine Mandatskündigung durch den Betroffenen ist an sich nicht vorgesehen. Nun gibt es eine wichtige Ausnahme.

Vor einiger Zeit ist das Pflichtverteidigerrecht renoviert worden; EU-Recht machte die Reform unausweichlich. Eine wirklich gelungene Regelung findet sich nun an der Sollbruchstelle zwischen Tatsachen- und Revisionsinstanz. Das ist natürlich exakt der Moment, in dem es für die weitere Zusammenarbeit zum Schwur kommt. Ist das Urteil erträglich ausgefallen, gibt es in der Regel keine Probleme. Fällt das Ergebnis aber weniger erfreulich aus, hängt der Haussegen zwischen Mandant und Pflichtverteidiger schon mal schief. Natürlich ist ein atmosphärisch belastetes Verhältnis keine sonderlich gute Grundlage, um in der Revision gemeinsam noch mal richtig durchzustarten.

Dem trägt die Strafprozessordnung mit einem neuen Paragrafen Rechnung. Nach § 143a Abs. 3 StPO kann der Angeklagte nun auch nach dem Urteil seinen Anwalt wechseln, wenn dieser ein Pflichtverteidiger ist. Voraussetzung ist lediglich ein Antrag des Angeklagten beim Gericht. Dieser Antrag muss spätestens eine Woche nach Beginn der Revisionsbegründungsfrist gestellt werden. Die Revisionsbegründungsfrist beginnt erst mit der Zustellung des schriftlichen Urteils. Sie liegt also regelmäßig einige Zeit nach dem letzten Verhandlungstag, in dem das Urteil mündlich bekanntgegeben wurde. Es bleibt also Zeit zum Überlegen und insbesondere für ein klärendes Gespräch mit dem jetzigen Verteidiger.

Der Pflichtverteidigerwechsel für das Revisionsverfahren ist an keine weiteren Voraussetzungen gebunden. Das heißt, der Angeklagte muss nicht irgendwie vortragen, dass er kein Vertrauen mehr zu seinem Verteidiger hat. Oder ähnliches. Der bisherige Pflichtverteidiger hat auch kein Einspruchsrecht, sondern muss sich mit seiner Ablösung abfinden. Überdies hat der Angeklagte auch die Möglichkeit, den Revisionsanwalt frei zu wählen. Das Gericht darf dessen Beiordnung nur aus wichtigen Gründen ablehnen.

Durch die Neuregelung erhalten also auch Angeklagte mit Pflichtverteidiger die Möglichkeit, sich an einem entscheidenden Punkt ihres Verfahrens neu aufzustellen. Einziger Wermutstropfen für den Angeklagten sind die Kosten. Wird er rechtskräftig zur Übernahme der Verfahrenskosten verurteilt, muss er auch die zusätzlichen Anwaltsgebühren zahlen, die der neue Pflichtverteidiger ebenso wie sein Vorgänger abrechnen kann.

Insgesamt ist das aber eine sinnvolle Lösung, in vielen Fällen auch für den bisherigen Pflichtverteidiger. Auch für diesen ist es ja nicht unbedingt eine Freude, wenn er einem eher unzufriedenen Mandanten seine Dienste aufzwingen muss.

Alltagshorror

Das Gebläse töst noch, das Signal springt auf grün – aber der eigene Wagen springt an der Ausfahrt der Waschstraße nicht mehr an. Oder man kennt sich plötzlich nicht mehr mit der Automatik aus. Typischer Alltagshorror, den fast jeder kennt.

So ein Fall landete jetzt vor Gericht. Verklagt war der Autofahrer, dem das Missgeschick passiert war. Zwar war sein Auto nicht rechtzeitig gestartet, jedoch hatte der Hintermann schon sehr früh „panisch“ reagiert. Er bremste seinerseits heftig, sein Auto verkantete sich in der Waschanlage und wurde beschädigt. Genau da sprang das vordere Auto im zweiten Versuch an. Die Wagen berührten sich nicht, dennoch wollte der hintere Autofahrer seinen Schaden vom Vordermann ersetzt.

Das Oberlandesgericht Zweibrücken stellt erst mal die Frage, ob das vordere Fahrzeug „in Betrieb“ war, was für die Haftpflicht wichtig ist. Wenn das Auto noch auf dem Förderband der Waschanlage gezogen wird, sei das normalerweise nicht der Fall, genau wie bei einem geparkten Fahrzeug. Hier habe der Autofahrer aber schon am Ende des Förderbandes gestanden und versucht, sein Auto in Bewegung zu versetzen und es damit „in Betrieb“ genommen.

Das Gericht sieht bei dem vorderen Autofahrer auch eine Betriebsgefahr. Immerhin fuhr das Fahrzeug nicht zügig ab. Dass der Hintermann möglicherweise überreagiert habe, lasse die Haftung aus der Betriebsgefahr nicht entfallen. Vielmehr kommt es dann zu einer Haftungsquote. Der vordere Autofahrer hafte zu 30 %, so das Gericht. In dieser Höhe muss er dem anderen Autofahrer Schadensersatz zahlen (Aktenzeichen 1 U 63/19).

Abgezogen

„Stealthing“, so wird das heimliche Abziehen des Kondoms beim ansonsten einvernehmlichen Geschlechtsverkehr genannt. Vor dem Amtsgericht Kiel wurde so ein Fall verhandelt. Der Richter dort hielt das Verhalten des Mannes nicht für strafbar. Was möglicherweise nicht ganz richtig ist.

Das Oberlandesgericht Schleswig hob nun den Freispruch auf. Auch wenn das Opfer – hier eine Frau – nicht bemerke, dass der Partner das Kondom abstreift, könne das als sexueller Übergriff (§ 177 Abs. 1 StGB) gewertet werden, sagte der Senatsvorsitzende zur Urteilsbegründung. Der Richter am Amtsgericht war dagegen der Meinung, es gebe nach geltendem Recht grundsätzlich keinen Raum für die Strafbarkeit eines einvernehmlichen Geschlechtsverkehrs. Er wies darauf hin, dass sich dann ein Mann auch strafbar machen könne, wenn er ohne Wissen des Partners ein Kondom verwendet. Nun ja.

Auch das Kammergericht Berlin hat in einem früheren Stealthing-Fall die Verurteilung eines Mannes bestätigt. Diese Sicht macht zumindest klar, in diesem Bereich ist nicht immer nur das „Ob“ der sexuellen Handlung ein Thema. Sondern ggf. auch das „Wie“, und das muss dann keineswegs nur auf die Kondom-Frage beschränkt sein.

Frankfurter Polizei vermisst Waffen

Die Asservatenkammer der Frankfurter Polizei könnte ein Selbstbedienungsladen gewesen sein – jedenfalls für einen Beamten. Gegen den Mitarbeiter laufen Ermittlungen, weil der Verbleib von mehr als 100 Waffen und diverser Munition nicht geklärt ist. Es besteht der Verdacht, dass der Polizist die Waffen verkauft hat. Die Polizei räumt in einer Stellungnahme „offenkundige Defizite“ ein.

Gegen den Beamten gab und gibt es auch schon aus anderen Gründen Ermittlungen. So soll er möglicherweise für private Sicherheitsfirmen unzulässigerweise Informationen aus dem Polizeicomputer abgefragt haben. Außerdem soll er für eine Sicherheitsfirma unter anderem auch im Irak gearbeitet haben, ohne dass diese Tätigkeit genehmigt war.

Ein Polizeisprecher äußerte laut Spiegel Online die Hoffnung, dass zumindest ein Teil der Waffen, wie ja durchaus üblich, vernichtet worden sein könnte – ohne dass dies ordentlich dokumentiert wurde. Der Frankfurter Polizeipräsident betont, er habe sofort nach Bekanntwerden der Vorwürfe reagiert. Arbeitsgruppen seien damit beschäftigt, „neue Wege im Umgang mit Asservaten“ zu beschreiten.

Kein Hartz-IV für Masken

Hartz-IV-Bezieher können die Kosten für FFP2-Masken nicht erstattet verlangen, so aktuelle Entscheidungen des Sozialgerichts Saarbrücken in mehreren Eilverfahren.

Die Antragsteller hatten Mehrbedarf angemeldet, weil sie sich mit FFP2-Masken vor einer Corinainfektion schützten wollten. Die Forderung schwankte laut dem Gericht zwischen zwischen 10 Masken pro Monat und 20 Masken pro Woche.

Ein unabweisbarer Mehrbedarf, der Voraussetzung für zulässige Leistungen ist, liege nicht vor. Vielmehr gelte auch für FFP2-Masken der Grundsatz, dass alle „normalen“ Aufwendungen aus den Regelsätzen bewältig werden müssen (Aktenzeichen S 26 AS 23/21 ER, S 26 AS 26/21 ER, S 16 AS 35/21 ER).

RJ45 darf weiter leben

Ein Mobilfunkanbieter darf seinen Kunden nicht vorschreiben, den gebuchten Internetanschluss nur mit mobilen Geräten (z.B. Smartphones oder Tablets) zu nutzen. Vielmehr gehört es zur Grundfreiheit aller Nutzer, auch kabelgebundene Geräte (z.B. einen PC) anzuschließen. Dies hat das Landgericht München I entschieden.

Der Verbraucherzentrale Bundesverband hat den Anbieter Telefónica verklagt. Dieser schränkte die Nutzungsmöglichkeit seines Mobilfunktarifs „O2 Free Unlimited“ mit unbegrenztem Datenvolumen dahingehend ein, dass keine kabelgebundenen Geräte – mit Ausnahme spezieller LTE-Router – angeschlossen werden dürfen.

Das Gericht beruft sich auf EU-Recht. Danach haben Kunden ein Recht darauf, geeignete Geräte ihrer Wahl zu benutzen. Das „Verbot“ kabelgebundener Geräte schließe viele geeignete Geräte aus, die Kunden normalerweise benutzen. Das Urteil ist nicht rechtskräftig, da Telefónica Berufung eingelegt hat. Der Verbraucherzentrale Bundesverband führt wegen ähnlicher Klauseln auch Prozesse gegen andere Mobilfunk- und Internetanbieter (Aktenzeichen 12 O 6343/20).

Wenn Eltern über die Impfung streiten

Bis Kinder und Jugendliche für eine Corona-Impfung dran sind, dürfte es noch dauern. Doch welches Elternteil entscheidet eigentlich über die Impfung, wenn die Eltern sich nicht einig sind? Das Oberlandesgericht Frankfurt hat nun aufgezeigt, wie zu verfahren ist.

Eine Mutter wollte ihr 2018 geborenes Kind so impfen lassen, wie es Kinderärzte empfehlen. Also gegen Masern, Mumps und Röteln (MMR-Impfung) sowie gegen Tetanus, Diptherie und Heptatis B. Der Vater des Kindes opponierte gegen diese Standardimpfungen. Der Fall landete vor Gericht.

Maßstab für elterliches Handeln ist immer das Kindeswohl, stellen die Richter grundsätzlich fest. Bei dem Elternstreit komme es darauf an, ob Vater oder Mutter das „bessere Konzept“ hätten, um diesem Ziel näher zu kommen. Wenig überraschend erscheint es den Richtern plausibel, wenn man sich an den Empfehlungen der Ständigen Impfkommission (STIKO) orientiert, welche als unabhängiges Expertengremium konzipiert ist. Deren Empfehlungen seien so etwas wie ein antizipiertes Sachverständigengutachten, so die Richter.

Ob und wie die Empfehlungen der STIKO bei dem betroffenen Kind umgesetzt werden (sogenannte Impffähigkeit), müsse ohnehin letztlich ein Arzt entscheiden. Im Streitfall entscheidet also das Elternteil über das Ob einer Impfung, welches näher an den offiziellen Impfempfehlungen dran ist. Bei der Corona-Impfung dürfte dann nichts anderes gelten (Aktenzeichen 6 UF 3/21).

Grenzwert für MPU sinkt drastisch

Der „Idiotentest“ ist für Alkoholsünder eine gefürchtete, oft sogar unüberwindliche Hürde, wenn sie ihren Führerschein wiederbekommen wollen. Künftig wird das Ganze auf jeden Fall nicht einfacher – die maßgebliche Promillegrenze sinkt drastisch. Das Bundesverwaltungsgericht gibt in einem aktuellen Urteil den Straßenverkehrsämtern grünes Licht, wenn sie künftig schon ab 1,1 Promille einen Idiotentest verlangen.

Bislang lag die Grenze bei 1,6 Promille. Nur wer sich darüber getrunken hatte und dennoch am Steuer erwischt wurde, musste im Regelfall vor Wiedererteilung der Fahrerlaubnis die Medizinisch-Psychologische Untersuchung (MPU) bestehen. Nun kann diese Untersuchung schon ab 1,1 Promille verlangt werden, sofern die Polizei beim Alkoholsünder keine Ausfallerscheinungen festgestellt hat.

Die Betonung im letzten Satz liegt auf KEINE. Insoweit benutzt das Bundesverwaltungsgericht den von ihm entschiedenen Fall regelrecht als Steilvorlage. Ein Autofahrer hatte sich gegen die MPU-Anordnung gewehrt mit der Begründung, er habe lediglich 1,3 Promille im Blut gehabt – und überdies keinerlei Ausfallerscheinungen gezeigt. Die Polizei und der Arzt hatten bei der Verkehrskontrolle insoweit ausdrücklich festgehalten, dass der Alkoholkonsum dem Mann nicht anzumerken war.

Genau dieser Punkt, so das Bundesverwaltungsgericht, spreche aber für eine erhöhte „Giftfestigkeit“ des Betroffenen. Wer mit mehr als 1,1 Promille nach außen fit wirke und sich auch so fühle, müsse entsprechend alkoholgewöhnt sein. Das wiederum spreche dafür, dass der Betroffene zwischen Trinken und Fahren nicht mehr sicher trennen könne. In so einem Fall sei die MPU schon ab 1,1 Promille (Grenze zur absoluten Fahruntüchtigkeit) zulässig.

Für Betroffene kann es im Bereich von 1,1 bis 1,6 Promille also künftig besser sein, wenn Polizei und Arzt festhalten, dass sie deutlich unter Alkoholeinfluss standen. Möglicherweise wird dadurch vielleicht die Fahrerlaubnis etwas länger entzogen und die Strafe höher – aber es kommt noch nicht zur Anordnung der MPU. Andererseits kann es auch mächtig nach hinten losgehen, wenn man sich besoffener gibt, als man ist. Unterhalb der Grenzen 1,1 und insbesondere 0,5 Promille führen festgestellte Ausfallerscheinungen nämlich wieder zu juristischen Nachteilen in Form härterer Strafen und längerer Sperren.

Besonders spannend ist jetzt natürlich, wie die Straßenverkehrsämter reagieren. Bei noch laufenden Antragsverfahren auf Wiedererteilung der Fahrerlaubnis haben sie auf jeden Fall die höchstrichterliche Rückendeckung, nun auch standardmäßig im Bereich zwischen 1,1 und 1,6 Promille eine MPU zu verlangen. Damit könnten bundesweit auf viele hundert, wenn nicht tausende Betroffene schwere Zeiten zukommen (Aktenzeichen 3 C 3.20).

Komplett durchleuchtet

Wer nach dem 11. September 2001 in die USA gereist ist, wird auch mit der Border Control Bekanntschaft gemacht haben. Die Mitarbeiter fragen am Flughafen in den USA und teilweise auch schon vor dem Abflug in der EU, warum man in die USA reise, wie lange man bleibe usw. Ziel ist es unter anderem, potenzielle Terroristen*innen aufzuspüren.

Ob dieses Ziel so erreicht werden kann, mag bezweifelt werden, aber die Border Control versteht wirklich keinen Spaß und wenn man ein Interesse hat, tatsächlich in die USA einzureisen, wird man wohl antworten müssen. Anfang Februar hat nun ein amerikanisches Gericht ausdrückliich festgestellt, dass Border Control ohne jeden gerichtlichen Beschluss Handys und Laptops durchsuchen darf, was das Sichten der Daten, aber auch das Kopieren beinhaltet. Das Gericht stützt sich dabei auf eine Ausnahme der US-Verfassung.

Anscheinend muss man bei Reisen in die USA wohl ernsthaft damit rechnen, dass am Ende alle Daten von Notebook, Handy und Tablet ohne großen Aufhebens auf Festplatten der US-Behörden landen können. So eine komplette Durchleuchtung ist bei uns jedenfalls undenkbar – noch.

Bericht zum Thema

RA Dr. André Bohn

Lohnt sich das?

Einsätze der Bundespolizei tragen sich hinsichtlich der Kosten nicht selbst. Tatsächlich ist der Verwaltungsaufwand fünf Mal größer als die Einnahmen wegen der Einsätze. Im Oktober 2019 wurde eine „Gebührenordnung“ für Handeln der Bundespolizei eingeführt. Hintergrund ist unter anderem, dass die von einem Einsatz „Betroffenen“ oft nicht zahlungsfähig oder zahlungswillig sind.

Da die Erhebung der Gebühren zwingend ist, werden auch in ziemlich hoffnungslosen Fällen Bundespolizisten und Verwaltungskräfte gebunden – obwohl kaum die Aussicht besteht, dass die Beträge gezahlt werden, berichtet Spiegel Online.

Natürlich kann man Polizeiarbeit und damit die Aufrechterhaltung von Sicherheit und Ordnung schlecht rein fiskalisch betrachten. Ganz außer Betracht lassen sollte man die finanzielle Seite aber auch nicht, insbesondere wenn es um Bagatelldelikte geht, deren Verletzung das Normvertrauen, das Sicherheitsbedürfnis der Bevölkerung und sie Sicherheit allgemein nicht wirklich beeinträchtigen.

Man könnte in vielen Bereichen auch mal entkriminalisieren, damit die Polizei mehr Ressourcen auf die wirklich wichtigen Fälle lenken kann.

RA Dr. André Bohn

Kontaktperson der Kontaktperson

Das Land Baden-Württemberg wollte zur Vermeidung von Corona-Ansteckungen auch „Kontaktpersonen von Kontaktpersonen“ in Quarantäne schicken. Das hätte zum Beispiel für Eltern gegolten, deren Kinder in der Schule gemeinsam Unterricht mit einem infizierten Kind hatten – ohne dass eine Ansteckung festgestellt werden konnte.

Gegen die Regelung haben eine Staatsanwältin und ein Rechtsanwalt geklagt. Sie haben drei minderjährige Kinder und machten geltend, die Regelung sei unverhältnismäßig. Bei einer zehnköpfigen Schüler oder Kita-Gruppe führe die „Cluster“-Regelung dazu, dass mit einem Schlag schon mal 40 Personen in Quarantäne müssten, und das auf bloßen Verdacht und pauschale Anordnung der Behörden.

Der Verwaltungsgerichtshof des Landes erklärte die Regelung jetzt für rechtswidrig. Bei unmittelbaren Kontaktpersonen könne von einer Ansteckungsgefahr ausgegangen werden. Das gelte aber nicht für „Kontaktpersonen der Kontaktpersonen“. Eine so weitgehende Kette überschreite die juristischen Möglichkeiten, welche das Infektionsschutzgesetz einräume. Alleine die Haushaltszugehörigkeit reiche jedenfalls nicht aus (Aktenzeichen 1 S 751/21).

In Hessen geraten die Corona-Beschränkungen für den Einzelhandel unter Druck. Eine Verkäuferin von Grills und Grillzubehör hatte sich gegen strenge Auflagen gewehrt mit der Begründung, der wenige Meter entfernt liegende Baumarkt dürfe viel mehr Kunden gleichzeitig bedienen, und das auch noch ohne die ansonsten vorgeschriebene Voranmeldung. Das Verwaltungsgericht Frankfurt gab der Geschäftsfrau recht (Aktenzeichen 5 L 623/21 F).

Die Maskenpflicht in Erholungsgebieten des Oberharz ist rechtswidrig, so das Verwaltungsgericht Braunschweig in einem Eilbeschluss. Ein Mann aus Hildesheim hatte sich gegen die Maskenpflicht auf Freizeitflächen (z.B. Ski- und Rodelhänge am Bocksberg, Wurmberg und Matthias-Schmidt-Berg) gewandt. Der Landkreis Goslar hat es laut dem Gericht versäumt, eine Karte mit den Flächen zu veröffentlichen, auf denen die Maskenpflicht gelten soll. Der Bürger könne schon deshalb gar nicht wissen, wo die Beschränkungen gelten.

Der Landkreis hatte sich auch damit verteidigt, die Maskenpflicht habe sich schon wegen des heraufziehenden Frühlings erledigt. Jedoch kann das Gericht der Anordnung nicht entnehmen, dass die Verfügung nur bei ausreichend Schnee und Eis gelten sollte (Aktenzeichen 4 B 51/21).

Doppeltes Versagen

Rund ums laufende Jura-Examen in Baden-Württemberg gibt es derzeit mächtig Zoff. Erst gab es eine Prüfungspanne, und auf diese soll dann noch mehr als fragwürdig reagiert worden sein. Ausbaden dürfen es nun 871 Studenten, die ihre Strafrechtsklausur neu schreiben sollen.

Am 1. März sollte in Konstanz eigentlich die Klausur im Öffentlichen Recht geschrieben werden. Weil jemand das Datum verwechselte, teilten die Aufsichten aber die Aufgabe für die sechste und letzte Prüfung (Strafrecht) aus, die erst einige Tage später dran war. Allerdings soll der Fehler bemerkt worden sein, bevor die Studenten die Aufgabentexte rumdrehen durften. Die Texte wurden schnell wieder eingesammelt – und dann tatsächlich am 4. März für die Strafrechtsprüfung verwendet.

Dumm nur, dass sich später etwas anderes herausstellte. Ein Klausurtext für das Strafrecht soll nämlich doch nicht sofort zurückgegeben worden sein, sondern erst einige Zeit nach Beginn der Klausur. Zu diesem Zeitpunkt hatten die Kandidaten die Texte für die an sich anstehende Klausur im Öffentlichen Recht aber schon rumdrehen dürfen. Auch wenn drei Aufsichten auf 50 Prüflinge kamen, war nun keineswegs mehr „sicher“, dass die Strafrechtsaufgaben nicht doch geleakt werden konnten.

Das alles kam aber erst raus, nachdem die Klausur am 4. März gestellt wurde – mit den ursprünglichen Aufgaben. Die Betroffenen kritisieren nun vehement das offenkundige Versagen des Prüfungsamtes. Immerhin hätte man am 4. März ja vorsorglich eine andere Klausur anbieten können. Wie die Legal Tribune Online berichtet, gibt es auch schon eine Petition von 2.600 Jurastudenten. Der Ausgang ist noch offen. Der Nachschreibetermin soll erst für April festgesetzt werden.

Nachtrag: Gibt es keine Alternative zur Klauswiederholung? Ein Artikel beleuchtet die Rechtslage

Zu schnell? Oder falsch geblitzt?

Ein in Deutschland bei Geschwindigkeitskontrollen vielhundertfach eingesetztes Lasermessgerät steht im Verdacht, fehlerhafte Ergebnisse zu liefern. Es geht um das Messgerät „Leivtec XV3“. Der Hersteller zieht jetzt die Notbremse. Er hat alle Behörden gebeten, das Gerät nicht mehr einzusetzen.

Bei Kontrollmessungen – mit mehreren gleichen Geräten am selben Ort – sollen Sachverständige erhebliche Abweichungen festgestellt haben. Während ein Leivtec XV3 beispielsweise 125 Stundenkilometer gemessen habe, sei das andere auf 141 Stundenkilometer gekommen. Als mögliche Ursache werden insbesondere (zulässige) Reflektorstreifen genannt, die Autos außen und innen verzieren.

Noch ist nicht klar, ob Ordnungsämter und Polizeibehörden von sich aus die Verfahren einstellen. Wichtig ist auf jeden Fall, gegen eventuelle Bußgeldbescheide noch Einspruch einzulegen – das geht wirksam allerdings nur maximal zwei Wochen nach Zustellung des Bescheids. Wenn der Bußgeldbescheid schon rechtskräftig geworden ist, braucht man sich nicht zu viel Hoffnung zu machen. Die Wiederaufnahme eines Bußgeldverfahrens scheitert schon meist daran, dass dies nur bei Bußgelgeldern ab 250 Euro möglich ist (§ 85 OWiG).