Wer sich einen eigenen Anwalt leisten kann, hat’s gut. Fällt die Zusammenarbeit nicht zur Zufriedenheit aus, kann man den Rechtsanwalt jederzeit auswechseln. Schwieriger ist das, wenn man auf einen Pflichtverteidiger angewiesen ist. Der wird ja vom Gericht beigeordnet, eine Mandatskündigung durch den Betroffenen ist an sich nicht vorgesehen. Nun gibt es eine wichtige Ausnahme.
Vor einiger Zeit ist das Pflichtverteidigerrecht renoviert worden; EU-Recht machte die Reform unausweichlich. Eine wirklich gelungene Regelung findet sich nun an der Sollbruchstelle zwischen Tatsachen- und Revisionsinstanz. Das ist natürlich exakt der Moment, in dem es für die weitere Zusammenarbeit zum Schwur kommt. Ist das Urteil erträglich ausgefallen, gibt es in der Regel keine Probleme. Fällt das Ergebnis aber weniger erfreulich aus, hängt der Haussegen zwischen Mandant und Pflichtverteidiger schon mal schief. Natürlich ist ein atmosphärisch belastetes Verhältnis keine sonderlich gute Grundlage, um in der Revision gemeinsam noch mal richtig durchzustarten.
Dem trägt die Strafprozessordnung mit einem neuen Paragrafen Rechnung. Nach § 143a Abs. 3 StPO kann der Angeklagte nun auch nach dem Urteil seinen Anwalt wechseln, wenn dieser ein Pflichtverteidiger ist. Voraussetzung ist lediglich ein Antrag des Angeklagten beim Gericht. Dieser Antrag muss spätestens eine Woche nach Beginn der Revisionsbegründungsfrist gestellt werden. Die Revisionsbegründungsfrist beginnt erst mit der Zustellung des schriftlichen Urteils. Sie liegt also regelmäßig einige Zeit nach dem letzten Verhandlungstag, in dem das Urteil mündlich bekanntgegeben wurde. Es bleibt also Zeit zum Überlegen und insbesondere für ein klärendes Gespräch mit dem jetzigen Verteidiger.
Der Pflichtverteidigerwechsel für das Revisionsverfahren ist an keine weiteren Voraussetzungen gebunden. Das heißt, der Angeklagte muss nicht irgendwie vortragen, dass er kein Vertrauen mehr zu seinem Verteidiger hat. Oder ähnliches. Der bisherige Pflichtverteidiger hat auch kein Einspruchsrecht, sondern muss sich mit seiner Ablösung abfinden. Überdies hat der Angeklagte auch die Möglichkeit, den Revisionsanwalt frei zu wählen. Das Gericht darf dessen Beiordnung nur aus wichtigen Gründen ablehnen.
Durch die Neuregelung erhalten also auch Angeklagte mit Pflichtverteidiger die Möglichkeit, sich an einem entscheidenden Punkt ihres Verfahrens neu aufzustellen. Einziger Wermutstropfen für den Angeklagten sind die Kosten. Wird er rechtskräftig zur Übernahme der Verfahrenskosten verurteilt, muss er auch die zusätzlichen Anwaltsgebühren zahlen, die der neue Pflichtverteidiger ebenso wie sein Vorgänger abrechnen kann.
Insgesamt ist das aber eine sinnvolle Lösung, in vielen Fällen auch für den bisherigen Pflichtverteidiger. Auch für diesen ist es ja nicht unbedingt eine Freude, wenn er einem eher unzufriedenen Mandanten seine Dienste aufzwingen muss.