Es gibt immer mal wieder Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zur Beleidigung. Ein fast schon klassisches Problem ist, ob das Opfer „beleidigungsfähig“ ist. Dafür muss der Beleidigte individualisierbar sein und darf nicht nur einer eher unbestimmten und damit „anonymen“ Personengruppe – etwa der Polizei – angehören.
So sind die Bezeichnungen ACAB, was für „all cops are bastards“ stehen soll, oder das fast selbsterklärende „fck cps“ meist nicht strafbar, weil die Gruppe aller „cops“ nicht hinreichend individualisiert ist, so die Rechtsprechung.
Eine neue Facette beleuchtet eine aktuelle Entscheidung. Es ging um ein Mitglied der Göttinger linken Szene. Der Betroffene war schon öfter mit der örtlichen Beweissicherungs- und Festnahmeeinheit (BFE) der Polizei aneinandergeraten. Bei einer Demonstration tat er dann seinen Unmut über die BFE mit einem Pulli kund, auf dem „FCK BFE“ stand.
Als dies einer der Beamten bemerkte, forderte er den Beschwerdeführer mehrmals auf, den Schriftzug zu bedecken. Der Beschwerdeführer reagierte darauf nicht, sodass der Beamte den Pulli beschlagnahmte. Unter dem Pulli trug der Mann aber noch ein T-Shirt, wenig überraschend mit dem Audruck „FCK BFE“. Das Amtsgericht verurteilte ihn wegen Beleidigung zu einer Geldstrafe. Dem Mann sei sei bewusst gewesen, dass Mitglieder der BFE bei der Demonstration vor Ort waren.
Dabei ging das Gericht aufgrund der vorangegangen Konflikte davon aus, das Statement habe sich nur auf die BFE in Göttingen bezogen. So habe der der Beschwerdeführer den Schriftzug trotz Aufforderung nicht verdeckt. Die Gruppe der Polizisten sei somit hinreichend individualisierbar. Die Benutzung des Wortes „fuck“ gehe über reine Kritikäußerung hinaus und habe eine abwertende Bedeutung.
Diese Argumentation akzeptiert das Bundesverfassungsgericht. Der Begriff „BFE“ sei nicht so allgemein gefasst wie „cops“. Bei letzterem sei noch nicht einmal klar, ob „cops“ nur auf die deutsche Polizei bezogen ist. In dem konkreten Fall ist die Argumentation der Gerichte nachvollziehbar. Sofern man aus dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts ableiten will, dass die Bezeichnung „FCK BFE“ generell strafbar ist, geht das meines Erachtens zu weit. Ohne die Vorgeschichte und das konkrete Verhalten des Beschwerdeführers in diesem Verfahren, erfasst die Bezeichnung wahrscheinlich mehrere tausend Beamte in Deutschland. Davon ausgehend eine hinreichende Individualisierung anzunehmen, scheint – ohne weitere Indizien – lebensfremd. Aber die Entscheidung zeigt immerhin, wo mögliche Grenzlinien bei Unmutsäußerungen gegen Vertreter des Staates laufen (Link zur Entscheidung).
RA Dr. André Bohn