Ich habe leider nicht viel Zeit, möchte euch aber einen lesenswerten Bericht des Südkurier nicht vorenthalten. Es geht um einen Rentner, der wegen einer Beleidigung verurteilt wurde, obwohl sich letztlich niemand beleidigt fühlte – auch wenn das Wort „Volldeppen“ gefallen sein könnte.
Das alles, weil eine Polizistin den mutmaßlich Geschädigten, Organistoren einer Demonstration gegen Corona-Leugner, einen Strafantrag regelrecht aufgedrängt haben soll. Und zwar, wenn man den Zeugen glauben darf, unter Vorspiegelung falscher Tatsachen. Die Beamtin soll gesagt haben, sie müsse den „Volldeppen“-Spruch sowieso anzeigen. Eine „Strafanzeige“ der möglicherweise Beleidigten habe sie als reine Formsache dargestellt.
Sachlich ist daran richtig, dass die Polizei natürlich mutmaßliche Beleidigungen anzeigen darf. Allerdings kann es nur zu einer Verurteilung kommen, wenn das Opfer auch einen Strafantrag stellt (schriftlich). Bei Beleidigungsdelikten kann der Strafantrag des Opfers noch nicht mal dadurch ersetzt werden, dass die Staatsanwaltschaft ein besonderes öffentliches Interesse an der Strafverfolgung bejaht. Mit anderen Worten: Wenn der Beleidigte keine Strafverfolgung will, darf es keine Verurteilung geben. Wobei der Beleidigte einen einmal gestellten sogar zurücknehmen kann. Nicht mal Gründe muss er hierfür nennen.
Schlecht gelaufen, muss man hier wohl sagen. Auch wenn die Konstellation eher ungewöhnlich ist, kommen fragwürdige Strafanträge gar nicht so selten vor. Ich hake deshalb in Verfahren, in denen ein Verfolgungsinteresse der Beleidigten nicht offenkundig ist, deshalb immer kritisch nach, ob der Zeuge tatsächlich einen Strafantrag stellen wollte. Oder ob er – gerade bei Polizeieinsätzen vor Ort, wo es oft schnell schnell geht – nur ein Blankoformular unterschrieben hat, das man ihm hingehalten hat. Damit lassen sich schon mal überraschende Wendungen herbeiführen. Im vorliegenden Fall hätte es schon gereicht, wenn die Zeugen vom Gericht angehört worden wären. Wieso das nicht geschehen ist, steht leider nicht im Artikel.