Bohrende Rechtsfragen

Ich will jetzt nicht ins Detail gehen, warum ich letzte Woche meine Bohrmaschine in der Straßenbahn vergessen habe. Ist aber der Fall.

Die Bohrmaschine ist kein ganz billiges Gerät und überdies noch eine Art Erbstück. Ich habe deshalb beim Verkehrsbetrieb und beim Fundbüro nachgefragt. Erfolglos. Mit einer Videoüberwachung konnte man – unbeschadet des Datenschutzes – schon deswegen nicht helfen, weil der betreffende Wagen gar nicht überwacht wird.

Ich habe etwas länger überlegt, entschloss mich dann aber zu einer Anzeige. Bei einem Handy, das jemand bei Gelegenheit in die Tasche steckt, würde man den Verlust ja auch eher nicht auf sich beruhen lassen. Der Polizeibeamte der Wache nahm sich meiner auch sehr freundlich an. Bei der Belehrung wies er mich allerdings darauf hin, ich könne gar keine Diebstahlsanzeige aufgeben.

Sondern nur eine wegen Unterschlagung, denn darum handele es sich.

Echt?

Für einen Diebstahl braucht man unter anderem die Wegnahme einer fremden beweglichen Sache. Eine Wegnahme setzt voraus, dass jemand Gewahrsam an der Sache hat. Es muss also jemand willentlich die Sachherrschaft über die Sache ausüben. Bei der Bahn und Nahverkehrsunternehmen ist aber genau das der Fall. Die Rechtsprechung geht davon aus, dass das Unternehmen grundsätzlich Gewahrsam an allen Sachen begründen will, die in den Fahrzeugen verloren gehen. Ist übrigens auch meist bei Restaurants der Fall, und auch in Geschäften. In solchen Fällen ist die Unterschlagung aber dann halt eher ein Diebstahl, weil der fremde Besitzwille, und sei er auch noch so abstrakt, gebrochen wurde.

Ich verzichtete allerdings auf jede Diskussion zu dieser Frage und machte deutlich, dass ich auch eine Anzeige wegen Unterschlagung super finde. Wir dürfen ja ohnehin annehmen, dass es für eventuelle Ermittlungen kaum eine Rolle spielt, ob Ausgangspunkt ein mutmaßlicher Diebstahl oder eine Unterschlagung ist. Und wenn die Sache, wie zu befürchten, ohnehin nach einer kleinen Schamfrist ohne weitere Prüfung eingestellt wird, wird höchstens die Kriminalstatistik geringfügig verzerrt.

Autor: RA Dr. André Bohn