Wenn ein Gefangener in einer hitzigen Gesprächssituation eine Sozialarbeiterin als „Trulla“ bezeichnet, ist dies nicht unbedingt eine strafbare Beleidigung. Das Bundesverfassungsgericht gab der Beschwerde eines Sicherungsverwahrten statt, der wegen der Äußerung verurteilt wurde.
In der Anstalt gab es ein Problem mit der Buchung der Gefangenengelder. Der Betroffene fürchtete, nicht einkaufen zu können und hatte gleichzeitig das Gefühl, dass sich die Sozialarbeiterin nicht für sein Anliegen interessiert. Der Mann wurde wütend und bezeichnete die Frau „im Rahmen eines Wortschwalls“, so das Verfassungsgericht, als „Trulla“. Die Strafgerichte verurteilten den Mann, weil sie die Bezeichnung stets als beleidigend ansehen. Ein beliebter Fehler bei vielen grenzwertigen Äußerungen, den das Verfassungsgericht in seiner Entscheidung seziert.
Danach reicht es eben nicht, dass eine Ehrverletzung bejaht wird. Vielmehr eröffnet diese Feststellung die Pflicht, zwischen der Meinungsfreiheit und dem Ehrenschutz abzuwägen. Eine strafbare Schmähkritik halten die Richter in diesem Fall für fast ausgeschlossen. Die Äußerung sei mündlich und spontan im Rahmen einer hitzigen Auseinandersetzung erfolgt. Außerdem habe sie den dienstlichen Bereich der Betroffenen berührt. Was dann eben dazu führt, dass es sich eher um (überzogene) Kritik in der Sache und nicht in erster Linie um eine bösartige Herabsetzung des Gegenübers handelte. Die Strafgerichte hätten sich zumindest mit diesen Fragen auseinandersetzen müssen, lautet das Fazit in dem Beschluss.
Nicht ganz unwichtig ist auch der Hinweis, dass der inhaftierte Betroffene „in besonderer Weise staatlicher Machtenfaltung ausgesetzt war“. Da darf auch mal eher Druck abgelassen werden, das Gericht spricht von einer „emotionalen Verarbeitung der als unmittelbar belastend wahrgenommenen Situation“. Der Fall muss neu verhandelt werden (Aktenzeichen 1 BvR 2249/19).