Die Tücken des Handy-Weckers

Weil der Wecker seines Handys klingelte, sollte ein Student durch eine Klausur fallen. Das Klingeln wurde als Täuschungsversuch gewertet. Kurios wird diese Entscheidung durch den Umstand, dass die Tasche 40 Meter entfernt abgestellt war.

Die Universität verwies auf die Prüfungsordnung. Danach sei es verboten, Mobiltelefone eingeschaltet mit in den Prüfungsraum zu nehmen. Ob das im Flugmodus befindliche Handy überhaupt „eingeschaltet“ im Sinne der Vorschrift war, will das Verwaltungsgericht Koblenz gar nicht entscheiden. Denn der Student habe das Handy ja gar nicht an den Klausurarbeitsplatz mitgenommen, vielmehr habe der Wecker rund 40 Meter entfernt geklingelt. Wenn man das auch verbieten wolle, so das Gericht, müsse man es auch ausdrücklich in die Prüfungsordnung schreiben. Nur so könne ein Kandidat wissen, was erlaubt und was verboten ist.

Auch eine Störung des Prüfungsablaufs mit der Folge „Nicht bestanden“ sieht das Gericht nicht. So eine Sanktion sei schlicht unverhältnismäßig. Die Störung durch das Klingeln hätte problemlos mit einer kurzen Verlängerung der Schreibzeit ausgeglichen werden können. Außerdem habe der Student glaubhaft belegt, dass er nicht vorsätzlich handelte. Er habe vergessen, den Wecker zu deaktivieren. Außerdem habe er angenommen, dass sein Handy im Flugmodus gar keine Töne von sich gibt (Aktenzeichen 4 K 116/20.KO).

„Trulla“ ist nicht unbedingt eine Beleidigung

Wenn ein Gefangener in einer hitzigen Gesprächssituation eine Sozialarbeiterin als „Trulla“ bezeichnet, ist dies nicht unbedingt eine strafbare Beleidigung. Das Bundesverfassungsgericht gab der Beschwerde eines Sicherungsverwahrten statt, der wegen der Äußerung verurteilt wurde.

In der Anstalt gab es ein Problem mit der Buchung der Gefangenengelder. Der Betroffene fürchtete, nicht einkaufen zu können und hatte gleichzeitig das Gefühl, dass sich die Sozialarbeiterin nicht für sein Anliegen interessiert. Der Mann wurde wütend und bezeichnete die Frau „im Rahmen eines Wortschwalls“, so das Verfassungsgericht, als „Trulla“. Die Strafgerichte verurteilten den Mann, weil sie die Bezeichnung stets als beleidigend ansehen. Ein beliebter Fehler bei vielen grenzwertigen Äußerungen, den das Verfassungsgericht in seiner Entscheidung seziert.

Danach reicht es eben nicht, dass eine Ehrverletzung bejaht wird. Vielmehr eröffnet diese Feststellung die Pflicht, zwischen der Meinungsfreiheit und dem Ehrenschutz abzuwägen. Eine strafbare Schmähkritik halten die Richter in diesem Fall für fast ausgeschlossen. Die Äußerung sei mündlich und spontan im Rahmen einer hitzigen Auseinandersetzung erfolgt. Außerdem habe sie den dienstlichen Bereich der Betroffenen berührt. Was dann eben dazu führt, dass es sich eher um (überzogene) Kritik in der Sache und nicht in erster Linie um eine bösartige Herabsetzung des Gegenübers handelte. Die Strafgerichte hätten sich zumindest mit diesen Fragen auseinandersetzen müssen, lautet das Fazit in dem Beschluss.

Nicht ganz unwichtig ist auch der Hinweis, dass der inhaftierte Betroffene „in besonderer Weise staatlicher Machtenfaltung ausgesetzt war“. Da darf auch mal eher Druck abgelassen werden, das Gericht spricht von einer „emotionalen Verarbeitung der als unmittelbar belastend wahrgenommenen Situation“. Der Fall muss neu verhandelt werden (Aktenzeichen 1 BvR 2249/19).

Reisestorno: Trotz Corona Anspruch auf sofortige Rückzahlung

Pauschalreisende müssen sich nach wie vor nicht mit einem Gutschein vertrösten lassen. Sie haben bei Stornierung Anspruch auf Erstattung des Reisepreises innerhalb von 14 Tagen. Dies hat das Amtsgericht Frankfurt klargestellt.

Der Kläger hatte den Preis für seine Pauschalreise in Höhe von 2.381,35 € zurückverlangt, nachdem der Veranstalter die Reise wegen Corona abgesagt hatte. Der Reisende bekam lediglich Gutscheine angeboten. Das Unternehmen ließ sich hiervon weder von einem Anwaltsschreiben noch einer Klage abhalten. Erst im Prozess erkannte die Firma den Anspruch an und erstatte den Reisepreis.

Die Verweigerungshaltung setzte sich allerdings fort, denn der Kläger sollte auf seinen vorgerichtlichen Anwaltskosten sitzenbleiben. Auch Zinsen wollte die Firma nicht ersetzen. Das Amtsgericht Frankfurt verurteilte den Veranstalter aber in allen Punkte. Zur Begründung weist das Gericht darauf hin, dass das Gesetz – entsprechend einer EU-Richtlinie – beim Reisestorno eine 14-tägige Rückzahlungsfrist setzt. Auch auf Gutscheine müsse sich der Kunde nicht einlassen, denn die Regelung sei für Pauschalreisen nicht verpflichtend (Aktenzeichen 32 C 2620/20 (18)).

Nachtrag: Ebenso hat das AG Bad Driburg entschieden

Lockdown für die einen, Regelbetrieb für die anderen

In Berlin diskutieren gerade die Verantwortlichen aus Bund und Ländern über das neue Lockdown-Szenario. Favorisiert ist wohl folgende Lösung: Freizeitangebote werden abgeschafft, Kontakte massiv beschränkt – und selbst im privaten Bereich könnte es massive Kontrollen geben. Ich will das Wort Hausdurchsuchung durchs Ordnungsamt eigentlich gar nicht in den Mund nehmen.

Im Gegensatz dazu steht aber eine ganz neue Prämisse von fast unerhörter Liberalität: Schulen und Kitas sollen unter allen Umständen geöffnet bleiben. Des einen Leid ist also des anderen Regelbetrieb. Hat sich eigentlich jemand mal Gedanken darüber gemacht, was wohl die Richter zu dieser „Güterabwägung“ sagen werden? Zum Beispiel wenn ab Montag ein Gastwirt mit wasserdichtem Hygienekonzept gegen die Komplettschließung klagen wird, dem das Ordnungsamt trotz funktionierender Kontaktenachverfolgung nicht mal ein Infektionsgeschehen nachweisen kann, das aus seinem Betrieb den Anfang nahm?

Ich vermute nicht, denn die bisherige Richtung in den Gerichtsurteilen lässt sich so zusammenfassen: Maßnahmen müssen geeignet sein. Und sie dürfen nicht ungerecht sein. Wer Friseuren also die Arbeit erlaubt, kann sie Masseuren kaum verbieten. Was im Kleinen gilt, dürfte im Großen aber auch gelten. Mit der Folge, dass man dem ungestörten Schul- und Kitabetrieb und die dadurch unvermeidlichen Risiken kaum dadurch erkaufen kann, dass anderen doppelte und dreifache Opfer auferlegt werden – bis zur wirtschaftlichen Existenzvernichtung.

Kann diese Prioritätensetzung ohne jeden Versuch eines Interessenausgleichs Bestand haben? Mir schwant da Unheil, das möglicherweise der eine oder andere gar nicht kommen sieht.

Blaulichtfahrt endet tödlich

Vor dem Amtsgericht Tiergarten in Berlin muss sich ein Polizeibeamter wegen fahrlässiger Tötung verantworten. Während einer Blaulichtfahrt stieß sein Auto mit dem Wagen einer 21-Jährigen zusammen, die starb. Der Polizist soll gegen 13 Uhr mit circa 130 km/h aus einem Tunnel in Berlin-Mitte gefahren sein, obwohl es sich um eine unübersichtliche Stelle gehandelt habe.

Ein anderer Polizeibeamter sagte aus, dass die Polizei mit Sonderrechten in der Innenstadt maximal 70 oder 80 km/h fahren dürfe und er noch nie gesehen habe, dass ein Auto in der Stadt überhaupt so schnell fährt. Nähere Einzelheiten kann man bei Spiegel Online nachlesen.

Nach welchen Kriterien entscheidet die Staatsanwaltschaft eigentlich, ob sie solche Fälle als Mordvorwurf oder als fahrlässige Tötung vor Gericht bringt? Ein nicht absichtlich verursachter Unfall sollte nach meiner Meinung nicht als Mord gewertet werden. Die Annahme eines entsprechenden Eventualvorsatzes halte ich für höchst fragwürdig; die Problematik wird ja derzeit heiß diskutiert.

Es scheint mir nur etwas auffällig, dass ein Polizeibeamter lediglich wegen fahrlässiger Tötung, jugendliche Autobegeisterte aber teilweise wegen Mordes angeklagt und auch verurteilt werden. Natürlich ist jeder Fall anders, aber ein gewisser Beigeschmack bleibt, auch wenn, wie gesagt, dem Polizisten eigentlich der richtige Tatvorwurf gemacht wird.

Autor: RA Dr. André Bohn

Die falsche Hose

Mandanten raten wir Anwälte, bei Kontakt mit der Polizei nichts zu sagen, wenn auch nur irgendeine Beschuldigung im Raum steht.

Dieses Schweigen wurde einem Angeklagten vor dem AG München aber nun zum „Verhängnis“. Der Betroffene war vor einer Diskothek abgetastet worden, in seiner rechten Hosentasche wurden eine Ecstasy-Tablette und Amphetamin-Pulver gefunden. Auf den Fund soll der Mann erstaunt reagiert haben.

Vor dem Amtsgericht sagte der Angeklagte, dass er in seinen Geburtstag reingefeiert habe, er in mehreren Kneipen und Wohnungen gewesen sei und in einer Wohnung Sex gehabt habe. Er sei angetrunken gewesen. Nach dem Sex habe er fälschlicherweise nicht seine, sondern eine andere Hose angezogen. Die mit den Drogen.

Das Amtsgericht wertete das als Schutzbehauptung. Die Polizeibeamtin sagte aus, der Betroffene habe vor Ort nichts dazu gesagt, dass es nicht seine Hose sei. Betrunken habe er auch nicht gewirkt. Ihr sei nicht aufgefallen, dass die Hose nicht passt.

Der Mann, der vorher noch nicht strafrechtlich in Erscheinung getreten war, wurde zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen verurteilt.

Es ist natürlich immer schwierig, etwas zur Beweiswürdigung bei einem Prozess zu sagen, wenn man selbst nicht dabei war. In diesem Fall würde ich auch sagen, dass es eine nachvollziehbare Reaktion gewesen wäre, der Polizei sofort – und nachdrücklich – zu sagen, dass es nicht die eigene Hose ist. Es gibt aber ebenso gute Gründe, beim Grundsatz zu bleiben und nicht mit der Polizei zu reden, weil man es damit häufig noch schlimmer macht. Ausnahmen bestätigen die Regel. Vielleicht haben wir es hier mit einer zu tun.

Aktenzeichen 1111 Cs 365 Js 125197/20

Autor: RA Dr. André Bohn

Adbusting – strafbar oder nicht?

Adbusting ist das Verändern von Werbeplakaten. Ob ein solches Verhalten strafbar ist, darf mit Fug und Recht angezweifelt werden.

Das ist der Kripo aber sehr häufig offensichtlich egal. Als Beispiel folgender Fall: Eine Frau wurde im Mai 2019 beim Adbusting von zwei Zivilbeamten erwischt. Dabei ging es um ein Plakat der Bundeswehr auf dem es hieß: „Geht Dienst an der Waffe auch ohne Waffe?“ Das von ihr ausgetauschte Plakat enthielt das Statement: „Kein Dienst an der Waffe geht ohne Waffe.“

Das Plakat und einen selbstgebauten Sechskantschlüssel, um die Glasvitrine zu öffnen, beschlagnahmten die Beamten. Trotzdem wurde vier Monate nach dem Vorfall die Wohnung der Frau Wohnung durchsucht. Dagegen legte die Frau Verfassungsbeschwerde ein, weil sowohl Amts- als auch Landgericht die entsprechenden Beschwerden gegen die Hausdurchsuchung verwarfen.

Wenn die Original-Plakate in der Vitrine gelassen werden, liegt strafrechtlich gesehen jedenfalls kein Diebstahl vor. Wird die Vitrine mit einem Schlüssel geöffnet, scheitert auch eine Sachbeschädigung. Bleibt noch das Urheberrecht, was in § 106 Abs. 1 UrheberrechtsG strafrechtlich verbietet, ohne Einwilligung ein urheberrechtlich geschütztes Werk zu vervielfältigen, zu verbreiten oder öffentlich wiederzugeben. Da der Inhalt des Werks aber beim Adbusting verändert, teilweise sogar ins Gegenteil verkehrt und sich kritisch mit dem ursprünglichen Inhalt auseinandergesetzt wird, liegt in dem Adbusting auch kein Urheberrechtsverstoß. Es entsteht vielmehr ein neues Werk.

Die Ermittlungsbehörden klagen immer wieder über hohe Arbeitsbelastung und Personalmangel. Man könnte ja mal damit anfangen, keine straflosen Verhaltensweisen mit – unter anderem ermittlungsintensiven Maßnahmen – zu verfolgen. Nun muss sich sogar das Bundesverfassungsgericht mit dem Adbusting beschäftigen, die Frau hat eine entsprechende Beschwerde eingelegt.

Einzelheiten in einem ausführlichen Bericht der Legal Tribune Online. https://www.lto.de/recht/hintergruende/h/hausdurchsuchung-nach-adbusting-jurastudentin-verfassungsbeschwerde-strafbar-diebstahl-sachbeschdigung-urheberrechtsverletzung/

Autor: RA Dr. André Bohn

Eine Vielzahl persönlicher Dinge

Ein werter Kollege, der in einem Verfahren als Pflichtverteidiger bestellt ist, hat seine Arbeit nicht gemacht. So sieht es jedenfalls sein Mandant, der sogar die Entlassung des Pflichtverteidigers beantragt. Begründung: Er, der Angeklagte, habe dem Verteidiger „eine Vielzahl von zu erledigenden persönlichen Dingen“ gesagt – und der Anwalt habe die Liste nicht abgearbeitet.

Anscheinend hatte die Liste so einen Umfang, dass der Kollege sich außerstande sah, das alles zu erledigen. Ich kann nur mutmaßen, aber normalerweise geht es darum, diesen und jenen anzurufen, Verträge zu kündigen etc. Vor allem das diesen und jenen anrufen birgt durchaus schon Gefahren für den Anwalt. Stichwort Strafvereitelung. Oder gar Beihilfe, wenn der Mandant nicht dazu sagt, dass sich in den schönen Grüßen ein Code vebirgt.

Aber wir wollen das nicht vertiefen, dann das zuständige Landgericht bringt es auch auf den Punkt und lehnt die Abberufung des Anwalts ab:

Die Erledigung von persönlichen Dingen gehört nicht zum Kernbereich der Tätigkeit eines Pflichtverteidigers.

Wer sein Kind liebt…

Als bibelfest soll sich ein Oldenburger Staatsanwalt erwiesen haben. Allerdings am falschen Ort. „Wer sein Kind liebt, der züchtigt es“, soll er in einem Strafprozess gesagt haben – um damit eine Strafmilderung für einen wegen Kindesmisshandlung angeklagten Familienvater zu begründen.

In seinem Plädoyer soll der Staatsanwalt auch Papst Franziskus bemüht haben, der eine „moderate“ Form der körperlichen Gewalt zu Erziehungszwecken wohl nicht grundsätzlich ablehnt. Die Staatsanwaltschaft bestätigt den Vorfall und möchte die Sache nun intern aufarbeiten. Der Sprecher der Staatsanwaltschaft: „Religiöse Begründungen gehören nicht in ein Plädoyer. Es darf kein Zweifel an staatlicher Neutralität gegenüber den Religionen aufkommen und schon gar nicht dürfen religiöse Erwägungen sich gegen gesetzliche Vorgaben wenden und begangenes Unrecht relativieren.“

Bericht in der Legal Tribune Online

Ein paar Tritte zu viel

Das Verwaltungsgericht Mainz hat die sofortige Entlassung eines Polizeibeamten auf Probe gebilligt. Der Polizist hatte auf einen bereits gefesselt am Boden liegenden Tatverdächtigen eingetreten.

Eine Videoaufnahme belegt das Verhalten des Polizisten. Der Tatverdächtige war mit seinem Auto auf der Flucht. Bei der Verfolgungsjagd fuhr er auf den Streifenwagen auf, in dem der Polizeibeamte saß. Nachdem dessen Kollegen den Verdächtigen längst fixiert hatten, trat der Polizist auf den Mann ein.

Ein derartiges Verhalten zeigt nach Auffassung des Gerichts, dass der Beamte nicht zu einer an rechtsstaatlichen Regeln ausgerichteten Amtsführung in der Lage sei. Sein Verhalten zerstöre so nachhaltig die Vertrauensgrundlage, dass der Dienstherr mit einer Entlassung nicht bis zum Ablauf der Probezeit warten dürfe (Aktenzeichen 4 L 587/20.MZ).

Risiko WhatsApp-Gruppe

Schon die bloße Mitgliedschaft in einer WhatsApp-Gruppe birgt mittlerweile erhebliche Risiken. Gerät das Handy eines Chatteilnehmers in die Hände der Polizei, kann diese den kompletten Verlauf der Chatgruppe auf fragwürdige Inhalte untersuchen – selbst wenn Auslöser der Ermittlungen was ganz anderes war. Den Fall einer Polizeibeamtin aus Nordrhein-Westfalen nutzt das Verwaltungsgericht Düsseldorf nun für eine wichtige Klarstellung.

Das Land wirft der Polizistin vor, sie habe im Jahr 2013 (!) eine Bilddatei über eine WhatsApp-Gruppe erhalten, die eine Hitlerparodie zeige. Das sollte reichen, um die Beamtin vorläufig vom Dienst zu suspendieren. Hierzu vermisst das Gericht schon mal jede Feststellung, dass die Betroffene das fragliche Bild tatsächlich zur Kenntnis genommen hat. Die bloße Mitgliedschaft in einer Chatgruppe bedeute nicht, dass der Teilnehmer auch alle Nachrichten gesehen oder gelesen hat, die in der Gruppe veröffentlicht werden. Für die Kenntnis bedürfe es eines Belegs in Form einer „tragfähigen Grundlage“, so das Gericht. Mit anderen Worten: Es gibt keine Vermutung dafür, dass der Teilnehmer einer WhatsApp-Gruppe auch wirklich alles liest, was dort gepostet wird.

Auch ansonsten lässt das Gericht an der Suspendierung kein gutes Haar. Bei dem Bild handelt es sich nämlich nicht um ein Hitlerbild, sondern das Foto eines Dritten, der Adolf Hitler offensichtlich verspotte, überzeichne und der Lächerlichkeit preisgebe. Es sei nicht nachvollziehbar, wieso ausgerechnet aus diesem Bild auf eine verfassungsfeindliche Gesinnung geschlossen werde. Als fernliegend beurteilt das Gericht auch den Vorwurf der Volksverhetzung und des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen (Aktenzeichen 2 L 1910/20).

Starkes Signal

Das Bundesjustizministerium hat nun die angekündigte weitere Verschärfung des Sexualstrafrechts auf den Weg gebracht. Mit einer ganzen Palette von Gesetzesänderungen soll sexualisierte Gewalt gegen Kinder härter bestraft werden.

Den Gesetzentwurf kann man hier nachlesen. Ich will nur mal einen Punkt herausgreifen. Das Ministerium will künftig sogar den Besitz von „Sexpuppen“ bestraft sehen, selbst wenn diese nicht unter die schon geltenden Vorschriften zur Kinderpornografie subsumiert werden können. Es geht um „körperlichen Nachbildungen eines Kindes oder eines
Körperteiles eines Kindes, die nach ihrer Beschaffenheit zur Vornahme sexueller Handlungen bestimmt sind“.

Laut dem Ministerium gibt es einen regelrechten Markt für solche Produkte. Nehmen wir das mal zur Kenntnis. Die betreffenden Puppen sähen echten Kindern immer ähnlicher und würden bevorzugt im Internet verkauft. Warum Puppen mit kindlichen Zügen strafbar sein sollten, wird wie folgt begründet:

Es besteht die Gefahr, dass Sexpuppen mit kindlichem Erscheinungsbild bei den Nutzern die Hemmschwelle zur sexualisierten Gewalt gegen Kinder senken und damit zur sexualisierten Gewalt gegen Kinder mittelbar beitragen. Durch die Nutzung solcher Objekte kann der Wunsch geweckt beziehungsweise verstärkt werden, die an dem Objekt eingeübten sexuellen Handlungen in der Realität an einem Kind vorzunehmen. Hierdurch wird die Gefahr für Kinder, Opfer von sexualisierter Gewalt zu werden, gesteigert, was nicht hinzunehmen ist. Von der neuen Regelung soll auch ein Signal für die Gesellschaft ausgehen, dass Kinder – seien sie auch nur körperlich nachgebildet – nicht zum Objekt sexueller Handlungsweisen
gemacht werden dürfen.

Schon der bloße Besitz so einer Puppe soll mit einer Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren bestraft werden. Das ist in der Tat ein „Signal“. Nämlich für einen gewissen Kontrollverlust bei den Verantwortlichen, was die Verhältnismäßigkeit von Strafdrohungen angeht.

Senior sorgt mit Pfefferspray für Abstand

Wegen Angst vor Corona soll ein 71-jähriger Mann zwei Radler ohne Vorwarnung mit Pfefferspray besprüht habe. Das Ehepaar haben einen Sturz verhindern können und die Polizei alarmiert, heißt es in Zeitungsberichten.

Gegenüber der Polizei soll der Senior gesagt haben, dass er Personen aus seiner Sicht nur mit Pfefferspray auf dem vorgeschriebenen Abstand halten könne. Die Polizei zeigte ihn wegen wegen gefährlicher Körperverletzung und gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr an.

Die Abwehrmaßnahme ist natürlich offensichtlich überzogen und gefährlich, insbesondere wenn die anderen Personen wirklich nur vorbeilaufen bzw. vorbeifahren und der Pfefferspray-Einsatz vorher nicht mal angedroht wird. Außerdem birgt der Einsatz die Gefahr, dass die Personen noch länger im Umfeld des Mannes verbleiben, weil es zu Streit kommt. Doch wie sieht es strafrechtlich aus? Kann der Mann vielleicht doch auf Notwehr berufen?

Dazu bedarf es zunächst eines gegenwärtigen rechtswidrigen Angriffs. Ein Angriff, also eine Bedrohung oder Beeinträchtigung rechtlich geschützter Interessen, kann in der Unterschreitung des Mindestabstands sicherlich liegen. Denn auch wenn nicht klar ist, ob die vorbeikommenden Personen in der Lage waren, den Mann mit Corona zu infizieren, kommt eine Bedrohung der Gesundheit jedenfalls abstrakt in Betracht. Beachten muss man natürlich, dass der Mindestabstand nicht überall einzuhalten ist. Wenn etwa in Bussen oder Bahnen kein Platz ist, darf der Mindestabstand unterschritten werden.

Aber gehen wir davon aus, der Angriff war gegenwärtig und rechtswidrig. Weiterhin müsste die Verteidigung aber erforderlich gewesen sein. Es darf kein gleich geeignetes, milderes Mittel geben, das den „Angriff“ ebenso gut abgewendet hätte. Aus meiner Erfahrung in den letzten Wochen und Monaten meine ich, dass der Mindestabstand eigentlich immer wiederhergestellt wird, wenn man darum bittet. Zwar muss man sich im Rahmen der Notwehr nicht auf einen „Kampf“ mit ungewissem Ausgang einlassen, aber eine freundliche Bitte zumindest die Drohung mit dem Pfefferspray-Einsatz ebenso effektiv gewirkt. Damit hat sich das mit der Notwehr wohl erledigt.

Autor: RA Dr. André Bohn

Bei uns schon strafbar

Laut Spiegel und taz soll das Verschicken sogenannter „Dick-pics“, also Fotos des männlichen Geschlechtsorgans, in Finnland unter Strafe gestellt werden. Das Strafmaß soll von einer Geldstrafe bis zu sechs Monaten Freiheitsstrafe reichen.

In Deutschland ist das Versenden solcher Bilder bereits nach § 184 Abs. 1 Nr. 6 StGB strafbar und wird mit Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr bestraft.

Natürlich ist es nicht schön, unaufgefordert sexuelle Bilder zu erhalten. Dass das Versenden solcher Bilder aber ein Unrecht darstellen soll, das man gleich mit dem scharfen Schwert des Strafrechts bekämpfen sollte, erschließt sich mir jedenfalls nicht. Welches Rechtsgut soll denn zum Beispiel damit geschützt werden? Außerdem heißt es in den Artikeln weiter, dass es häufig schwierig sei, den Täter ausfindig zu machen. Daran ändert aber auch eine Strafnorm nichts.

Auf die generellen Zweifel, ob gesellschaftliche Probleme mit immer schärferen Gesetzen zu lösen sind, will ich in diesem Artikel gar nicht weiter eingehen.

Autor: RA Dr. André Bohn

verfahren5.zip

Falls Ihr mal auf der Suche nach einem Anwalt seid und es möglicherweise sogar eilig ist, nehmt euch diese Mail nicht zum Vorbild:

Sehr geehrter Herr Rechtsanwalt Vetter,

ich brauche sehr dringend Ihre Hilfe. Bitte schauen Sie sich die beigefügten Unterlagen an, ich warte dringend auf Ihren Anruf. Siehe alles im Anhang. Die Datei öffnet sich, wenn Sie mit der Rechten Maustaste auf die beigefügten Anlage klicken, und wählen Sie dann „runterladen“, so öffnen Sie die zugesendete Anlage.

Die Datei heißt übrigens „verfahren5.zip“.