Haftgründe? Aber klar!

Es geht um Warenbetrug. Packstationen spielen eine Rolle. Die Polizei hat meinen Mandanten an so einer Packstation festgenommen, als er – möglicherweise – eine Sendung abholen wollte, die so nicht für ihn gedacht war.

Aber darum geht es nur am Rande. Der Kripobeamte in dem eher beschaulichen hessischen Ort war so angetan von seinem Ermittlungserfolg, dass er meinen Mandanten unbedingt in Haft sehen wollte. Das jedenfalls machte er in seinem Abschlussvermerk sehr deutlich:

Aufgrund des Tatverdachts gemäß § 152b StGB liegt im vorliegenden Fall schon grundsätzlich wegen der Schwere der Tat ein Haftgrund vor.

Polizeibeamte sind keine Juristen. Aber sie haben natürlich Tag für Tag mit Paragrafen zu tun. Vor allem mit denen der Strafprozessordnung. Definiert diese doch weitgehend die „Spielregeln“ für die tägliche Arbeit der Beamten, zumindest im Bereich der Strafverfolgung. Hier scheint der Polizist, vorsichtig gesagt, eher rudimentäre Kenntnisse zu haben.

Das Gesetz (§ 112 StPO) fordert für die Untersuchungshaft zwei Dinge: Dringenden Tatverdacht – und einen Haftgrund. Von wenigen schweren Delikten wie Mord und einigem Dingen aus dem Bereich der Sexualstraftaten begründet „die Tat“ also solche gerade keinen Haftgrund, sondern ist Teil der erstgenannten Voraussetzung. Der Haftgrund ist etwas komplett anderes. Die klassischen Haftgründe sind Flucht oder Fluchtgefahr, Verdunkelungsgefahr und die Wiederholungsgefahr.

Es handelt sich beim Tatverdacht und den Haftgründen also um komplett unterschiedliche Dinge. Diese darf man nicht in einen Topf werfen. Vielmehr müssen die betreffenden Voraussetzungen a) dringender Tatverdacht und b) Haftgrund in aller Regel gemeinsam vorliegen. Die Straftat kommt allerdings beim Haftgrund der Fluchtgefahr allerdings ein klein wenig indirekt ins Spiel. Denn nach Auffassung vieler Gerichte begründet eine hohe Straferwartung (so ab 3 Jahre 6 Monate) auch einen hohen Fluchtanreiz.

Von so einer exorbitanten Straferwartung konnte man im vorliegenden Fall aber nun wirklich nicht ausgehen – es ging wie gesagt nur um eine fragwürdige Sendung mit zwei Cargoshorts von Zalando.

Langer Rede, kurzer Sinn. Nicht mal der Staatsanwalt hat beantragt, dass mein Mandant zum Haftrichter muss. Das Verfahren ist übrigens mittlerweile auch beendet – mit einem Freispruch. Und wenn es nach den Wünschen des Polizeibeamten gegangen wäre? Das hätte meinem Mandanten zumindest den Job gekostet, wenn nicht die komplette Existenz.