Die Gutscheinlösung für die Veranstaltungsbranche ist nun Gesetz. Der Bundesrat stimmte der Regelung zu, wonach Inhaber vor dem 8. März 2020 ausgestellter Tickets im Falle abgesagter Veranstaltungen nicht die Erstattung ihres Geldes verlangen können. Vielmehr darf der Anbieter dem Kunden einen Gutschein geben. Wir sind jetzt sozusagen alle Deutsche Bank.
Geld zurück erhalten Kunden nur, wenn sie einen langen Atem haben. Wer den Gutschein bis zum 31. Dezember 2021 nicht eingelöst hat, kann dann sein Geld zurückverlangen. Vorausgesetzt natürlich, der Veranstalter existiert zu diesem Zeitpunkt noch. Die Gutscheine sind in keinster Weise insolvenzgesichert. Das heißt, der Kunde trägt das Pleiterisiko der betreffenden Unternehmen. Es würde mich auch nicht wundern, wenn der eine oder andere Veranstalter das Gesetz geradezu als Einladung ansieht, nach dem Motto: Take the money and run…
Immerhin sieht das Gesetz eine Ausnahme vor. Wem „der Verweis auf einen Gutschein … angesichts seiner persönlichen Lebensumstände unzumutbar ist“, der kann die Auszahlung verlangen. Kein näheres Wort dazu, wie schlecht es einem wirtschaftlich gehen muss, um in den Genuss dieser Ausnahmeregelung zu kommen. Am Ende sollen dann offenbar die Gerichte im Einzelfall entscheiden, wer arm genug ist, um schon vor Ende 2021 wieder in den Besitz seines eigenen Geldes gelangen zu dürfen. Da werden dann also Rechtsstreite um eine 75-Euro-Konzertkarte geführt. Oder auch nicht. Denn wer will sich schon für so einen Betrag vor Gericht als „arm“ outen – und zusätzlich noch das Prozessrisiko tragen?
Anscheinend ist auch niemanden der Gedanke gekommen, dass man dem vom Ticketkäufer zum Kreditgeber mutierten Kunden zumindest Anspruch auf ein wertgleiches Ticket für seinen Gutschein geben sollte. Und zwar für die erste Nachholveranstaltung des ausgefallenen Events beim gleichen Veranstalter. So ist jetzt ein Anreiz für die Veranstalter geschaffen, neue Tickets erst mal wieder an Barzahler zu verkaufen.
Sogar der Mechanismus dafür steht schon zur Verfügung. Denn offensichtlich hat niemand daran gedacht, die großen Ticketportale dazu zu verpflichten, ihrerseits die Gutscheine zu akzeptieren, wenn das verfallene Ticket über sie bezogen wurde. So kann man also demnächst neue Tickets über die Portale vertreiben, als wäre nichts gewesen. Derweil dürfen die Gutscheininhaber, denen die Portale die Einlösung des Gutscheins zu Recht verweigern, bei den einzelnen Veranstaltern selbst anklopfen. Nur die wenigsten werden wohl den nötigen langem Atem und die Geduld haben, sich hier Recht zu verschaffen.